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IX.

Der Commodore wird von seinen Gefährten aufgebracht und verheirathet. Abentheuer in der Hochzeitnacht; Veränderungen im Hause.

Während dies vorging, war Hatchway in die Kirche gehinkt, und hatte Bericht von Allem erstattet. Die Braut benahm sich hierbei wie es dem Wohlstande geziemte; kaum hörte sie von der Gefahr, worin der Geliebte schwebte, so sank sie ihrer Schwägerin ohnmächtig in die Arme, worüber denn die von dem ganzen Hergange noch nicht unterrichtete Versammlung nicht wenig erstaunte. Mittelst einer Menge Riechfläschgen brachte man die Braut endlich wieder zu sich, die nun den Lieutenant und den Bootsmann beschwor, ihres Bruders Kutsche zu nehmen und den verloren gegangenen Commodore aufzusuchen; ein Geschäft, dem sich diese Beiden willig unterzogen, und wobei sie von der übrigen Dienerschaft zu Pferde begleitet wurden, während die Braut mit ihren Freunden eine Einladung in das Predigerhaus annahm, und die Trauung fürs erste auf einen andern Tag verschoben ward.

Der Lieutenant steuerte in seiner Fahrt, soviel es der Weg erlaubte, möglichst genau der Richtung nach, die sein Capitain genommen hatte, und zog dabei von Hof zu Hof Erkundigungen über den Strich ein, den dieser genommen, was ihm auch nicht schwer wurde, da eine so merkwürdige Erscheinung nicht unbeachtet geblieben war. Auf einem Nebenwege fand einer der Diener des Commodores Hut und Perücke wieder, und endlich gegen vier Uhr Nachmittags kam man in dem Dorfe an, wo sich Trunnion jetzt befand. Als die Seeleute hier erfuhren, daß er im Wirthshause zum König Georg wohlbehalten vor Anker läge, zogen sie in Masse vor die Thüre desselben und gaben hier durch ein lautes, dreimaliges Hurrah! ihre Freude zu erkennen, worauf die Gesellschaft im Hause, unterrichtet von Sir Trunnion in dieser Begrüßungsart, dies Freudengeschrei auf gleiche Weise erwiederte. Er selbst hatte sich unterdessen ganz in die Lustigkeit seiner neuen Freunde hineingestimmt und seine volle Ladung erhalten. Dem Lieutenant wurde jetzt ein Platz am Tische eingeräumt und ihm zu essen gegeben; Tom Pipes und die Uebrigen bewirthete man in einem anderen Zimmer; dann spannte man endlich frische Pferde vor den Wagen; der Commodore schüttelte noch einmal Allen die Hände und reiste hierauf mit seinem Gefolge gegen Abend nach seinem Castell ab, wo er noch vor neun Uhr glücklich anlangte und hier der Vorsorge des Bootsmannes übergeben wurde, der ihn sogleich in seine Hängematte schaffte, während sich Hatchway nach dem Ort hin verfügte, wo die Braut und deren Freunde in großer Angst waren, und sie nun durch die Versicherung beruhigte: daß der Commodore wohlauf sey und ihnen zugleich durch die Erzählung von dessen Abentheuern eine reichhaltige Quelle von Belustigung eröffnete. Indem man nun einen anderen Tag zur Hochzeit ansetzte, bestimmte man den Prediger dahin, um die müssige Neugierde des Volks zu täuschen, das durch sein Betragen ein großes Aergerniß in der Kirche gegeben hatte, die Trauung im Castell zu verrichten, welches denn an diesem Tage mit Flaggen und Wimpeln geschmückt war und des Abends unter Master Hatchway's Aufsicht erleuchtet wurde. Auch brannte man auf des Letzteren Befehl, sowie die Ceremonie vorüber war, die Kanonen ab, und überhaupt sparte dieser sinnreiche Kopf nichts, was zur Unterhaltung der Gäste und zum Glanze des Festes beitragen konnte, so daß bei dem hochzeitlichen Abendschmause, dessen ganze Einrichtung ihm überlassen blieb, und der aus lauter Seegerichten bestand, alle Welt die unleugbarsten Beweise seines guten Geschmackes und seiner Geschicklichkeit erhielt.

