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Der Alexandrit

Ein natürliches Ereignis in mystischer Beleuchtung

In jedem von uns, die wir von den Weltgeheimnissen rings umgeben sind, besteht eine Neigung zum Mystizismus, und einige von uns gewahren bei einer gewissen Gemütsverfassung die verborgensten Geheimnisse überall dort, wo andere, die mitten im Wirbel des Lebens stecken, nur klare Dinge schauen. Jedes Blättchen, jeder Kristall müßten uns eigentlich daran erinnern, daß es in uns selber die rätselhaftesten Laboratorien gibt.

N. Pirogow.

 

Erstes Kapitel

Ich erlaube mir, hier eine kleine Mitteilung über einen wunderlichen Stein zu machen, dessen Auffindung im Schoße der russischen Berge eng mit den Erinnerungen an den verstorbenen Herrscher Alexander Nikolajewitsch verknüpft ist. Es handelt sich um den schönen, tiefgrünen Edelstein, der zu Ehren des entschlafenen Kaisers den Namen »Der Alexandrit« erhielt.

Die Ursache dieser Namensgebung war, daß der erwähnte Stein am 17. April 1834 zum erstenmal gefunden wurde, nämlich am Tage der Volljährigkeitserklärung Alexanders des Zweiten. Der Ort, an welchem der Alexandrit entdeckt wurde, waren die Edelsteingruben im Ural, die fünfundachtzig Werst von Jekaterinburg entfernt am Flüßchen Tokowàja, einem Nebenfluß des Großen Rewtj, liegen. Der Name »Der Alexandrit« wurde dem Stein von dem bekannten finnländischen gelehrten Mineralogen Nordenskjöld gegeben, und zwar eben deshalb, weil er, der Herr Nordenskjöld, den Stein am Tage der Volljährigkeitserklärung des nunmehr verstorbenen Kaisers fand. Dieser Grund ist, sollte ich meinen, soweit erschöpfend, daß es überflüssig ist, noch nach einem anderen zu suchen.

Und da Nordenskjöld den von ihm entdeckten Kristall »den Stein Alexanders« nannte, wird er auch noch heutigentages so genannt. Was jedoch seine natürlichen Eigenschaften anbelangt, so wissen wir von denen folgendes:

Der Alexandrit (Chrysoberyll Cymophone) ist eine Spielart des Chrysoberylls aus dem Ural. Es ist ein sehr kostbares Mineral. Die Farbe des Alexandrites ist dunkelgrün und dabei der Farbe des dunkleren Smaragdes sehr ähnlich. Bei künstlicher Beleuchtung jedoch verliert der Stein seine grüne Farbe und nimmt die Farbe der Himbeere an.

Die allerbesten Alexandrite wurden drei Faden tief im Krasnobolótskschen Fundort entdeckt. Gefaßte Alexandrite trifft man sehr selten an, und tadellos schöne Kristalle sind eine der allergrößten Seltenheiten, keiner von ihnen wiegt mehr als höchstens ein Karat. Infolgedessen wird der Alexandrit nicht nur sehr selten im Handel angetroffen, ja viele Juweliere kennen ihn nur vom Hörensagen. Er gilt als der Stein Alexanders des Zweiten.

Diese Auskunft entnahm ich dem Buch Michael Iwanowitsch Pylajews, das die Sanktpetersburgische mineralogische Gesellschaft im Jahre 1877 unter dem Titel: »Die Edelsteine, ihre Eigenschaften, Fundorte und Verwendung« in Druck gegeben hat.

Zu den Notizen, die ich aus dem Werke des Herrn Pylajew über die Fundorte des Alexandrits hier mitteile, sei noch hinzugefügt, daß die Seltenheit dieses Steines eine aus folgenden Gründen noch viel bemerkenswertere geworden ist, denn erstens hat sich unter den Gesteinsuchern ein Aberglauben eingenistet, daß es dort, wo man den Alexandrit findet, überflüssig sei, nach Smaragden zu suchen, zweitens aber sind die Gruben, in denen man seinerzeit die besten Exemplare des Steines Alexanders des Zweiten fand, jetzt ersoffen, und zwar durch die Gewässer eines über die Ufer getretenen Flusses.

Ich bitte mithin, sich merken zu wollen, daß man dem Alexandriten bei russischen Juwelieren sehr selten begegnet, wenn man sich aber an ausländische Juweliere und Edelsteinschleifer wendet, so haben diese ihn, wie M. J. Pylajew sagt, meist »nur vom Hörensagen« kennengelernt.

 

Zweites Kapitel

Bald nach dem tragischen und jammervollen Hingang des verstorbenen Herrschers wünschten viele von uns, einem in der menschlichen Gemeinschaft ziemlich verbreiteten Brauche folgend, irgendwelche gegenständliche Erinnerungen an den teuern Entschlafenen zu besitzen. Zu diesem Behuf wählten die verschiedenen Verehrer des verstorbenen Kaisers die allerverschiedenartigsten Dinge, vornehmlich aber solche, die man immer bei sich tragen konnte.

