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Liebe und Weltgeschichte

Bei unsrer Ankunft lag Venedig in dickem Nebel – das ganze große, hellblaugoldene Spielzeug eingewickelt in Wasserdampf. Und auch uns befiel eine Schläfrigkeit als wären wir als zum Spiel gehörig mit eingepackt und beiseite gestellt. So blieb es bis zum Tag unsrer Abreise.

Die Wahrheit zu sagen, löste sich der Nebel manchmal in Regen auf, oder er sog, kaum, daß er überwältigt schien, frische Trauerkräfte an der Sonne, die er denn auch bald wieder gepackt und eingesponnen hatte, bis Gottes Herz, wie meine Mutter das Gestirn nannte, nur mehr als ein Marienkäferchen im grauen Flor hing.

Mich selbst kleidete er nicht übel, hatte doch Maria ihre schwierigen Studien am römischen Konservatorium nicht unterbrechen dürfen! Mit dieser Mitteilung empfing mich die Marchesa Capponi in der Halle des Hotels, wobei sie mit forscher Hand unter mein Kinn griff, um sich teilnahmsvoll an meiner Enttäuschung zu laben. »Sehr schade«, murmelte ich, und indem ich mich ermannend den Blick mit ihr kreuzte fügte ich laut und bestimmt hinzu: »Ich bedauere unendlich, es liegt gewiß nicht an ihr.«

»Bravo«, sagte die Marenesa und hob sich auf die Fußspitzen, um mir bequem in die Augen zu spähen. »Bravo, mein Junge. Sie gefallen mir immens. Aber Sie hätten nicht intrigieren oder, wenn doch, es geschickter anfangen sollen. Versiegelte Briefe an meine Tochter passieren nicht, verstehn Sie, die lese ich allein.« Und sie entließ mich mit einem Klaps auf die Wange und einem eindrucksvollen Zähneknirschen, das den Mund der nicht mehr jungen Dame zu einem spitzen, braun verwitterten Rüssel formte.

Und da war Frau Hartmann, klein und allseits gerundet, mit schönen weißen Haaren um das rosige Gesicht, worin kleine, spitze Zähne über junge Lippen sprangen, bei Gott, Frau Hartmann gefiel mir – wer hätte es gedacht! Sie nahm meine Begrüßung nur entgegen, um sie unverzüglich an ihre herbeihüpfende Tochter Anne-Marie weiterzuleiten. Anne-Maria schüttelte lachend den Kopf, was völlig sinnlos oder doch zum mindesten unverständlich gewesen wäre, wenn wir einander nicht insgeheim bereits recht gut gekannt hätten. Bei solchen Begegnungen war sie an der Seite Ernstens geschritten, während ich, nicht ganz so aufrecht wie mein großer Bruder, Viviane von Bock vor den Gefahren der Straßburger Orangerie behütet hatte. Allerdings waltete eine stille Übereinkunft, auf Grund deren die beiden Parteien als von einer Nebelkappe unkenntlich gemacht, laut- und blicklos aneinander vorbeiglitten. Nun sah ich die braunen, lockeren Haare, von denen immer eine Strähne herabhing, die braunen, in einem brennenden Punkt gesammelten Augen zum erstenmal aus der Nähe. Was ihr Blick unbekümmert aussprach, verriet, wenn man ihn aufmerksam betrachtete, auch schon ihr Körper, der klein, straft und eigensinnig war. Sie hielt einen Malkasten in der einen, ein Klappstühlchen in der andern Hand und war im Begriff auszugehn. Ich hob die Hand, die den Griff des Malkastens umklammerte, unter tiefer Verbeugung an die Lippen und küßte sie auf das Handgelenk. Es war, als berührte ich mit den Lippen eine Billardkugel, so rund, glatt und kühl gab sich das Ding. Da erstand aus einem Klubsessel ein Herr, trat mit den leise gesprochenen Worten: »Ob Sie sich meiner wohl entsinnen« auf mich zu und schüttelte mir die Hand: Lord Berrick.

Wie hätte ich ihn vergessen haben können, wußte er doch Bescheid in der Mythologie und hatte Maria und mich gegen die Barbaren beschützt, vor allem war mir sein warmes, etwas trauriges Lächeln gegenwärtig geblieben, ja, ich hatte es selbst hin und wieder bei großen Gelegenheiten nachzuahmen versucht! Inzwischen hatte er sich, so erfuhr ich am Abend im Salon, mit einer Dame aus einer allerersten Familie Schottlands verheiratet, deren Mann bei einer Nilpferdjagd am Kongo ums Leben gekommen war, einer »Führerin«, wie die Marchesa Capponi gewichtig mitteilte, einer »society leader neuesten Stils«, die für die Befreiung der Frauen kämpfte, und »durch deren Salon der Weg zum Kapitol ging.« Ingels (sprich: Ingols), der schottische Chauffeur, den Lady Isabel nebst zwei Töchtern in ihre zweite Ehe eingebracht, hatte das gefährliche Tier in der nächsten Minute erlegt – sollte man, so fragte die Marchesa in einem ihrer Anfälle von brutaler Koketterie, die ich bald als Würze ihres Gesprächs würdigte, sollte man sagen: leider zu spät? Die zweite Ehe galt für glücklicher, als die erste, so überraschend geschiedene nach allgemeiner Meinung gewesen war. Nein, die Marchesa, die Lady Isabel liebte und den Lord hochschätzte, erklärte keinen immensen Zorn gegen das schuldige Nilpferd aufbringen zu können, um so mehr, als dieses seine Intervention mit dem Leben gebüßt. Lady Isabels erster Mann war eine Null, eine Jugendliebe ohne Titel und Vermögen, ein gipserner Apollo von Belvedere mit Jagdflinte gewesen ... Während dieses Gespräches hörte ich auch zum erstenmal den Namen der deutschen Dichterin Aggie Ruf. Es hieß, das sei die einzige lebende Frau, der die Führerin den Vortritt lasse. So etwa verhielt es sich mit den beiden: Kleopatra stellte Sappho über sich, und dies kennzeichnete sie beide. Leider – hier mußte man allerdings leider sagen – mied die Führerin das taubenbewohnte Venedig, das sie ein altes Gerümpel und schlimmeres schalt, eigentlich nur der Tauben wegen, welche Vögel sie unbegreiflicherweise mit Haß und Verachtung verfolgte. Als ob die Tauben tatsächlich in weibischer Weise sanft und fromm gewesen wären, wie der Volksmund töricht nachplapperte!

Statt ihrer hatte die Führerin zur Betreuung des Lords den schottischen Chauffeur Ingels (sprich: Ingols) nach Venedig delegiert, der sich aber hier, wie man denken konnte, als Chauffeur in einer wagenlosen Stadt ganz entsetzlich langweilte. Auch ergab er sich offenbar dem Trunk. Er lief mit blaurotem Kopf und hervorquellenden Augen herum und grinste, statt zu grüßen. Der Lord schien es nicht einmal zu bemerken.

