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Das Opfer

Dramatisches Gedicht

Nächtliches Flußufer einer Stadt

Der Fremde

Jetzt hinab die letzten Stufen,
Zwischen drohenden Baracken –
Unten klatschen schon die Planken
Von den Wassern überspült.
Laß die schlechten Huren rufen
Zwischen Licht und Gitterzacken ...
Nicht mehr trüben dich Gedanken,
Und Gefühl ist ausgefühlt!

Wenn die Welt sich abgewendet,
Glaube nicht, du kannst es tragen,
Wenn die Schönen dich verachten
Und die Eltern selbst im Haus.
So, nun sei es denn vollendet!
Brüder haben mich geschlagen,
Meine zarten Schwestern lachten,
Und die Mutter spuckte aus.

Aber selbst die stummen Sachen,
Schöngebleichte Wäschestücke,
Tisch und Bücher, milde Speisen,
Anzug und der helle Hut,
Bester Ort, wo wir nicht wachen,
Selbst das Bett war voller Tücke,
Tuch und Holz und Glas und Eisen,
Nichts war lieb zu mir und gut.

Aber bist du auch verstoßen,
Kannst du würdig dich erschließen,
Bietend deine weltgeneigte,
Harterfahrne Herzenslast.
Doch ich bin nicht von den Großen,
Nach dem Spiegel, der mich zeigte,
Wütend meine Fäuste stießen.
So war ich mir selbst verhaßt.

Bald zu ruhendem Gestade
Treib' ich in dem Flußgestöhne,
Ohne Häßlichkeit und Schöne,
Ohne Schwäche, ohne Kraft –
Walle ich die zarten Pfade,
Von der ungebornen Güte,
Unbewußtem Nachtgemüte
Leichten Wirbels hingerafft.

Aber eh' ich mich zerstreue,
Morgenröte, Ätherbläue –
In das Hohe, in das Flache
Bin ich noch nicht eingestimmt.
So ich noch der Form mich freue,
Werf' ich von mir alle Reue,
Und ich rufe: Rache, Rache ...
Jauchzend bis ins Herz ergrimmt!!

Kommt dort nicht ein Hund gesprungen
Über die verfallenen Steine?
Eine schöne, edle Rasse
Scheint er, weiß und wohlgepflegt.
Und nun hält er, wie gezwungen,
Schlank erzittern seine Beine –
Spürt er mich in enger Gasse –
Warum bin ich aufgeregt?!

Der weiße und gepflegte Hund

Mein Herr – Mein Herr! Ich wußte es ja.
Darum entsprang ich dem Fräulein und der feinen Kotelette –
Nun bist du da, wie ich dich sah
Im Traume oft. O, guter Schlafkorb neben mächtigem Himmelbette!

Da bist du ja, der groß am Himmel stand,
Oder über die Baumwipfel hüpfte, die mir unsichtbar blieben.
O, oftmals Gefährdeter! Am Teich, an steiler Felsenwand! –
Ich will springen! Ihr Häuser, ihr lieben!!

Vergaßest du, weißt nimmer die Nacht,
Wo so viele Sterne dich bedrohten?
Ich schützte dich vor den bösen Toten,
Hielt gute Hauswacht.

Weißt? Wie du zum Wasser gestellt
Beim Steinwurf dich wild vorgebogen?
Da hab ich gebellt –
Und Abhang und Welle waren dir gewogen.

So viele Blitze fallen durch den Raum,
So viele Bäume stürzen beim Sturmtosen.
Und meine großen, runden, tränenlosen
Augen fürchten für dich von Traum zu Traum.

Nun bist du da! Spür' deinen Nachtgeruch, spür' dein Gesicht!
Nun wirst du Flocki rufen, den Einzigen in aller Welt erkennen.
Und wirst mich gar mit einem fernen, niegehörten Namen nennen,
Der mir wie süßes Feuer in die Seele bricht.

Rufst du, rufst du mich nicht zu dir her?
Mein Herzchen klopft. Ich zittre. Wirst mich nicht streicheln?
Ich will mich in dein donnerndes Dasein schmeicheln,
In Sonne spielen durch dich her.

Du hebst die Hand, du pfeifst, greifst just ans Kinn.
Die Stimme dein hebt an, die altgewaltig neue –
Da bin ich, ach, mein Herr, da bin ich, nichts als Treue,
Da bin ich, Herr mein Herr, hier sterb' ich vor dir hin!!

Der Fremde

Wie er häßlich sich gebärdet,
Blöd unbändig tanzt und hüpft,
Immer heller näher schlüpft,
Kläffend rings die Nacht gefährdet!

