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X.

Mistriß Trunnion bediente sich verschiedener Kunstgriffe ihre Macht zu befestigen, sie erregt bei dem Commodore frohe Erwartungen, die sich aber nicht erfüllen.

Alle diese Neuerungen wurden jedoch nicht ohne lebhaften Widerspruch von seiner Seite ausgeführt und es fiel dieserhalb manche heftige Erörterung zwischen ihm und seiner Frau vor; da sie aber immer Siegerin in diesen Kämpfen blieb und sein Ansehn täglich mehr sank, so begann er nach und nach seinen Verdruß zu verbeißen und ihn zuletzt ganz in sich hineinzuschlucken, so daß er innerhalb drei Monaten, zu einem so nachgiebigen Ehemann wurde wie es sich nur gebührte. Vertilgt war sein Starrsinn jedoch nicht, sondern nur überwältigt; immer blieb er so unbiegsam und widerspenstig als je, allein er durfte nur insgeheim knirschen und war jetzt soweit gebracht, sich bei seinem Zorn leidend verhalten zu müssen.

Wollte Mistriß Trunnion z. B. eine Equipage und einen schönen Zug Pferde haben, da es, sich, wie sie meinte, für eine Dame von ihrem Stande nicht schicke, in einer alten Kalesche umherzufahren, so spielte der Commodore, der sich wohl bewußt war daß er im Disputiren nicht ihre Fähigkeiten besaß, den Tauben, und umsonst unterstützte sie nun ihr Verlangen mit allen den Gründen womit sie ihm seine Einwilligung abzuschmeicheln, abzuschrecken oder abzulisten hoffte; umsonst berief sie sich auf ihre Liebe, die es wohl verdient hätte durch Zärtlichkeit und Nachgiebigkeit erwiedert zu werden. Sogar einige drohende Winke, die sie von der Rache eines beleidigten Weibes fallen ließ, gingen bei ihm verloren; er blieb unbeweglich gegen alle Vorstellungen von Ehre und Schande und war nicht einmal mehr zum Widerspruch zu reizen, wenn ihn sein schmuziger Geiz oder das Glück und die Ehre vorgeworfen wurde, das ihm durch seine Heirath mit ihr zu Theil geworden wäre. Wie eine Schildkröte in ihr Gehäuse wenn sie angegriffen wird, zog er sich in sich selbst zurück und schien nicht einmal mehr Empfindung für ihre Vorwürfe und ihren Spott zu haben.

Es war dies aber das erste Mal, daß ihr seit ihrer Verheirathung etwas fehl schlug und sie konnte den üblen Erfolg durchaus nicht verschmerzen. Umsonst strengte sie ihre ganze Einbildungskraft an um ein Mittel zu ersinnen ihre Macht zu vermehren, allein es wollte nicht glücken; was jedoch dem Kopfe nicht gelang, bewirkte ein Zufall. Noch war sie keine vier Monate im Castell, als sie öfteres Erbrechen und Uebelkeiten bekam und sich überhaupt auch manche andere Zeichen einstellten, zu denen sie sich glaubte Glück wünschen zu dürfen, und über die der Commodore vor Freuden fast außer sich gerieth, da sie ihm die Aussicht eröffneten, einen Leibeserben zu erhalten.

Mistriß Trunnion wußte, daß jetzt die Zeit war ihre Oberherrschaft völlig zu begründen und benutzte die Mittel, welche ihr die Natur in die Hände gab, und in der That, gab es von nun an fast nichts mehr, wonach sie nicht lüstern wurde. Eines Tages, als sie zur Kirche ging, sah sie Lady Statley's Equipage und sank in Ohnmacht und ihr Gemahl, dessen Eitelkeit noch durch nichts im Leben so geschmeichelt worden war, als durch die Hoffnung, welche ihm jetzt, wie er glaubte, blühte, gerieth dadurch in keine geringe Unruhe und gab ihr von Stund' an die Erlaubniß, sich Kutsche, Pferde und Bedienten, ganz nach Belieben, anzuschaffen. Mit dieser Vollmacht versehen, legte sie aber nun in Kurzem solche Beweise ihres Geschmackes und ihrer Prachtliebe ab, daß die ganze Grafschaft darüber erstaunte und Trunnion im Herzen erbebte, da er voraussah, daß sie von nun an ihren Einfällen keine Schranken mehr setzen würde. In der That bestätigte sie auch diese Vermuthung durch die kostbaren Anstalten, welche sie zu ihrer Niederkunft traf!

