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45. Neidhart von Reuenthal.

6. Die Schwalbe.

       

    Nun ist gar zergangen
Der Winter kalt,
    Mit Laube steht befangen
Der grüne Wald.
    Wonniglich
In süßer Stimme freudiglich
Singt mancher Vogel zum Empfang des Maien;
So loben wir den Reihen.

    Aller Welt ist hohe
Freude bewust,
    Blumen in dem Lohe
Sah ich mit Lust
    Schön und dicht;
Sagen kann ich leider nicht,
Daß mir des Herzens lange Sorge schwinde;
Die ist mein Jagesinde.

    Gespielen zwei sich Märe
Vernahm ich sagen,
    Sich ihres Herzens Schwere
Einander klagen.
    Eine sprach:
»Trauern, Leid und Ungemach
Will mir verderben Leib und all die Sinne,
Es ist nicht Lust darinne.

    »Leid und Ungemüthe
Ist mir bekannt.
    Lieben Freundes Güte
Mich Leides mahnt.
    Mir bleibt ein Mann
Fremde, der mir hat gethan
Was mir langen Liebeskummer mehret
Und mein Herz versehret.«

    Sage mir in Treuen,
Was kümmert dich?
    Willst du gern dich freuen,
So thu wie ich
    Und hab Geduld.
Ists von liebes Mannes Schuld,
Das halt geheim mit allen deinen Sinnen;
Ich helfe dir entrinnen.

    »Du hörtest, wenn ichs kenne,
Wohl schon einmal
    Einen Ritter nennen,
Von Reuenthal.
    Mit seinem Sang
Er mein Gemüthe sehr bezwang:
Daß sein des Himmels Kaiser gnädig walte
Und ihn mir behalte.

    »Bin ich einst wo daheime,
Wo soll das sein?
    Eine Schwalbe klebt von Leime
Ein Häuselein,
    Wo sie heimisch ist
Des Sommers eine kurze Frist:
Gott gönne mir ein Haus mit einem Dache
Bei dem Lengebache!«


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