Johann Nepomuk Nestroy
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Johann Nepomuk Nestroy

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Zweiter Akt

Die Bühne stellt die Tischlerwerkstätte des Meisters Hobelmann in Wien vor. Mittel- und Seitentüren

Erste Szene

Ein Fremder, dann Gertraud

Fremder (die Werkstätte musternd) Hat wirklich eine schöne Werkstätte, der Meister Hobelmann.

Gertraud (kommt aus der Seitentüre rechts, im schwäbischen Dialekt) Euer Gnaden, ich hab's dem Meister Hobelmann schon gesagt, er wird gleich da sein. Da kommt er schon. (Geht durch die Mitteltüre ab.)

Zweite Szene

Der Fremde, Hobelmann

Hobelmann Untertänigster Diener, Euer Gnaden! Mit was kann ich zu Diensten stehn?

Fremder Ich etabliere mich hier und habe ein großes Möbelgeschäft mit Ihnen abzumachen, lieber Meister.

Hobelmann Ist mir eine Ehr'. Aber dürft' ich nicht bitten, wenn's möglich wär', die Sach' auf morgen zu verschieben? Heut' kann ich nicht, und wenn ich tausend Gulden profitieret, denn ich hab' heut' eine Hochzeit im Haus.

Fremder Nach Gefallen, ich bin nicht pressiert.

Hobelmann Dann hab' ich aber noch eine Bitt'. Der Hochzeitsschmaus ist zwar schon zu End', aber ein Schalerl Kaffee, wenn Euer Gnaden bei uns zu sich nehmen wollten – die Ehr' müssen Euer Gnaden der Braut antun.

Fremder Mit Vergnügen, lieber Meister.

Hobelmann (ruft zur Türe hinein) Peppi, richt' den porzellanenen Weidling zum Kaffee für den gnädigen Herrn. (Beide ab.)

Dritte Szene

Leim, etwas später Gertraud

Leim (im schlechten, zerrissenen Rock, den Wanderbündel auf dem Rücken, tritt ein) Ich weiß nicht, was das ist, kein Mensch fragt mich, zu wem ich will. In der Kuchel hab' ich eine Menge Dienstboten g'sehn, die jubeln, was 's Zeug halt, und einer sitzt vor der Tür, dem muß übel sein. (Umhersehend.) Da wär' ich halt wieder in meiner lieben Werkstatt. – Das sind Erinnerungen für mich! Auf dem Platz hab' ich einen Tisch g'macht und hab' d' Füß' vergessen, denn meine Gedanken waren bei der Peppi – an dem Platz hab' ich ein Kastenb'schläg' an ein Spucktrüherl g'nagelt, denn meine Gedanken waren nicht bei der Arbeit. – O, ich war ein Stockfisch, daß ich nie g'red't hab', und mir g'schähet recht, wenn sie schon längst den Wirt g'hei –

Gertraud (zur Mitte eintretend) Wie kommt denn Er da herein?

Leim No, wie jeder andere Mensch, bei der Tür.

Gertraud Wann Er Arbeit suche tut, so komm' Er morge, heut' ist's nix, heut' hanne wir Hochzeit.

Leim (erschrocken) Wer hat g'heirat't?

Gertraud Der Herr Strudl, der Wirt im goldenen Nockerle, hat g'heirat't – Vormittag war die Kopulation.

Leim Wen hat er g'heirat't?

Gertraud Die Mamsell Hobelmann.

Leim (fährt auf sie los) Schwabin! Ich bring' dich um!

Gertraud (schreit, indem sie abläuft) Zu Hilfe! Zu Hilfe! Er will mich verschlage!

Vierte Szene

Leim, Hobelmann

Hobelmann He! He! Was gibt's denn da?

Leim Meister Hobelmann –

Hobelmann (erfreut) Was seh' ich! Leim, Er ist wieder da? Na, freut mich! (Ruft in die Türe.) Peppi! Peppi! G'schwind, komm, der Leim ist da!

