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Sechstes Kapitel.
Das neue Ruderheim

Wir hatten die Schwierigkeiten, auf welche wir bei unserer ersten Wohnungsjagd gestoßen waren, noch in zu guter Erinnerung, um uns nicht durch die damals gemachten kläglichen Erfahrungen belehren zu lassen. So erklärte denn Euphemia, wir müßten erst genau wissen, was wir eigentlich wollten, bevor wir eine neue Wohnung suchten.

Vor allem mussten wir uns erkundigen, wie andere Leute lebten, um Vorteile und Nachteile der verschiedenen Häuslichkeiten kennen zu lernen.

Ich bemerke, daß wir uns seit einigen Monaten in der Stadt in einem Gasthaus befanden. Diese Lebensweise behagte uns aber auf die Dauer ebenso wenig, wie früher. In dieser Lage kam uns ein Brief von unserem früheren Mitbewohner im Kanalboot sehr willkommen. Derselbe hatte, bald nachdem er uns im letzten Herbst verlassen, eine Witwe mit zwei Kindern geheiratet und in einem Hause am entgegengesetzten Ende der Stadt eine Etage bezogen. Bei dem Besuch, den wir dem glücklichen Paar kurz nach der Hochzeit gemacht, hatten wir sie nicht angetroffen. Der erwähnte Brief enthielt nun eine Einladung an uns, bei ihnen zu speisen und auch die Nacht dort zuzubringen.

»Laß uns gehen,« meinte Euphemia, »ich möchte gar zu gern wissen, wie man sich in einer Etage einrichtet In den amerikanischen Städten bewohnt meist jede Familie ein Haus für sich. Anmerkung des Übersetzers. – vielleicht sagt uns das zu! Auch muß ich die Kinder sehen!« So nahmen wir denn die Einladung an.

Das Haus war eines der höchsten in der ganzen Nachbarschaft; wir traten in den Vorhof, wo sich rechts vom Eingang eine Reihe Klingelzüge befand, über jedem derselben die Mündung eines Sprachrohrs und darüber eine Visitenkarte unter Glas und Rahmen. »Nein, wie nett!« rief Euphemia, während sie die Karten las, »siehst du, hier ist sein Name, seine Klingel und sein Sprachrohr! Was soll ich zuerst thun, rufen oder läuten?«

»Wir müssen ganz einfach an der Glocke ziehen, liebe Frau, wie bei jeder gewöhnlichen Hausthüre und dann ruft uns jemand durch das Sprachrohr zu, anstatt herunter zu kommen.«

Ich läutete an der Glocke des Kostgängers, worauf eine Stimme durch das Sprachrohr tönte: »Wer ist da?« und nachdem ich unsere Namen genannt hatte, sprang die Hausthüre auf. –

»Aber, wohnen sie denn ganz unten?« flüsterte Euphemia. »Das Mädchen war so flink da.« Sie sah sich beim Eintreten um, erblickte jedoch niemand.

»Er wohnt im fünften Stock,« sagte ich, »das steht in seinem Brief.«

Wir stiegen die mit weichen Teppichen belegten Treppen hinauf, ohne auch nur einer lebenden Seele zu begegnen.

»Es geht hier zu wie in einer verzauberten Höhle,« bemerkte Euphemia; »man spricht das Zauberwort, das Thor im Felsen öffnet sich und man geht immer weiter durch die gewölbten Gänge« – –

»Bis man zu dem Menschenfresser kommt,« sagte lachend der Kostgänger, der auf dem obersten Absatz der Treppe stand.