Die einen kauften Miniaturporträts des entschlafenen Herrschers und legten sie in ihre Brieftaschen, oder taten sie in Medaillons, die als Uhranhänger dienten, andere ließen den Tag seiner Geburt und den Tag seines Ablebens in besonders geschätzte Gegenstände gravieren, wieder andere machten irgend etwas ähnliches in der Art, einige wenige aber, denen die Mittel das gestatteten oder denen der Zufall günstig war, erwarben den Stein Alexanders des Zweiten, und verwendeten ihn alsdann zu Ringen, die als ein Andenken nie vom Finger gezogen wurden.

Ringe mit einem Alexandrit gehörten zu den allerbeliebtesten und allerseltensten und schließlich wohl auch zu den allercharakteristischsten Andenken, und wer einen solchen zu erlangen vermochte, der trennte sich nie wieder von ihm.

Freilich gab es nur eine sehr geringe Anzahl von Ringen mit Alexandriten, denn, wie Herr Pylajew ganz richtig sagt, sind schöne Alexandrite genau so teuer wie selten. Und darum ist es nicht erstaunlich, daß es in der ersten Zeit viele Leute gab, die sich die größte Mühe gaben, einen Alexandrit zu bekommen, und dennoch keinen erhielten, boten sie auch jeden Preis. Ja, man erzählt sogar, daß diese gesteigerte Nachfrage allerlei Versuche zur Folge hatte, den Alexandrit zu imitieren, doch stellte sich dabei heraus, daß es unmöglich war, diesen originellen Stein nachzuahmen. Denn jede Fälschung kann sogleich aufgedeckt werden, da ja der Stein Alexanders des Zweiten dichroitisch ist und seine Farbe wechselt. Ich bitte aufs neue, sich daran erinnern zu wollen, daß der Alexandrit bei Tage grün ist, bei abendlicher Beleuchtung jedoch rot.

Diese Eigenschaften zu erzielen war jenen, die irgendwelche künstlichen Schmelzversuche im Sinne hatten, unmöglich.

 

Drittes Kapitel

Mir gelang es, einen Ring mit einem Alexandrit zu erhalten, den einer der Unvergessenen aus der Zeit Alexanders des Zweiten getragen hatte.

Den Ring erwarb ich auf die allereinfachste Art, nämlich durch Kauf; ich erstand ihn nach dem Tode dessen, der ihn getragen hatte. Der Ring ging durch die Hände eines Markthausierers und von diesem erwarb ich ihn. Er war wie für mich gemacht, nachdem ich ihn einmal am Finger hatte, legte ich ihn nie wieder ab.

Der Ring war mit einer gewissen Absicht gefaßt worden, er war gewissermaßen symbolisch: der Stein Alexanders des Zweiten war nicht allein: zwei Brillanten reinsten Wassers umgaben ihn. Diese stellten die zwei leuchtenden Taten der vergangenen Regierung dar – die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft, und die Einsetzung eines vollkommeneren Ganges der Gerichtsverfahren, der die alte »schwarze Ungerechtigkeit« verdrängen sollte.

Mein schöner tieffarbiger Alexandrit mochte etwas weniger als ein Karat wiegen, die Brillanten aber waren jeder zu einem halben Karat. Und auch hierfür war der Grund ganz offensichtlich: die Brillanten, welche ja nur die Werke darstellten, sollten nicht mit ihrer Pracht den bescheidenen Hauptstein verschatten, der an die Person des edlen Wohltäters erinnern sollte. Die drei Steine waren ohne jede weitere Buntheit oder Verzierung in reines glattes Gold gefaßt, so wie die Engländer es tun – damit der Ring eine kostbare Erinnerung sei und nicht etwa nach »Geld röche«.

 

Viertes Kapitel

Den Sommer des 1884er Jahres verbrachte ich im Lande der Tschechen. Da mich schon seit je eine unruhige Neigung trieb, mich mit den verschiedenen Zweigen der Kunst zu beschäftigen, interessierte ich mich diesmal für die dortigen Juwelier- und Schleifarbeiten.

Man findet nicht wenig bunte Edelsteine im Lande der Tschechen, aber sie sind alle nicht viel wert und stehen weit hinter denen aus Ceylon oder etwa denen aus unseren sibirischen Fundorten. Die einzige Ausnahme bildet der tschechische Pyrop, oder »Feuer-Granat«, den man auf den »trockenen Feldern« von Meronitz findet. Schönere Granatsteine findet man nirgends auf der Welt.