Er bemerkte es wohl, wie ich bald feststellen konnte, als wir eines Nachmittags auf unserm gewohnten Nebelgang in einer engen Gasse auf einen Mann stießen, der beim Anblick des Lords verlegen nach rechts und links rückte und, in der Unmöglichkeit auszuweichen, hilfesuchend an der Häuserwand hinaufstierte, um schließlich kehrtzumachen und mühevoll davon zu torkeln. »Das war Ingels, Lady Berricks Chauffeur«, sagte der Lord und, als Antwort auf meinen erstaunt fragenden Blick: »O nein, ich mische mich nicht in die Angelegenheiten Lady Berricks, das wäre unhöflich. Übrigens bekomme ich ihn selten zu Gesicht. Zu Giacomuzzi geht er nicht.«

Wir waren vor dem Café Giacomuzzi, dem Endpunkt unsres Spaziergangs, angelangt, wo wir diesen einzigen schönen Teil des Tages zu beschließen pflegten, seitdem der Lord mich, mit der Erlaubnis meiner Mutter, zu seinem Weggenossen erwählt hatte. »Lieber junger Freund«, hatte er damals gesagt, »obwohl wir im leeren »Globe« wie eine Familie in einem etwas primitiven Wasserschlosse hausen, langweilen Sie sich dennoch nicht weniger als ich. Das kommt, weil unsre sonst scharmanten Damen nach besten Kräften zu dem Nebel beisteuern, indem sie ausschließlich sein Verschwinden erwarten, besprechen, beschwören. Ich finde Venedig sehr angenehm im Nebel. Sie nicht?«

Ich war viel zu erstaunt gewesen, um gleich zu antworten, und der Lord hatte fortgefahren: »Es ist so leer! Kommen Sie mit mir. Sie sollen sehn. Der Nebel saugt die Fremden auf, Cook selbst scheint für ihn zu arbeiten. Rudelweise verschwinden sie. Und mit ihnen die fliegenden Händler, die Zutreiber der Glasfabriken, die geschnürten Capitani, die Bettler, und in den Cafés wird keine Musik mehr gemacht. Endlich bietet sich die Möglichkeit, die Reststücke des einst so stolzen venezianischen Theaters in Muße zu betrachten.« Seitdem zogen wir täglich nach Tisch in den Nebel hinaus und kehrten erst gegen Abend zurück.

Da saßen wir also wieder an unserm Ecktisch im Café Giacomuzzi, und der Lord lächelte, wehmütig den Kopf zur Seite geneigt, vor sich hin.

»Ich liebe diese Stadt sehr«, sagte er. »Seit dem Frühling, seit damals... Sein krankes Auge sah mich an, und mir kam es vor, als wäre der Fremdkörper in der Iris eine verhörnte Träne. »Seit den herrlichen Tagen, die so traurig endeten, habe ich Venedig oft besucht. Nun, zum erstenmal seit damals finde ich es wieder... vielsagend, farbig, tief, lebendig. Seitdem der Nebel wie eine Wolke Gottes hereinhängt. Endlich habe ich auch ein Modell gefunden ... Sie müssen nämlich wissen, mein Freund, ich vertreibe mir die Zeit mit kleinen Malereien, Skizzen von Frauen, die, zur Liebe geschaffen, es auch nicht verhehlen – sie brauchen nicht gar so jung zu sein ... Ich entstamme nämlich der puritanischsten Familie Schottlands, ich weiß nicht, Claus, ob Sie ermessen, was das heißt. Einer stolzen Familie. Einer blutigen Familie. Ich versichere Ihnen, meine frommen Vorfahren marschierten nur so durch Blut. Als es in England spärlicher zu fließen begann, machten sie sich in die Kolonien auf, die frommen Berrick ... Und denken Sie nur: ihr Vermögen nahm nicht ab, obwohl dies doch sonst die Regel ist, wenn jemand verschwenderisch reist, großen Aufwand treibt, außerdem noch die Tugend belohnt, wie schwachsinnige Greise das Laster, und das alles, ohne viel zu arbeiten – im Gegenteil! Woran Sie ohne weiteres erkennen, daß der liebe Gott ein Auge auf den Berrick hatte, das Auge eines alten Vaters auf dem Erben seines Namens. Sie verstehn, Claus: so bin ich dahin geführt worden, mich neben meiner Malerei mit der Weltgeschichte zu befassen. Und ich kann Ihnen versichern, die Malerei gewinnt durch die Beschäftigung ...«

Ich war nicht wenig überrascht, den Lord so kühn daherreden zu hören, am allerwenigsten hätte ich erwartet, er werde gerade mich zum Vertrauten seiner empörerischen Gedanken machen. Zwar war es mir schon immer vorgekommen, zumal bei den Wortgefechten mit Donjas »kleinem Kreis«, als ob er etwas hinter der Rede halte, und Maria und ich hatten es ihm gelegentlich mit der Überreichung einer Blume oder einer in einer entlegenen Butike billig erworbenen Antiquität gelohnt. Kinder sind empfänglich für Ermutigungen, Heimlichkeiten bilden ihre Wonne, indes, welcher Erwachsene erzählte ihnen je ernste Geheimnisse? Nun war ich ja kein Kind mehr, sondern Obersekundaner und der Welt erschlossen, und hätte statt des Lords etwa Sidonia oder Bob Capponi an meiner Seite gesessen, ich hätte ihnen mit ungemischter Befriedigung gelauscht. Der fremde Lord aber flößte mir zuviel Lust ein, und er machte mich schaudern.

»Wie gesagt« wiederholte er in seiner gemächlich dahingleitenden Redeweise, »wie gesagt, lieber Freund, ich gehöre nicht zu den Menschen, denen der Nebel für gewöhnlich das Gemüt bedrückt, vielmehr lenkt er meinen Geist auf die großen Gegenstände der Menschengeschichte. Die großen Gegenstände der Weltgeschichte aber sind es, die mich unweigerlich heiter stimmen. Wenn Sie erlauben, erzähle ich Ihnen etwas von Venedig. Um es gleich zu sagen: Dieses Venedig war eine der komfortabelsten Räuberhöhlen der Welt, und das Gesindel, das hier herrschte, von ebenso guten Eltern wie ich selbst. Nur noch klüger, glaube ich, ja zweifellos klüger.

Es war atemstickend. Ich mußte vom Plüschsofa aufstehn und mich dem Lord gegenüber auf einen Stuhl setzen. Einen Mokka bestellte ich und Zigaretten. Aber da ich noch nie Zigaretten geraucht hatte, versuchte ich es auch gar nicht erst mit ihnen und blickte sie nur mutig an.

Welch ein Mann – vom blinden Himmel gefallen!

Während er nach seiner Aussage in Witzblättern, die sich ausdrücklich so nannten, lange blättern konnte, ohne auf den geringsten Anlaß zur Heiterkeit zu stoßen, brauchte er nur die Rede eines Volksführers, dieses Sozialisten Strata zum Beispiel zu lesen, und gleich war er alle Sorge los und schwelgte, wie im deutschen Volkslied, in den Rosen. Redete dieser Strata nicht, schrieb nicht seine Zeitung, der venezianische »Popolo« auf ihre Art ebenso Weltgeschichte wie die Professoren in Oxford, die auf historischem Abstand dichteten? Also daß der Lord wohl sagen durfte, der Nebel stimmte ihn vergnügt, indem er ihn von den leichtsinnigen Eindrücken, wie sie einem an der Sonne und unter dem Sternenhimmel zuflogen, auf den ehernen Gang des kalten Ritters lenkte, den wir, die einen aus schlotternder Ehrfurcht, die andern aus Höflichkeit, Völkerschicksal nannten. Im Grund, nebenbei, war diese Bezeichnung Schicksal ein Selbstlob, Überheblichkeit, ja grausame Frechheit der Sieger, aber davon wollte er nicht sprechen, es hätte zuweit geführt, da doch die ganze »Weltgeschichte«, wie wir armen Luder sie in unsern nationalen Schulen lernen mußten, aus nichts als dem Triumphgeheul von Siegern und dem nicht minder musikalischen Zähneknirschen der Besiegten bestand.

