Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Königin Christina in Diskussion mit René Descartes.
Gemälde von Nils Forsberg, 1884
Bildquelle: en.wikipedia.org

IV.
Christina's Conversion.

Mit der Thronentsagung geht für Christina ein neues Leben an, das nicht weniger merkwürdig ist, als dieses königliche von zehn Jahren. – Nach dreitägigem Aufenthalte in Stockholm verließ sie unter allgemeiner Trauer des Volkes die Stadt. Zwölf Schiffe waren ausgerüstet worden, sie nach Deutschland zu bringen; statt dieselben aber zu benutzen, nahm sie ganz unerwartet ihren Weg über Halmstadt und den Sund. Zu solcher Täuschung hatte sie die Furcht veranlaßt, man möchte ihre Abreise verhindern und sie im Lande festhalten. In Manneskleidern, mit einer schwarzen Perücke auf dem Kopfe, kam sie unter dem angenommenen Namen eines Grafen von Dohna an die schwedische Grenze. Hier soll sie voll Freude aus ihrem Wagen gestiegen und auf die andere Seite gesprungen sein mit den Worten: »Nun bin ich endlich in Freiheit und außerhalb Schweden, das ich nie wieder zu betreten hoffe.« Auch ließ hier der König Karl Gustav durch einen Offizier, der sie bis dahin begleitet, ihr nochmals seine Hand anbieten. Allein Christina antwortete: »Hätte ich mich vermählen wollen, so wäre es angemessener für mich gewesen, als Königin einen Gemahl zu nehmen, als nach Niederlegung der Krone mich zur Gemahlin wählen zu lassen.« Karl Gustav liebte in der That die Tochter Gustav Adolph's und äußerte eines Tages in Gegenwart verschiedener Standespersonen: »Christina hat mich zum Könige gemacht; sie hat mir eine Gemahlin gegeben; aber ich werde zeitlebens unglücklich sein, weil sie mir den Ruhm, sie zu besitzen, verweigert hat. Nichts kann mich dafür schadlos halten.«

Mit einem Geleite von nur neun Personen setzte sie nunmehr ihre Reise durch Dänemark und Holstein fort und kam glücklich nach Hamburg, wo sie vom Magistrat ehrenvoll bewillkommt und mit großer Auszeichnung behandelt wurde. Von da reiste sie wieder in männlicher Verkleidung, den Degen an der Seite, um in dem feindlichen Gebiete von Bremen nicht erkannt zu werden, über Minden und Osnabrück nach Münster. Hier besuchte sie das Jesuiten-Collegium und erregte durch ihre geistreiche Unterhaltung und ihr freundliches Wesen allgemeine Aufmerksamkeit und Neugierde, bis sie sich einigen Patres zu erkennen gab; sie wohnte einer musikalisch-religiösen Feier bei, reiste aber plötzlich ab, als das Gerücht von ihrer Anwesenheit sich verbreitete. Dem Jesuiten-Colleg schickte sie später 100 Dukaten. Im August 1654 kam sie nach Antwerpen, wo sie wieder Frauenkleider anlegte. Ueberall erwies man ihr die einer Königin gebührende Ehre und viele fürstlichen Personen machten ihr ihre Aufwartung. Auch der Prinz von Condé, den Christina wegen seiner Heldenthaten sehr verehrte und feierte, war begierig, sie kennen zu lernen. Noch von Upsala aus hatte sie ihm in einem sehr schmeichelhaften Briefe ihre Thronentsagung mitgetheilt, mit der Versicherung ihrer fortdauernden Hochachtung, mit dem Wunsche, er möge jenen auffallenden Schritt billigen. »Sollten Sie ihn aber mißbilligen, so will ich Ihnen statt aller Entschuldigung nur so viel sagen, daß ich mich der von meinem Schicksale mir verliehenen zeitlichen Vortheile nicht begeben hätte, wenn sie mir zu meiner Glückseligkeit nöthig geschienen, und daß ich unfehlbar nach der Herrschaft der ganzen Welt würde gestrebt haben, wenn ich entweder meinen Zweck zu erreichen oder in einem so hohen Unterfangen zu sterben ebenso versichert gewesen wäre, als es der große Prinz von Condé ist.« So großes Verlangen die Königin hatte, diesen Helden kennen zu lernen, so konnte sie ihn doch nicht zu einem förmlichen Besuche zulassen, da er auf dasselbe Ceremoniell, wie der Erzherzog Leopold, Anspruch machte. Später sah er sie in Brüssel, indem er sich in ihre mit Hofleuten angefüllten Zimmer schlich. »Ich muß doch,« sagte er, »diese Prinzessin sehen, die so leicht eine Krone verläßt, um die wir Uebrigen fechten und nach ihr unser ganzes Leben hindurch laufen, ohne sie erreichen zu können.« Einige Tage nachher veranstaltete man eine Privat-Zusammenkunft, wo sie mit vielen Artigkeiten, doch nicht ohne Kälte, sich unterhielten.

Da indessen Christinas Thronentsagung sowohl der Gegenstand großer Lobeserhebungen als auch die Ursache vieler Verleumdungen war und namentlich manche übeln Gerüchte nach Schweden gedrungen waren, so trug man dem Grafen Tott auf, ihr im Namen der ganzen Nation Vorstellungen zu machen und sie zu bewegen, daß sie in ihr Vaterland zurückkehrte und sich nicht von den Grundsätzen ihres Landes und ihres Vaters entfernte. Zugleich überreichte ihr dieser Herr Briefe an die fremden Höfe. Christina wies diese Empfehlungen von sich; ihre Herkunft, sagte sie, und ihr Name wären ihr Geleitsbriefe genug. Wegen der Besorgnisse des Reichsrathes und des Volkes gab sie zur Antwort: Der Thron wäre der einzige Ort, wo sie in Schweden erscheinen könnte; da ihr einmal die Nation erlaubt hätte, von demselben herabzusteigen, so könnte sie ihr nicht mehr einen Aufenthalt vorschreiben, noch ihre Freiheit einschränken. »Außerdem,« setzte sie hinzu, »haben die Schweden einen König, dessen Klugheit und Tapferkeit eine ebenso ruhmvolle, als weise Regierung verspricht. Ich habe das größte Opfer meinem Vaterlande gebracht; nun bin ich ihm nicht weiter nützlich. Ich bitte nur, daß es nicht meine letzte Ruhe und mein Vergnügen stören möchte.« Schon vorher hatte sie mit Rücksicht auf ihren bald auszuführenden Vorsatz, den katholischen Glauben anzunehmen, an Karl Gustav geschrieben und ihn beschworen, seine Versprechen ihr auf jeden Fall zu halten und sie im Besitze der ihr angewiesenen Ländereien zu schützen: was immer ihr begegnen möge, sie werde nie gegen des Landes Wohl handeln.

Christina hatte beschlossen, in Flandern längeren Aufenthalt zu nehmen, um von hier aus mit dem apostolischen Stuhle über ihre öffentliche Rückkehr zur katholischen Kirche zu verhandeln. Um jedoch recht bald dem Zuge ihres Herzens zu folgen, beschloß sie zunächst schon im Geheimen, das katholische Glaubensbekenntniß abzulegen. Diese Feier sollte in Brüssel stattfinden, wo sie vom Erzherzog Leopold eingeladen, mit außerordentlichem Glanze ihren Einzug hielt. Tags darauf, in der Christnacht 1654, legte sie das katholische Glaubensbekenntniß in die Hände des Dominikaner-Paters Guemes nieder, in Gegenwart des Erzherzogs Leopold, der Grafen Fuensaldagna und Montecuculi, des Don A. Pimentel, des Staatssekretärs Navarra und anderer auserlesenen Personen, welche das Protokoll über diesen Akt als Zeugen unterschrieben. In dem Augenblicke, wo der Priester die Absolutionsworte über Christina sprach und sie somit in den Schoß der von ihrem Vater so bitter und blutig verfolgten Kirche zurückkehrte, erdröhnten auf geheimen Befehl die sämmtlichen Kanonen der Stadt.