Es gab eine Zeit, da wurde der Pyrop auch bei uns hoch geschätzt und erzielte sehr ansehnliche Preise, heute jedoch kann man einen schönen und großen tschechischen Pyrop bei keinem einzigen russischen Juwelier mehr finden. Ja, die meisten von ihnen kennen ihn nicht einmal vom Ansehen. Für billige Juwelierartikel werden bei uns jetzt häufig der trübe und dunkle Granat aus Tirol oder der »wässrige Granat« verwendet, den schönen feurigen Pyrop aber von den »trockenen Feldern« von Meronitz findet man nicht mehr. Die besten altertümlichen Exemplare dieses wundervollen tieffarbigen Steines, der meist zu einer schmalfacettierten Kreuzrosette geschliffen ist, wurden von Ausländern zu lächerlichen Preisen aufgekauft und über die Grenze geschafft, die guten Pyrope aber, die neuerdings in Tschechien gefunden werden, gehen meistens direkt nach England oder nach Amerika. Dort wechselt der Geschmack nicht so schnell, denn die Engländer lieben und schätzen nach wie vor diesen schönen Stein mit dem verstreuten, geheimnisvollen Feuer (»Feuer in Blut«). Die Engländer und Amerikaner lieben die charakteristischen und besonderen Steine, wie eben den Pyrop, oder etwa den Mondstein, der bei jeder Beleuchtung immer nur sein mondfarbenes Schimmern widerstrahlt. In der kleinen, aber sehr nützlichen Broschüre »Regeln der Höflichkeit und des Anstandes« findet man sogar einen besonderen Hinweis auf diese Steine, als auf solche, die dem Geschmack eines wahrhaften Gentlemans am meisten entsprechen. Von Brillanten wird dort gesagt: »Diese kann ein jeder tragen, der Geld hat.« In Rußland scheint heute eine andere Ansicht zu herrschen: weder die Symbolik, noch Schönheit, noch Rätselhaftigkeit erstaunlicher farbiger Steine werden heutzutage bei uns geschätzt und niemand gibt sich mehr Mühe, den »Geruch des Geldes« zu verbergen. Im Gegenteil, bei uns wird jetzt nur das geschätzt, »was man im Leihhaus annimmt«. Darum werden auch die besonderen Steine für Liebhaber nicht mehr zu uns geschickt und sind unseren heutigen Sammlern und Freunden von Kostbarkeiten unbekannt. Ja, es würde diesen sogar merkwürdig und unglaubwürdig vorkommen, teilte man ihnen mit, daß ein prächtiges Exemplar des feurigen Granats eines der schönsten Kleinode der österreichischen Krone ist und daß dieses Juwel einen ungeheuerlichen Preis hat.

 

Fünftes Kapitel

Als ich mich ins Ausland begab, erhielt ich unter anderem von einem Petersburger Freunde den Auftrag, ihm aus Böhmen die beiden schönsten Granaten, die ich bei den Tschechen auftreiben könnte, mitzubringen.

Ich fand zwei Steine von ganz besonderer Größe und bester Farbe, allein der eine von den beiden, und zwar jener mit der besseren Tönung war zu meinem Verdruß durch einen unvollkommenen und rohen Schliff ziemlich verdorben worden. Er hatte die Form des Brillanten, doch war seine obere Fläche unbeholfen und gradlinig abgeschnitten worden, so daß der Stein alle Tiefe und den ganzen Glanz verloren hatte.

Der Tscheche, den ich zu meiner Wahl hinzugezogen hatte, riet mir, diesen Granat dennoch zu kaufen und ihn zum Umschleifen zu einem hiesigen Schleifkünstler namens Wenzel zu bringen, den mir mein Führer als den größten Meister seines Gewerbes bezeichnete und zudem als ein großes Original.

»Ein Künstler ist er und kein Handwerker,« sagte der Tscheche und erzählte mir, daß der alte Wenzel ein Kabbalist und Mystiker sei, und zuweilen sogar ein begeisterter Poet, daß er sehr abergläubisch wäre, doch im großen und ganzen ein überaus origineller und häufig sogar ein sehr bemerkenswerter Mann.

»Sie werden nicht bedauern, ihn kennen gelernt zu haben,« sprach mein Freund weiter, »Steine sind für den alten Wenzel keine seelenlose, sondern eine beseelte Erscheinung. Er spürt in ihnen den Widerschein des geheimnisvollen Lebens der Berggeister und – aber, bitte, lachen Sie jetzt nicht – durch die Vermittlung des Steines tritt er mit ihnen in eine rätselhafte Verbindung. Und zuweilen erzählt er sogar von den Enthüllungen, die ihm zuteil wurden, und dann denken die meisten, daß es unter der Schädeldecke des armen Alten nicht ganz in Ordnung sei. Er ist nämlich schon sehr alt und launenhaft. Er selber arbeitet jetzt nur noch selten, seine zwei Söhne arbeiten bei ihm, allein wenn man ihn recht bittet und ihm der Stein gefällt, macht er sich zuweilen noch selber an die Arbeit. Und wenn er ihn wirklich selber schleift, dann kommt stets etwas Vortreffliches dabei heraus, denn Wenzel ist, ich wiederhole es, nicht nur ein großer, sondern auch ein inspirierter Künstler auf seinem Gebiete. Wir sind schon lange miteinander gut bekannt und trinken zuweilen ein Bier bei Jedlicka. Ich werde ihn darum angehen und hoffe, daß er Ihnen den Stein wieder zurechtschleifen wird. Dann wird es ein Kauf sein, mit welchem Sie den, der Sie darum gebeten hat, aufs höchste erfreuen werden.«

Ich folgte seinem Rat und kaufte den Granat, wir begaben uns gleich darauf zum alten Wenzel, um den Stein zu ihm hinzubringen.