Ich nickte, das war wahr! Niemand konnte es besser wissen, als ein Elsässer!

Einige Tage sah ich dann den Lord nur im Hotel, wo er eine venezianische Gräfin malte, die er mit Hilfe der Marquise Capponi überredet hatte, ihm unter Aufsicht der Damen zu sitzen, und zwar, wie ich gelegentlich zu hören bekam, in einem äußerst leichten, »immens duftigen« Kostüm. Er war sehr aufgeräumt und hielt den Damen bei Tisch kleine, schwärmerische Vorträge über die venezianische Malerei, die den Vorzug besaßen, stark nachgedunkelte Schönheiten aufzulichten und alte Stoffe zu bewegen, als wären es die Kleider der ihm zuhörenden Damen.

Meine Mutter nannte ihn »gescheit wie einen Teufel«, wogegen die Marquise bei den Heiligen schwor, er scherze nicht, und Madame Hartmann, die Frau des reichen elsässischen Knopffabrikanten, die ihn drei Monate im gleichen Hotel beobachtet hatte, nahm es ebenfalls auf ihren Eid, er sei der feinfühligste, gebildetste, wohlanständigste aller Lords, die ihr je begegnet.

»II vous repose de cette espèce de débraillé, le lord Byron«, rief sie aus. Ein andermal brandmarkte sie den Dichter des »Child Harold« als die »coqueluche vénitienne des nouveaux mariés« und lobte den Lord Berrick als einen »Gentilhomme, qui cache un artiste«.

Ihre Tochter Anne-Marie erwies sich als die einzige, die, von der Mutter zu einem Bekenntnis gedrängt, am Lord auszusetzen fand, er betrachte die himmlische Liebe, als wäre sie auch nur eine irdische Erscheinung, womit sie den Nagel auf den Kopf traf. Außerdem, behauptete sie, sei er ein Schmeichler, ein Damenschmeichler, man brauche allerdings einige Zeit, bis man es merke, aber dann fühle man sich geradezu überwältigt. Kurz, ihr sei der Lord unheimlich, um nicht zu sagen verdächtig ... »Aber Kind!« rief Frau Hartmann errötend, während die Marchesa den Vorwurf der Schmeichelei mit den Worten zurückwies: »Gar nicht. Er ist nur etwas keck in der Art, die Wahrheit zu sagen.«

Anne-Marie ging in den Nebel hinaus, um weiterhin den Dogenpalast zu aquarellieren, wie er in der Sonne erstrahlte.

An diesen Tagen saß ich allein bei Giacomuzzi und las die Reden des jungen Volksführers Strata, der in Turin einen Streik anführte, sowie deren Kommentare in den Zeitungen, unter andern eine erstaunliche Nutzanwendung auf lokale Unglücksfälle, wie die Ermordung eines stratistischen Steuereinnehmers durch einen Matrosen in einem Hause der Calle della Mandolina, für die niemand anders als der König selbst verantwortlich gemacht wurde. Gleichzeitig vertiefte ich mich in den Cäsarenkopf des Tribuns, aus dessen Zügen der »Popolo« die Lebenslinie der italienischen Nation, die »Gazetta« deren Todeslinie herauslas, beide mit einer Aufdringlichkeit, als kratzten sie nach Trinkgeld.

Als das Bildnis der venezianischen Gräfin beendet war – es hieß nur allgemein »das lebende Stilleben«, und französisch klang es noch komischer: »une nature morte vivante« –, nahmen der Lord und ich die unterbrochene Wanderung durch die verschwiegene Stadt von neuem auf. Diesmal führte er mich in die Vorhalle von San Marco und zeigte mir drei rote Steinplatten. Hier sollte Kaiser Barbarossa vor dem Papst Alexander III. gekniet und der Papst dem Kaiser dabei den Fuß auf die Schulter gesetzt haben. »Non tibi, sed Petro«, war der einzige Protest, den der Kaiser einzulegen wagte, worauf der Papst unter verstärktem Druck des Fußes ihn zurechtwies: »Et mihi, et Petro.« Venedig, die Verbündete des Papstes, hatte ihn hierher gelockt, als »ehrlicher Makler«, ganz wie Bismarck das Wort gemeint, bemerkte der Lord, und es half auch zum Frieden. Der Gewinn Venedigs bei dem Handel bestand keineswegs nur in dem Ring, den der Papst dem Dogen verehrte, und kraft dessen die Dogen von Venedig sich fortan mit dem Meere vermählten im berühmtesten aller venetianischen Prunkfeste, weit gefehlt, auch die Vermählung mit dem Meer war nur ein gemaltes Bild auf dem Geschäftsschild einer kriegsgewaltigen Kolonialwarenhandlung ...

Zu meiner nicht geringen Verwunderung erregten die also erworbenen Einblicke in die Weltgeschichte, wie ich sie bei dem Abbé Simon probeweise zum besten gab, allem Anschein nach dessen Beifall, was ich an dem launigen Schmunzeln erkannte, womit er sie, übrigens wortlos, entgegennahm. Dies bestärkte mich noch in meinem wachsenden Vertrauen zum Lord und der eigenen Kühnheit. Ich traf den Lord gewöhnlich schon morgens bei der Schiffslände des Rialto, wo er in einem kleinen Café sein Glas Frühstückswein trank. In der Nähe, in S. Bartolomeo, las der Abbé die Messe, bei der ich nicht fehlen durfte, daher es kommt, daß mir die Heiligen Sebastian und Bartolomeus Seb. del Piombos, die das Seitenschiff der Kirche in der Nähe des Chors schmücken, heute noch leibhaftig vorstehen. Dagegen sind mir die beiden andern Heiligen von des Meisters Hand aus dem Gedächtnis entschwunden, denn diese hingen neben der Orgel, und ich eilte, ohne einen Blick für sie, kaum daß der Segen gesprochen, aus den Augen der Damen, aus den Augen der Heiligen Sebastian und Bartolomeus, zu meinem Lord.

Manchmal, wenn es auf der Piazetta stark zog, saß auch Anne-Marie Hartmann dort und malte zur Abwechslung den Rialto in der Sonne:, sie hatte die Frühmesse in San Marco gehört, um bei der »guten Beleuchtung« ihrer Motive nicht zu spät zu kommen. Wenn wir sie wegen der »Hartmannschen Sonne« neckten die sie aus eigner Kraft erschuf, lachte sie so reizend, daß die umherstehenden Tagediebe die Gelegenheit wahrnahmen, zu applaudieren und nach dieser Arbeit die Hände herzuzeigen, um ein Trinkgeld entgegenzunehmen. Dann strich sich Anne-Marie mit dem langen, dünnen Pinsel eine Strähne des Haares aus dem Gesicht und sagte, sie könne eben ohne Sonne nicht leben, und überhaupt sei das Ideal nichts andres als ewige Sonne.

