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Erstes Kapitel.
Eine neue Art Wohnhaus

Während der ersten Monate unserer Ehe wohnten wir, Euphemia und ich, in einem Gasthaus. In Amerika sehr gebräuchlich bei Jungverheirateten, welche sich die Mittel zur Führung eines eigenen Haushalts erst ersparen müssen. Den Übergang zur Miets- oder eigenen Wohnung (meist Familienhaus) mit eigenen Möbeln bildet häufig die möbliert gemietete Wohnung. Anmerk. d. Übers. Das behagte uns Beiden auf die Dauer nicht, besonders Euphemia kam es so unwohnlich vor, daß sie zuweilen sagte: sie fühle sich erst dann daheim, wenn sie ausgehe. Diesem unerfreulichen Zustande mußte ein Ende gemacht werden und so entschloß ich mich, eine eigene Wohnung zu nehmen. In dieser – hoffte ich – sollte es meiner Frau so behagen, daß nur dringende Veranlassungen sie zum Ausgehen bewegen würden.

Es giebt dreierlei Arten eine Wohnung zu suchen: entweder durch ein Zeitungsgesuch, oder man liest, was billiger ist, die Anzeigen der Hausbesitzer, oder aber man wendet sich an ein Wohnungsbureau. Aber keine einzige dieser Methoden taugt viel. Das Beste ist immer, man hat gute Bekannte, die eine Wohnung wissen, wie man sie just braucht.

Wir versuchten es auf jede Weise. Auf unsere Zeitungsanzeigen liefen etwa ein Dutzend verlockende Anerbietungen ein; alles schien zu passen, nur war der Mietpreis nicht angegeben. (Von denjenigen mit Preisangabe konnte gar keine ernstlich in Betracht kommen.) Erkundigte ich mich nun bei den Eigentümern oder Vermittlern der passend scheinenden Wohnungen, so fehlte es zwar nicht an Versicherungen, der Preis sei sehr mäßig oder wegen der vorgerückten Jahreszeit – wir waren Mitte Mai – herabgesetzt; aber die Miete war immer teurer, als man danach erwarten konnte.

Als wir noch Brautleute waren, – es war kurz vor unserer Verheiratung – hatten wir, Euphemia und ich, ein Büchlein geschrieben, jungen Ehepaaren zur Belehrung, wie man Haus hält und was es kostet. Da stand alles haarklein, hatten wir uns doch bei verschiedenen Bekannten nach den Preisen und Verhältnissen erkundigt. Wir waren daher erstaunt darüber, auf unserer Suche nach einem bescheidenen möblierten Familienheim zu entdecken, daß man ein solches nicht einmal für die Summe haben könne, welche wir als Kaufpreis für ein eigenes Haus mit eigenen Möbeln angegeben hatten! Es stellte sich gar bald heraus, daß meine Frau in der Regel bei den Gegenständen den niedrigsten Satz und die beste Qualität angenommen hatte. Es lag ihr fern, die Leute irre zu leiten; aber das Buch – das läßt sich nicht leugnen – erhielt durch diese Methode einen ganz besonderen Reiz. Nur schade, daß sie zu unangenehmen Enttäuschungen führte. Eine Freundin, die ihr Haus nach unserem Buche hatte einrichten wollen, beklagte sich bitter, daß sie nichts so billig bekomme, als darin angegeben war. »Begreifst du denn nicht,« entschuldigte sich Euphemia, »daß wir die Preise so niedrig setzen mußten, weil das Musterhaus in unserem Buche ja eine gewisse Summe nicht überschreiten durfte.« Ihre Freundin schien davon nicht ganz zufriedengestellt.

Ebenso wenig Glück hatten wir mit den ausgeschriebenen Wohnungen. Bei näherer Erkundigung hatte es mit dieser Sorte meist irgend eine unangenehme Bewandtnis; auch wollte es mit den Preisen wieder nicht klappen.

Das Haus, wie wir es wünschten, war übrigens auch nicht leicht zu finden. Es sollte auf dem Lande liegen, in einer gesunden, von der Malaria und von Stechfliegen verschonten Gegend; in der Nähe nicht nur der Stadt, sondern auch einer Eisenbahnstation oder des Landungsplatzes eines Dampfbootes. Es sollte ferner möbliert sein und von schattigen Bäumen umgeben.