Hier wirft sich nun die Frage auf, durch welche Gründe und durch wen die Königin den Weg zur katholischen Kirche gefunden habe.

Christina zeigte von früher Jugend auf wahre Frömmigkeit und Religiösität. So schrieb sie schon als Kind an ihren Vater: »Ich will alzeit from seyn und fleissig beten lehrnen.« Ihre Briefe an den Pfalzgrafen, den Reichsrath und Andere sprechen immer gottesfürchtige Gesinnungen aus und festes Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. In ihrer Selbstbiographie sagt sie über diesen frühen Zug ihrer Seele nach oben, das sursum corda also: »Mein Herz gehörte Dir, seit es im Busen schlug. Du hattest mit ihm ein geheimes Einverständniß, das mir selbst unbekannt war. Du allein hast Wunder in diesem Herzen gewirkt, die um so glorreicher sind, als sie nur Dich allein zum Zeugen und Zuschauer haben. Meine Sünden und meine Schwächen, die mir angehören, ließest Du nicht minder, wie alle diese Tugenden und Talente, womit Du Dich so freigebig gegen mich gezeigt, diesem wunderbaren Verkehre dienen. Ich habe nichts zu Allem diesem beigetragen, als meine Unwürdigkeit, und es bleibt mir nichts mehr übrig, als Deines Winkes in Ehrfurcht und Schweigen gewärtig zu sein, und Dich walten zu lassen und Dich zu bewundern.« Diese religiöse Gesinnung bezeugen auch unparteiische Zeitgenossen; so sagt Freinsheim: »Wie sehr sie die Tugend übt, kann sie, sowie durch ihren ganzen Lebenswandel, so auch durch ihre täglichen andächtigen Gebete, durch ihr fleißiges Anhören, Lesen und Nachdenken über Gottes Wort und durch fortwährende Gespräche über diese Gegenstände so klar beweisen, daß nur ein Thier, kein Mensch daran zweifeln könnte.« Ferner versichert er, Christina habe in einer Krankheit, als über einige verdächtige Mittel Zweifel entstanden, ausgerufen, sie wolle lieber sterben, als aus Begierde nach Genesung etwas thun, was die Religiösität verletzen und Gott beleidigen könnte. Ebenso hebt Chanut ihre großartigen Ansichten von der Gottheit, ihre treue Anhänglichkeit an das Christenthum und ihre religiöse Andacht hervor, obgleich sie keineswegs scrupulös sei, noch darnach hasche, ceremonielle Andacht an den Tag zu legen. In Folge dieses tiefen und ernsten Sinnes für das Göttliche protestirte sie schon frühzeitig gegen das, was sich ihr als sittliche und religiöse Ordnung entgegenstellte, in Wirklichkeit aber nur Satzung menschlicher Willkür war. »Alle Ehrfurcht, Bewunderung und Liebe,« sagt sie, »welche ich mein ganzes Leben lang vor Dir, o Herr, gehegt habe, hinderten mich nicht, sehr ungläubig und wenig religiös zu sein. Ich glaubte nichts von der Religion, in der ich erzogen war. Alles, was man mir davon sagte, schien mir Deiner wenig würdig. Ich glaubte, die Menschen ließen Dich nach ihrer Weise sprechen, und sie wollten mich betrügen und mir Furcht einflößen, um mich an ihrem Gängelbande zu leiten. Ich hegte tödtlichen Haß gegen die langen und häufigen Predigten der Lutheraner; aber ich erkannte, daß man sie sprechen lassen und Geduld haben, und daß ich meine Gedanken darüber verheimlichen müsse. Als ich aber etwas herangewachsen war, bildete ich mir eine Art Religion nach meiner Weise, in Erwartung derjenigen, welche Du mir eingegeben hast, wozu ich von Natur eine so starke Neigung hatte. Du weißt, wie oft ich in einer dem Alltagsmenschen unbekannten Sprache Dich um Gnade angefleht habe, von Dir erleuchtet zu werden, und daß ich das Gelübde that, Dir zu gehorchen um den Preis meines Lebens und meines Glückes.« Als Bayle ihren mißbilligenden Brief über die sogenannten Dragoner-Bekehrungen Ludwig's XIV. öffentlich bekannt gemacht hatte mit der Aeußerung, es erscheine darin noch ein »Rest von Protestantismus«, ließ sie ihm durch ihren Sekretär Galdenblad deshalb ernste Vorstellungen machen in einem Briefe, der mit ihren eigenen Anmerkungen erhalten ist; in einer derselben sagt sie: »Was die Verleumdung von Protestantismus betrifft, so ist sie unerträglich, und man begreift nicht, wie ein Mensch, der auch nur seinen Namen zu schreiben weiß, einen so plumpen Fehler begehen kann, solche Thorheit zu reden. Wäre Christina so unglücklich, daß sie aufhörte, katholisch zu sein, so würde man sie nie des Rücktrittes zu einer Religion anklagen, der sie nie angehört hat. Wenn sie das Unglück gehabt hat, in der Ketzerei Luther's geboren zu sein, so hatte sie das Glück, seit den Jahren der Vernunft nichts von dem Allen zu glauben, was Luther und Calvin gelehrt haben. Unter allen Religionen wählte sie die katholische, welche ihr die einzig wahre zu sein schien, und sie ist niemals irgendwie zu der Religion zurückgekehrt, worin sie geboren war; und man kann versichern, daß, hätte sie unglücklicher Weise die katholische nicht gewählt, sie in Sachen der Religion vollkommen neutral geblieben sein und sich eine sehr abgekürzte, aber von denen Luther's und Calvin's weit verschiedene würde gebildet haben.«