Ihr Stolz, welcher bisher immer nur ihren Bruder als den Repräsentanten des väterlichen Hauses im Auge gehabt hatte, schien jetzt dies Augenmerk gänzlich verloren zu haben und nur bemüht zu seyn, die Hauptlinie zu überglänzen und herabzuwürdigen. Gegen Mistriß Pickle benahm sie sich mit einer gewissen höflichen Zurückhaltung die ein Bewußtseyn eines höheren Ranges verrieth, und von jetzt an suchten die beiden Schwestern es einander an Pracht und Aufwand zuvorzuthun. Unter dem Vorwand frische Luft zu schöpfen, zeigte Mistriß Trunnion täglich dem ganzen Kirchspiele den Glanz ihrer Equipage; auch gab sie sich dabei Mühe die Zahl ihrer vornehmen Bekanntschaften zu erweitern; eine Sache die eben nicht vielen Schwierigkeiten unterworfen war, denn wer nur was man sagt, eine gewisse Figur spielen kann, dem fehlt es nicht leicht an Zutritt in die sogenannte gute Gesellschaft.

Bei allen Besuchen und Lustparthien ergriff Mistriß Trunnion jede schickliche Gelegenheit um von ihrem Zustande zu sprechen. Bald sagte sie: die Aerzte haben mir dieses oder jenes Gericht untersagt, bald durfte sie dies oder das nicht trinken; ja an Orten wo sie auf einem vertrauteren Fuße war, fuhr sie öfters plötzlich zusammen und klagte dann mit süßem Lächeln darüber, daß der kleine Muthwille jetzt so lebhaft würde.

Ihr Gemahl benahm sich bei dieser Sache nicht immer mit der Bescheidenheit, die sich wohl geziemt hätte; bei seinen Abendzusammenkünften ermangelte er nicht häufig von seinen und den Hoffnungen seiner Frau zu reden und diesen Umstand als einen glänzenden Beweis der Rüstigkeit für einen Knaben von fünf und funfzig Jahren hervorzuheben und dabei seine Stärke durch einen Druck an Tunley's Hand zu bestätigen, der jedesmal dabei laut aufbrüllte. Wenn seine Gesellschafter die Gesundheit von Hänschen im Keller tranken, dann wurden seine Züge außerordentlich freundlich und er verfehlte nicht darauf zu erwiedern: »Sobald der junge Hund eine Patrontasche tragen kann, soll er in die See und ich hoffe ihn noch vor meinem Tode als Officier zu sehen.«

Diese Hoffnung richtete ihn auch bei dem Gedanken an die jetzigen Verschwendungen seiner Frau auf, zumal wenn er sich dabei überlegte, daß seine Gefälligkeit mit den neun Monaten ohnedem aufhören würde und diese ja bereits größtentheils verflossen wären; allein so groß die Philosophie auch war mit welcher er sich in ihre Launen ergab, so stiegen dieselben dennoch jetzt zuweilen zu einer so lächerlichen und unerträglichen Höhe von Ungereimtheit und Uebermuth, daß ihm die Geduld doch manchmal riß und er sich zuweilen, obschon er dadurch selbst mit leiden würde, des Wunsches nicht erwehren konnte: ihre Hoffnungen möchten zu Schanden werden. Doch waren dies nur Aufwallungen des Unwillens, die so schnell wieder vergingen als sie entstanden waren, und derjenigen nicht die mindeste Unruhe machten die sie hervorgerufen hatten, da Trunnion sich die größte Mühe gab, sich nichts davon merken zu lassen.

Unterdessen schritt seine Gemahlin glücklich in ihrer Rechnung fort und versprach sich den besten Ausgang, und als nun die Zeit um war, da bekam sie mitten in der Nacht gewisse Anwandlungen die den entscheidenden Augenblick zu verkünden schienen. Der Commodore sprang sogleich von seinem Lager auf, um die Wehmutter zu rufen, welche bereits seit einigen Tagen im Castell campirte, zugleich ließ man einige der ältesten Matronen des Kirchspiels als weise Beistände, herbeiholen und war nun in Erwartung der Dinge die kommen sollten. Aber die Schmerzen verloren sich wieder und die alten Weiber erklärten: es sey ein blinder Lärm gewesen.