Hier, am Rialto, steckte ich ihr endlich das Paketchen meines Bruders Ernst zu. »Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit, murmelte ich. Sie legte es auf die Staffelei und sagte laut: »Das ist stark! Nach vierzehn Tagen! Eigentlich sollte ich es Ihnen zurückgeben, um Sie zu bestrafen.« Ich wollte mich entschuldigen, ich sei bisher niemals mit ihr allein gewesen.

»Wieso allein?« sprach sie gedehnt und weitete angestrengt die Augen. »Das hätten Sie mir auch vor Mama übergeben können.«

Lord Berrick stand wartend auf der Brücke.

»Vielleicht vor Ihrer Mama,« sagte ich kurz, »aber nicht vor der meinen«, und eilte zum Lord.

»Womit haben Sie die Kleine erzürnt?« fragte der Lord. »Sie blickte ja geradezu wütend hinter Ihnen her.

»Habe ich sie erzürnt?« sagte ich gleichgültig, und wir traten unsern Rundgang an.

 

Eines Nachts vernahm ich zwei starke Schläge im Weltraum, gleich darauf beugte sich eine Gestalt über mein Bett, die eine Mittagssonne in beschwörend erhobener Hand hielt. Während ich mich noch bemühte, in dies tolle Licht zu schauen, erstand mit eins der Name Maria in mir, gewaltig wie der Schatten, der in Schleppen von dem Licht herabhing und mit seinem Schwanken das Zimmer füllte. Ich sprang aus dem Bett und faßte die Hand, die das Licht hielt. »Ja, ja, Herr Baron«, stammelte die Gestalt, »es ist wahr und wahrhaftig die kleine Marquise. Sie steht unten und wartet.«

Unser Annele! Ganz blaß war sie vor Aufregung, ihre Schultern bebten in kleinen Stößen. »Es scheint, sie muß gleich wieder mit dem Zug fort«, fügte sie hastig hinzu. Nun hatte sie die Kerze auf dem Nachttisch an der ihren entzündet, und sie eilte auf den Fußspitzen hinaus.

Zu einer innern Sturmmusik flog ich in die Kleider, stürzte davon, den Flur entlang, Treppen hinunter, ich hielt mich nicht einmal am Geländer fest? ich mußte mit der Hand die Flamme schützen, es war ein halsbrecherischer Tanz, so kam ich in die Halle und bis zur Hoteltür. Sie war verschlossen. Ich kehrte in die Halle zurück.

Die Kerze in der gereckten Faust stand ich mitten im finstern Raum. Nichts. Kein Laut.

Da stampfte ich mit dem Fuße auf und schrie aus Leibeskräften:

»Maria!«

»Mio dio!« tönte es aus dem Dunkel zurück, es klang wie ein Angstruf.

»Maria!« flüsterte ich flehentlich.

»Stelle das Licht auf das Rauchtischchen neben dir!«, befahl sie mit durchdringend leiser Stimme ... »Und jetzt komm!«

Ich folgte der Stimme, ohne eine Spur von Maria zu sehn.

»Halt! Setze dich da in den Sessel«, flüsterte es. Tastend ließ ich mich in einem geräumigen Fauteuil nieder, an dem ich mich gerade gestoßen hatte. Im nächsten Augenblick brach die Nacht um uns auf, und sie war da. Erst hing sie schwer an meinem Hals und küßte mich, und mir war, als würde ich von den Füßen bis zum Scheitel in die Glut getaucht, die das Herz der Ewigen erwärmt. Dann kauerte sie auf meinen Knien. Mit der einen Hand drückte sie meinen Kopf an ihre Brust, die andre Hand wühlte in meinen Haaren, es verschlug mir die Luft. Ich zwang sie neben mich nieder, und nun lagen wir nebeneinander im Klubsessel und liebkosten uns ruhig.

Auf sicherer Wanderung gingen ihre Hände streichelnd über meine Wangen, Kinn, Schläfen, Hals und Nacken .. Ich bat: »Jetzt ich!«, und sie hielt still, damit ich sie mit dienenden Händen erkenne, und deutlicher als je im Licht sah ich sie vor mir: den reichen Mund, der mürrisch war vor lauter Ernst, und in den alles Blut aus dem Gesicht geströmt zu sein schien, die sich kühn in die Stirn emporschwingenden Brauen, das von Schläfe zu Schläfe gespannte Licht unter den unruhigen, schwarzen Haaren, alles das, was mehr war, als nur Mund, Augenbrauen, Stirn – ein gewitteriges, aus gelb beleuchtetem Laub mit zahllosen Früchten herzbebendes Land, in dessen brauendem Himmel große, dunkle Vögel auf ihren Flügeln ruhten ...

»Du bist's,« flüsterte ich, »o, du bist's!« Und ich lauschte dem ein wenig rauhen Wohlklang ihrer Stimme, die, wie in verhaltenem Lachen, antwortete ...

»Was ist euer Annele für ein gescheites Ding!« begann sie plötzlich zu erzählen. »So eine Zofe möchte ich auch einmal haben. Kaum hatte sie mich gesehn, da lief sie davon, um dich zu holen. Ich konnte ihr gerade noch nachrufen, ich müßte gleich wieder abreisen, und du solltest Mantel und Schirm mitnehmen.«

»Mantel und Schirm?«

»Spürst du nicht, wie ich klatschnaß bin?«

Richtig, sie war klatschnaß, – welch ein Jammer!

»Claus, in Mailand war schönstes Wetter, und hier regnet es in Strömen, und um 1 Uhr 47 geht mein Zug. Keine Gondel zu haben! Um Gottes willen, wir müssen fort!«

Mit einem Ruck fuhr sie aus dem Sessel, aber vorher hatte sie noch rasch meine Hand ergriffen, daran zog sie.

»Hol die Kerze! Wir müssen durch die Hintertür. Gut, daß der Portier noch nicht in seiner Kabuse schläft, er hätte dich bestimmt gehört, vorhin, als du Maria schriest. Er sitzt in der Kneipe gegenüber – ein Fürst unter Packträgern. Wir wären verratzt gewesen, du Schlaumeier!« Sie hob ihren Hut vom Boden auf und stülpte ihn über. »Klatsch«, sagte sie.

Als ich mit der Kerze zurückkam, sah sie auf die Uhr.

»Wir haben noch 45 Minuten«, stellte sie fest. »Wo ist dein Schirm?«

Von Schirm und Mantel hatte Annele nichts gesagt. Wir standen und hörten den Regen brausen. Ihre Kleider dunsteten in der warmen Luft der Halle. Der breite Samthut bog sich vor Nässe bis zu den Schultern.

»Fahre ich mit dir?«, fragte ich.

Sie lachte einen kurzen, gurrenden Schlag.

»Du wärst es imstand! Nein, nein, um 2 Uhr 15 liegst du wieder in deinem Bett.«

»In diesem Fall, erklärte ich, »haben wir keine Zeit zu verlieren«, und ich eilte mit der Kerze voran durch den Gang, der, wie ich wußte, zur Hintertür führte, einer schmalen, unsauberen Pforte für die Lieferanten und das Gesinde.