Forscht man nach der Ursache dieser frühen Zweifel an der Wahrheit des Protestantismus, so erscheint als das wichtigste Moment die Beschaffenheit des Religionsunterrichts, den sie von Kindheit an empfing. Allerdings hatten die Stände in dem Erziehungsplane ausdrücklich vorgeschrieben, Christina auf das gewissenhafteste in der Religion ihrer Väter zu unterrichten und Papismus und Calvinismus sorgfältig von ihr fern zu halten; aber ihr Lehrer Matthiä konnte dieser Vorschrift nicht vollständig genügen. Während nämlich die schwedischen Prediger streng orthodox und feindselig gegen die Katholiken und Calvinisten gesinnt waren, war Matthiä ein Mann von mildem Charakter und versöhnlichen Grundsätzen. Mit großem Eifer verfolgte er das schon von Anderen gehegte Streben, die Protestanten und Calvinisten zu vereinigen. Zu dem Zwecke verfaßte er im Jahre 1647, als er Bischof von Strengnäs wurde, seine Idea boni ordinis in ecclesia, d. i. Gedanken über eine gute Kirchenverfassung. Aber sein Streben ging noch weiter; er wollte alle christlichen Confessionen mit einander vereinigen und suchte deshalb die ursprüngliche Lehre der katholischen, d. i. allgemeinen Kirche in mehreren Schriften zu entwickeln. Dahin gehören seine regula credendi et vivendi, d. i. Glaubens- und Lebensregel; Institutio catechetica christianae religionis, d. i. katechetischer Unterricht über die christliche Religion; ferner Ramus olivae septentrionalis, worin er die Möglichkeit vertheidigte, die drei vornehmsten christlichen Confessionen zu vereinigen; dann noch die Schriften: Summarium der reinen, seligmachenden, katholischen, christlichen Lehre, und Wegweiser zu der wahren christlichen Religion und rechten katholischen Kirche; endlich seine Formula catholica veteris et orthodoxae fidei, d. i. Katholische Regel des alten orthodoxen Glaubens, welche er 1665 verfaßte und der Königin widmete mit den Worten: sie wisse, daß darin die apostolische, katholische, orthodoxe, alte Lehre enthalten sei, die sie von Kindheit an gelernt habe. Als sich in Schweden die ersten Gerüchte von Christina's Conversion und ihrer Reise nach Rom verbreiteten, glaubte Matthiä, sie wolle mit dem Papste über die von ihm gewünschte Vereinigung der christlichen Confessionen verhandeln und sprach darüber seine lebhafte Freude aus: »Ist dieses,« schreibt er an die Königin, »der wahre Vorsatz Ew. Majestät, liegt Ihnen das am Herzen und wollen Höchstdieselben aus Ehrfurcht gegen die Majestät und die Gewalt Gottes, der allen Christen überhaupt, insonderheit aber den Pflegevätern der Kirche, Wahrheit und Frieden zu suchen, so sehr empfohlen hat, das Vereinigungs- und Aussöhnungswerk bei den Römischkatholischen befördern, und Alle, denen daran gelegen ist, dazu vermahnen und anhalten: so werden Ew. Majestät sich damit unfehlbar ein neues ungewöhnliches und weit herrlicheres Sieges- und Ehrenmal aufrichten, als irgend eines von denen, die Ihro Majestät bisher aufgeführt haben. Das wäre ein großes und rühmliches Werk, welches nicht allein der Würde, sondern auch der Göttlichkeit des königlichen Standes und Amtes zukäme, die, wie gesagt, die heilige Schrift ihm beilegt. Ich weiß, daß viele Augen auf Ew. Majestät sehen. Alle Liebhaber der lauteren reinen Wahrheit versprechen sich um so vielmehr von Höchstdenselben, nachdem Ew. Majestät gegenwärtig sich anderen Sorgen entschlagen haben. Alle redlichen Herzen bewunderen Dero große Frömmigkeit und liebenswürdige weltbekannte Eintracht aller Ihrer Heldentugenden, und finden an Ew. Majestät ein Muster, das alle Großen in der Welt nachahmen sollten.«

Diese religiösen Anschauungen und milden und versöhnlichen Grundsätze hatte Matthiä auch seiner großen Schülerin eingeflößt. Sie war daher stets sehr duldsam, so daß Chanut von ihr sagt, bei wissenschaftlichen Unterredungen über die Streitpunkte der Protestanten und Katholiken habe sie nie Bitterkeit gezeigt. Als Matthiä im Jahre 1647 den schon erwähnten Versuch machte, die beiden protestantischen Confessionen zu vereinigen, begünstigte sie ihn entschieden und wollte zu dem Zwecke sogar eine theologische Akademie in Deutschland anlegen, wurde aber durch heftigen Widerstand der Geistlichkeit und die dringendsten Vorstellungen mächtiger Männer davon abgehalten. Gegen die Katholiken zeigte sie sich, um nur Einiges anzuführen, bei den westfälischen Friedensunterhandlungen viel milder, als es den schwedischen Großen erwünscht war, und dem französischen Gesandten an ihrem Hofe gewährte sie gern die Anstellung eines katholischen Geistlichen für den Gottesdienst der anwesenden Franzosen, obgleich sie die Unzufriedenheit der Prediger befürchtete. Einen andern Beweis für ihre Duldsamkeit gibt Matthiä selbst, indem er an sie schreibt: »Denn ich erinnere mich der höchst verständigen Aeußerungen über den Charakter und Zustand der verschiedenen Religionen, mit denen Sie mich zuweilen beehrt haben: ich gedenke Ihres so scharfsinnigen Urtheils über die Heilung der Wunden der christlichen Kirche; ich bewahre im Gedächtniß Ihr wirklich königliches Vorhaben, einige abergläubische Ceremonien abzuschaffen, welche den Gottesdienst vielmehr zu entstellen, als zu zieren scheinen.« Mit diesen milden Gesinnungen stand aber die Verketzerungssucht und Starrheit der protestantischen Prediger im grellen Widerspruch. Das leidenschaftliche Streiten der Theologen über zum Theil geringfügige Dinge war ihr höchst zuwider. Namentlich machte es auf sie einen sehr üblen Eindruck, daß die Prediger gegen ihren geliebten Lehrer Matthiä und ihren reformirten Onkel, den Pfalzgrafen J. Casimir, so schroff und unduldsam auftraten, während sie anderseits wieder vielfachem Schwanken und manichfachem Aberglauben ergeben waren. Solche Verhältnisse aber konnten auf Christina nicht ohne Einfluß bleiben und mußten sie zu tieferm Nachdenken anregen. Je mehr sich ihre ausgezeichneten Geistesgaben entwickelten, desto mehr mußte sich ihr das Bedürfniß aufdrängen, sich über die wichtige Frage nach der Wahrheit der Religion Klarheit und Gewißheit zu verschaffen. Waren doch sonst Philosophie und Theologie, Sprachen und Geschichte ihre angenehmsten Beschäftigungen, und verfolgte sie die schwierigsten Untersuchungen mit dem unermüdlichsten Streben, wie hätte sie nun die Frage unbeachtet lassen können, welche in jenem Zeitalter der Mittel- und Höhepunkt aller wissenschaftlichen Bestrebungen war? Christina's Bedürfniß nach der Wahrheit wurde aber noch besonders angeregt durch einen Ausspruch Cicero's ( de natura deorum), der tiefen Eindruck auf sie machte: von den so verschiedenen Ansichten über die göttlichen Dinge könnte nur eine wahr, wohl aber könnten alle falsch sein. Welche Kraft sie in der That aufgeboten, um dieses Bedürfniß zu befriedigen, und wie Unrecht Geijer hat, wenn er sagt: »Gewiß ist aber, daß es nicht aus den Wirbeln des philosophischen Zweifels, sondern aus denen des Leichtsinns und des Atheismus war, daß Christina sich in den Schoß der katholischen Kirche warf,« wird uns durch mehrere glaubwürdige Berichte mitgetheilt und bewiesen. In der zu Innsbruck unter Christina's Augen veröffentlichten Erklärung heißt es: »Die Königin war von ihrer Kindheit an in der lutherischen Religion erzogen. Aber kaum hatte sie einige Jugendjahre zurückgelegt, als ihr Verstand kein rechtes Genügen darin fand. Das machte sie begierig, dann und wann auch anderer Glaubensgenossen Lehrsätze und Gespräche von Glaubenssachen anzuhören, und verstattete dem damaligen königlichen französischen Gesandten an ihrem Hofe, der sich bei ihr in große Achtung zu setzen gewußt hatte, gar oft nach geendigtem öffentlichen Gehöre, mit ihr von allerhand Dingen insbesondere zu sprechen, da sie niemals von einander schieden, ohne von Religionssachen geredet zu haben. Unterredungen mit diesem Gesandten erregten bei Christina viele Zweifel wider die Lehre, zu der sie sich bekannte und erweckten bei ihr ein heftiges Verlangen, katholische Gottesgelehrte darum um Rath zu fragen. Sie hörte ihre Gründe an und erwog sie in aller Aufmerksamkeit und eröffnete ihre Zweifel, um ihrer völlig los zu werden, den gelehrtesten lutherischen Gottesgelehrten Wenn Arckenholz meint, Schwedens Geschichte und Archive wüßten hiervon nichts, so scheint er nicht zu bedenken, daß die Königin die Prediger nicht durch den Staatsanzeiger, sondern wahrscheinlich ganz im Vertrauen berufen hat, und daß daher über das Resultat der Erörterung kein officielles Aktenstück abgefaßt und in die Archive gelegt worden ist. Ferner wann und wo oder warum nicht haben die gleichzeitigen protestantischen Prediger gegen die Angabe dieser weit verbreiteten Flugschrift protestirt?, ja sie las auch selbst zu dem Ende ihre sämmtlichen Schriften. Allein weder ihre Antworten, noch ihre Bücher konnten sie jemals befriedigen. Hierauf kam ihr die Lust an, alle Religionen, die je in der Welt gewesen sind und heut zu Tage noch im Schwange gehen, kennen zu lernen. Sie berief zu dem Ende die gelehrtesten Leute unserer Zeit, deren Ruf ihr nur zu Ohren kam, zu sich, um sich mit ihnen darüber zu besprechen. Mit der Prüfung brachte sie ganzer fünf Jahre zu. Da sie aber endlich nichts fand, das ihr Genüge leistete, so entschloß sie sich, in der Religion, in der sie geboren war, zu beharren, in der Einbildung, sie könne in derselben selig werden und ein ruhiges Gewissen haben, wenn sie nur die gesunde Vernunft und die natürliche Billigkeit beobachtete und Niemanden Unrecht thäte. In diesem Zustande verharrte sie zwei Jahre. Allein Gott wollte sie zu sich ziehen und erregte daher ihre ersten Zweifel wegen der Wahrheit der Religion von neuem.«