 

Sechstes Kapitel

Der Alte wohnte in einer der dunklen, engen und dichtverbauten Straßen der Judenvorstadt, nicht weit von der bekannten historischen Synagoge.

Der Edelsteinschleifer war ein hochgewachsener, hagerer alter Mann, er ging ein wenig gebückt, seine Haare waren lang und schon völlig weiß, seine Augen aber braun und flink, ihr Ausdruck wies auf eine große Konzentration hin, freilich lag in ihm auch jene gewisse Nuance, die man an Leuten wahrnimmt, die von einer stolzen Geisteszerrüttung besessen sind. Obwohl sein Rückgrat gebeugt war, hielt er den Kopf stolz nach oben gerichtet und blickte wie ein König. Ein Schauspieler hätte, Wenzel studierend, eine vortreffliche Maske für die Darstellung des Königs Lear gefunden.

Wenzel betrachtete den von mir erstandenen Pyrop und nickte mit dem Kopf. Schon diese Bewegung und der Gesichtsausdruck des Alten gaben zu verstehen, daß er den Stein für gut hielt, aber hiervon ganz abgesehen, führte der alte Wenzel das Gespräch so, daß, obgleich es sich immer um den Pyrop handelte, mein Hauptinteresse sich schon von der ersten Minute ab auf ihn, den Steinschleifer, konzentrierte.

Lange, lange besah er den Stein, schmatzte mit seinen zahnlosen Kiefern und nickte mir wohlwollend zu; dann quetschte er den Stein mit zwei Fingern und sah mir gerade und scharf in die Augen und runzelte die Stirn und machte ein Gesicht, als hätte er die grüne Schale einer Nuß gegessen; plötzlich begann er zu sprechen:

»Ja, das ist er.«

»Der Pyrop ist gut, nicht wahr?«

Allein statt eine direkte Antwort zu geben, sagte Wenzel, daß er diesen Stein »schon seit langer Zeit kenne«.

Es gelang mir sehr gut, mir vorzustellen, daß ich vor Lear stünde, und so entgegnete ich:

»Dieser Umstand macht mich überaus glücklich, Herr Wenzel.«

Mein ehrfürchtiger Ton gefiel dem Alten und er wies mir einen Platz auf dem Bänkchen an, trat jedoch so dicht an mich heran, daß seine Knie die meinen zusammenpreßten und sprach weiter:

»Ja, er und ich, wir sind schon lange miteinander bekannt … Ich sah ihn, als er sich noch in seiner Heimat auf den trockenen Feldern von Meronitz befand. Er war damals noch in seiner ursprünglichen Unscheinbarkeit, aber ich fühlte ihn bereits … Und wer hätte mir sagen können, daß ihm dieses furchtbare Schicksal zustoßen wird? Oh, an ihm können Sie sehen, wie umsichtig und sorgsam die Geister der Berge sind! Ein räuberischer Schwab kaufte ihn und gab ihn einem Schwab zum Schleifen. Ein Schwab kann gut Steine verkaufen, denn er hat ein steinernes Herz: schleifen aber, schleifen kann der Schwab nicht. Der Schwab ist ein Gewaltmensch, er will alles auf seine Art machen. Er bespricht sich nicht erst mit dem Stein, was er aus ihm machen könnte, und freilich ist der tschechische Pyrop auch zu stolz dazu, um einem Schwab zu antworten. Nein, er denkt nicht daran, sich mit einem Schwab zu unterhalten. In ihm ist der gleiche Geist, wie in dem Tschechen. Und so ist es dem Schwab unmöglich, aus ihm das zu machen, was er gern möchte. Sie sehen ja, sie wollten aus ihm eine Kreuzrosette machen (ich sah allerdings nichts), aber es gelang ihnen nicht. Ja freilich, er ist eben ein Pyrop! er hat sie überlistet, er hat lieber gestattet, daß die Schwaben ihm den Kopf abschneiden, und so haben sie ihn ihm dann auch abgeschnitten.«

»Nun also,« unterbrach ich ihn: »das soll wohl heißen, daß der Stein verdorben ist.«

»Verdorben! wieso?«

»Sagten Sie nicht selber, daß man ihm den Kopf abgeschnitten hätte?«

Der alte Wenzel lächelte nur mitleidig!

»Der Kopf! Ja gewiß, der Kopf ist eine wichtige Sache, mein Herr, der Geist jedoch … der Geist ist wichtiger als der Kopf. Hat man den Tschechen etwa wenig Köpfe abgeschnitten, und doch leben sie noch. Als er dem Barbaren in die Hände fiel, tat er alles, was er tun konnte. Wenn der Schwab auf diese elende Weise irgendein Tier behandelt hätte, oder eine Perle, oder irgendeines dieser Katzenaugen, die neuerdings so in Mode gekommen sind, – nichts wäre von denen nachgeblieben. Es hätte nichts, als einen gemeinen Knopf gegeben, nur noch wert, daß man ihn durchs Fenster wirft. Ganz anders ist der Tscheche, der läßt sich nicht so bald im schwäbischen Mörser kleinkriegen! Der Pyrop, er hat gestähltes Blut … Er verstellte sich, wie sich der Tscheche immer vor dem Schwab verstellt, er gab seinen Kopf her, aber sein Feuer verbarg er tief im Herzen … Ja, mein Herr, ja! Sehen Sie das Feuer nicht? Nein? Ich aber sehe es: da ist es, das dichte, unverlöschbare Feuer der tschechischen Berge … Es lebt und … verzeihen Sie ihm, mein Herr … es lacht jetzt über Sie.«

Und dabei begann der alte Wenzel selber zu lachen und nickte mit dem Kopf.