Der weiße und gepflegte Hund

Was hält, was befällt mich,
Was wirbelt mich hin?
Ein Jauchzen zerschellt mich,
Ich fühl es – Ich bin!!

Der Fremde

Wo die Wäschestücke bleichen,
Wird er manchen Tag noch bellen,
Springen unter Sternenzeichen
Und an Baum und Wasserfällen.

Der weiße und gepflegte Hund

Nun mich zu vereinen
An mächtigem Ort,
O könnte ich weinen,
O wüßt' ich ein Wort!

Der Fremde

Kleines Luder, du wirst leben,
Wenn am Abend Karusselle
An dem alten Walzer schweben
Unter bunter Rampenschwelle.

Kleines Luder, du wirst leben,
Wenn ins Gold der Promenade
Equipagen ohne Gnade
Lautlos himmlisch sich verweben.

Kleines Luder, du wirst leben,
Wenn sich auf Hotelterrassen
Frauen, die sich nie vergeben,
Am Geländer gehen lassen.

Kleines Luder, du wirst leben,
Wenn vor Türen Greise rauchen,
Wenn aus fernstem Meer mit Beben
Schiff und Blasmusiken tauchen.

Kleines Luder, du wirst leben,
Wenn im Zirkus Tricks erscheinen,
Leben, wenn an Gitterstäben
Arme Radfahräffchen weinen.

Kleines Luder, du wirst leben,
Wo sich Stimm' und Farb' erheben,
Mitten drunter und daneben,
Kleines Luder wirst du leben!!

Der weiße und gepflegte Hund

Mein Herr, mein Herr, was sprichst du?
Ich werde fliegen!
Mich an dein rauhes Knie schmiegen!
Wirst du mich dulden? Mach dein Reden nicht zu!
Du wirst sehn. – Ich will dir Ehre machen,
Deine Freunde werden meine Künste belachen.
Ich will dir große Preise bringen.
Weißt, ich kann springen!

Der Fremde

Foxl!!

Der weiße und gepflegte Hund

(springt rasend an ihm empor)

Der Fremde

Wer ist einst in einem Saal gesessen?
Von Gleichmut des andern Daseins (höchster Fluch!) gemessen?
Gesetz! Wer hat für mich falsch gebürgt?
Genug! Ich bin erwürgt!
Und als ich Teppiche lud und Hanf faserte und um mich tausend fremdes Lachen war,
Und als die Sonne aufging – und es Sankt Moritz gab – und für mich nichts zu machen war,
Als mein volles Leben an Mauern schlug,
Keine Kraft mir half, nicht List und nicht Betrug,
Und war doch geschaffen zur Freud,
An Baum und Turm und Kleid,
Zu freiem, atmendem Leid!
Da wuchs es in mir groß in jagenden Gesichten:
Hier, diese Hand kann andern Schicksal sein,
Die Rache, sie ist mein!
Ward ich gerichtet, will ich richten,
Ward ich vernichtet, will ich auch vernichten!!

Ich nehme etwas hinüber,
Meine Augen werden vor Entzücken trüber.
Und meine Finger fühlen eine weiche Wut
Und Sehnsucht nach rinnendem Blut.
Muß ich aufhören,
War ich denn niemals mein?!
Ha, will sich Gott in mir zerstören,
Zerstör ich ihn in einem andern Sein!

(Er gibt dem Hund einen Fußtritt, daß dieser zurückfährt.)

Der weiße und gepflegte Hund

Ach, ich verdiene Strafen,
Ich bin nicht von den Braven,
Frech war ich und vermessen,
Bin traurig, will nichts essen.

Der Fremde

Der Ton, mit dem der Vater mich gescholten,
Als ich unschuldig aus der Schule kam,
Der Hieb, der diesem Rücken nicht gegolten,
Und den ich dennoch stumm entgegennahm,
Das Wort, mit dem das Mädchen mich beschämte,
Als ich vor Blau und Liebe überschmolz,
Die Stunde, wo ich mich zu Gift zergrämte,
Und eins ums andre hingab, Scham und Stolz!
Der Abend, wo ich auf gepriesenem Balle,
Zerbißnen Bartes in der Ecke stand,
Die Walzer und die Frauenstimmen alle
Zerquetschte in der rechten Hand!
Die Wochen, die sich wächsern abgespiegelt
Auf Formularen grinsend auf dem Pult,
Und jenes Jahr, das meinen Tod besiegelt,
Als erstes Wissen wuchs aus erster Schuld:
Ihr tausend kitzlig ungenannten Flammen!
Du letztes auf der Welt, erhabene Wut!!
Ich schlage euch um diesen Stein zusammen,
Nun Stein ... triff gut!!