Nicht minder beweisend und interessant ist in dieser Hinsicht der officielle Bericht an Papst Alexander VII., den der Jesuit Paul Casati, der vorzüglich für Christina's Uebertritt wirkte, nach Mittheilungen aus ihrem eigenen Munde verfaßt hat. »Nachdem sie,« sagt er darin, »sich genügende Kenntniß erworben hatte, begann sie darüber nachzudenken, daß Vieles in der lutherischen Lehre, in der sie erzogen war, nicht stichhaltig sei, und da sie anfing, es zu prüfen, hielt sie es noch mehr für ungereimt. Daher begann sie mit größerem Fleiß über Gegenstände der Religion und der Streitfragen zu studiren, und da sie fand, daß jene, in welcher sie erzogen war, keinen Anschein für Wahrheit hatte, suchte sie sich mit außerordentlicher Wißbegierde in allen zu unterrichten und die Schwierigkeiten einer jeden zu prüfen. Sie verwandte hierauf den Zeitraum von ungefähr fünf Jahren mit großer innerer Unruhe, weil sie nichts fand, woran sie sich halten konnte. Da sie Alles mit rein menschlichem Verstande maß, so schien ihr, viele Dinge könnten nur schlaue Erfindung sein, um das Volk in Einfalt zu erhalten; die Beweisgründe, welche die eine Secte gegen die andere anwendet, wandte sie gegen diese selbst an: so verglich sie Moses Thaten im hebräischen Volke mit denen Mahomed's bei den Arabern. Daraus ging hervor, daß ihr keine Religion als die wahre erschien. Und ich habe oft gehört, daß sie sich darüber anklagte, sie sei zu profan gewesen in dem Streben, die tiefsten Geheimnisse der Gottheit zu ergründen, da sie jedes Geheimniß unseres Glaubens habe prüfen wollen, in der Hoffnung, endlich eine Religion zu finden; und beim Lesen aller Art darauf bezüglicher Bücher auch Vieles in den Alten, den Heiden und den Atheisten ihr aufgestoßen sei. Obgleich sie sich nie so weit verirrte, daß sie am Dasein und der Einheit Gottes zweifelte, so war ihr Geist doch von vielfachen Bedenklichkeiten erfüllt. Endlich kam sie zu dem Schlusse, daß es gut sei, äußerlich zu thun, was die andern thun, indem sie glaubte, es sei Alles gleichgiltig und es komme nicht darauf an, ob man mehr dieser oder jener Religion oder Secte folge; es genüge, nicht etwas gegen den Ausspruch der Vernunft zu thun und worüber man einmal erröthen könne. In dieser Ansicht verharrte sie einige Zeit und sie schien etwas Ruhe gefunden zu haben, zumal sie entdeckt hatte, daß andere Personen, deren Namen sogar in der Ferne bekannt war und die von ihr wegen ihrer Gelehrsamkeit und Weisheit geschätzt wurden, fast derselben Ansicht seien, obgleich dieselben nicht zu der einen wahren, von ihnen seit der Kindheit verachteten katholischen Kirche gehörten. Aber Gott wollte mit der Königin Barmherzigkeit haben und sie nicht in den Irrthümern der Vernunft untergehen lassen, weil sie anderseits den besten Willen hatte und Verlangen, die Wahrheit kennen zu lernen und im Handeln sich dergestalt vom Lichte der rechten Vernunft leiten ließ, daß sie mir mehrmals versichert hat, sie habe niemals etwas gethan, was sie für Unrecht gehalten, auch nicht, worüber man erröthen müsse. (Dies sind ihre eigenen Worte.) Daher begann er ihr begreiflich zu machen, daß, wenn es sich um das ewige Heil der Seele handle, jedes andere Interesse weichen müsse, und daß der Irrthum in einer so wichtigen Sache von ewigem Schaden sei. Er erweckte deshalb in ihr von neuem den Gedanken, daß es irgend eine Religion geben müsse, und falls der Mensch nur eine Religion haben dürfte, unter allen denen, welche es auf der Welt gebe, keine ihr vernünftiger schien, als die katholische; bei sorgfältigerem Ueberlegen fand sie darum, daß ihre Glaubenslehren und Einrichtungen nicht so unvernünftig seien, als die lutherischen Prediger glauben machen wollten.«

Christina war neun Jahre alt, als man ihr zuerst eine nähere Kenntniß von der katholischen Kirche gab und ihr unter Anderm sagte, daß in derselben der ehelose Stand ein Verdienst sei. »Ah,« rief sie aus, »wie schön ist dies, diese Religion will ich annehmen.« Daran knüpften sich spätere weitere Erwägungen. »Wenn man katholisch ist,« sagt sie, »so hat man den Trost, zu glauben, was so viele edle Geister 16 Jahrhunderte lang geglaubt: einer Religion anzugehören, die durch Millionen Wunder, Millionen Märtyrer bestätigt ist, die endlich so viele wunderbare Jungfrauen hervorgebracht hat, welche die Schwachheiten ihres Geschlechtes überwunden und sich Gott geopfert haben.« »Daß es in dem Papste,« sagt Ranke, »eine untrügliche Autorität, gebe, scheint ihr eine der Güte Gottes angemessene Einrichtung: darauf wirft sie sich von Tag zu Tag mit vollerer Entschiedenheit.« Damit stimmt überein, was sie selbst zu dem englischen Gesandten Whitelocke sagte, daß nämlich die völlige Freiheit im Glauben leicht zu den größten Tollheiten und Greueln führe, wie bei den Münster'schen Wiedertäufern. Rühs meint: »In der Bestimmtheit dieses Systems und dem Reiz eines die Sinne rührenden Gottesdienstes liegen Gründe, die selbst einem gebildeten Geiste das katholische Christenthum werth machen können: Christina ward auch vielleicht durch das Studium der Kirchenväter, das sie liebte, zur Hochschätzung desselben veranlaßt.«