 

Siebentes Kapitel

Ich stand vor dem Alten, der meinen Stein in der Hand hielt, und wußte tatsächlich nicht mehr, was ich sagen, was ich ihm auf seine launenhaften und wenigverständlichen Reden antworten sollte. Und es war, als verstände er meine schwierige Lage, denn er ergriff meine Hand und packte mit seiner anderen Hand den Pyrop mit der Spitze einer Pinzette, hob ihn mit zwei Fingern auf, so daß er sich gerade vor meinem Gesicht befand und fuhr mit erhobener Stimme fort:

»Er ist ein tschechischer Fürst, er ist ein erstgeborener Ritter von Meronitz! Er wußte, wie er den Loren entgehen konnte: vor ihren Augen verwandelte er sich in einen Schornsteinfeger. Ja, ja, freilich sah ich ihn; ich sah, wie ein jüdischer Aufkäufer ihn in seiner Tasche mit sich führte, der Aufkäufer wählte die anderen Steine nach ihm aus Wenn man gleiche und einfarbige Steine lange betrachtet, stumpft sich das Auge nach und nach ab und verliert die Fähigkeit, die besseren Farben von den weniger guten unterscheiden zu können. Um diese Fähigkeit nicht zu verlieren, tragen die Aufkäufer von Steinen stets einen Regulator bei sich, das heißt, einen Stein, dessen Farbe für sie einen Qualitätsmesser bildet. Wenn mit diesem Regulator der fremde Stein verglichen wird, so bemerkt der Aufkäufer augenblicklich die Unterschiede der Färbung und kann daher den Wert des Steines richtig beurteilen. (Anmerkung des Verfassers.). Aber nicht deswegen glühte er einst über den Feuern des Ursprungs, um als Mißgeburt in der Lederkatze eines Aufkäufers verlorenzugehen. Es wurde ihm zu viel, als Schornsteinfeger durch die Welt zu ziehen, und so kam er denn zu mir, um ein leuchtendes Gewand anzulegen. Oh! wir verstehen einander, und der Prinz aus den Bergen von Meronitz wird wieder zum Prinzen werden. Lassen Sie ihn bei mir, mein Herr. Wir werden uns einleben und miteinander beraten, – und der Prinz wird wieder zum Prinzen werden.«

Bei diesen Worten nickte mir Wenzel ziemlich respektlos zu und warf den erstgeborenen Ritter noch viel respektloser auf einen dreckigen von Fliegen beschmutzten Teller, auf dem schon einige dem Anschein nach sehr ähnliche Granaten lagen.

Das gefiel mir sehr wenig und ich fürchtete sogar, daß mein Pyrop am Ende mit den anderen, die weniger gut waren, verwechselt werden könnte.

Wenzel bemerkte das und runzelte die Stirn.

»Nur Geduld!« rief er und warf mit der Hand alle die Granatsteine, die auf dem Teller lagen, durcheinander, um sie gleich darauf unerwartet in meinen Hut zu schmeißen; dort schüttelte er sie noch einmal um und um, und steckte darauf, ohne zu schauen, seine Hand herein, das erste, was er hervorzog, war eben der Schornsteinfeger.

»Wollen Sie, daß ich es noch einmal wiederhole, oder haben Sie genug, genug mit dem einen Male?«

Er spürte und unterschied Steine nach ihrer Festigkeit.

»Genug,« entgegnete ich.

Wenzel warf den Stein aufs neue auf den Teller und nickte mir noch hochmütiger mit dem Kopf zu.

Damit schieden wir für dieses Mal.

 

Achtes Kapitel

Alle seine Worte und sogar die Figur des alten Schleifkünstlers hatten so etwas Besonderes und Erstaunliches, daß es fast unmöglich war, ihn für einen normalen Menschen zu halten, jedenfalls wehte etwas wie Sage von ihm.