»Hier irgendwo steckt euer Annele mit einem Kavalier«, flüsterte sie. »Als ich kam, standen die beiden verschlungen unter der Tür und sahen zu, wie es um die Laterne herabregnet. Schöne Aussicht! Lösch' die Kerze und stell' sie dort in die Ecke. Gut, daß Streichhölzer darauf liegen. Und nun: Mut, wenn du mich liebst!«

Damit warf sie sich in den Regen. Ich schlang meinen Arm um sie, und wir liefen, nein, wir torkelten durch verzwickte, verwinkelte Gassen, in denen der Regen mit haushohem Besen kehrte, durch Wasserhosen von Plätzen, treppauf, treppab über die Kanäle, Fensterläden rasselten, die Wellen klatschten gegen die Häuser, knirschend rieben sich die Gondeln an den Pflöcken, kämpften uns von einer spärlich leuchtenden Laterne zur andern durch, und um ja nicht in die Irre zu gehn, riefen wir einander zu: »Calle Goldoni – da ist sie, gut! ... San Lucca, famos! ... Links geht's zum Rialto, also rechts, es ist ein kleiner Umweg, aber sicher ... S. Giovanni Crisostomo, gut! ... Ha! die Vittore Emanuele, die Champs Elysées von Venedig, wir können uns nicht mehr verlaufen.«

Wir verliefen uns dennoch, auf einmal standen wir am großen Kanal. Die Gasse mündete stracks in das Wasser, das dicht unter unsern vom Schreck gelähmten Füßen lag gleich einer großen, schlafenden Schlange, auf die wir unversehens gestoßen. Das kam daher, daß wir in Streit geraten waren.

Nachdem Maria mir, so deutlich, wie Sturm und Regen es zuließen, mitgeteilt hatte, wie alles gekommen: daß sie mit ihrem Vater nach Mailand gefahren und, als er sich um 1/2 7 zum Essen beim Präfekten begeben, im Wagen nach dem Bahnhof gesaust und nach Venedig abgedampft sei, nicht, ohne vorher ihr Bett im Hotel künstlich in Unordnung gebracht zu haben, glaubte ich in meiner Aufregung über die ungewöhnlichen Vorgänge, sie ebenfalls von einer Merkwürdigkeit in Kenntnis setzen zu müssen. Nach jahrelanger, brennender Erwartung eines Wiedersehens in Venedig, sagte ich, hätte ich die Enttäuschung über ihr Wegbleiben verhältnismäßig ruhig, ja recht eigentlich gedankenlos getragen – ob sie sich das erklären könne? Da stapften wir noch, vom Regen aneinandergeklebt, vorsichtig über die glatten Steinfliesen des Corso Vittore Emanuele.

»Du bist eben erschreckend herzlos«, stieß sie hervor. »Ich habe es gleich gemerkt, als ich dich kennenlernte, damals im Schlafwagen. Brutal warst du, einfach brutal.«

»Aber nein,« sagte ich überzeugt, »wie töricht du bist, Maria! Ich wollte dich doch nur auf der Stelle erobern – verstehst du: mit stürmender Hand!«

»Mag sein, daß ich töricht bin«, erwiderte sie. »Mag gern sein, aber du, du bist roh. Hast du nicht behauptet, ich würde zu Hause geschlagen?«

»Und wenn es wahr wäre?«, rief ich aus und blieb stehn, und dieser Einfall, stehnzubleiben und die Krempe des Samthutes aufzuheben, so daß ein Guß Wasser ihr seitlich ins Gesicht platschte, dieser wirklich unangebrachte Einfall, mitten auf der spritzenden Vittore Emanuele haltzumachen, als ob nicht die Ehre einer Marchesa Capponi am Faden einer Minute hinge, und überdies noch Anstalten zu treffen, sie umständlich in das nasse Gesicht zu küssen –

»Fort! In dein Hotel!« fauchte sie und riß meine Finger vom Hutrand. »Ich werde nicht geschlagen!«

Dieser Einfall verdarb alles. Blindlings rannte sie davon, der schlafenden Schlange vor den Rachen. Ihre eine Fußspitze ragte wohl schon über die letzte Steinplatte der Gasse, als ich ihren Arm zu fassen bekam. Damals war mir die Gefahr nicht bewußt, aber dann habe ich jahrelang davon geträumt, wenn auch die Bilder immer andre waren, als gerade jener regenverwischte Rand zwischen Erde und Wasser. Die Angst, die mich träumen ließ, sie ward an der finstern Grenze empfangen, wo nur ein zartes, im Heulen des Windes kaum wahrnehmbares Intervall verriet, daß hier der Regen den Stein traf und dort, einen Millimeter weiter, in die Tiefe, den Kanal versank.

»Mein Hut!«, hörte ich sie schreien. Ein. Windstoß hatte ihn ihr vom Kopf gerissen.

»Der schwimmt jetzt durch den Kanal von S. Felice nach der Kirchhofsinsel«, sagte ich scherzend. »Siehst du, Maria, so geht's, wenn du anderswohin durchbrennst, als in meine Arme!«

Als Antwort kam ein brüllendes Kleinmädchenschluchzen: »Was soll ich Papa sagen, wo mein neuer Hut... – noch ein andres Kleid mit, in Mailand, aber Hut nicht ... – keinen Hut ...«

Vorsichtig zog ich sie vom Wasser fort, jedoch sie sperrte sich und fragte, ob die finstre Leere vor uns wirklich der Canal grande sei, und als ich bejahte, erklärte sie: »Dann will ich in Gottes Namen auch gleich hineinspringen.«

»Der Zug!« rief ich. »Maria, der Zug!«

»Mio dio!« gab sie zurück. »Laufen wir! Schnell!«

Sie war es, die dann im Laufen den Arm um mich legte. Immerfort küßte sie meine Hand, und manchmal, unter einer Laterne, hob sie das Schmerzensantlitz zu mir empor, in den leuchtenden Regen. Das Haar hing in unförmigen Strähnen in das Gesicht. Der Regen lief ihr in den Mund. Die Pfützen, die wir durchquerten, spritzten bis zu unsern Hüften. »Au,« machte sie manchmal, »au!«

Doch sie blieb tapfer. Mit sturmzerrissenen Worten beichtete sie, es sei wahr, ihr Vater habe sie früher geschlagen, weil sie ihn zu arg geliebt ..., um es ihr auszutreiben, habe er sie geschlagen, nur darum, aber dann hätten sie sich ausgesprochen, und seitdem rühre er sie nicht mehr an. »Unsinn!« unterbrach ich sie. »Als ob wir nicht Wichtigeres zu besprechen hätten!« Darauf erkundigte sie sich, immer noch weinend, nach Viviane.

»Du wirst sie ja doch heiraten müssen!«, stieß sie hervor.

»Warum?« widersprach ich. »Ich heirate dich.«

»Aber das ist ja das Schreckliche, daß es unmöglich ist.«

»Unmöglich?«

»Ich will einen Fürsten! Claus, ich muß einen Fürsten haben. Es steht in den Sternen.«

»So?«, stürmte ich, »es steht in den Sternen? Dann lösche ich es aus. Verstehst du?«

Sie antwortete nicht. Doch ich fühlte, wie sie im Dunkel das tränen- und regenüberströmte Schmerzensgesicht zu mir emporhob und traurig den Kopf schüttelte ...