Der erste Katholik, von dem Christina über die katholische Religion Aufklärung erhielt, war der französische Gesandte Chanut. Er gesteht schon im Jahre 1651, daß er solche Gespräche wiederholt mit ihr gehabt und sie daraus mit Erstaunen gesehen habe, daß die katholische Lehre eine durchaus andere sei, als ihre Theologen angeben; darnach urtheilte er, sie sei geneigt, zu glauben, daß die Katholiken sich nicht auf dem falschen Wege befänden. Außer Chanut nennt Christina selbst den großen Philosophen Descartes, der »viel zu ihrer rühmlichen Bekehrung beigetragen«, und fügt hinzu, daß sich die Vorsehung seiner und ihres berühmten Freundes Chanut bedient habe, ihr hierüber zuerst Licht zu geben; die Gnade und Barmherzigkeit Gottes habe es nachher vollends dahin gebracht, sie die Wahrheiten der katholischen, apostolischen und römischen Religion ergreifen zu lassen, zu der sich besagter Herr Descartes immer standhaft bekannt hätte und in welcher er mit allen Merkmalen wahrer Frömmigkeit gestorben wäre. Unstreitig hat auch der spanische Gesandte Pimentel und der Arzt Bourdelot Einfluß auf ihre religiöse Gesinnung gehabt. Wie weit aber alle diese Männer bei Christina die wirkliche Ueberzeugung von der Wahrheit des katholischen Glaubens bewirkt, läßt sich nicht bestimmen, dagegen steht es fest, daß die Vollendung von Christina's Conversion das Werk der Jesuiten ist. Zu verschiedenen Zeiten erschienen in Schweden mit den französischen Gesandten verkleidete Jesuiten. Der erste aber, welcher mit Christina in nähere Berührung kam, war der Pater A. Macedo, ein Mann von einnehmendem Aeußern und großen Kenntnissen. Er kam im Juli 1650 mit dem portugiesischen Gesandten Pinto Pereira an den Stockholmer Hof, gerade in der Zeit, als Christinas Religionszweifel wieder erwachten. Da der Dollmetscher des Gesandten eines Tages erkrankte, mußte der Jesuit dieses Amt übernehmen. Mit ihm ließ sich die Königin in Gespräche über Religion ein, die immer angelegentlicher wurden, je mehr sie ihn als verständig und treu erkannte. Sie offenbarte ihm daher ihren Wunsch, sich näher in den Wahrheiten der katholischen Religion unterrichten zu lassen und bat ihn, persönlich bei dem Jesuiten-General in Rom zu bewirken, daß ihr als Lehrer zwei italienische Patres geschickt würden. Da Macedo von dem Gesandten keine Erlaubniß zur Reise bekommen konnte, reiste er heimlich ab und kam mit einem von der Königin selbst ausgestellten Passe versehen glücklich in Rom an. Schon Ende Februar 1652 kamen zwei Jesuiten nach Stockholm, P. Franz de Malines, Professor der Theologie zu Turin, und P. Paul Casati, Professor der Mathematik zu Rom. Während dessen hatte der Jesuit Gottfried Francken, Kaplan des spanischen Gesandten in Kopenhagen, mehrere Unterredungen mit Christina gehabt und an ihrer Bekehrung gearbeitet. Um jeden Verdacht zu vermeiden, waren die beiden italienischen Patres als Edelleute verkleidet, welche Land und Leute kennen zu lernen wünschten. Auf die Nachricht von ihrer Ankunft zog sie Christina an ihren Hof und unterhielt sich mit ihnen in geheimen Audienzen. Man hatte viele Schwierigkeiten zu überwinden, um nicht entdeckt zu werden, aber Christina überwand alle Hindernisse, nicht mit »einer geheimnißvollen Verschlagenheit und Intrigue«, sondern mit weiser Ueberlegung und nothwendiger Klugheit. Aber auch die Belehrung selbst wurde den Jesuiten keineswegs leicht. Den gewöhnlichen Weg bei der Erörterung der Dogmatik konnten sie nicht einschlagen, da Christina ihnen ganz andere Zweifel und Fragen vorlegte, die tiefer in die Philosophie, als in die Theologie eingriffen, z. B. über den Unterschied von Gut und Böse, über die Unsterblichkeit der Seele, die göttliche Vorsehung, die Nothwendigkeit der öffentlichen Bekennung seines Glaubens u. A. Boden und Grundlage für die ganze Verhandlung blieb immer der Satz, es müsse eine wahre Religion in der Welt geben; dann erschien unter den vorhandenen die katholische als die vernünftigste, und das Bestreben der Jesuiten war, zu zeigen, daß die katholischen Dogmen wohl über die Vernunft erhaben, aber nicht gegen die Vernunft seien: die Anrufung der Heiligen, die Verehrung der Bilder und Reliquien machten dabei besondere Schwierigkeiten. In ihren Berichten versichern dieselben, Christina habe mit eindringendem Geiste die Gründe in ihrer ganzen Kraft aufgefaßt, und sie meinen, der hl. Geist habe in ihr gewirkt; es erregte in hohem Grade ihre Verwunderung, daß eine Fürstin von fünfundzwanzig Jahren, bloß von Moralphilosophie geleitet, so gar kein Gewicht lege auf den Reiz der menschlichen Größe und alle Dinge nach ihrem wahren Werthe schätze. Nach eben diesen Angaben war sie schon nach kurzer Zeit entschlossen, die katholische Religion anzunehmen. Dagegen erhoben sich große Schwierigkeiten in ihren Verhältnissen als Königin. Und eines Tages erklärte sie den Jesuiten, die Sache sei nicht auszuführen, und sie könne schwerlich jemals ganz aufrichtig katholisch werden; sie möchten daher lieber wieder heimkehren. Diese suchten mit größter Beredsamkeit ihr Ueberzeugung einzuflößen und sie zu stärken. Da zeigte sie plötzlich ihre wahre Gesinnung, indem sie sprach: »Was würdet Ihr sagen, wenn ich geneigter wäre, die katholische Religion anzunehmen, als Ihr meint?« Die Jesuiten waren wie von einer höheren Gewalt ergriffen: »Wir glaubten,« sagt Casati, »von den Todten zu erstehen.« Christina fragte dann, ob der Papst ihr gestatten könne, im geheimen katholisch zu sein und einmal im Jahre das Abendmahl nach lutherischem Ritus zu nehmen. Als jene das verneinten, weil es Gott im Herzen beleidigen heiße, wenn man den Schein einer falschen Religion annehme, erwiderte sie: »Dann muß ich die Krone niederlegen.« Sie schickte den P. Casati nach Rom, um dem Ordens-General ihren Vorsatz kund zu thun, und um zu erfahren, was erforderlich sei, damit sie ihren Aufenthalt in Rom nehmen könnte.