Mitten auf dem Tische sah man eine große Schüssel mit Reis, mit einem starken Stücke in dünne Scheiben geschnittenen Rindfleische und einigen alten Hühnern verziert; an den Enden der Tafeln befanden sich ein paar Schüsseln in Oel schwimmender Fische, neben denen andere Schüsseln mit Allerlei und Salmigondi standen. Der zweite Gang brachte eine ungeheuer große Gans, neben welcher ein paar Guineahühner lagen, ein ganz nach westindischer Art gebratenes Spanferkel, einen Schinken in einem Erbspudding, eine gebratene Schöpsenkeule mit Kartoffeln und eine andere dito mit Obstcompot. Den dritten Gang machte eine Schweinskeule mit Apfelmus, ein in Zwiebeln geschmoortes Böckchen und eine in der Schaale gebackene Schildkröte; zuletzt folgte eine ungeheure Seepastete mit einem langen Gefolge von allerlei anderen Kuchen. Damit aber der Pracht dieses köstlichen Schmauses nichts abginge, so hatte Hatchway auch für einen großen Vorrath von starkem Biere, Flipp, Rum, Branntwein und Eau de Barbade für die Damen gesorgt. Zugleich waren alle Geigen in der Runde von sechs Meilen umher von ihm gemiethet worden, und da sich hierzu noch ein paar Pauken, ein Dudelsack und eine Wallisische Harfe gesellten, so vermochte er auch den Gästen mit einem harmonischen Conzert aufzuwarten.

Da die Gesellschaft nicht schwer zu befriedigen war, so fand auch alles den vollkommensten Beifall, und man brachte den Abend sehr vergnügt zu, als aber jetzt die Braut durch ihre Schwägerin in die Hochzeitskammer geleitet wurde, da hätte beinahe eine Kleinigkeit die ganze gute Eintracht gestört.

Es befand sich nämlich, wie früher schon erwähnt, in Sir Trunnion's vier Pfählen durchaus kein stehendes Bette, und man wird sich nicht wundern, daß die Braut sehr mißvergnügt darüber wurde, daß sie sich mit ihrem Gemahl einem Hängebette anvertrauen sollte. Zwar hatte man dasselbe für den gegenwärtigen Fall mit einem doppelten Stück Segeltuch versehen und es auch erweitert, aber dennoch blieb es ein unbequemes, um nicht zu sagen, gefährliches Lager. Laut und mit vieler Wärme beklagte sich die junge Frau über diese Ungemächlichkeit, schrieb sie einer beleidigenden Geringschätzung zu, und wollte sich durchaus nicht mit dieser Schlafanstalt behelfen; doch bewogen sie endlich die Zuredungen ihrer Schwägerin, es für diese Nacht gut seyn zu lassen und dann den nächsten Tag ihre Einrichtungen zu treffen, wie es ihr beliebe, sich zuletzt in die schwebende Maschine zu wagen, wohin sich auch ihr Gemahl, nachdem die Gesellschaft fort und die Aufsicht über das Castell dem Lieutenant und dem Bootsmanne übertragen worden war, begab. Wie es scheint, so hatte man aber bei den Haken, welche dieses Schaukelbette trugen, keine gehörige Rücksicht an die Vermehrung des Gewichts genommen, denn mitten in der Nacht rissen sie los.