Er empfing uns jedoch keineswegs wie ein Menschenfresser, sondern er und seine Frau bewillkommten uns aufs herzlichste. Während wir im Wohnzimmer saßen und die Hausfrau etwas in der Küche besorgte, erkundigte sich Euphemia nach den Kindern: »Ich hoffe, die lieben Kleinen sind nicht schon zu Bette gegangen, ich möchte sie so gern sehen.«

Der Ex-Kostgänger, wie ihn Euphemia nannte, verzog das Gesicht zu einem grimmen Lächeln. »So sehr klein sind sie nicht mehr,« versetzte er, »der Sohn meiner Frau ist fast erwachsen, er bildet sich zum Civilingenieur aus und tritt nächsten Frühling eine Stelle an. Seine Schwester ist noch älter als er. Meine Frau war nämlich bei ihrer ersten Verheiratung noch sehr – sehr jung.«

»Ja so!« meinte Euphemia, und fuhr nach einer Pause fort: »es ist also keines von beiden zu Hause?«

»Nein,« versetzte der Ex-Kostgänger, – »Apropos, was sagen Sie zu diesem Wandgesims? – meine eigene Erfindung! man kann es zusammenlegen und beim Ausziehen mitnehmen. Doch es klingelt zu Tische! Nach dem Essen zeige ich Ihnen alle Hauseinrichtungen.«

Die Wohnung enthielt neun oder zehn Zimmer von jeder Form und Größe; in einigen derselben waren die Ecken zu Kämmerchen und Alkoven abgeteilt. Euphemia meinte scherzend, die Ecke von jedem Zimmer sei allemal in einem andern Zimmer. Ganz neu war uns aber der irgendwo abseits angebrachte »stumme Diener« mit verschiedenen Glocken und Sprachrohren. Die Einrichtung war sehr praktisch. Wenn Bäcker, Metzger und Gemüsefrau morgens kamen, so läuteten sie und fragten herauf, was gefällig sei. Die Bestellung wurde hinuntergerufen und nach ein bis zwei Stunden hatte man das Gewünschte.

Euphemia gefiel das ausnehmend gut. Es war doch gar zu angenehm, dem lästigen Verkehr mit allerlei Volk und ähnlichen alltäglichen Widerwärtigkeiten enthoben zu sein. Alles schien glatt und geräuschlos mittelst einer Glocke, einem Sprachrohr und einem Aufzug von statten zu gehen.

»Wenn die Leute nicht so leicht über die Verbindungsdrähte stolperten,« meinte der Ex-Kostgänger, »so ließen sich noch mehr solche Vorrichtungen anbringen, ja ich wollte mich anheischig machen, hier vom Wohnzimmer aus, mit Hilfe von Pedalen und einer Klaviatur, alle Arbeiten im Hause zu besorgen, ohne von meinem Lehnstuhl aufzustehen.«

Besonders beachtenswert in der Wohnung war auch das Zimmer des Dienstmädchens, das am äußersten Ende des Flures lag; es war so klein geraten, daß nur eine sehr kurze Bettstelle darin Platz hatte. Unsere Freunde waren somit genötigt, ihre Dienstmädchen mit Rücksicht auf deren Größe zu mieten.

»In dem Mietsbureau, an das ich mich wandte,« sagte der Ex-Kostgänger, »hatte ich die Auswahl zwischen mehreren vortrefflichen Mädchen, aber als ich mein Maß anlegte, waren alle zu groß. Es blieb nichts übrig, als eine kleine zu nehmen, und diese ist nur so – so! Da war eine große Schottin, wie für uns geschaffen, und ich hätte sie gewiß genommen, wäre nur meine Frau auf den Plan eingegangen, den ich ausgedacht hatte, um sie unterzubringen.«

»Wie war denn der?« fragte ich.

»Ja, sehen Sie, zuerst wollte ich am Fußende des Bettes ein Loch durch die Wand machen, damit sie die Füße durchstrecken könne.«

»Unter keiner Bedingung,« fiel seine Frau mit Nachdruck ein, »würde ich das gestattet haben!«

»Ein anderer Plan,« – fuhr er fort – »war, das Bett umzudrehen und ein größeres Loch in die Wand zu machen, durch das sie den Kopf in das kleine Zimmer nebenan stecken sollte. Unter das Loch hätte ich einen Tisch gestellt, und darauf ein Kissen gethan zu bequemer Ruhe für ihren Kopf.«

»Aber lieber Mann,« sagte seine Frau, »ich würde zu Tode erschrocken sein, wenn ich in das Zimmer gekommen wäre und hätte das Kissen mit dem Kopf auf dem Tisch erblickt.«

»Wie Johannes der Täufer,« warf Euphemia dazwischen.