»Wir suchen eben so lange, bis wir das passende finden!« meinte Euphemia, »ausziehen kostet bekanntlich mehr als abbrennen!«

Ein Haus wurde uns angeboten, das ganz geeignet schien; leider war es unmöbliert. Wir hofften, der Wirt würde sich darauf einlassen, daß wir es auf seine Kosten, gegen eine Vergütung von zehn Prozent einrichteten; – natürlich so, wie es in unserem Buche stand – aber er wollte nicht. Als ich ihm mein Verzeichnis der Artikel zeigte, die wir brauchten, stellte er mir vor, wie unvorteilhaft es für ihn sei, mir all diese Kleinigkeiten zu vermieten. »Wenn es sich nur um größere Stücke Möbel handelte, ließe sich über den Vorschlag sprechen; aber Sie verlangen alles und Ihr Kleinzeug auf der Liste macht mehr aus, als Möbel und Teppiche.«

»Da mögen Sie recht haben,« entgegnete ich, »aber gerade die Kleinigkeiten sind es, die eine Behausung behaglich machen.«

»Mag sein,« erwiderte der Wirt; »aber Ihr Behagen kommt mir auf diese Weise zu teuer. Sie schreiben da Sachen auf, wie Lampenschirme, Flederwische und dergl., welche unmöglich Jahre lang halten. Das sehen Sie wohl ein.«

Ich that's; und der Handel zerschlug sich, zum größten Leidwesen Euphemias. »Ach, es wäre so köstlich gewesen,« seufzte sie, »wenn wir, unser Buch in der Hand, überall in den Läden hätten aussuchen können, was wir brauchten, ohne uns viel um die Preise zu kümmern.«

Nach alledem war es klar, daß wir den Gedanken an ein möbliertes Haus aufgeben mußten. Wir hätten gern ein unmöbliertes genommen und es selber eingerichtet; aber dazu reichte unser Vermögen nicht. Mit Schrecken dachten wir daran, noch länger zum Gasthaus-Aufenthalt verdammt zu sein.

Es war mittlerweile der Sommer herangekommen und da pflegte ich, so oft mir das Geschäft Zeit dazu ließ, mit Euphemia Ausflüge in die Umgebung der Stadt zu machen. Als wir eines Nachmittags den Fluß hinunter ruderten, hatten wir einen Anblick, der uns, so zu sagen, durch und durch ging: Etwa eine Meile oberhalb der Stadt stand ein Kanalboot am Ufer; – ich sage, es stand da, weil es sich so fest in den Boden eingegraben hatte, daß keine Macht der Erde fähig schien, es fortzubewegen. Wir erfuhren, daß dieses Boot schon seit vielen Jahren von einem Austernhändler bewohnt wurde, der sich nebst seiner Familie sehr wohl darin befand.

Inwendig war das Boot in Zimmer eingeteilt, die tapeziert, angestrichen und hübsch möbliert waren; es enthielt eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Besuchzimmer und Schlafstuben; Teppiche lagen auf dem Boden, an den Wänden hingen Bilder, kurz, es kam uns vor, als fehle der Wohnung nichts, was zur Behaglichkeit gehört. Der Austernhändler teilte uns mit, daß sie sich das alles erst allmählich, im Lauf der Zeit, angeschafft hätten; anfangs habe alles ganz anders ausgesehen, als jetzt.

Wir besichtigten das ganze Haus und lobten und bewunderten alles so sehr, daß die Frau des Austernhändlers wahrscheinlich aus Freude darüber nachher die größten Austern für uns aussuchte. Wir verspeisten sie an einem Tischchen, im Schatten eines nahen Baumes, und als wir das Abendbrot bezahlt hatten und wieder in unsern Kahn steigen wollten, blieb Euphemia stehen, sah sich um, klatschte in die Hände, und rief voll innerer Bewegung:

»Wir müssen ein Kanalboot haben!« Und in diesem Entschluß wurde sie nicht wieder wankend.