»Was«, dachte ich, »wäre wohl erfolgt, wenn ein so gewaltiger Liebhaber echter farbiger Juwelen, wie Johann der Grausame, zu seiner Zeit mit diesem originellen Kenner der Edelsteine zusammengetroffen wäre! Da hätte er einen gehabt, mit dem er sich zur Genüge hätte unterhalten können, und vielleicht würde er sich sogar so weit herabgelassen haben, ihn zum Schluß mit seinem besten Bären selber totzuhetzen! Heute freilich ist Wenzel ein Vogel, der nicht in seine Zeit hereingehört, ein Trumpf, der nicht zur Farbe paßt. In jedem beliebigen Leihhause sitzen Kenner, die ihn sicherlich genau so verachten wie er sie. Was hat er mir nicht alles über diesen zwanzigrubligen Stein vorgeschwatzt! … Ein tschechischer Prinz, ein erstgeborener Fürst, – und warf ihn dennoch zum Schluß auf einen schmutzigen Teller …

Nein, – er ist doch wohl ein Verrückter.«

Allein trotzdem wollte mir Wenzel nicht aus dem Kopf und dabei blieb es. Ich fing sogar an, von ihm zu träumen. Wir kletterten beide in den Bergen von Meronitz herum und versteckten uns aus irgendwelchen Gründen vor den Schwaben. Die Ebenen dort waren nicht nur trocken, sie waren sogar heiß, und bald hier, bald dort beugte sich Wenzel zur Erde nieder und berührte den staubigen Schutt und flüsterte mir zu: »Fühl nur! fühl nur, wie das brennt! … Wie sie dort innen glühen! Nein, nein, nirgends gibt es solche Steine wie hier!«'

Und so begann unter dem Einfluß von all diesem der von mir gekaufte Granat nach und nach auch mir als etwas von den »ursprünglichen Feuern« Belebtes zu erscheinen. Immer, wenn ich allein war, kamen mir die in der Kindheit gelesenen Reisen des Marko Polo in den Kopf, aber auch die altvertrauten Sagen der Nowgoroder »von den kostbaren Steinen, so zu vielen Dingen gut wären«. Und ich erinnerte mich daran, wie ich vorzeiten gelesen und mich gewundert hatte, daß »der Granat das menschliche Herz erheitert und die Betrübnis abwendet, und wer selbigen bei sich trägt, dessen Rede und Sinn wird verbessert und den Menschen angenehm«. Späterhin hat freilich das alles an Bedeutung verloren, – auf all diese Legenden sahen wir wie auf leeren Aberglauben herab und zweifelten daran, daß man den Diamant erweichen könnte, wenn man ihn mit Bockblut benetzt, daß der Diamant böse Träume verscheuche, und daß, wenn sich dem, der ihn trägt, ein Gift nähere, der Diamant zu schwitzen beginne; wir zweifelten daran, daß der Hyazinth das Herz stärke, der Rubin das Glück vermehre, daß der Lapislazuli die Krankheiten verschwinden lasse und der Smaragd die Augen heile, daß Türkis den Sturz vom Pferd verhindere, Granat aber böse Gedanken ausmerze, daß der Topas kochendes Wasser zur Ruhe bringe, der Achat die Jungfräulichkeit der Mädchen behüte und daß der Stein Bezoar jedes Gift austilge. Und nun war auf einmal ein alter Mann mit dicken Phantasten da und ich war sogleich bereit, mit ihm zu phantasieren …

 

Neuntes Kapitel

Du schläfst und doch träumst du davon … Und wie schön es ist, wie farbig, wie voll Leben, obgleich du weißt, daß es nicht viel mehr als Unsinn ist. Kein Unsinn, aber – ist jenes, was der Schätzer im Leihhaus weiß. O freilich, das ist beileibe kein Unsinn. Das ist eine Schätzung … Ein Faktum ist das …

Gewiß, und doch war auch dieses da zu seiner Zeit ein Faktum … War es etwa kein Faktum, was der Patriarch Nikon dem Zaren Alexej berichtete, als er sich bei ihm über seine Übeltäter beklagte? Ganz und gar hätten sie ihn zugrunde richten wollen und mit bösem Gift zu Tode füttern, der Patriarch aber, er war vorsichtig und hatte bei sich den Stein Bezoar und »saugte sich am Bezoar gesund«. Lange schleckte er am Stein Bezoar, der den Knauf seines Stocks bildete, doch dafür half er ihm auch zum Schluß und die Übeltäter mußten dran glauben. Das geschah allerdings zu jener alten Zeit, da noch die Steine im Schoße der Erde und die Planeten in Himmelshöhen sich um das Schicksal der Menschen kümmerten, und nicht etwa heutzutage, da sowohl in den Himmeln als auch unter der Erde alles gegen das Schicksal der Menschensöhne gleichgültig geworden ist und ihnen von nirgendwoher mehr eine Stimme spricht oder gar Gehorsam wird. Alle die neuentdeckten Planeten spielen in den Horoskopen keinerlei Rolle Hinsichtlich der Planeten irrt der Verfasser, denn die zwei neuen Planeten Uranus und Neptun spielen allerdings in der Astrologie und den Horoskopen eine nicht einmal geringe Rolle. (Anmerkung des Herausgebers.) mehr und es gibt auch eine Menge neuer Steine, alle gemessen und gewogen und auf ihr spezifisches Gewicht und ihre Dichte hin geprüft, aber sie verkünden uns nichts mehr und bringen auch keinerlei Nutzen. Ihre Zeit mit den Menschen zu sprechen ist vorüber, stumm wie die Fische sind sie jetzt. Und darum treibt wohl der alte Wenzel nur Unfug, wenn er alte Märchen wiederholt, die in seinem geschwächten Gehirn mit der Zeit durcheinandergeraten sind.