»Ja,« meinte der Kostgänger, »aber der Plan war doch nicht ganz ohne –!«

»O,« rief jetzt Euphemia, die an ein Hinterfenster getreten war, »was für ein reizender kleiner eiserner Balkon! Kann man an warmen Abenden da draußen sitzen?«

»Es muß schon sehr warm sein, wenn man da hinausgeht,« antwortete der Ex-Kostgänger; »man thut es nur, wenn das Haus brennt! Es ist nämlich eine Rettungsvorrichtung. Sehen Sie die kleine Thür im Boden und die eiserne Leiter, die auf den Balkon darunter führt? So geht es immer weiter, bis in den ersten Stock.«

»Und bei jeder Feuersbrunst muß man durch die Öffnung kriechen, und die schrecklich steile Leiter hinunterklettern?« fragte Euphemia.

»Nun, ich dächte, man hätte an einemmal schon genug!« erwiderte er.

»Allerdings,« versetzte Euphemia, »man würde natürlich schon beim erstenmal hinunterfallen und Hals und Bein brechen.«

Hierauf wandte sie sich ernst und nachdenklich vom Fenster ab und ließ sich von unserer Wirtin in das Gastzimmer führen, während ich noch mit ihrem Manne vor dem Schlafengehen eine Cigarre rauchte.

Als ich zu Euphemia ins Zimmer kam, trat sie mir mit sehr geheimnisvoller Miene entgegen; sie schloß die Thüre und sagte lebhaft: »Sieh nur die kleine Bettstelle hier in der Ecke. Sie fiel mir beim Eintreten gleich auf, und als mir der erstaunte Ausruf entfuhr: »Das ist ja ein Kinderbett, – wer schläft denn da?« – bekam ich von unserer Wirtin die Auskunft: »Das ist das Bettchen unserer kleinen Adele; wenn sie hier ist, steht's in unserem Schlafzimmer.« – »Ist denn Adele so klein, daß sie in dem Bettchen Platz hat?« fragte ich. – »O ja,« entgegnete sie, »es ist groß genug für Adele, sie ist erst vier Jahre alt.« – »Und jetzt ist sie nicht hier?« fragte ich, höchlich verwundert. »Nein,« versetzte sie – »doch haben wir sie so oft als möglich bei uns, und ihr Bettchen steht immer bereit.« »Da lebt sie wohl bei ihres Vaters Verwandten,« fragte ich, worauf sie antwortete: »Ja wohl,« und mir Gute-Nacht wünschte! – Nun sag' mir einer, was das alles bedeutet! Von dem Kostgänger wissen wir doch, daß die Tochter erwachsen ist, und nun behauptet seine Frau, sie sei erst vier Jahre alt! – Wie in aller Welt reimt sich das zusammen?«

Ich vermutete ein Mißverständnis; weiter wußte ich nichts zu sagen, außer daß ich sehr schläfrig sei, und die Sache ja bis zum nächsten Morgen Zeit habe. Aber Euphemia war nicht so leicht davon abzubringen; zwar sagte sie nichts mehr, aber ich merkte wohl – bis ich einschlief – daß sie noch lange in Gedanken mit dem Rätsel beschäftigt war. Mitternacht mochte längst vorüber sein, als Euphemia plötzlich im Bett in die Höhe fuhr und ausrief: »Ich hab's!«

»Was?« rief ich ganz erschrocken,– »was giebt's? was hast du? was ist geschehen?«

»Ich weiß nun,« sagte sie, »so muß es sein. Unser Kostgänger ist Großvater! Die kleine Adele ist das Kind der erwachsenen Tochter. Er betonte ja ganz besonders, daß seine Frau sehr jung geheiratet hat! Wie komisch! Ganz vor kurzem lebte er noch als Junggeselle bei uns, und jetzt, nach kaum vier Monaten, ist er schon Großvater!«

Unsere vorsichtig angestellten Erkundigungen bestätigten am andern Morgen Euphemias Vermutungen.