Die Sache schien auch mir bald sehr einleuchtend; so viel ich hin und her überlegte, entdeckte ich doch nichts, was ihr ernstlich im Wege stand. Auf eine billigere Weise hätten wir schwerlich unsern eigenen Hausstand gründen können, und warum sollte es uns nicht so gut gelingen, wie dem Austernhändler? – und noch besser! – Er hatte ja nie ein Buch über Haushaltung geschrieben, und sehr wahrscheinlich niemals auch nur einen Augenblick vom philosophischen Standpunkt aus darüber nachgedacht.

Ein Kanalboot ausfindig zu machen, war jedoch keine Kleinigkeit, wenigstens fanden wir keins unter den Wohnungsanzeigen, und alle unsere Erkundigungen und Streifzüge in der Nähe der Stadt längs der Flußarme blieben erfolglos.

Wir fingen schon an alle Hoffnung aufzugeben, wenigstens Euphemia. Ihre Entmutigung gleicht der Wasserkresse; in der Regel schießt sie auf, nachdem sie eben ihre Wünsche gesäet hat. Zum Glück vergeht sie dann aber auch rasch wieder.

Eines Abends, als wir ziemlich trübselig beisammen saßen, und ich die Preise verschiedener Landwohnungen aus der Zeitung vorlas, stürzte plötzlich unser alter Freund, Doktor Heeren ins Zimmer. Ohne alle Einleitung fiel er mit der Thüre ins Haus: »Ich hab's gefunden! gerade was Ihr sucht!«

»Ein Kanalboot?« rief ich.

»Ja,« erwiderte er, »ein Kanalboot!«

»Ein möbliertes?« fragte Euphemia mit leuchtenden Augen.

»Nein,« sagte der Doktor, »aber das läßt sich auch kaum erwarten.«

»Aber wir können doch nicht zwischen kahlen Wänden hausen, – unsere Wohnung muß möbliert sein!«

»Ja, dann wird es wohl nicht passen,« meinte der Doktor bekümmert, »was zu einem Boot gehört, ist zwar darin, aber nichts was zu einer Wohnung gehört, nicht einmal ein Stiefelknecht! – Aber, ich dächte, ihr könntet es euch leicht billig und behaglich nach euerem Buche möblieren.«

»Warum nicht,« versetzte Euphemia, »wir suchen eben die billigsten Sachen aus.«

»Wir fangen ganz im Kleinen an!« fügte ich mit erkünstelter Ruhe hinzu.

»Freilich,« meinte der Doktor, »und zuerst teilt Ihr nicht mehr Zimmer ab, als Ihr einrichten könnt.«

»Also sind gar keine Zimmer da?« rief Euphemia.

»Nein, nur ein großer Raum, vom Schnabel bis zum Stern.«

»Das ist prächtig,« wandte sich Euphemia zu mir; »erst teilen wir die Küche ab, dann das Speisezimmer und ein Schlafzimmer, zuletzt das Besuchzimmer, ganz in der Reihe wie's im Buch steht, daß man möblieren soll.«

Nun hielt ich meinen Enthusiasmus nicht länger zurück:

»Doktor,« rief ich, »wo ist denn dieses famose Kanalboot?«

Der Doktor ging nun mehr ins Einzelne.

Das Boot war am Scoldsburyfluß in der Nähe von Ginxs (das Hotel, wo wir während unserer Flitterwochen einen so vergnügten Tag verlebt) gestrandet. Es war solid gebaut, hatte aber ausgedient, was jedoch seiner Bewohnbarkeit keinen Eintrag that. Der Doktor, der den Eigentümer gesprochen, meinte, wir könnten es für ein Geringes mieten und es ließe sich geradezu alles daraus machen.

Bis zwanzig Minuten nach zwei Uhr saßen wir auf und berieten über unser Haus; schon um dreiviertel auf elf hatten wir aufgehört, es Boot zu nennen.

Am nächsten Morgen mietete ich das Boot und bezahlte einen Monat im voraus, drei Tage später zogen wir ein.