Doch wie sehr quälte er mich trotzdem, dieser verrückte Greis! Wie oft mußte ich ihn aufsuchen, und immer und immer war mein Pyrop noch nicht fertig, aber nicht nur das, – Wenzel hatte die Arbeit daran überhaupt noch nicht einmal aufgenommen. Mein erstgeborener Prinz trieb sich noch immer als Schornsteinfeger auf dem Teller herum, in einer Gesellschaft, die niedrig war und seiner keineswegs würdig.

Wenn einer sich nur ein ganz klein wenig, aber um so aufrichtiger dem Aberglauben hingegeben, daß in diesem Steine ein stolzer Berggeist wohne, der zu denken und zu fühlen imstande sei, war es dann von diesem nicht eine Barbarei, mit dem Stein so unehrerbietig umzugehen?

 

Zehntes Kapitel

Wenzel interessierte mich nicht mehr, er ärgerte mich. Kein vernünftiges Wort war aus ihm herauszubringen und zuweilen sprach aus ihm sogar eine tüchtige Portion Unverschämtheit. Auf meine höfliche Bemerkung, daß ich schon allzulange auf die kleine Drehung seines Schleifrades warte, stocherte er nur melancholisch in seinen faulen Zähnen und begann eine Erörterung darüber, was das Rad für ein Ding sei und wieviel verschiedene Arten von Rädern es wohl auf der Welt gäbe. Das Rad einer Bauernmühle, das Rad an einem Bauernwagen, das Rad eines Eisenbahnwagens, das Rad an einer leichten Wiener Kalesche, das Uhrrad vor Bréguet und das Uhrrad nach Bréguet, das Rad in den Uhren des Denis Blondel und das Rad in den Uhren anderer … Mit einem Wort, eine, weiß der Teufel, wie lange Abhandlung, die schließlich darin gipfelte, daß es leichter sei, eine Wagenachse herzustellen als einen Stein zu facettieren, und daher: »Warten Sie noch, Herr Slave.«

Ich verlor endlich die Geduld und bat Wenzel mir meinen Stein, so wie er eben sei, zurückzugeben, der Alte jedoch entgegnete mir darauf sehr freundlich:

»Nun, was soll denn das wieder? warum denn solche Launen?«

Ich gestand ihm, daß ich es satt habe.

»Aha,« erwiderte Wenzel, »und ich dachte schon, daß Sie am Ende ein Schwab geworden wären und den tschechischen Fürsten absichtlich als Schornsteinfeger herumlaufen lassen wollen …«

Und Wenzel lachte laut auf und öffnete dabei weit seinen Mund, so daß ein Geruch von Malz und Hopfen das ganze Gemach erfüllte.

Mir schien, daß der Alte an diesem Tage einen Schoppen Pilsner mehr als ihm gut tat getrunken hatte.

Wenzel begann, mir eine törichte Geschichte zu erzählen, – er hätte ihn zum Spazierengehen mitgenommen, als er kürzlich in die Weinberge über die Nußlsche Stiege ging. Dort hätten sie zusammen auf einem trockenen Berge gegenüber vom Karlszaun gesessen und er hätte ihm, dem Wenzel, endlich seine ganze Geschichte enthüllt, und zwar von jener Zeit an, da die ersten Tage waren, da weder Sokrates noch Platon noch Aristoteles das Licht der Welt erblickt hatten, damals als noch nicht einmal die Sünde der Sodomiter geschehen war, geschweige denn die Feuersbrunst, die Sodom einäscherte, – von jener Zeit also bis auf den Tag, da er als Wanze aus der Wand gekrochen wäre und ein Weib ausgelacht hätte …

Und hierbei schien sich Wenzel wiederum an etwas sehr Komisches zu erinnern, denn er lachte aufs neue laut auf und füllte wieder das ganze Zimmer mit diesem Geruch von Malz und Hopfen.

»Genug damit, Vater Wenzel, ich verstehe rein gar nichts.«

»Das ist aber merkwürdig!« entgegnete er ungläubig und erzählte dann, daß es Fälle gegeben hätte, in denen man die vortrefflichsten Pyrope einfach in den Hüttenverkleidungen gefunden hätte. Der Reichtum an Steinen war damals so groß, daß sie sogar auf der Oberfläche der Erde lagen und mit dem Lehm zusammen in die Hüttenwände gerieten.