Als wir am Abend darauf still daheim in unserem Zimmer saßen, bemerkte Euphemia, sie möchte sich doch nicht dazu verstehen, in einem großen Miethause zu wohnen. »Aber alles ist doch sehr bequem eingerichtet,« meinte ich.

»Bequem allerdings, aber es geht mir doch zu maschinenmäßig zu! Mir wird ganz eigen zu Mut, wenn ich an die Rettungsleiter und an das Enkelkind des Kostgängers denke!«

»Aber das Enkelkind hat doch nichts damit zu thun!«

»Ich weiß wohl,« entgegnete sie, »aber kurz und gut, die Einrichtung gefällt mir nicht!« –

So sahen wir also von Etagenwohnungen ab. Mehrere Wochen lang studierten wir das Wohnungswesen vom Standpunkt unserer Ansprüche auf Behaglichkeit und Billigkeit aus nach allen Richtungen. Wie war das Resultat doch so unbefriedigend! Euphemia war nur zu häufig auf »Talmi-Comfort« gestoßen, wie sie sich ausdrückte.

»Weißt du was?« meinte Euphemia eines Abends zu mir, »bauen wir selbst! dann können wir unsere Wünsche am besten befriedigen.«

»Ja, liebe Frau, wenn das Geld nicht wäre!«

»Aber, Männchen, warum trittst du nicht einer Baugesellschaft bei? Bei mancher zahlt man nur einen Dollar die Woche, das weiß ich!«

»Aber glaubst du denn, daß die Gesellschaft Häuser für alle ihre Mitglieder baut?«

»Das versteht sich doch von selbst, warum hieße sie sonst Baugenossenschaft!«

Ich kannte diese Anstalten hinlänglich, um Euphemia versichern zu können, daß man bei keiner derselben für den Wochenbeitrag von einem Dollar ein neues Haus gebaut bekommt.

»Dann baue doch allein!«

»Sehr gern, aber dazu ist noch mehr Geld nötig.«

»Wieso?« erwiderte Euphemia eifrig, »ich will dir gleich das Gegenteil beweisen: Wenn du z. B. ein Haus im Wert von – sagen wir – zwanzigtausend Dollars an einem hübschen Ort nicht weit von der Hauptstadt bauen wolltest – –«

»Wenn es billiger sein könnte, wäre mir's schon lieber,« unterbrach ich sie, »noch dazu auf dem Lande!«

»Gut, also dann zweitausend Dollars! Du bestellst dir Grabarbeiter, Maurer, Zimmerleute und so weiter, welche du natürlich erst zu bezahlen brauchst, wenn das Haus fertig ist. Dann nimmst du ein Darlehen von zweitausend Dollars auf, indem du das Haus als Unterpfand verschreibst. Du hast dann nur die Zinsen von dem geborgten Gelde zu entrichten und sobald du genug gespart hast, um das Kapital zurückzuzahlen, gehört das Haus dir! – Nun, was sagst du zu dem Plan?«

»Finde nur erst die Handwerker, die das Haus bauen und Lust haben, auf ihr Geld zu warten, bis jemand seinen vollen Wert aus die Hypothek herleiht.«

»Oh,« meinte Euphemia, »die Leute ließen sich schon finden, wenn man nur suchen will!«

»Wenn ich einmal in den Himmel komme, will ich nach ihnen suchen,« entgegnete ich.