Unser Erscheinen auf dem Bahnsteig rief Heiterkeit und Mitleid hervor. Während die Ausländer lachten, bekundeten die Italiener auf das lebhafteste ihr Mitgefühl, ja eine alte Dame beugte sich mit geöffneten Armen aus ihrem Abteil, um uns in Empfang zu nehmen. Die Uhr zeigte 1 Uhr 50, die Türen der Wagen waren schon geschlossen, aber die Schaffner setzten sich rechts und links von uns in Trab, und von der Maschine her kam der Zugführer gelaufen. »Arme Kinder!« rief der eine Schaffner, »ein solches Unwetter!« Der andre meinte, wir müßten ins Wasser gefallen sein, wir hätten weder Hut noch Mantel.« »Alles fort, nur das nackte Leben!« meldete er den bei uns eintreffenden Zugführer. »Wohin, Ihr Armen?« antwortete der. Und sie hoben zu dritt Maria in den Wagen. Mir aber rieten sie, unverzüglich Glühwein zu trinken. Der Zug setzte sich in Bewegung.

»Herrlich!« rief ich zu ihr hinauf. »Es war ganz herrlich, Maria! Ich danke dir! Ich vergesse es nie!«

Sie warf mir Kußhände zu, weinend und lachend, und fuhr sich zwischendurch mit den nassen Ärmeln über das Gesicht. Zum erstenmal an diesem Abend sah ich sie deutlich. Wahrlich, sie war ergreifend schön in ihrem Jammer, mit dem ganz verwehten Mund und der verschütteten Stirn.

»Ich lösche es in den Sternen aus!« rief ich und deutete in die Höhe.

Erschreckt erst, doch gleich darauf in Entzückung lächelnd faltete sie die Hände auf der Brust.

Weit, weit breitete ich die Arme ...

In strahlendem Selbstbewußtsein, als ein bekränzter Eroberer erschien ich am Morgen beim Frühstück. Ich leugnete den Nebel und erklärte, mich zur Partei der ewigen Sonne zu schlagen, zur Partei Anne-Maries. Diese nahm die Annäherung mit einem zweideutigen Lächeln entgegen, aus dem ich nicht klug wurde. Sie war übrigens im Aufbruch begriffen, streckte mir aber noch die Hand hin, wobei sie sagte: »Was auch Ihre Gründe sein mögen, ich danke Ihnen für Ihre Einsicht«, in seiner Art ein delphischer Spruch, wie mich dünkte. Die Damen hatten mich noch nie so munter gesehen, die alte Marchesa betonte es wiederholt. Schließlich spielte ich gar Pulcinella, und die lachende Gesellschaft saß doppelt so lang bei der Schokolade, als es ihrer Gewohnheit entsprach. Dabei sah ich wohl, wie meine Mutter mich die ganze Zeit über mit fast ängstlicher Aufmerksamkeit betrachtete, vielleicht ahnte sie etwas, auch überraschte ich einen gewissen Blick, den die Marchesa mit ihr wechselte. Jedoch ich war Anneles sicher, und wenn Annele geschwiegen hatte, so konnte niemand wissen. Mochten sie ahnen, soviel sie wollten! Ja, sie sollten ahnen, etwas von dem ungeheuern Feuer ahnen, das aus den Wolken einer Sturmnacht auf mich herabgestürzt war und mich also verwandelt hatte.

»Claus,« sagte die Marchesa, als sie vom Tisch aufstand, »Claus, ich muß Ihnen fünf Minuten von Ihrer Zeit rauben. Wollen Sie mir in den Salon folgen?«

Und als wir einander im halbdunkeln Saal gegenüber saßen, behauptete sie mir ins Gesicht:

»Sie haben einen Brief von Maria erhalten.«

»Leider nicht, Madame«, antwortete ich mit einem Theaterseufzer.

»Um so schlimmer«, sagte sie streng. »Dann war sie heute nacht hier.«

Sprachlos starrte ich sie an. Das überstieg alle meine Erwartungen. Ich spürte eine prickelnde Kälte auf dem Rücken, dann stürzte mir alles Blut in den Kopf. Bei Gott, ich mußte mich zusammennehmen, um nicht zu zittern.

»War sie in Ihrem Zimmer?« fuhr sie mit einem Lächeln fort, dessen Falschheit ins Herz schnitt.

Ich sprang auf, ob, um besser zu kämpfen oder um zu fliehen, das wußte ich nicht.

»Nein!« stöhnte ich.

»Bleiben Sie sitzen, junger Mann, und sagen Sie mir ruhig, ob sie noch da ist.«

»Nein.«

»Schwören Sie?«

»Ich schwöre.«

»Gut. Bitte, sich zu setzen. Das heißt: drücken Sie erst dort auf den Knopf, jawohl, da auf den Knopf, so, und nun setzen Sie sich, mein Freund. Ich muß Ihnen sagen, Sie gefallen mir immer besser.«

»Vortrefflich,« wandte sie sich an den eintretenden Kellner, »Sie haben flinke Beine, famos. Nun, bringen Sie mir mal schnell den Fahrplan ... Und was meine Tochter anlangt, Claus, so kann man ihr weder Begabung noch Energie abstreiten. Ihr Papa eröffnet heute in Mailand die erste internationale Automobilausstellung, ein nationales Ereignis von größter Tragweite. Die Kleine hat ihn natürlich gebeten, sie mitzunehmen, einem so bedeutenden Ereignis wohnt man gern bei – nicht wahr, mein Freund? ... Vortrefflich, Kellner, jetzt schlagen Sie mir die Strecke Mailand–Venedig auf. So, danke, Sie können gehn.«

Die Marchesa reichte mir das aufgeschlagene Buch.

»Wann könnte sie also von Mailand abgefahren sein?«, fragte sie mit freundlichem Ernst.

Ich stand auf und gab ihr das Buch mit einer tiefen Verbeugung wortlos zurück.

»Nun gut, ich verstehe«, sagte sie, und den Fahrplan in der einen, das Lorgnon in der andern Hand, begann sie nach dem Zug zu suchen. »Ganz recht. Mailand ab: 6 Uhr 50, Venedig an: Punkt Mitternacht.« Sie wendete die Seite. »Venedig ab ... jawohl, sehr gut: 1 Uhr 47, an Mailand 6 Uhr 40.« Sie ließ Buch und Lorgnon sinken und sah mich an. »Claus, da hat sie heute morgen noch Zeit gehabt, Toilette zu machen. Der Marchese frühstückt um halb acht.«

»Donnerwetter!« rief sie aus und sprang mit jugendlichem Schwung auf die Füße, »das Mädel hat immenses Talent! Pscht, ruhig, ich sage nichts mehr. Hier können Sie mich hinküssen.« Mit gestrecktem Zeigefinger zeigte sie auf ihren rechten Backenknochen. Ich gehorchte.

»Adieu, junger Mann. Diese skandalöse Geschichte bleibt unter uns. Der Marchese würde sie totschlagen, wenn er wüßte. Sagen Sie danke.«

»Merci, ma belle-mère«, lachte ich und drückte mich schnell durch die Tür.