Wir hatten von einem Zimmermann zwei Wände ziehen lassen, wodurch drei Räume entstanden: ein Speisezimmer, eine Küche und ein sehr langes Schlafzimmer, von dem mit der Zeit Wohnzimmer, Studierstube und Gastzimmer abgeteilt werden sollten, sobald die Umstände es zuließen oder ich Gehaltszulage erhielt. Ursprünglich waren alle Thüren und Fenster so zu sagen im Dach, aber unser Wirt gestattete uns so viele Öffnungen als wir wollten, an der Seite des Bootes zu machen, unter der Bedingung, daß er das herausgesägte Holz bekomme, Es spare ihm Arbeit, meinte er, was mir erst später klar wurde. So ließen wir denn vom Zimmermann Fenster einsetzen, die sich in Angeln bewegten und wie ein Koffer verschließbar waren.

Auf so ungezwungene und romantische Weise zu wohnen, erschien schon an und für sich so reizend, daß wir erst in zweiter Linie an die Möblierung dachten. Uns dabei bis ins Einzelne nach unserem Buche zu richten, davon mußten wir nach den Berichtigungen, die dasselbe erfahren, von vorneherein absehen. So kauften wir denn nur was unumgänglich nötig war; das weitere mußte später Eins ums Andere dazukommen. Zuerst schafften wir uns einen kleinen Ofen an, denn Euphemia meinte: wenn sichs auch allenfalls auf den Dielen schlafen ließe, so könne man doch kein Feuer darauf anmachen, wenigstens nicht öfters; ferner einen Tisch und zwei Stühle nebst Hängebrettern für unsere Bücher. Da fiel Euphemia auf einmal das Kochgeschirr ein, – wir beschränkten uns dabei auf das Nötigste, denn unsere Mittel gingen nun zu Ende. Es blieb uns nur noch gerade genug für einen großen Lehnstuhl übrig, auf dem Euphemia bestand, weil ich daran gewöhnt war, und ihn auch wirklich brauchte, wenn ich nach der langen Tagesarbeit im Comptoir abends müde nach Hause kam. Einer ihrer schönsten Träume war, mich in einem recht bequemen Lehnstuhl behaglich meine Pfeife im eigenen Hause rauchen zu sehen, nachdem ich zuvor in Gesellschaft meiner lieben Frau mein schmackhaftes Abendbrot eingenommen hatte. – Wir suchten den Stuhl aus und wollten eben bestellen, daß man die Sachen in unsere neue Wohnung bringe, als ich Euphemia darauf aufmerksam machte, daß wir noch kein Bett hätten. Sie war wie vom Donner gerührt:

»Daran habe ich nicht gedacht,« sagte sie, »da werden wir wohl den Ofen aufgeben müssen.«

»Nein,« rief ich, »das geht nicht, – wir müssen den Lehnstuhl aufgeben!«

»Wie schrecklich, – ohne den Stuhl wird ja das ganze Haus nach nichts aussehen.«

»Aber wir müssen ihn doch für jetzt fahren lassen, liebe Frau, ich kann einstweilen auf dem Verdeck sitzen und rauchen.«

So kauften wir statt des Lehnstuhls eine Bettlade zum Zusammenklappen, die man tagüber an die Wand stellen konnte, und einige Bettstücke.

Unser Umzug war schnell bewerkstelligt. Als wir unsere Koffer packten und das Kosthaus verließen, hüpfte Euphemia förmlich vor Freude. Die Möbel sollten uns am Nachmittag nachgeschickt werden, wir selbst aber wollten mit dem ersten Dampfboot bis zum Hotel Ginx fahren, um an Ort und Stelle zu sein, wenn unsere Sachen ankamen.

Die Fahrt war zum Entzücken, heller Sonnenschein, balsamische Luft, und ich hatte einen ganzen Tag Urlaub. Um mit den Koffern nach unserm Hause zu gelangen, mußten wir einen Wagen mieten, und als wir an das Boot kamen und ausstiegen, hieß ich den Kutscher die Koffer hineintragen und irgendwo hinstellen. Der Mann sah erst die Koffer, dann das Boot und zuletzt mich an.

»Das Boot fährt aber nirgends hin!« meinte er.