Wir ließen den Gedanken an Hausbau oder Hauskauf vorläufig fallen und beschlossen ein kleines Anwesen auf dem Lande zu mieten. »Gefällt es uns, dann können wir's ja immer noch kaufen,« bemerkte Euphemia weise.

Bei der Auswahl hieß es sehr vorsichtig zu Werke gehen. Wir brauchten uns jetzt zwar nicht mehr so ängstlich einzuschränken wie damals als wir das Kanalboot nahmen; was uns Sorge machte, waren die vielen herumziehenden Stromer, sicher die größte Plage für ländliche Niederlassungen. Da ich den ganzen Tag abwesend war, und wir uns keinen Knecht halten konnten, mußten wir ein Haus ausfindig machen, das etwas abseits von der großen Heerstraße lag, aber doch in bewohnter Nachbarschaft, so daß im Notfall jemand bei der Hand war.

»Ein Landstädtchen mag ich nicht,« meinte Euphemia, »da wird zu viel geklatscht, alle Leute wissen aufs Haar, was man hat, was man thut und läßt. Zu einsam darf es aber auch nicht sein, das wäre gefährlich. Und dann habe ich noch das gegen ein Dorf; man müßte mit dem üblichen kleinen Hof und Gärtchen hinterm Haus vorlieb nehmen. Wir sollten eine nette Farm haben, mit Kornfeldern, einer Kuh, einer Scheune und was sonst dazu gehört! Das wäre gar zu reizend! – Und jetzt weiß ich, was wir thun!« rief sie plötzlich, wie von einer Eingebung beseelt – »wir mieten das letzte Haus eines Dorfs, – dann sind wir weder zu weit von Nachbarn entfernt, noch auch im Raum zu eingeschränkt! Nach einem solchen Haus laß uns suchen, – es muß ja zu finden sein!« –

So suchten wir denn einige Wochen lang, sahen aber, daß sich Euphemias Plan nicht ganz verwirklichen ließ. – Das Haus, das wir endlich mieteten, war nicht gerade das letzte eines Dorfs; doch lag es am Rande eines ganz kleinen Weilers und der nächste Nachbar war eben noch zu errufen; im übrigen hätten wir es nicht besser treffen können:

Das Haus war klein, aber für uns groß genug; es hatte ein Vorgärtchen und war rings von Bäumen umgeben; ein größerer Garten gehörte dazu, eine kleine Scheune nebst Stallung, ein Ackerfeld zu Kartoffeln und Korn und ferner ein Weideplatz. Die Pacht war billig, das Wasser gut und unser Entzücken unbeschreiblich!

Wir möblierten nicht das ganze Haus auf einmal, aber das schadete nichts. Und hatten wir fürs erste weder Pferd noch Kuh, – so waren doch Stall und Weide für sie in Bereitschaft; – wir konnten doch nicht mit allem zugleich anfangen!

Unser erster Abend im neuen Hause war voll reinster Seligkeit. Wir wandelten durch alle Stuben, genossen aus den Fenstern die Aussicht auf Wiese und Garten und setzten uns schließlich unter die Laube am Eingang, wo ich mein Pfeifchen schmauchte.

»Wir sind glücklich in Ruderheim gewesen,« meinte Euphemia, »aber ein Kanalboot hätte doch nie unsere bleibende Stätte werden können.«

»Nein,« sagte ich, »für die Dauer konnte das nicht sein; aber wir haben doch reizende Tage da verlebt, schon der Name erregt mir angenehme Gefühle!«

»Ja, es war ein hübscher Name und er klingt am Ende auch für ein Haus gut. Warum sollen wir unsere jetzige Wohnung nicht auch Ruderheim nennen? – Sie soll »Neu-Ruderheim« heißen!« –

Ich war gleich damit einverstanden und so war denn das Haus getauft!