»Ah non!« rief sie hinter mir her. »ça, c'est fort!«

Eine Viertelstunde später war ich mit Lord Berrick unterwegs. Leider lehnte er meine Bitte, mir seine Bilder zu zeigen, mit den Worten ab: »Ach, Claus, meine Malerei gehört zu den Frivolites, wie die Franzosen gewisse Handarbeiten nennen, es lohnt sich nicht für Sie, so was zu sehn. Bleiben wir bei den großen Gegenständen der Weltgeschichte.«

Schade, denn hätte mich der Lord soweit seines Vertrauens gewürdigt, daß er mir seine »duftigen« Bilder gezeigt, so wäre es mir auch nicht zu schwer gefallen, ihm von Maria und der letzten Nacht zu erzählen. Nun konnte ich Maria nur als stumme Begleiterin auf die Wanderung durch das alte Venedig mitnehmen.

Statt mich auf die künstlerischen Eigentümlichkeiten der Bauwerke hinzuweisen, erzählte Lord Berrick mir deren Geschichte. Da waren eines Tages einige hundert Pferdehirten in Venetien vor den Goten ins Laufen gekommen, sie liefen Tage und Nächte, und eines Morgens standen sie am Meer. Sie warfen sich mit ihren Pferden ins Wasser und schwammen ums Leben. Stießen auf Inseln, und auf der größten, dem Rialto, gründeten sie ein Gemeinwesen. Schon 697 gab es einen Dogen. Schon findet man unter seinen Wählern, den zwölf Stämmen der zwölf Inseln, die Namen Tiepolo, Gradenigo, Memmi, Falieri, Dandolo und andre, die ein Jahrtausend lang glanzvoll an der Spitze der Firma gestanden und als Filialleiter im Orient wie auf der nahen Terra ferma über den Gang der Geschäfte gewacht haben: mit Feuer und Schwert, solange sie die Stärkeren waren, als die unehrlichsten Händler der Welt, wenn sie überlegenen Kräften gegenüberstanden, Pazifisten mit gespickter Börse, wenn es galt, aus dem Streit andrer großen Herren Gewinn zu ziehen. Im Grunde hatten sie vom Tage an, wo sie reich, wo sie satt waren, vom 15. Jahrhundert an, immer diese Methode bevorzugt. Es war nicht ihre Schuld, wenn sie später noch kämpfen mußten, sondern der primitiven Sultane, mit denen ein fortgeschrittener Kaufmann sich unmöglich verständigen konnte. Schon 735 wurde der erste Doge, weil er sich mausig machte, ermordet, wenn auch nicht so feierlich wie seine Nachfolger, deren Kopf vor einer glänzenden Versammlung und unter prunkvollen Zeremonien die Gigantentreppe des Dogenpalastes hinabrollte. Und schon der nächste Doge bekam zwei Aufseher, deren Zahl im Lauf der Jahrhunderte dauernd wuchs, weil sich die Notwendigkeit herausstellte, die Aufseher zu beaufsichtigen und wiederum diesen Aufsehern andere Aufpasser ins Genick zu setzen, so daß die Gesellschaft, die in die Herrenstube zugelassen war, bald genug aus einem Haufen von Leuten bestand, die einander gegenseitig bespitzelten, wie das bei geschäftstüchtigen Konkurrenten heute noch üblich war. Als der einsamste, gefährdetste aller dieser Gefangenen thronte der Doge. An hohen Feiertagen wurde er als lebender Leichnam, spazierengetragen ... Ein entsagungsvolles Lächeln aus dem Gesichte streichend, verwahrte sich der Lord gegen die Möglichkeit eines Vergleiches mit seinem King.

Als einmal der Doge nicht von wem rechtens, seinen Aufsehern, sondern von einem Außenseiter beseitigt ward, setzte der Große Rat eine zehnköpfige Kommission ein, die der Verschwörung nachgehen sollte. Sie erhielt diktatorische Vollmachten für zehn Tage, aus denen fünf Jahrhunderte wurden. Bonaparte traf sie noch an. Da waren aber aus den fünf Tagen des Karnevals auch schon dreihundert geworden!... Im 15. Jahrhundert genügten noch fünf Ziehungen durch Los und fünf Abstimmungen, um den Dogen zu wählen. Die folgenden Geschlechter zeigten sich unermüdlich beflissen, die Fußangeln und Selbstschüsse ins Zahllose zu vermehren.

Venedig war eine Republik ... Welch eine Republik war Venedig!

Im Dogenpalast zeigte mir mein Mentor den schönsten Briefkasten der Welt. Er war aus Marmor und für anonyme Anzeigen bestimmt! Der Dogenpalast enthielt auch die Kerker für die politischen »Verbrecher« – Löcher des Grauens, zu niedrig, um dem Henker das Ausholen mit dem Schwerte zu gestatten, weshalb er es vorzog, die Opfer am Boden zu erdrosseln. Die berüchtigten Bleikammern dagegen, das Gefängnis für gemeine Verbrecher, hätten sich mit Hilfe eines Tapezierers mühelos in ein komfortables Boardinghouse verwandeln lassen.

Dieser Adel bestand aus ewigen Parvenüs – genau wie bei den Berricks, meinte der Lord. Die Kasse, immer die Kasse! Kein Geld durfte außerhalb Venedigs angelegt werden, kein Vermögen, auch keine Erbschaft Venedig verlassen. Am Kanal stand das Kontorhaus, die Villa auf der Terra ferma, dem nächsten festländischen Besitz der Republik. Die Burschen waren, wie sie sich im »Mahl des Reichen« von Bonifazio abmalen ließen: fett, wollüstig und pöbelhaft demonstrativ. Aber sie kauften eine ganze große Herrlichkeit schöner Dinge zusammen und stapelten sie in ihrer Wasserburg auf, es gehörte zum guten Ton, und wer es sich leisten konnte, der mäzenierte mit Pomp. San Marco bestand aus kunterbunt zusammengekauften und geraubten Kunstgegenständen, Orient und Okzident vermählten sich in einer Ehe, wie sie so schön allein im webenden Licht der Lagune möglich war.

Ältester Adel? Das Wort paßte schlecht auf die unbarmherzigen Kaufleute, die die Gründung keiner Dynastie zuließen aber deren dreißig unterhielten und später hundert, mit Schikanen, wie kein andrer Staat auf der Welt sie je gekannt. Diktatur und Karneval begannen mit der Ankündigung: »Achtung, nur zehn Tage!« und endeten nie. Zuletzt lebten beide, Diktatur und Karneval, vergnügt miteinander in den Tag. Denn als das Geschäft stockte, das Verdienen mühsam wurde, setzten die Erben sich an den Spieltisch. »Unsre Geschichte,« sprach Lord Berrick leise, »unsre eigene Geschichte, lieber Freund.«

Zwei Jahrhunderte lebten sie so weiter. Am. Spieltisch glänzte und mordete und verriet Venedig, so lang, wie jemand sich fand, der seinem Schein Glauben schenkte. Vom gerissenen kleinen Korsen, der, mit 80 000 Mann siegreicher Truppen hinter sich, an die Tür klopfte und ihr ein Bündnis gegen den gemeinsamen Feind Österreich antrug, hätte die Republik nicht erwarten dürfen, daß er sich durch hinausgeschickte Hausmeister beschwatzen ließe. Zu ihrem Schaden versuchte sie es trotzdem. Es war das Ende der Republik. Und der Beginn ihrer Legende.

