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8. Werdet wie die Kinder!

Jesus rief sie herzu und sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen

Zu mir, zu mir, ruft Jesus noch,
Die Kindlein lasset kommen,
Hab' ich aus Lieb' zu ihnen doch
Die Kindheit angenommen;
Ja, wie ein arm, elendig Kind
Gebüßet und beweint die Sünd'
Der Kinder, die mich hören.

Ich hab' am Kreuz für sie mein Blut
Mit bitterm Schmerz vergossen,
Dadurch gelöscht der Hölle Glut,
Den Himmel aufgeschlossen,
Nun steh und ruf ich mit Begier:
Kommt, Kinder, kommet her zu mir,
Ich will euch selig machen.

Zu mir, zu mir, nicht zu der Welt
Und ihren Eitelkeiten,
Die auch euch Kindern sehr nachstellt
Und lockt auf allen Seiten.
Drum sieh dich vor, mein Kind, und tu
Vor ihr dein Aug' und Herze zu,
Sie stürzt dich ins Verderben.

Sie beut dir an Lust, Ehre, Pracht,
Freud, Schönheit, Ruh und Schätze,
Doch wenn man's alles wohl betracht,
So sind's nur Strick und Netze,
Die Satan braucht, dadurch die Seel'
Zu fangen und zu führ'n zur Höll'
Auf ebnen, breiten Wegen.

Welt-Ehre, Lieb, Lob, Gunst und Gnad'
Ist kaum mit Müh zu kriegen,
Und wem sie's heut' gegeben hat,
Den läßt sie morgen liegen
In Schmach, Verachtung, Spott und Kot;
Und hielt man's gleich bis an den Tod,
Folgt dann doch ew'ge Schande.

Ihr Scherzen, Lachen, Tanzen, Freud
Geht nimmer recht von Herzen
Und wird gar leicht verkehrt in Leid,
Bringt endlich ew'ge Schmerzen.
Dein Schönheit, die sie so hoch acht,
Liegt bald verwelket und veracht,
Dann hast du ausgedienet.

Die Welt auch Ruhe dir anbeut,
Doch kann sie gar nichts geben
Als Unruh, Grämen, Müh und Streit,
Ein jammervolles Leben,
Und gibt sie Ruh, so ruhet man
Am Höllenrand, drin stürzt sie dann
Im Tod dich plötzlich nieder.

Ihr Reichtum, Schätze, Geld und Gut,
Drum muß man von dem Morgen
Bis in die Nacht, ja bis in Tod
Stets laufen, wühlen, sorgen:
Hat man's, gar leicht verliert man's noch,
Verliert man's nicht, so muß man's doch
Im Tode all's verlassen.

Nun sieh, mein Kind, dies ist's, wieviel
Die Welt vermag zu geben;
Hüt' dich vor ihrem Trauerspiel,
Es gilt dir Leib und Leben:
Merk doch aufs End', du mußt davon,
Sonst wirst du einst vor'm Richterthron
Geh weg von mir! anhören.

Nun ruf ich noch mit süßer Stimm:
Kommt her zu mir, ihr Kinder!
Steh still und es zu Herzen nimm,
Ich gebe dir nicht minder:
Denn des die Welt so rühmet sich,
Ist Schatten nur und wesentlich
Allein in mir zu finden.

Die Lüste, die ich tropfenweis gieß
Schon jetzt in keusche Herzen,
Zart, kräftig, innig, übersüß
Geist, Seel' und Leib ergötzen:
Schmeckt hier so meine Freundlichkeit,
Was wird's dann sein, in Ewigkeit
Aus Wollustströmen trinken!

Bei mir ist Ehre unverrückt,
Ich liebe, die mich lieben,
Auch ew'ge Gnade man erblickt
Nach wenigem Betrüben:
Ich steh in Not und Tod dir bei,
Ich bleibe ewig dir getreu,
Das hat gar viel zu sagen.

Ich will die Seel' mit Heiligkeit
Und Tugendschmuck umhangen,
Drin sie auf'm Thron in Herrlichkeit
Als Königin wird prangen:
Der Leib auf der Posaunen Hall
Wird aufstehn glänzend wie Kristall,
Durch meinen Geist verkläret.

Bei mir ist wahre Freud die Füll',
Die Welt noch Feind kann rühren;
Die macht im Kreuz und Leiden still,
Im Tod wohl jubilieren.
Fleuch, eitle Schönheit, die nur Wust,
So werd' ich ewig meine Lust
An deiner Schönheit haben.