»Freilich nicht,« versetzte Euphemia, sonst möchte ich auch nicht darin wohnen.«

»Sie wollen darin wohnen?«

»Ja wohl!« –

»Oh!« – das war alles, was der Mann erwiderte, dann trug er die Koffer an Bord, was keine Kleinigkeit war, da die schmale Planke, die vom Ufer zum Verdeck hinaufführte, ziemlich steil in die Höhe ging. (Euphemia meinte zwar, ich hätte ihm helfen sollen, aber ich hielt es wirklich für besser, wenn nur einer hinunterfiele statt zwei.) Dann nahm er, noch immer sprachlos vor Erstaunen, seine Bezahlung und fuhr fort, während wir hinaufkletterten und an der Schwelle, oder vielmehr auf dem Hinterdeck unserer Wohnung standen. –

Es war ein stolzer Moment; Euphemias Augen wurden feucht vor Rührung, als sie um sich blickte, dann nahm sie meinen Arm und wir gingen die Treppe hinunter, das heißt, wir versuchten so zu gehen, sahen aber bald, daß wir nur einzeln hinunter kommen konnten.

Wir durchschritten unsere ganze Behausung und fanden, daß der Zimmermann seine Arbeit besser gemacht hatte, als die Scheuerfrau, die die Wohnung hatte putzen sollen. Sie mochte wohl daran verzweifelt sein, denn Euphemia behauptete, die Böden hätten nicht so schmutzig ausgesehen, als wir das Boot mieteten; – aber mit der Zeit sollten sie schon rein werden, darüber waren wir außer Sorge.

Früh am Nachmittag kamen unsere Möbel und die übrigen Gerätschaften; die Leute, die sie vom Dampfboot herüberbrachten, waren dabei so lustig und vergnügt, daß Euphemia sagte, es sei von guter Vorbedeutung, gleich am ersten Tage unserer eigenen Wirtschaft so freundliche Gesichter um sich zu sehen.

Dann machten wir uns an die Arbeit. Ich setzte den Ofen, was schnell geschehen war, da sich im Verdeck ein Loch für das Ofenrohr befand. Euphemia war erstaunt, keinen Schornstein zu sehen, aber ich machte ihr klar, daß man einen solchen auf Booten sehr selten antreffe. Mein Frauchen ging geschäftig hin und her und hing die Töpfe und Pfannen an die Nägel, die ich in die Küchenwand einschlug, dann machte sie das Bett und ich brachte den Spiegel an, nebst einigen Bildern, die wir im Koffer mitgenommen hatten.

Um vier Uhr war unser Haus eingerichtet, und nun merkten wir, daß wir sehr hungrig waren. »Lieber Mann,« sagte Euphemia, »wir hätten daran denken sollen, etwas zum Kochen mitzubringen.«

»Ja wohl,« meinte ich, »aber es ist vielleicht besser, wenn wir zu Ginx hinüber gehen und da zu Abend essen.«

»Was?« rief Euphemia, »den ersten Tag ins Hotel gehen, – warum nicht gar? ich habe mich so sehr auf diese erste Mahlzeit gefreut! Nein, gehe lieber nach dem kleinen Laden beim Hotel und kaufe Einiges ein, dann will ich das erste kleine Mahl bereiten, das wir hier zu zweien an unserm Tisch im eigenen Hause verzehren wollen.«

So zählte ich denn die kleine Barschaft, die ich für den Umzug bestimmt hatte, und welche den Tag über sehr zusammengeschmolzen war, begab mich auf den Weg und kam nach vielleicht einer Stunde mit meinen ersten Einkäufen zurück. Ich machte ein Feuer aus den Spänen und Holzstücken, die der Zimmermann dagelassen, und Euphemia bereitete unser Abendbrot; über den Tisch deckten wir zwei große Handtücher statt des Tischtuchs. – So köstlich hatte uns noch nie eine Mahlzeit geschmeckt!