Müdgelaufen, in feuchten Kleidern standen wir am Bahnhof. Wir hatten den großen Rundgang um Venedig, dazu noch einen Abstecher in den Palazzo Giovanelli hinter uns, wo auf einer Staffelei das herrliche Bild Giorgiones steht, das die Kunstgelehrten den »Sturm« nennen, weil es den tiefsten Frieden atmet, in den Tönen einer Schalmei.

»Stai premi!«

Der Gondelier hätte nicht zu rufen brauchen. Alle Gondeln Venedigs lagen, von ihren Führern verlassen, reglos am Eisenring. Niemand antwortete. Wir selbst hatten unsern Gondelier in einer Kneipe aufsuchen müssen.

»Per gli rii Manin, San Paolo, San Lucca«, hatte der Lord fahren heißen, das war sein Weg, er nahm ihn immer, und er empfahl ihn mir, zumal für den Fall, daß ich in der Reisezeit ankäme und nicht willens wäre, mich zwischen bockenden Gondeln, von Motorbooten angespuckt, von Lastkähnen an die Mauer gedrückt und im Gezeter der Gondeliere durch die Kanäle bis vor das Hotel treiben zu lassen. Es war ein leiser Weg abseits der Fremdenbeförderung. Man begegnete nur Liebespaaren, die sich sichtlich um niemand kümmerten, und Särgen, die, ebenso still, nach der Kirchhofsinsel San Michele reisten.

Am Molo stiegen wir aus. Den Markusplatz überquerend, ließ mich der Lord noch im Nebel das militärische Genie Napoleons mit den Augen greifen, der eine Kirche auf der Ostseite des Platzes abtrug und an ihrer Stelle einen den bestehenden Prokurazien angepaßten Säulengang errichtete, was ordentlicher aussah und an ein Karree von Soldaten gemahnte, wodurch aber auch der Markusplatz erst die rechte sinnvolle Form erhielt: die eines großen geschlossenen Hofes, Vorplatzes eines für die Verhältnisse der Stadt unerhört weitläufigen Antrittes zu San Marco, einer Freilichtbühne, zwischen edlen Kulissen. Dies tat Bonaparte zwischen den zwei Ohrfeigen, die, ohne viel Geräusch, die eineinhalbtausendjährige Republik hinwegfegten.

Lord Berrick nahm meinen Arm. »Ich frage mich, Claus, ob er die alternde Josephine aus Eifersucht liebte, oder mehr, weil deren Gegenstand der Volkskommissar Barras war, der, in ihrem Bett die höhere, republikanische Eifersucht verliegend, den Gatten einen zauberhaften Sieger werden ließ, den Abgott nicht nur der Soldaten. Natürlich, wer einen Thron besteigt, spottet des Bettes, darin ein Rivale seiner Pflicht vergaß, und verstößt die Frau, die ihn satt gemacht, ohne daß sie selbst dabei gehungert ... Natürlich. Dem konnte Venedig nichts vormachen. Wenn Sie wollen, Claus, werden wir uns jetzt mit einem Viertel alten Chiantis aufwärmen.«

Als wir die Piazza Goldoni betraten, segelte Ingels barhäuptig an uns vorbei, ohne seines Herrn ansichtig zu werden. Er leuchtete aber nicht blaurot aus dem Gesicht, wie im Hotel behauptet wurde, sondern ziegelrot, unter knappem, rotem Borstenhaar, und seine Augen quollen nicht hervor, sondern schwammen in blauem Wasser. Die Trattoria all' Ombra di Goldoni war ein langer, niedriger Raum mit Tischen und Stühlen aus grobem Holz, darin saßen Männer aus dem Volk und gutgekleidete Herren beisammen. Alle tranken sie denselben dunkelroten Wein, alle sprachen sie gleichzeitig von Strata, diesem »Stern der neuen Welt«, nach den einen, »dieser Brandfackel in der Hand eines Irrsinnigen« nach den andern.

»Geben Sie acht, Claus,« sagte Lord Berrick, »der Strata wird noch der große internationale Tenor der Arbeiterschaft. Allein er singt zu schön, um treu zu sein, und er weiß, er gleicht Bonaparte.«

Der Wein schmeckte erdig und strich angenehm über den Gaumen. Vor lauter Geschrei war es still um uns, der Zigarrenrauch machte uns so gut wie unsichtbar. »Wirklich,« meinte der Lord, »es bleibt nichts andres übrig als die Revolution. Von unten oder von oben, wenn nicht beides nach- oder durcheinander. Wir sitzen fest. Es ist nichts los. Wirklich, in absehbarer Zeit muß etwas für die Menschheit geschehn ... Da also,« er deutete mit einem Kopfnicken auf eine eintretende Gruppe von Fischern, »da also kommen unsre neuen Herren ... Gott grüß euch, Jungens, wir haben alle einmal angefangen wir ihr.«

Draußen auf seinem Postament schritt der Dichter Goldoni im Marquiskostüm und lachte vor sich in den Nebel. Fröstelnde Tauben wärmten sich an ihm, sie saßen ihm auf Schultern und Hut, und eine war da, die wippte auf seiner Nase mit dem Schwanz.

 

Angeekelt vom »nordischen Nebel«, entrüstet über die kleine Hartmann, die immer eine Sonne aquarellierte, die nur auf den Ansichtspostkarten verweilte, während die Mama ihrerseits in den Museen und Kirchen auf »gute Beleuchtung« pirschte, von der heiteren Chronik des venezianischen Adels, die die Marquise Capponi unter Vorzeigung etlicher Probestücke zum besten gegeben, zu kreatürlicher Trauer gerührt (»Pauvre humanité!«) reiste meine Mutter mit uns ab am ersten hellblauen Tag, der lichte Schatten warf und den Kropf der Tauben auf dem Markusplatz vergoldete.

Genau so, meinte sie, verhielten sich die säumigen Lieferanten, wenn man, der Schlamperei überdrüssig, ihnen energisch absage. Da liefen sie einem plötzlich das Haus ein. Annele weinte bis Vicenza, ohne einen Grund angeben zu können. Der Abbé las mit befriedigtem Gesicht im Brevier. Noch einmal war sein Schützling den tausendfältigen Gefahren der Fremde entgangen! Wir fuhren in die eingehegte Heimat zurück.

Zu Weihnachten brachte ich von der Schule ein Zeugnis heim, worauf als Leistung in Geschichte eine Vier vermerkt war mit dem Zusatz: »Teilweise beschlagen, jedoch ohne alles Verständnis für große historische Erscheinungen und Weltereignisse.« Mein Vater las das Orakel wiederholt mit Verwunderung. Schließlich meinte er: »Du mußt etwas gegen den Kaiser gesagt haben.«

Der Abbé Simon indes zeigte das Schmunzeln des Eingeweihten. Auf seinen Vorschlag strich ich den Vermerk des Lehrers an und schickte das Zeugnis an Lord Berrick nach London. Er antwortete mit einem Glückwunschtelegramm. »Nur nicht nachgeben«, lautete es. »Wahrhaft große Männer triumphieren nicht als Kannibalen.«

Ende des ersten Bandes


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