Mistriß Trunnion's Schrecken war nicht gering; sie schrie so laut auf, daß Hatchway mit Licht herbeieilte. Zwar war der Fall ohne Schaden abgegangen, allein sie wurde doch so mißmüthig und ärgerlich über dies Ereigniß, und schrieb es so unumwunden und in so heftigen Ausdrücken dem Starrsinn und der Grillenhaftigkeit des Commodores zu, daß man klar abnehmen konnte, sie halte jetzt, nachdem sie ihre Absicht erreicht, ihre Macht gegen alle Stürme des Glücks gesichert; und in der That, wenn man das Schweigen und die Resignation des Commodores sah, der auf alle ihre Beschuldigungen mit nichts als einem höchst sauren Gesichte antwortete, so mußte man dieselbe Meinung hegen. Ganz leise kroch er aus seinem Neste hervor und schlich in ein anderes Zimmer, um da die Nacht zuzubringen, während seine erzürnte Hälfte den Lieutenant wieder fortschickte und sich jetzt damit beschäftigte, aus den Trümmern des Hängebettes ein Lager auf dem Fußboden zu bereiten, mit dem festen Entschlusse, den nächsten Tag für ein bequemeres zu sorgen. Da sie nicht schlafen konnte, so beschäftigte sich die Dame den Rest der Nacht damit, Pläne zur Verbesserung des Hauswesens zu entwerfen, und kaum verkündete die erste Lerche den Morgen, so sprang sie auch schon von ihrem Lager auf, warf die Kleider über und machte einen Ausfall, indem sie dabei zugleich soviel dies anging, das Haus untersuchte und dabei eine große Glocke gewahr wurde, deren sie sich sogleich mit einer solchen Gewalt bediente, daß die ganze Hausgenossenschaft in Allarm gerieth. Keine zwei Minuten vergingen, so standen der Lieutenant, Pipes und die sämmtliche männliche Dienerschaft halb angezogen vor ihr, da sie jedoch keine weibliche Seele sah, so begann sie nun über die Faulheit der Mägde loszuziehen, die, wie sie bemerkte, schon seit einer Stunde hätten an der Arbeit seyn sollen. Man sagte ihr jetzt: es sey keinem weiblichen Wesen erlaubt in den Ringmauern des Castells zu schlafen. Diese Einrichtung erklärte sie jedoch für albern und abgeschmackt und da sie erfuhr, daß die Köchin und das Stubenmädchen in einem Häuschen vor den Thoren des Schlosses wohnten, so gebot sie nun die Brücke niederzulassen und begab sich selbst hin, um ihnen zu befehlen, augenblicklich alle Zimmer im Castell zu scheuern, die bisher eben nicht im saubersten Zustande gehalten worden waren. Zugleich mußten während dieser Zeit ein paar Männer ihr Bette aus ihrer bisherigen Wohnung holen und keine zwei Stunden dauerte es, so war im Schlosse alles das Unterste zu oberst gekehrt und überall ein furchtbares Lärmen und Pochen.

Durch diesen Aufruhr aufgeschreckt und ganz außer Fassung gebracht, brauste Trunnion jetzt, einem Besessenen gleich, im bloßen Hemde aus seinem Zimmer und drang bewaffnet mit einem ungeheuren Knüppel in das Gemach seiner Frau, wo er ein paar Zimmerleute fand, die eben eine Bettstelle zusammenklopften. Mit einem Strom von entsetzlichen Flüchen und den stärksten Schimpfworten, gebot er ihnen von ihrer Arbeit abzustehen, da er keine Cajüten und Sturmhöhlen da leiden wollte, wo er Herr und Meister sey; aber die Leute kehrten sich an seine Vorstellungen nicht, denn sie hielten ihn für einen unglücklichen Wahnsinnigen, der wahrscheinlich in's Haus gehörte und seiner Haft entsprungen sey. Erbittert hierdurch noch mehr, fiel Trunnion nun mit seinen Knütteln über sie her, wurde aber bei diesem Gefecht von den Handwerksleuten so rauh behandelt, daß er bald besinnungslos am Boden lag, und sein eines ihm noch übrig gebliebenes Auge, durch einen Schlag mit dem Hammer, beschädigt ward. Die Arbeiter, noch immer in dem Wahn einen tollen Menschen vor sich zu sehen, beschlossen hierauf ihn zu binden und eben waren sie im Begriff dies auszuführen, als ihn glücklicherweise die Ankunft seiner Frau noch von dieser Schmach rettete. Sie befreite ihn zwar aus den Händen seiner Widersacher, doch verfehlte sie nicht ihm mitten unter ihren Beileidsbezeigungen, diesen Unfall als eine Folge seiner Unbedachtsamkeit und seiner wilden Gemüthsart vorzustellen.