(Er verwundet das Hündlein.)

Der weiße und gepflegte Hund

(nachdem er sich dunkel, wimmernd erholt hat)

Mir ist, wie wenn Daisy Klavier spielt schön.
Und doch fiel ein Donner aus Himmelshöhn
Und macht mir Schmerz.
Hab nie solche bunte Sterne gesehn,
Sie tanzen vor mir. Was ist geschehn?
Meine Beine sind stumm. – Mein Herz!
Was ist, das weh vorüberflieht?
Petroleumlampengeruch,
Die böse Fliege auf einem Buch,
Ein Pferd, das zitternd mich ansieht.
Die Kinder kommen und sagen
»Gib's Pfoti her« und tragen
Ins Zimmer mich ... dort ist Besuch –
Wo ist auf einmal der Abend her?
Man war mit Hühnern lieb,
Und der verfluchte Dieb
Steigt wieder übers Gitter schwer.
Was kommt dies alles und sieht mich an?
Was ist, daß ich nicht atmen kann?
Wer hat mir das getan?!

Der Fremde

Dort zuckt ein Leben, klein im Kreis.
Am Himmel schwillt ein Streifen weiß.
Und eh' der Streifen noch erlischt!
Wohlan die eigne Form verwischt!
Wohlauf sich frisch ins All gemischt,
In Mond und Äther, Wolk' und Gischt!!

(Er springt auf das Landungsponton und steht ungeheuer, metallisch schwarz, vor dem Lichte der Nacht.)

Der weiße und gepflegte Hund

(kriecht wundersam zu ihm)

Warst du's, der es dem Donner befahl? –
Wer will uns trennen? – O Qual!
Es kommt – Ich kann's nicht glauben –
Und will mich Kleinen rauben.
Doch du bist groß, du wirst mich halten
In deines Hauchs gleichmäßigen Gewalten.
In dir ist Schlaf ... In dir
Schlagen die Uhren aller alten Zimmer mir.
An deiner Brust ist Geruch aller Nacht,
In deiner Brust ein Lämplein, das mir wacht.

Komm heb mich auf,
Zu deines Atmens Windlauf!
Daß an dem schwellend treuen Ton
Ich müdes Tier entträume schon.

Der Fremde

Ah, mein Symbol! O witzige Todesstunde!
In dir, mein Hund, erkenn ich mich im Grunde.
Schlich ich nicht auch zu jenen Mörderhänden
Liebkosend hin, als sollten sie es wenden?
Doch ich bin gut. – Ich werde dich ersaufen!
Sie ließen mich mit schwarzem Brande laufen.
Sieh mich nicht an mit ungeheurem Blick,
Der furchtbar deinem Wesen eigen.
Ich will dir schon das Leben zeigen,
Treue für Treue, Schicksal um Geschick!!
Wie gut! Es liegt in unsern Händen,
Daß wir hier schuldig werden! Gott sei Dank!
Der Streifen lischt, die Zeit wird allzulang,
Auf, Batuschko, wir wollen uns beenden!!

(Er hebt den Hund hoch empor, streckt ihn gegen die Sterne, erwürgt ihn und schleudert ihn weit hinaus ins Wasser.)

Der Fremde

(bleibt vorgebeugt, die Hände zum Sprung nach rückwärts, in die Nacht hineinhorchend, unbeweglich)

Des Hündleins Geist vom Wasser her

Jetzt weiß ich, was Sterne sind,
Worte, sie werden klar ...
Mutter ist wunderbar. –
Wie war ich stumm und blind.

Nun bin ich aufgetan
In tiefes Blau und Gold,
Süßes, was ich gewollt,
Siehst du, da schwebt's heran.

Daß ich gestorben bin,
Jetzt kann ich es verstehn.
Ich bin, ich bin nicht hin,
Ich werde dich umwehn.

Lamm, ach, es lächelt mir
Lustig und traurig zu.
Kommt klein und sagt mir: du!
Alles ist grün hier.

Der dort mit Nachtgesicht,
Wo ich nichts sehe, steht,
Liebe, die nicht vergeht,
Liebe verliert ihn nicht.

Ja, und mein Wesen weit,
Das jetzt in alles kann,
Füllt ihn bis oben an.
Horch, wie er schreit!!