Die Jahreszeit war etwas vorgeschritten, so daß es im Garten nicht viel zu thun gab. Ich hackte und jätete nur früh morgens und abends ein wenig zwischen dem Mais, den Kartoffeln und Gemüsen, die uns der vorige Bewohner hinterlassen hatte, während Euphemia die Schlingrosen aufband, die Büsche beschnitt und mit Spaten und Harke ein Blumenbeet vor dem Wohnstubenfenster zurecht machte. Durch diese Bewegung bekamen wir einen vortrefflichen Appetit, und unsere neue Heimat wurde uns alle Tage lieber.

Unser Haushalt war nach wie vor klein, nur ein deutsches Dienstmädchen war hinzugekommen. Sie gefiel uns gleich anfangs nicht ganz, und tagtäglich weniger. Es war ein stilles, freundliches Geschöpf, das für Natur und Ländlichkeit schwärmte. Mit derselben Willigkeit gab sie sich zur Gartenarbeit her, wie zum Kochen und Waschen. Bei ihrer Vorliebe fürs Freie kam aber die Handarbeit oft zu kurz und dann hatte sie oft so absonderliche Einfälle, wie ein deutscher Philosoph.

Eines Abends fand ich Euphemia ganz ärgerlich. »Da sieh nur hin,« sagte sie, »damit hat das Mädchen fast den ganzen Nachmittag vertrödelt! Ich saß oben bei meinem Nähzeug und dachte, sie sei mit bügeln beschäftigt. Da soll man nun nicht böse werden!« –

Es war wirklich zu arg! Das Mädchen hatte eine Menge Schinkenknochen gesammelt, – wo sie alle herbekommen, begreife ich heute noch nicht, – und daraus eine Einfassung um Euphemias Blumenbeet gemacht; die Knochen ragten mehrere Zoll aus dem Boden, statt des Marks waren sie mit Erde gefüllt. »Ich habe Blumensamen hineingesäet,« hatte das Mädchen zu meiner Frau gesagt, »wenn er aufgeht, sieht es wunderschön aus. Bei uns zu Hause macht man es so.«

Ich wollte die geschmacklose Einfassung herausreißen, aber Euphemia gebot mir Einhalt.

»Sie hat es gut gemeint und ich möchte sie nicht kränken. Aber sie ist mir zu eigenmächtig und vernachlässigt ihre eigentliche Arbeit über solchen Spielereien. Ich will ihr kündigen und eine andere suchen, – sobald sie fort ist, werfen wir die greulichen Knochen heraus, – ich will nur wünschen, daß uns bis dahin niemand besucht.« –

Noch am selben Abend teilte Euphemia dem Mädchen ihren Entschluß mit, und kaum war ich am andern Morgen fort, so erschien die brave Deutsche mit Hut und Reisesack, um sich bei ihrer Herrin zu verabschieden. In Amerika besteht keine gesetzliche Kündigungsfrist. Anm. des Übers.

»Was!« rief Euphemia, »du willst doch nicht heute fort?« –

»Wenn ich doch gehen soll, dann lieber heute als morgen,« entgegnete das Mädchen.

»Du willst also weglaufen, bevor ich Ersatz habe, – das ist zu abscheulich!«

»Warum nicht lieber heut als morgen,« wiederholte sie. »Außerdem ist mir's zu einsam hier. Mein Geld hole ich beim Herrn in der Stadt! Adieu.« –

Als ich nachmittags nach Hause kam, lief mir Euphemia schon entgegen, um mir die Geschichte zu erzählen; – ich sagte nichts, – die Schinkenknochen aber flogen nun so weit, als ich sie zu schleudern vermochte.

Unter den Nachfolgerinnen dieses Dienstmädchens waren zwar solche, die uns ebensowenig paßten und uns ebenso plötzlich verließen, aber das »Mädchen mit den Schinkenknochen«, wie wir sie nannten, blieb Euphemia unvergeßlich. Es war die erste Wunde dieser Art, die sie erhielt, als sie noch am Anfang ihres Feldzugs gegen die häuslichen Widerwärtigkeiten stand.


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