Leim Um alles in der Welt, nein! Ich will sie nicht sehen – ich kann sie nicht sehen.

Fünfte Szene

Die Vorigen; Peppi

Peppi (heraushüpfend, einen weißen Kranz auf dem Kopf, ganz weiß gekleidet) Ach, Vater – wo – wo ist er? Endlich kommt er wieder zurück. Ist das auch recht, daß Er so lange auf sich warten ließ? (Faßt ihn sanft am Arme.)

Leim (sie in heftiger Bewegung, aber nicht unsanft, abkehrend) Zurück, junge Frau!

Peppi Vater, was ist ihm denn?

Hobelmann Das wird sich geben.

Peppi Ach, Gott, Johann, ich bin so froh, daß Er wieder da ist, so froh. Das muß ich gleich dem Strudl erzählen. (Ins Seitenzimmer ab.)

Sechste Szene

Leim, Hobelmann

Leim O Strudl! – Der Strudl liegt mir im Magen wie ein Knödel.

Hobelmann Er schaut etwas abg'schaben aus, mein lieber Leim, Er hat nicht viel aufgesteckt in der Fremd'. Sei Er froh, daß Er wieder bei mir ist, ich hab' mit Ihm einen Plan.

Leim O, jetzt geht der Leim aus 'n Leim, für mich plant sich nichts mehr! – Meine Peppi!

Hobelmann Ah! Ist es das? Sieht Er, mein lieber Johann, wie Er mir damals so unverhofft davongegangen ist, hat Er ja geschrieben, Er wird aus Bosheit heiraten.

Leim Das hab' ich nur aus Bosheit geschrieben; aber ich bin so ledig, als nur was sein kann.

Hobelmann Ich hätt' vor zwei Jahren durch einen gähzornigen Wurf meine Tochter um'bracht, wenn Er nicht gewesen wär', für diese Tat hat Er sich 's Madel verdient; aber Er hat ja nix g'red't – oder hat Er glaubt, daß ich Ihn um Gottes willen bitten soll, daß Er 's Madel heirat't?

Leim (verzweifelnd) O, ich war ein Esel! So was kommt nur alle Jahrtausend einmal auf d' Welt.

Siebente Szene

Die Vorigen; Strudl, Anastasia, Peppi, der Fremde

Hobelmann (auf Leim zeigend) Da, meine Freunde, seht's, da ist er!

Alle Willkommen! Willkommen!

Strudl (gutmütig zu Leim) Das war nicht schön von Ihm, daß Er uns so abgefahren ist.

Leim (beiseite, grimmig) Der Dickwanst foppt mich noch? Das ist zu viel! (Grob zu Strudl.) Sie haben's nötig, daß S' mich aufziehn wollen. Pfui Teufel! Ich schamet mich, heiraten mit dem Bauch. Sie sollten sich lieber zwischen Ihre Weinfässer setzen, von denen keins so dick ist als Sie, und so lang trinken, bis Sie liegen bleiben im Keller unten, das wär' gescheiter, als auf der Welt heroben einem ehrlichen Kerl seine Lieb' abfischen.

Alle Was?

Hobelmann Leim, jetzt sei Er still! Wie kann Er einen ehrenfesten Mann in meinem Haus so traktieren?

Leim Ja, ehrenfesten Mann –

Hobelmann Da geh' Er her; ich muß Ihn ja erst bekannt machen mit der ganzen Gesellschaft.

Leim O, ich kenn' alle.

Hobelmann (auf Strudl zeigend) Das ist mein Freund Strudl, der Bräutigam, jetzt eigentlich schon Eh'mann – das (auf Peppi zeigend) ist meine Tochter Peppi, die Kranzeljungfer.

Leim (froh überrascht) Kranzel – Jungfer?

Hobelmann (Anastasia vorführend) Das ist Anastasia Hobelmann, die Tochter von meinem verstorbenen Bruder, gegenwärtig ehrenfeste Strudl.