Der Fremde

Ist's ein unterirdisch Lärmen,
Das mir jetzt den Sprung verwehrt?
Müssen meine Ohren schwärmen
Schon dem Tode abgekehrt?
Doch jetzt kann ich's endlich deuten,
's ist das alte Tramwayläuten,
's ist der Lärm von Stuf' und Hufen,
Kutscherfluch und Kellnerrufen.
Duft verspür ich von Lokalen,
Denen wir entgegenbrennen,
Wo die Frauen, ach, zum Flennen,
Wechselnd uns entgegenstrahlen.
Und ich fühle süßes Prickeln,
Mich nochmals dareinzuwickeln.

Des Hündleins Geist

     Verzückung,
Darf ich dich fühlen?
Wie bin ich frei und ohne Schleim,
Mich durch dies ungeheuere Daheim,
Vergoldet, tönend, hin und her zu spülen!

Nun liegt der kleine Hund
Auf grauem Wassergrund.
Sticht ihn ein Untier an,
Hat es mir nichts getan.
Wohin bin ich geschwellt?
Ach, unsere Lebenswelt
Ist voll von meinen jauchzenden Gefühlen!!
Da unten steht mein Held,
Hat er mich auch zerschellt,
Hab ich für ihn mein Dumpfes ausgeblutet, –
Bin ich nun doppelt sein,
Fühlt er, wie morgenrein
Ein Freudedröhnen herrlich uns durchtutet.
Sein trübgewordenes Bild,
Wie es nach oben schwillt,
Erfüllt von dieses Seelchens Fernengüte ...
Als ich noch irdisch war,
So schmerzlich Liebe war,
Jetzt weiß ich wunderbar,
Daß ich durch mächtig dünnstes Dasein, Kind, dich hüte!

Der Fremde

War ich verrückt?
Was hab ich getan?
Einen windigen Hund
Brachte ich um.
Doch ist mir unendlich zum Lachen!
Unbekannte Frechheit faßt mich an,
Daß ich mich vor Tat nicht halten kann.
Durch die Adern rast mir Lustigkeit,
Lippen sind mir zum Geschrei bereit.
Mit den Fingern möcht' ich Nobles packen,
Im Triumph, was mich verhöhnte, knacken!
War noch kaum zertreten und zerrissen,
Hab' ich einen Hund ins Nichts geschmissen,
Hat mein Wesen, noch vom Druck verschandelt
Sich zu einem Blechquartett verwandelt.

Des Hündleins Geist

Fühlst du, fühlst du jetzt,
Freude, Lust, Unendliches?!
Schreite, lache, schlage im Sturm!
Ich starb für dich. –
Nun fügt uns stürzend,
Stärke des Lebens!

Der Revierinspektor

(tritt auf)

Hier zu brüllen, hier zu wüten,
Find ich einfach unerhört.
Denn ich muß die Ordnung hüten,
Daß mir nichts die Ruhe stört.
Gehen Sie, ich bin empört!!

Der Fremde

Mensch, Sie kommen mir gelegen.
Meine Brust ist allzuvoll,
Mich durchjagen Wolken toll.
Bitte ziehen Sie den Degen,
Kalt mir auf den Leib zu rücken.
Wonne wär's, ihn zu zerstücken!

Der Revierinspektor

Wüstling, sind Sie denn betrunken,
Spricht man so zur Obrigkeit?!

Der Fremde

Auf dem Helm ein roter Funken
Ärgert mich die ganze Zeit.
Ist auch bübisch, was ich tue,
Schafft es meinem Auge Ruhe!

(Er reißt dem Revierinspektor die Pickelhaube vom Kopf.)

Der Revierinspektor

Dieses wirst du noch bedauern,
Steckst du hinter Kerkermauern.
Wart! vielleicht wirst du gehangen,
Ich erklär dich für gefangen.

Der Fremde

Mit den gichtisch-schnapserschlafften
Fingern willst du mich verhaften?
Heute, wo zum erstenmal
Welt sich mir zu Füßen faltet,
Im Triumph von mir gestaltet,
Wo ein neubarbarischer Strahl
Mir aus allen Gliedern spritzt?

Der Revierinspektor

Herr, wie Sie, bin ich gewitzt.
Lernens meine List begreifen!
Pfeife ist ja da zum Pfeifen.