Nachher wusch Euphemia die Teller auf (die kluge Frau hatte Wasser dazu auf den Ofen gesetzt, während wir noch bei Tische waren), und dann gingen wir aufs Verdeck, oder vielmehr auf die Veranda, wie Euphemia vorschlug, sie zu nennen, und fingen an zu rauchen, – ich sage wir fingen an, weil Euphemia mir immer dabei hilft, indem sie neben mir sitzt und es ebenso zu genießen scheint, wie ich.

Als die Abendschatten fielen, zog ich das Landungsbrett ein (ganz wie eine prächtige alte Zugbrücke, meinte Euphemia, aber ich hoffe um unserer Vorfahren willen, daß die Zugbrücken sich leichter aufziehen ließen) und wir gingen zu Bett. Es traf sich gut, daß wir müde waren und früh zu Bett gehen wollten, denn an Lampen oder Lichter hatten wir gar nicht gedacht.

Die nächste Woche lebten wir in froher Geschäftigkeit. Ich stand um halb sechs auf und machte Feuer, es lag so viel Holz am Ufer umher, daß ich auf eine große Ersparnis an Brennmaterial rechnete; Euphemia bereitete dann das Frühstück, während ich ihr noch zwei Eimer köstlichen Wassers aus einem nahen Brunnen holte, damit sie den Tag über damit versehen sei. Dann eilte ich auf den Zug; ich zog ihn dem Dampfboot vor, weil dieses nicht so gelegen fuhr und die Eisenbahnstation nicht weit vom Hotel war.

Nach dem Tagewerk im Comptoir eilte ich allabendlich in froher Erwartung nach Hause und brachte dann gewöhnlich einen Korb voll Mundvorrat heim, oder was sonst im Haushalt nötig war. Die Milch wurde uns täglich aus dem Häuschen gebracht, zu dem unser Brunnen gehörte, und zwar durch ein kleines Wesen, das gerade nur ein Blecheimerchen mit einem Liter Milch tragen konnte. Wenn das Kerlchen ein Kind reicher Eltern gewesen wäre, so hätte ihn die Amme noch auf den Armen getragen, aber als armer Leute Kind war es kaum von der Mutter Brust, als es schon die Milch den Kunden bringen mußte.

Zu Hause angekommen, genoß ich das Nachtessen und die köstlichen Abendstunden; wir plauderten von den Tageserlebnissen, während ich meine Pfeife rauchte, und berieten alle unsere Pläne. Cigarren hatte ich als zu kostspielig aufgegeben, so stopfte ich denn meine lange Pfeife mit braunem Knaster.

Zuerst beratschlagten wir lang, wie wir unser Haus nennen wollten, denn daß es einen Namen haben müsse, stand fest; die passende Auswahl jedoch bot Schwierigkeiten. Alles Charakteristische, was ich vorschlug, wie: »Auf festem Grund«, »Sicher vor Anker«, gefiel Euphemia nicht, sie meinte, es müsse etwas sein, das wie ein Haus klänge und doch an ein Boot erinnere. »Boots-Ruhe« war ihr nicht recht und »Galeeren-Villa« paßte ihr nicht wegen der unangenehmen Ideenverbindung mit Sträflingen. – Endlich, nach tagelangem Hin- und Herüberlegen entschieden wir uns für »Ruderheim«.

Es war zwar kein Ruderboot, sondern hatte nur ein einziges ungeheueres Steuer, aber ein Heim war es doch und das machte die kleine Ungenauigkeit der einen Hälfte des Namens wieder gut. –

Wir plauderten jedoch nicht die ganze Zeit, sondern machten uns auch jeden Abend ein bis zwei Stunden in unserm Haus zu schaffen, so daß dieses mehr und mehr einen wohnlichen Anstrich bekam. Auf dem Fußboden brachten wir Matten an, und billige aber sehr hübsche Tapeten an den Wänden; bald kauften wir ein paar neue Stühle dazu, bald einen Tisch, oder irgend ein Küchengerät. Sonntags hatten wir häufig Gäste, die Euphemias Kochkünste sehr bewunderten; ich hatte gleich gewußt, daß mein Frauchen sich darin auszeichnen würde, weil sie so gern etwas Gutes ißt.

So verfloß uns die Zeit unter fleißiger Arbeit und wir waren sehr glücklich.


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