Ein paar Nächte darauf erfolgte ein zweites Aufgebot; jetzt glaubte man die Entbindung sehr nahe, da sich der Leib zu setzen anfing, indeß ergab auch diese Untersuchung eben so wenig ein Resultat wie die vorige. Die Wehen verloren sich abermals und die alten Weiber kehrten wieder in ihre Wohnungen mit der festen Erwartung zurück, die dritte Attaque würde entscheidend seyn, denn, hieß es: aller guten Dinge sind drei. Leider bestätigte sich dies Sprüchwort diesmal jedoch nicht; die nächste Aufforderung hatte keine anderen Folgen als die beiden ersten und es trat noch dazu ein Phänomen dabei ein, das Allen unerklärlich war: der Schooß der Mistriß Trunnion zeigte sich nämlich jetzt so wie er nach der Geburt eines vollkommenen Kindes hätte werden müssen. Dies außerordentliche Ereigniß setzte die ganze Matronenschaar in große Verwunderung; man hielt einen geheimen Rath und der Schluß fiel dahin aus: dieser Fall sey so wunderbar als unnatürlich und man müsse unverzüglich nach einem Geburtshelfer senden.

Ohne etwas von der Ursache der allgemeinen Verlegenheit zu vermuthen, befahl der Commodore dem Bootsmann einen solchen zu holen, und als nun nach Verlauf von einigen Stunden, der Mann kam, da erklärte er frank und frei: die Patientin wäre nie gesegneten Leibes gewesen. Diese Eröffnung war ein Donnerschlag für den armen Trunnion der volle acht Tage in der beständigen Erwartung gelebt hatte, sich mit dem Namen: Vater begrüßt zu sehen.

Er verfehlte jetzt nicht sowie er sich wieder etwas erholt hatte, den Arzt für einen unwissenden Halunken zu erklären, dessen Wort er verdammt seyn wolle, wenn er es glaube, und die Hebamme bestärkte ihn in diesem Wahne, indem sie fortfuhr der Mistriß Trunnion mit der Hoffnung einer baldigen und glücklichen Niederkunft zu schmeicheln. »Ich habe,« sprach sie, »schon öfter dergleichen Fälle gehabt; alle Zeichen der Schwangerschaft waren gänzlich verschwunden und dennoch stellte sich ein hübsches und feines Kind ein.« – Man weiß, daß jeder Hoffnungszweig begierig von Menschen ergriffen wird, die sich in Gefahr befinden ihre liebsten Erwartungen fehlgeschlagen zu sehen; auf jede Frage, welche die Hebamme mit den Worten: »Haben Sie nicht?« oder: »fühlen Sie nicht?« an die Dame ergehen ließ, antwortete diese mit einem: Ja, da sie es unmöglich über sich zu gewinnen vermochte ein Anzeichen zu verneinen, welches eine so lange genährte Hoffnung begünstigte.

Die erfahrne Meisterin in der Entbindungskunst blieb demnach noch volle drei Wochen im Hause und die Dame bekam in dieser Zeit noch mehrere Anwandlungen sogenannter Wehen und setzte dies so lange fort, bis sie und ihr Mann endlich das allgemeine Mährchen des Kirchspiels wurden. Nur mit Mühe und Noth konnte endlich das verblendete Paar dahin gebracht werden seine Hoffnungen aufzugeben als die Mistriß längst wieder so schlank geworden war wie ein Windspiel, und Beiden noch manche andere unstreitige Beweise vor Augen lagen, daß sie sich betrogen hatten. Allein der Einfluß dieser süßen Täuschung konnte nicht immer dauern, er verschwand zuletzt und nun trat ein starker Anfall von Schaam und Aerger an dessen Stelle. Der Gemahl wurde dadurch volle vierzehn Tage zu Hause gehalten und die Gemahlin mehrere Wochen im Bette, während welcher Zeit sie die empfindlichsten Quaalen der Kränkung erduldete.... doch die lindernde Hand der Zeit siegt zuletzt über Alles!

Sie wandte jetzt die erste Frist, welche ihr der Kummer gestattete, zu der pünktlichsten Beobachtung dessen an, was man Religionspflichten nennt und übte dieselben mit einer solchen Strenge aus, und ließ dabei über ihre Hausgenossen eine solche Verfolgung ergehen, daß diesen insgesammt das Castell zu enge wurde; selbst Tom Pipes fast unüberwindlicher Gleichmuth ward erschüttert, der Commodore aus seiner Resignation ganz herausgehetzt und niemand verschont, als Hatchway, der einzige den sie nicht mißvergnügt zu machen wagte.


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