Das alles war dem guten Wenzel vermutlich durch den Kopf gegangen, als er im Gärtchen der Bierkneipe vor der Nußlschen Stiege saß, und diese Gedanken hatte er sicherlich mit sich auf den dürren Berg getragen, auf dem er alsdann tief und friedlich einschlief und jenen Traum vom Ursprung sah: er sah nämlich eine ärmliche tschechische Hütte, die in den Bergen von Meronitz stand, in der Hütte saß eine junge Bäurin und flocht mit der Hand Ziegenwolle und setzte mit dem Fuß eine Wiege in Bewegung, die immerzu leise an die Wand stieß. Die Wandbekleidung bröckelte nach und nach ab und fiel als Staub zu Boden und da war es, daß … »er erwachte!« Das heißt, es erwachte nicht etwa Wenzel oder der Säugling in seiner Wiege, sondern er – der erstgeborene Ritter, der in den Wandstuck hereingeraten war … Er erwachte und schaute nach draußen, um sich an dem liebenswürdigsten Bilde zu erfreuen, das die Erde zu bieten hat, – an einer jungen Mutter, die Wolle spinnt und gleichzeitig ihr Kind wiegt … Die junge Mutter sah den Granat, der ans Tageslicht getreten war und dachte: »Gewiß eine Wanze!« und schlug, damit das garstige Insekt nicht etwa ihr Kindchen beißen möge, aus ganzer Kraft mit ihrem alten Pantoffel darauf. Er fiel dabei aus dem Lehm und rollte auf die Erde und da erst bemerkte sie, daß es ein Stein war und verkaufte ihn einem Schwab für eine Handvoll Erbsenkörner. All das geschah um jene Zeit, als ein Pyrop noch so viel wert war wie eine Handvoll Erbsen. Das war bedeutend früher als jenes Ereignis, das in den Wundern des heiligen Nikolaus erzählt wird, wie ein Fisch einen Pyrop verschluckt und wie er dann auf den Tisch einer armen Frau kam und diese durch ihren Fund bereichert wurde …

»Väterchen Wenzel!« rief ich, »verzeihen Sie – Sie erzählen zwar ungemein interessante Dinge, aber ich habe leider keine Zeit, länger zuzuhören. Ich reise übermorgen früh ab und komme daher morgen zum letztenmal zu Ihnen, um meinen Stein zu erhalten.«

»Vortrefflich, ganz vortrefflich!« entgegnete Wenzel. »Kommen Sie morgen um die Zeit der Dämmerung, wenn man die Lichter anzündet; der Schornsteinfeger wird Sie als Prinz empfangen.«

 

Elftes Kapitel

Ich kam zu ihm genau um die angegebene Zeit, als die Lichter in der ganzen Stadt angezündet wurden und diesmal war mein Pyrop tatsächlich fertig. Der »Schornsteinfeger« war völlig verschwunden und an seine Stelle war ein Stein getreten, der wahre Lichtbündel tiefen dunklen Feuers ausstrahlt. Wenzel hatte die obere Fläche des Pyrops um eine geringe Linie abgeschliffen und jetzt erhob sich seine Mitte en cabochon. Das Feuer des Granats war jetzt unvergleichlich: in der Tat, es brannte in seinem Feuer ein verzauberter Tropfen unverbrennbaren Blutes.

»Nun? was sagen Sie zu dem Ritter?« rief Wenzel.

Und wahrlich, ich konnte mich an dem Pyrop nicht sattschauen und wollte es Wenzel eben zum Ausdruck bringen, allein noch bevor ich ein Wörtchen gesagt, stellte der sonderbare Alte wieder eine seiner ungewöhnlichen Sachen an: er packte plötzlich meine Hand, an der der Ring mit dem Alexandrit war, der bekanntlich bei künstlicher Beleuchtung rot funkelt, und schrie:

»Meine Söhne! ihr Tschechen! Kommt schneller her! Schaut her, hier ist er, der prophetische russische Stein, von dem ich euch oft erzählt habe! Oh, verschlagener Sibirier! immer war er grün wie die Hoffnung und erst gegen Abend überströmte ihn das Blut. Vom Ursprung der Welt ab war er so, aber er versteckte sich lange und lag verborgen in der Erde und erlaubte erst, daß man ihn am Lage der Volljährigkeitserklärung des Zaren Alexander finde, als ein großer Zauberer nach Sibirien gekommen war, ihn, den Stein, zu finden, ein Magier, ein Waidelote …«

»Was sprechen Sie da für Unsinn,« unterbrach ich ihn. »Diesen Stein fand gar kein Zauberer, es war ein Gelehrter namens Nordenskjöld!«

»Ein Zauberer! Ich sage es Ihnen – ein Zauberer!« schrie Wenzel mit lauter Stimme. »Schauen Sie doch nur, was für ein Stein! Ein grüner Morgen ist in ihm und ein blutiger Abend … Dies ist das Schicksal, das Schicksal des edlen Zaren Alexander!«

Und mit diesen Worten kehrte sich der alte Wenzel zur Wand, stützte seinen Kopf auf die Ellenbogen und … begann zu schluchzen.

Seine Söhne umringten ihn schweigend. Aber nicht nur ihnen, nein, auch mir, der doch schon so lange gewöhnt war, den »Stein Alexanders des Zweiten« ständig an der eigenen Hand zu sehen, war es, als dringe plötzlich ein tiefes und prophetisches Geheimnis aus dem Steine, und Traurigkeit kam über unsre Herzen.

Sagen Sie, was Sie wollen – der Greis hatte etwas in dem Steine gelesen und gespürt, das scheinbar tatsächlich vorhanden war, was aber vor ihm noch keinem einzigen Menschen ins Auge gefallen war.

So kann es zuweilen gehen, wenn man eine Sache unter dem Einfluß einer ungewöhnlichen und phantastischen Stimmung betrachtet.


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