Ich bin dein's Geistes Ruhestell,
Ich kann ihn nur vergnügen;
Es kann kein Sturmwind, Furcht nach Höll'
Auf meinem Schoß ihn rügen.
Komm her zu mir, ich rufe noch,
Mein Kind, nimm auf mein sanftes Joch,
So wirst du Ruhe finden.

Mein Reichtum ist beständig's Gut,
Den ich umsonst will schenken;
Kein Rost, kein Dieb, kein Feu'r noch Flut
Kann solchen ewig kränken:
Ich hab' ein ganzes Himmelreich,
Viel Königsschätze drin zugleich,
Die wirst du all ererben.

Sieh da, mein Kind, was Jesus sei,
Wo du nicht ganz ein Blinder;
Folg' meiner Stimm, weil ich noch schrei:
Kommt her zu mir, ihr Kinder!
Folgst du nun jetzt dem Rufen nach,
So sollst du auch an jenem Tag
Komm her zu mir! anhören.

Wenn dann die Welt samt Lust und Pracht
Im Feuer wird vergehen,
Dann wirst du werden zu mir bracht
Und freudig mit mir gehen;
In meinem Reiche da wirst du
Auf meinen Armen finden Ruh,
Und ich dich ewig herzen.

In meiner Liebe, Furcht und Ehr'
Die schönen Jugendjahren
Und zarte Blüt' der Kraft verzehr,
Laß Schein und Schatten fahren;
Kein'n Augenblick verschieb es nicht,
Eh' dir der Lebensfaden bricht:
Gib mir, mein Kind, dein Herze.

Der Frommen kleines Häufelein
Sei deine Lust auf Erden,
So wirst du auch ein Engelein
Mit ihnen nachmals werden:
Mein Engel hier bewahren dich,
Mit welchen du wirst ewiglich
Im Paradies spazieren.

Aufmunterung zum Kinderleben

Kommt, laßt uns Kinder werden,
Einfältig, klein und rein,
Von allem Trost der Erden
In Gott gekehret sein,
Des Vaters Wink und Zügen
Aufmerken und vergnügen
Und wie die Kindlein tun,
In seinem Schoße ruhn.

Kommt, Kinder, gebt das Herze
Dem lieben Vater ganz,
Es bleibt die Not und Schmerze,
Behält und teilet man's:
Ganz, ganz muß man sich geben,
Wer frei und froh will leben;
Ein willenloses Kind
In Einem Alles find't.

Zwar sind wir arme Sünder,
Doch lebt ein Jesuskind,
Dem woll'n wir uns als Kinder
Hingeben, wie wir sind,
Dem woll'n wir uns vertrauen
Und auf uns selbst nicht schauen,
Es sterbe die Natur,
Es lebe Jesus nur.

Bild der christlichen Kindheit

O liebe Seele, könnt'st du werden
Ein kleines Kindchen noch auf Erden,
Ich weiß gewiß, es käm' noch hier
Gott und sein Paradies in dir.

Ein Kindchen ist gebeugt und stille,
Wie sanft gelassen ist sein Wille!
Es nimmt, was ihm die Mutter gibt,
Es lebet süß und unbetrübt.

Man hebt es auf, man legt es nieder,
Man macht es los, man bind't es wieder:
Was seine Mutter mit ihm macht,
Es bleibt vergnügt und süße lacht.

Vergißt man sein, es ist geduldig,
Bleibt allen freundlich und unschuldig,
Durch Schmähen wird es nicht gekränkt,
An Lob und Ehr' es auch nicht denkt.

Ein Kindchen kann in Lust noch Schätzen
Noch andern Sachen sich ergetzen:
Man mach es arm, man mach es reich,
Es gilt ihm alles eben gleich.

Der Menschen Ansehn gilt ihm wenig,
Es fürchtet weder Fürst noch König;
O Wunder! Und ein Kind ist doch
So arm, so schwach, so kleine noch.

Es kennet kein verstelltes Wesen,
Man kann's aus seinen Augen lesen:
Es tut einfältig, was es tut,
Und denkt von andern nichts als gut.

Mit Forschen und mit vielem Denken
Kann sich ein Kind das Haupt nicht kränken,
Es lebt in süßer Einfalt so,
Im Gegenwärtigen ganz froh.

Ein Kindchen lebet ohne Sorgen
In seiner Mutter Schoß verborgen:
Es läßt geschehen, was geschieht
Und denkt fast an sich selber nicht.

Ein Kindchen kann allein nicht stehen,
Geschweige, daß es weit sollt' gehen:
Es hält die liebe Mutter fest
Und so sich führ'n und tragen läßt.