Wenn die Protestanten behaupten, Christina sei nicht aus wirklicher Ueberzeugung, sondern nur aus äußeren Gründen katholisch geworden, so fehlen ihnen dafür die Beweise. Man beruft sich allerdings auf einige Briefe und Aussprüche Christina's, deren Aechtheit aber erst, wie D'Alembert mit Recht sagt, bewiesen werden muß, um sie als Beweismittel gebrauchen zu können. So sagt Arckenholz, Christina habe später in Schweden dem Grafen Flemming und dem Baron Cojet gegenüber geäußert: »Sie habe die Religion ihres Vaters nicht deswegen verlassen, weil sie sie in irgend einem Glaubensartikel falsch befunden hätte, sondern andere dringende Gründe hätten sie bewogen, äußerlich die römisch-katholische Religion anzunehmen.« So zuversichtlich diese Behauptung aufgestellt und in so viele Geschichtswerke, wie in diejenigen von Ranke, Schröckh u. A., sie daher übergegangen ist, so ist sie doch eine bedeutende historische Unwahrheit und beruht auf einem großen Mißverständnisse einer Mittheilung vom Professor und Geschichtsschreiber J. C. Wagenseil, der in Rom längere Zeit mit Christina verkehrte. In der angezogenen Stelle heißt es nämlich: Als Christina später wieder in Schweden war, beschwor sie der schwedische Gesandte Cojet, zur lutherischen Religion wieder zurückzukehren, und sprach die Hoffnung aus, Gott werde die Gebete erhören, die das ganze Volk öffentlich für diesen Rücktritt zum Himmel sende. »Darauf (und dieses ist der Punkt, worauf es ankommt) habe die Königin in der Weise geantwortet, nicht, daß sie die protestantische Kirche irgend einer Häresie oder des geringsten Irrthums beschuldigte, sondern daß sie vorhielt und betonte, man könne überhaupt die Religion, in der man geboren sei, ohne Schande wechseln, da man sie ebenso wenig als die Gestalt des Körpers, den Adel der Geburt und den Ueberfluß an Reichthum sich nach Belieben ersinnen könne, sondern sie so nehmen müsse, wie es die Verhältnisse der Geburt mit sich bringen; wenn aber Jemand die mit Bedacht angenommene Religion verließe, so haßten ihn mit Recht alle Menschen als einen unbedachtsamen, unbeständigen und einfältigen Mann.« Vgl. Wagenseil, Synops. Hist. Univers. (Altorf, 1697. 8.) P. III. p. 822: Ad haec ita respondisse reginam, non ut cujusquam haereseos vel minimi erroris Ecclesiam Protestantium insimularet, sed ut ingereret et inculcaret, Religionem, in qua quis natus sit, cum hanc aequo parum ac corporis formam, natalium dignitatem et opum affluentiam, sibi quisquam ad arbitrium fingere queat, sed ita habenda illa sit, prout nascendi conditio fert, citra ignominiam mutari omnino posse; at religionem consilio susceptam, si quis deserat, cum tamquam inconsideratum, inconstantem et infruniti animi, merito odisse omnes homines. Es wäre von Christina höchst thöricht gewesen, sich auf ausdrückliche Bestreitung der lutherischen Lehre einzulassen, da sie gerade damals äußerst wichtige Angelegenheiten in Schweden betrieb, wobei sie jede feindselige Aufregung der Schweden fern halten mußte. Außerdem darf man nicht übersehen, daß Wagenseil, obgleich Protestant, sich über Christines Conversion sehr ruhig ausspricht und es ausdrücklich unentschieden läßt, ob ihr Uebertritt aufrichtig gewesen sei oder nicht: das konnte er nicht, wenn er obige Aeußerung so verstand wie Arckenholz. Noch weiter geht Ranke mit der Behauptung: »Sie hat oft gesagt, sie habe an dem Protestantismus keine wesentlichen Irrthümer im Dogma gefunden.« In der Ausgabe Leipzig, 1874 citirt er die oben erwähnte Stelle von Wagenseil, theilt aber nur den Vordersatz mit, während er die Hauptsache verschweigt und übersetzt: »Königin Christina hat selbst gestanden, sie wisse den Protestantismus keines Irrthums in den Dingen des Glaubens zu zeihen.«

Ebenso wenig beweist der Brief, den Christina im März 1652, wo sie nicht mehr protestantisch-gläubig, aber auch noch nicht völlig zur katholischen Ueberzeugung gelangt war, an den Landgrafen Friedrich von Hessen schrieb, um ihm auf Bitten ihrer Verwandten Vorstellungen gegen seine beabsichtigte Conversion zu machen. Sie sagt: sie gebe hierin den Wünschen ihrer Verwandten und der Freundschaftspflicht nach, werde indessen die Sache nicht behandeln, wie auf der Kanzel und im Colleg, sondern überlasse den Streit darüber den protestantischen und katholischen Kirchenlehrern: »und da ich einer dritten Religion angehöre, welche die Wahrheit gefunden und sich daher von den Meinungen jener entfernt und dieselben als falsch verworfen hat, so ist es recht, daß ich als eine neutrale Person zu Ihnen rede und nur einen einzigen Punkt berühre, der Ihnen empfindlich sein muß, das ist der der Ehre.« In der That stellt sie ihm die Sache auch nur von dieser Seite vor, ohne ein Wort zu Gunsten der lutherischen oder gegen die katholische Religion hinzuzufügen. Um übrigens zu beweisen, daß Christina ohne Ueberzeugung katholisch geworden, sind Thatsachen erforderlich, welche sich eben auf die Zeit ihrer Conversion beziehen. Wenn daher Christina wirklich den Ausspruch des sterbenden Brutus pries, die Tugend sei nur ein Name und eine Chimäre, so wäre das schon deswegen ohne Kraft, weil die Zeit dieser Aeußerung nicht bekannt ist; außerdem finden sich in ihren Schriften auch gerade entgegengesetzte Aeußerungen. So sagt sie: »Cato und Brutus tödten sich selbst aus einem Eigensinn, mit dem sie für das doppelte Hirngespinnst der Freiheit eingenommen sind. Was für eine seltsame Weisheit! Und was für eine verderblichere Wirkung könnte wohl die Narrheit hervorbringen? Würden sie nicht besser gethan haben, wenn sie Cäsar's Herrschaft ertragen hätten, nachdem sie vergebens alle ihre Kräfte angewandt, sich derselben zu widersetzen? Cato starb ruhig, ohne sich über irgend etwas zu beklagen. Brutus, der verdrießlicher war, gibt der Tugend die Schuld und wirft ihr vor, daß sie bloß ein falscher Glanz, ein Gespenst, ein eitler Name sei: er hatte Recht; denn ihre Tugend war von dieser Art.« Eine andere Aeußerung, welche man als Beweis für Christina's Oberflächlichkeit in religiösen Dingen anführt, ist diese, daß sie nach ihrem öffentlichen Uebertritte zu Innsbruck bei einer Komödie zu einigen Personen vom ersten Range gesagt habe: »Es ist recht, daß Sie mir eine Komödie aufführen, nachdem ich Ihnen eine Posse aufgeführt habe.« Diese Anekdote hat durchaus keinen glaubwürdigen Gewährsmann; sie rührt von ihrem Sekretär, dem leichtfertigen Chevreau, her und ist schon von Leibniz, Schröckh, Lacombe u. A. bezweifelt worden. Auch war Christina nicht so unbesonnen und rücksichtslos, eine Handlung lächerlich zu machen, die ihrer Umgebung hehr und heilig war. Treffend sagt über dergleichen Traditionen Bayle: »Ich habe solche Dinge von unendlich vielen Leuten gehört; wollte ich sie aber näher prüfen, so habe ich nichts gefunden, was sie glaubhaft machen konnte; indes rede ich hier davon, um, so viel mir möglich ist, zu verhindern, daß die, welche von solchen Alfanzereien sprechen hören, ihnen Glauben schenken.« Ebenso unbegreiflich ist, wie man auf Mangel an religiöser Gesinnung schließen kann aus Aeußerungen, wie folgende in einem Briefe an ihre Freundin Ebba Sparre: »Ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß es mir vollkommen wohl geht, daß ich tausend Ehrenbezeugungen empfange, und daß ich mit Jedermann gut stehe, außer mit dem Prinz von Condé, den ich nur im Schauspiele und bei Hofe sehe. Meine Beschäftigungen sind gut essen und gut schlafen, ein wenig studiren, scherzen, lachen, französische, italienische und spanische Komödien besehen und die Zeit angenehm hinbringen. Ich höre keine Predigten mehr, ich verachte alle Redner; nach dem, was Salomon gesagt hat, ist alles übrige nur Eitelkeit; denn Jeder soll vergnügt leben bei Essen, Trinken und Singen.« Der ganze Brief ist in der heitersten Stimmung geschrieben und ein Ausdruck ihrer damaligen Zufriedenheit. Die Predigten aber sind die, welche ihr in Schweden so oft Langeweile verursacht hatten und ihr im höchsten Grade verhaßt waren. Und wenn sie den Jesuiten in Löwen, welche ihr schmeichelnd sagten, wäre sie katholisch, so würde man sie der heiligen Brigitta von Schweden zur Seite stellen, zur Antwort gab: »Ich wünschte lieber, man versetzte mich unter die Weisen,« so war diese Antwort entweder von derselben Art oder gehört zu denjenigen Aeußerungen, wodurch sie ihren damals noch nicht bekannten Uebertritt verdecken und der Umstehenden wegen die versteckte Andeutung der Jesuiten umgehen wollte. Da Christina, wie der wohlunterrichtete Pallavicino sagt, mit Schweden noch immer in wichtigen Verhandlungen stand, so schien es ihr zweckmäßig, ihren Uebertritt vorläufig noch geheim zu halten. Sie pflegte in Brüssel im geheimen der heiligen Messe beizuwohnen, und war nur bemüht, ihrer Gewissenspflicht genugzuthun, indem sie durch keine Handlung sich als nichtkatholisch darstellte. Daher kam es, daß man von ihr aussagte, sie glaube an gar keine Religion, weil man nicht sah, daß sie ihren alten Glauben beobachtete, noch auch, daß sie einen neuen angenommen. Diese Ansicht wurde durch manche paradoxe Behauptungen unterstützt, die Christina nicht als ihre Ansicht, sondern des geistreichen Disputirens wegen aufstellte, aber mißverstanden wurden.