Leim (in höchster Freude) Also die Peppi ist nicht seine Frau? Sie ist noch frei? (Zu Peppi eilend.) Du bist also noch mein, Peppi? – Bist keine Strudl? (Anastasia die Hand küssend.) O, meine Gnädige! Erlauben Sie, daß ich Ihnen die Hand küsse. (Zu Strudl.) Und Sie, mein bester, liebster, schönster, goldener Herr von Strudl, jetzt hab' ich Ihnen so lieb, weil Sie nur die Peppi nicht g'heirat't haben. Verzeihen Sie, ich war ein Flegel – ich begreif' gar nicht, wie ich hab' schimpfen können über Ihre respektable Westengegend. – (Dreht ihn um und streicht über seinen Rücken.) Sie sind so schön, so proportioniert – gar kein' Bauch – lassen Sie sich umarmen! (Umarmt ihn.) Und Sie, Herr Schwiegerpapa –

Hobelmann Was? Schwiegerpapa? Er hat ja noch nicht einmal mit 'n Madel Richtigkeit g'macht, Sein Wort angebracht, bei mir gar nicht angehalten um sie.

Leim O Peppi! Himmlische Peppi!

Peppi Ich sollt' bös' sein, Johann.

Leim Ja, ich verdien's.

Peppi Du hast mir viel Kummer verursacht.

Leim Und das bloß durch meine Dummheit, weil ich nix g'red't hab'.

Peppi (ihm die Hand reichend) Du hast mir das Leben gerettet, ich bin dein.

Hobelmann Halt! Da hab' ich auch ein Wort dreinzureden. Dem ersten besten Hasenfuß, der nix ist und nix hat, kann ich meine Tochter nicht geben. Indessen, das ist mit Ihm anders geworden, Er ist ein Mann, der seine Batzen hat.

Leim Was? Wie weiß denn der Meister das?

Hobelmann Nu, wenn ich's nicht wüßt', wer sollt's denn hernach wissen? – Ich hab' für Ihn damals, wie Er den Wurf aufg'fangt hat, der meine Tochter getroffen hätt', fünfhundert Dukaten angelegt, die g'hören samt Interessen Sein. Jetzt fang' Er halt Sein Meisterstuck an, in drei Wochen ist Er Meister, und dann soll Er's Madel haben.

Alle Wir gratulieren!

Leim Bester, großmütigster Herr Schwiegerpapa! Ich nehm's an; aber jetzt müssen auch Sie und die Peppi erlauben, daß ich das auch dazuleg', was ich hab'.

Hobelmann Hat Er sich auch was erspart?

Leim Was man sich halt so erfecht't auf der Straßen. Ich werd' gleich die Kisten hereintragen lassen. (Läuft zur Türe.) Heda, Leut'! Nur herein! (Vier Träger tragen eine große Kiste herein.)

Alle Was ist das?

Leim (den Deckel aufreißend) Das gehört alles meiner Braut.

Hobelmann Lauter Geldsäck'? – Was Tausend!

Leim Nix tausend – über dreißigtausend Taler sind da drin. Ich hab' s' in der Lotterie gewonnen, ich bin jetzt ein Mandel mit Kren.

Alle (ganz verwundert) Ah! Ah!

Leim Der alte zerrissene Rock da war nur Verstellung, ich hab' dich nur prüf en wollen, ob du mich noch liebst.

Peppi Johann! Mein Johann! Ich verlang' mir nichts als dein Herz. (Sinkt in seine Arme.)

Hobelmann Das Geld gehört also alles Sein? – Jetzt muß er 's Madel nehmen! (Vereinigt ihre Hände.) Heut' vier Wochen ist die Hochzeit, da soll die ganze Stadt reden davon.

Leim Das Geld g'hört mein – die Peppi g'hört auch mein, jetzt nimm ich mein' ganze Bagage zusamm' und zieh' aus. (Er hebt Peppi in die Kiste auf die Geldsäcke, die Träger tragen sie ab, er geht nebenbei, alle andern folgen.)


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