Und wenn es einst aus Schwachheit fället,
Es sich nicht ungebärdig stellet:
Man hebt es auf, man macht es rein;
Es geht hernach nicht mehr allein.

Ein Kindchen kann nicht überlegen,
Es läßt sich heben, tragen, legen,
Denkt nicht an Schaden noch Gefahr,
Es bleibt nur überlassen gar.

Ein Kindchen weiß von keinen Sachen,
Was andre tun, was andere machen,
Was ihm vor Augen wird getan,
Schaut es in stiller Unschuld an.

Sein liebstes Werk und höchst Vergnügen
Ist in der Mutter Armen liegen,
Sie anzusehen spät und früh
Und sanfte zu umarmen sie.

Es schätzet seiner Mutter Brüste
Mehr als die Welt und alle Lüste,
Da find't es, was ihm nötig ist,
Da schläft es ein und all's vergißt.

O süße Unschuld! Kinderwesen!
Die Weisheit hab' ich mir erlesen:
Wer dich besitzt, ist hochgelehrt
Und in des Höchsten Augen wert.

O Kindheit, die Gott selber liebet,
Die Jesu Geist alleine gibet,
Wie sehnet sich mein Herz nach dir!
O Jesu, bilde dich in mir.

O Jesu, laß mich noch auf Erden
Ein solch unschuldigs Kindlein werden;
Ich weiß gewiß, so kommt schon hier
Gott und sein Paradies in mir.

Der schwachen Kinder Trost

Gott ist nahe denen,
Die auf ihn sich lehnen
Und vertrauen bloß,
Die als arme Sünder,
Die als schwache Kinder
Sinken in den Schoß,
Der auch heut'
Noch angelweit
Offen und ganz nah uns allen;
Laß dich ganz drein fallen.

Wär' ich auf der Reise
Stark und schön und weise,
Möcht' ich irregeh'n:
Starke sind vermessen,
Weise gottvergessen,
Schöne sich beseh'n:
Armes Kind,
Sei bloß und blind,
Tiefer nur in Gott verborgen,
Laß die Mutter sorgen.

Nun, ich lieb' die Kleinheit;
Hätt' ich nur die Reinheit,
Die den Kindern ziemt!
Könnt' ich so ergeben,
Grundeinfältig leben,
Wie man Kinder rühmt!
Jesulein,
Laß mich allein
Dich im Grunde lebend sehen,
So wird's bald geschehen.

Dir will ich mich lassen,
Wollst mich ganz umfassen,
Ewig wohl bewahr'n:
O du Schoß der Liebe,
Deinen Zug und Triebe
Laß mich tief erfahr'n:
Nimm mich ein
Und mach' mich rein,
Daß ich's mög' in allen Sachen
Wie dein Schoßkind machen.

Die Kinderschule

Wo ist die Schule denn auf Erden,
Da große Männer Kinder werden
Und kleine Kinder heißen groß?
Wo ist die Schule, da man liebet,
Da man sein All's zum Schulgeld gibet,
Da man zur Schul' geht arm und bloß?

Wo lern' ich's, daß ich all's verlerne,
Und mich von mir und all'm entferne,
Da ein Kind einen Meister hört,
Ja, Eins nur hört und Eins nur übet,
Da Eine sich dem Einen gibet,
Da man uns gibt, was man uns lehrt?

Da man uns lehrt, nur immer geben,
In allem ohne Leben leben,
In allem leiden ohne Leid,
In allem folgen ohne Fragen,
Auf alle Fragen Ja zu sagen,
Zu allen Proben steh'n bereit.

Wo lernet man das tiefe Schweigen,
Beschau'n, anbeten und sich beugen
In stiller, reiner Liebesbrunst?
Wo lernet man Gott bloß umfassen,
Das Nichtstun und das Ueberlassen,
Wo lernet man die Kinderkunst?

Wo ist die Schule doch zu finden,
Der Ort, da Ort und Zeit verschwinden,
Weil nur ein stetig's Nun da gilt?
Still, Seele, laß dein Sorg'n und Fragen,
Gott will dir's selbst gern geb'n und sagen
Im Seelengrund, wenn er dich stillt.

Ein Kind und ein Mann

Wer tief sein Nichts erkennet
Und Gott sein Alles nennet,
Wer auf sich selbst nicht schauet
Und bloß in Gott vertrauet,
In Demut sich vernichtet,
In Gott steht aufgerichtet:
Wer so recht werden kann,
Der ist ein Kind und Mann.


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