Was ferner von der Behauptung zu halten ist, der französische Arzt Bourdelot habe Christina Abneigung gegen die lutherische Religion und irreligiöse Ansichten eingeflößt, sieht man daran, daß sogar die unbedeutenden italienischen Musiker der Königin von den Predigern öffentlich beschuldigt wurden, daß sie den Atheismus am Hofe einführten und die Rechtgläubigkeit der Königin zerstörten. Daß Bourdelot nicht Atheist war, dafür spricht das Stillschweigen mehrerer seiner heftigsten Feinde, die doch sonst Manches an ihm zu tadeln wissen, sowie sein unbedingtes Einverständniß mit Pimentel, der als ein »großer Papist« bezeichnet wird.

Ebenso ungereimt ist, was man von bloß äußerlichen Beweggründen angibt, welche Christina bei ihrer Conversion geleitet haben sollen: sie habe etwas recht Auffallendes thun wollen; bei ihrer großen Liebe zu den schönen Künsten habe der glänzende katholische Gottesdienst mächtigen Einfluß auf sie ausgeübt; sie sei der »papistischen Religion« als Frau zugethan gewesen; es habe mehr eine »unerklärliche Neigung und unbedingte Sympathie«, als wirkliche Ueberzeugung in ihr gewirkt; sie habe auf die Freundschaft der südlichen Mächte und die Unterstützung vom Papste gehofft u. s. w. Solche Behauptungen sind ganz unbegründete Vermuthungen. Wie konnte sie z. B. die Hoffnung auf Unterstützung vom Papste verlocken, da ihr ja jährlich 245,000 Thlr. garantirt waren, die gewiß für ihren Hof hinreichten? Auch war ihr Ansehen groß genug, um im Süden ohne Annahme der katholischen Religion die ihr gebührende Aufnahme und Hochachtung zu finden. Wenn endlich Schlosser sagt, daß sie »aus Ursachen, welche in unseren Tagen fast die ganze Aristokratie zur Anhänglichkeit an Rußland oder an den Papst bewegen, dem Glauben ihres Vaters untreu geworden«, so hat er nur insofern Recht, als der Königin Christina, abgesehen von dem eigentlichen innern Gehalt des Katholicismus, auch das conservative Princip und die monarchische Regierungsform zusagte, die sich in der katholischen Kirche in der vollkommensten Weise, in Rußland aber nur in einem Zerrbilde findet. In diesem Sinne war Christina echt aristokratisch und konnte mit der Gräfin Ida Hahn-Hahn sagen: »Ja, ich bin aristokratisch, und darum lasse ich mein Leben nicht bestimmen von dem, was mir eben paßt und zusagt, sondern von tiefen und heiligen Überzeugungen.« Es bleibt also für die Behauptung, die Königin Christina habe ohne Ueberzeugung die katholische Religion angenommen, nichts übrig, als die Ansicht, kein Mensch von Verstand und großen Kenntnissen könne von der Wahrheit des Katholicismus überzeugt sein. So meint auch Christina's sonst wohlwollender Biograph Arckenholz, es sei nicht wahrscheinlich, daß eine so aufgeklärte und wohlunterrichtete Fürstin alle Artikel der katholischen Lehre wirklich geglaubt habe; und wenn es so scheine, so »spreche sie nur die Sprache Rom's, wo sie zuletzt lebte und schrieb«. Diese Ansicht bekundet die krasseste Unwissenheit des katholischen Glaubens und ist eine gänzliche Verkennung der geschichtlichen Thatsache, daß so manche Personen, deren geistige Fähigkeiten, Kenntnisse und Tugenden außer allem Zweifel sind, den katholischen Glauben angenommen und darin den Frieden gefunden haben; daß viele Protestanten noch in der Todesstunde ein Verlangen nach den Sakramenten der katholischen Kirche gehabt, daß aber noch kein Katholik an der Pforte des Jenseits die lutherische Lehre angenommen hat. Die Conversion Christina's, sagt Höfler, ist »eine Handlung des nüchternsten Verstandes, der vollsten Ueberzeugung nach reiflicher Prüfung, nachdem Alles, was Geschichte, Philosophie, Kenntniß des Alterthums und der Religionen dafür oder dagegen einwenden ließen, erforscht, untersucht und dann als Beweismittel für die Wahrheit der katholischen Religion geltend gemacht worden war«. Selbst Rühs sagt: »Unstreitig ward die Königin durch ein Bedürfniß ihres Geistes und Herzens auf die Vereinigung mit der katholischen Kirche geführt; daß Ueberzeugung sie dazu veranlaßte, geht unverkennbar aus den Aeußerungen hervor, die sie hinterlassen hat.«