Der Fremde

Ruf nur deine Eisenmenge,
Das bewimpelte Gedränge,
Platter Stiefel dumpfer Haufen,
Wichtig durch die Nacht zu laufen,
Säbelschlampen, Sporenschmatzen,
Daß sie Dunkelheit zerkratzen.
Als ich dumpf die Stadt durchschlichen
Bin ich ihnen ausgewichen.
Doch jetzt bin ich angewachsen,
Rüttle an den Erdenachsen,
Hab euch bald zu Brei zerdreht.
In der Hand halt' ich Orkane,
Und die Brust, wie eine Fahne,
Ist vom Siegestanz gebläht.

(Zwanzig Polizisten kommen hereingelaufen.)

Der Revierinspektor

Auf ihn,
Haltet ihn,
Laßt ihn nicht,
Das Diebsgesicht,
Laßt ihn nicht fliehn.

Die Polizisten

Drauf und dran!
Auf den Mann!!
Wir kriegen dich,
Wir biegen dich!
Wir fassen ihn,
Wir lassen ihn,
Den Schurken, nicht entfliehn!

(Sie dringen, vom Revierinspektor fuchtelnd angeeifert, auf den Fremden ein.)

Der Fremde

(bis zu den Knien im Wasser, rafft Steine auf und schleudert sie gegen die Polizisten)

Man hat mich zerplackt,
Da war mir's zu bunt.
Ich würgt' einen Hund.
Seht zu, wer mich packt!
Ihr Steine zerzackt
Fliegt Raubvogeltakt,
Mit kantigem Schnabel
Zerfleischt und zerhackt!

Die Polizisten

(schießen)

Der Fremde

(hat mit den Steinen den an den Rand gespülten Kadaver des Hundes aus dem Wasser gerissen)

Der Fremde

Dieser Hund ist meine Beute.
Daß ich heut mein Blut befreite
Mußte ich das Kleine morden,
Ratten wären fett geworden.
Doch für euer Angesicht
Dünkt es mich zu schade nicht.

(Er trifft mit der Hundsleiche den Revierinspektor. Dieser schreit kläglich. Der Fremde ist in ein Boot gesprungen und stemmt schon das Ruder gegen die Uferverkleidung. Der Revierinspektor hält plötzlich eine elektrische Taschenlampe mit starkem Reflektor hoch, die alle Bewegungen des Fremden kreisrund beleuchtet. Das Schießen wird infolgedessen heftiger.)

Des Hündleins Geist

(schon entrückter)

Geliebter, Geliebter, du siegst!
Ich siege mit dir.
Die Welt ist voll Wonne,
Dir und mir.
Wann wirst du auferstehn?
O, jüngster Tag! O, Wiedersehn!

Der Fremde

(schon ans andere Ufer stoßend)

Wie die Kugeln um mich jagen,
Blitze frisch ins Wasser schlagen,
Fühle ich mich schon gerettet,
Grenzenlos in Welt gebettet.
Und aus meinem alten, tauben
Herzen jauchzt ein neuer Glauben:
Gott, ich war dir so entrissen,
Wollte denken, wollte wissen,
Statt ins Wetter mich zu mischen,
Wollt' ich dich im Wort erwischen.
Ach, sie müssen dich verfehlen
Alle abgeschlossen Seelen!
Und wer Rechnung führt und Gründe,
Und wer sagt, daß er verstünde,
Ist der Ausbund aller Sünde
.

Doch ich treuer Gottesknecht
Bin gesteigert, bin im Recht.
Will auf tausend angefachten
Feuerständen Opfer schlachten.
Du mein Außen, du mein Innen
In dir jedes Werk beginnen!
Und weil ich es nicht verstehe,
Daß ich herrlich weiterwehe,
Statt zergangen und zerschollen
Durch die Schleusen hinzurollen,
Will ich beten, will ich jubeln,
Ewig durch dein Nichts mich trubeln!!

(er ist gelandet und entweicht)

Des Hündleins Geist vom letzten Firmament

Geliebter, den ich nicht verlor,
Ich weiß dich nicht mehr.
Doch leb ich hier so sehr,
Und ahne von Erden her
Wettrennen golden und Kirchenchor.

Alles, von dem ich nicht wußte
In meinem Jahr,
Was es war, ist da.
Ich bin dort, wo es beginnt,
Wo auch du beginnst,
Geliebter! – Kind!
Und ich fließe vor Seligkeit,
Weil ich hier ohne Zeit
Auffand, was ich nie genannt. –

Als ich einmal stand
Vor meines Fräuleins Haus,
Ging die Sonne unter,
Und ein Leierkasten spielte was.
Man sagte dazu!
Sextett aus Lucia di Lammermoor.
Und auch dies entspringt hier und fließt.
Ich weine mit allen Seelen ...

Denn die Liebe, die Liebe fängt an.


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