Er athmete dagegen aber nichts als Rache und machte die angestrengtesten Versuche, die Unverschämtheit der Zimmerleute zu züchtigen, die kaum seinen Stand erfahren hatten, als sie mit großer Demuth um Verzeihung baten und hoch und theuer versicherten: sie hätten ihn nicht gekannt. Weit entfernt jedoch sich hierdurch besänftigen zu lassen, griff er nach der Klingel herum – denn die Entzündung seines Auges hatte ihn gänzlich des Gesichtes beraubt – allein die Handwerksleute waren so vorsichtig gewesen, die Schnur der Glocke seinen Nachforschungen zu entziehen. Jetzt begann er, wie ein im Garn verstrickter Löwe, mit unglaublich starker Stimme zu brüllen und unzählige Verwünschungen und Flüche auszustoßen und dabei Pipes und Hatchway um Hülfe zu rufen, die auch, da sie sich zufällig in der Nähe befanden, nicht verfehlten sich einzustellen, worauf ihnen Trunnion gebot, die Zimmerleute in Ketten und Banden zu legen, weil sie ihn in seinem eigenen Hause mörderisch angefallen hätten.

Die Seeleute und deren Gefolge, welche jetzt sahen, wie übel man ihrem Commandeur mitgespielt hatte, wurden nun ebenfalls erbittert und schickten sich an die Beleidigung zu rächen. Sie hielten das Betragen der Zimmerleute für eine Beschimpfung, die ihrer Garnison widerfahren war, und wurden in ihrem Unwillen noch mehr bestärkt, da sie sahen, daß die Rebellen Miene machten sich zu vertheidigen. Schon zogen sie ihre Säbel, die sie zu Zeichen ihrer Bestallung trugen, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde es zu einem heftigen Gefecht gekommen seyn, wenn sich nicht die Frau vom Hause ins Mittel gelegt hätte. Sie versicherte dem Lieutenant: der Commodore sey der angreifende Theil gewesen und die Leute, welche ihn nicht gekannt, hätten sich nur eine gerechte Nothwehr erlaubt. Dies reichte hin, um den Lieutenant, der jetzt sah, wie die Meinung der Mistriß lautete, umzustimmen; er packte mit seinem Zorne ein, und sagte zum Commodore: zwar sey er stets bereit, alle seine rechtmäßigen Befehle zu vollziehen, aber arme Leute zu unterdrücken, die im Grunde Niemand beleidigt hätten, erlaube ihm sein Gewissen nicht – Diese unerwartete Erklärung, verbunden mit dem Benehmen seiner Frau, die den Zimmerleuten in seiner Gegenwart befahl, ihre Arbeit fortzusetzen, füllte Trunnions Brust mit Wuth und Schmerz. Er riß seine wollene Nachtmütze ab, schlug sein kahles Haupt mit Fäusten, stampfte mit den Füßen auf den Boden und schwor, indem er sich selbst darüber bis in tiefsten Abgrund der Hölle verfluchte; daß er einen solchen Basilisken hätte in sein Haus nehmen können, seine Leute hätten ihn verrathen und verkauft.

Aber alle diese Verwünschungen, alle dieses Toben half ihm zu nichts; es waren seine letzten Anstrengungen dem Willen seiner Gattin Widerstand zu leisten. Ihr Einfluß auf seine Anhänger hatte den seinigen ganz vernichtet und sie erklärte ihm jetzt rund heraus: da sie am besten verstünde was ihm zur Ehre und zum Vortheil gereiche, so müsse die häusliche Einrichtung gänzlich von ihr abhängen; dann befahl sie ihm ein Kräuterpflaster für sein Auge zu machen und nachdem man ihm dies aufgelegt hatte, wurde er der Fürsorge des Pipes übergeben, der ihn nun wie einen blinden, nach Beute schnaubenden Bären, im Hause herumleitete. Seine Gattin führte unterdessen alle ihre Pläne aus und wandelte Alles dermaßen um, daß als Trunnion sein Gesicht wiederbekam, er ganz fremd im eignen Hause geworden war.


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