Am 7. Januar 1655 starb Papst Innocenz X.; am 7. April folgte ihm der Cardinal Chigi als Alexander VII. Mit ihm hatte Christina schon in Schweden in Verbindung gestanden, indem er zu den Wenigen gehörte, welche zuerst von ihrem Vorhaben, die katholische Religion anzunehmen, Kunde erhalten hatten. Um so leichter wurde man durch Vermittlung des Königs von Spanien einig über die Bedingungen für Christina's Aufenthalt in Rom. Den Sommer über blieb sie noch in Belgien, wo sie durch die Nachricht von dem Tode ihrer Mutter in tiefe Trauer versetzt wurde. Nachdem sie die genossene Gastfreundschaft mit königlichen Geschenken erwidert hatte, verließ sie im September Brüssel und reiste in einem glänzenden Zuge von etwa 200 Personen über Löwen, Cöln, Frankfurt, Würzburg und Augsburg nach Innsbruck. In Augsburg zeigte man ihr die Tafel, an der Gustav Adolph nach der Eroberung von Baiern gespeist hatte; es wird berichtet, sie habe sich dabei der Thränen nicht enthalten können. Ueberall erwies man ihr die größten Ehren, und warteten die höchsten Personen ihr auf, sowie sie sich überall das Sehenswertheste von Kunst und Wissenschaft zeigen ließ. Der Kaiser schickte ihr den Grafen Montecuculi, um sie nach Rom zu begleiten. Vor Innsbruck kamen ihr zwei Erzherzöge und die Erzherzogin Anna mit einem zahlreichen Gefolge entgegen und führten sie mit allen Ehren in die Stadt. Der Papst hatte verlangt, daß Christina vor ihrem Eintritt in den Kirchenstaat öffentlich das katholische Glaubensbekenntniß ablege und ihr daher den berühmten und gelehrten Geschichtsschreiber Lukas Holstein, Kanonikus von St. Peter, mit einem sehr huldreichen Schreiben entgegengesandt. Er hatte Vollmacht, ihr Glaubensbekenntniß mit allen Ceremonien anzunehmen. Dieses geschah mit großen Feierlichkeiten in der Hofkirche zu Innsbruck am 3. November 1655. Die Königin war ganz einfach in ein schwarzseidenes Gewand gekleidet mit einem diamantenen Kreuze auf der Brust. Der Erzherzog führte sie an den Altar, wo sie auf ein rothsammtenes Kissen niederkniete, während die geistlichen und weltlichen Würdenträger sich rings um sie aufstellten. Nach Verlesung des päpstlichen Breve's überreichte ihr der Stellvertreter des Papstes das in lateinischer Sprache abgefaßte Formular des katholischen Glaubensbekenntnisses, welches die Königin mit »klaren, wolvernemlichen Worten und frewdigem Gemüt« vorlas, beschwor und eigenhändig unterschrieb. Dann wurde sie unter den üblichen Ceremonien förmlich in den Schoß der katholischen Kirche aufgenommen. Nach den Beglückwünschungen wurde der Psalm Jubilate Deo omnis terra unter Pauken und Trompeten gesungen, und der Jesuit Staudacher, Hofprediger des Erzherzogs, hielt eine Predigt über den Text: »Höre, Tochter, schaue darauf und neige dein Ohr, vergiß deines Volkes und deines Vaters Haus, so wird der König Lust an deiner Schöne haben; denn er ist dein Herr, und du sollst ihn anbeten.« Ps. 44, 11. Dann hielt der Internuntius das Hochamt. Den Schluß der Feierlichkeit bildete das Te Deum, mit dessen Jubelklängen sich der Donner von 50 Kanonen, das Krachen der Böller, das Geläute aller Glocken der Stadt und das tausendfache Echo der Berge vereinigte.

Von dem Glaubensbekenntnisse wurden vier Copien angefertigt, für den Papst, die Königin, die vatikanische Bibliothek und für das Archiv zu Innsbruck. Sie waren alle unterschrieben von Christina, den beiden Erzherzogen, den Bischöfen von Augsburg und Gurk, von dem spanischen Gesandten Pimentel und von Lukas Holstein, dem Stellvertreter des Papstes.

Mit großen Feierlichkeiten wurde nun mehrere Tage lang das außerordentliche Ereigniß und der Aufenthalt des hohen Gastes gefeiert. Die Königin zeigte dem Papste in dem schon erwähnten demüthigen Schreiben ihren öffentlichen Uebertritt zur katholischen Kirche an. Ebenso auch dem Könige Karl Gustav, indem sie schrieb: »Mein Herr Bruder. Ich bin allhier glücklich angelanget und weil ich daselbst einen Befehl von Ihro Heiligkeit fand, mich für das öffentlich zu erklären, was ich schon seit geraumer Zeit bin: so habe ich mich für glücklich geschätzt, diesem Befehle nachzukommen und diese Ehre dem Ruhme über die großen Länder zu regieren, die Sie jetzt besitzen, vorgezogen. Sollten Ihre Majestät gleich dafür halten, ich hätte den besten Theil nicht erwählt, so sollten Sie doch billig an einer That ein Wohlgefallen finden, die Ihnen so vortheilig ist und die weder die schuldige Liebe zu meinen Schweden, noch auch die Ihnen zutragende Freundschaft ändert; als die ich lebenslang verharre u. s. w.«

Da Christina am nächsten Weihnachtsfeste die heilige Communion und das Sakrament der Firmung aus den Händen des Papstes selber empfangen wollte, so verließ sie am 8. November Innsbruck und nahm ihren Weg über Brixen und Bozen nach Trient. Ihre Reise glich einem Triumphzuge. Ueberall wurde sie aufs glänzendste empfangen und bewirthet. Am 21. November betrat sie die Grenzen des Kirchenstaates. Hier wurde sie von vier päpstlichen Nuntien begrüßt und ihr ein Breve überreicht, worin der Papst seine Freude über ihre nahe Ankunft aussprach. In zahlreichem Gefolge durchzog sie dann Italien, indem sie überall die Werke der Kunst und des Alterthums besah. In Loretto schenkte sie der Mutter Gottes eine Krone und ein Scepter von massivem Golde, mit 368 Diamanten und 160 Rubinen besetzt. Bei einer Villa, neun Miglien von Rom, empfingen sie zwei Cardinäle mit großem und glänzendem Gefolge in mehr als vierzig sechsspännigen und zwanzig vierspännigen Wagen und geleiteten sie am 19. Dezember Abends 7 Uhr beim leuchtenden Scheine unzähliger Fackeln, vorläufig »incognito«, in die ewige Stadt, von der Schweizergarde und vielem Volke umgeben, so daß sie scherzend sagte: »Auf diese Weise also zieht man incognito in Rom ein.« Sie wurde zuerst zum Vatikan in ihre reichgeschmückten Gemächer geführt, dann zur Audienz beim Papste. Sie bezeigte ihm die größte Ehrfurcht und er ihr die herzlichste Freundlichkeit. Einige Tage nachher hielt sie ihren öffentlichen Einzug mit nie gesehener Pracht. Die Königin ritt, als Amazone verkleidet, auf einem weißen Zelter, den ihr der Papst nebst anderen kostbaren Geschenken verehrt hatte, zwischen zwei Cardinälen, umgeben von den Vornehmsten des Adels und der Geistlichkeit. Der Zug bewegte sich durch die langen Reihen der kriegerisch geschmückten Soldaten unter dem Schmettern der Posaunen und dem Donner der Geschütze. Nachher begab sich die Königin in die Peterskirche, an deren Eingange die hohe Geistlichkeit sie empfing und zum Hochaltar führte; darauf begab sie sich in das Consistorium, wo sie dem Papste die üblichen Ehren bezeigte und ihre Freude über ihre Bekehrung und seine gütige Aufnahme aussprach. Zwei Tage nachher empfing sie aus der Hand des Papstes die heilige Communion und das Sakrament der Firmung, wobei sie die Namen »Marie Alexandra« erhielt, doch unterschrieb sie sich seitdem immer nur »Christina Alexandra«.


 << zurück weiter >>