Wilhelm von Humboldt
Wilhelm von Humboldt im Verkehr mit seinen Freunden
Wilhelm von Humboldt

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Als Student und in der jungen Liebe (1787–1791)

Wilhelm von Humboldt an seinen Jugendfreund Beer.Der Medizinstudent Beer wohnte in Berlin im Hause des Hofrats Herz, wo ihn Humboldts kennenlernten; er starb als Arzt in Glogau. Mit dem Hofmeister Kunth übersiedelten die Brüder Humboldt Herbst 1787 nach der Hochschule Frankfurt a. O., um Jura und Kameralia zu studieren. Nach Göttingen ging Wilhelm, ohne Alexander und Kunth, Ostern 1788 allein.

Frankfurt, 1787.

... Wollen Sie wissen, wie ich meinen Tag zubringe, Lieber? Um 5 Uhr oder etwas später, doch immer vor 6 steh ich auf und arbeite bis 10 Uhr. Dann hab ich bis Mittag eine Stunde Kirchengeschichte und eine andere Reichsgeschichte. Um 12 wird gegessen bis etwa halb zwei. Dann lauf ich allein spazieren oder gehe zu K. bis 2. Nachher bin ich wieder bis 6 in Kollegien, einem ökonomischen und drei juristischen. Nach 6, wenn ich nicht ausgebeten bin, was, so selten es auch ist, mir doch noch zu oft kommt, arbeit ich wieder bis gegen 8. Von 8 bis 10 wird gegessen und gewöhnlich bei Löfflers etwas vorgelesen. Dann arbeit ich noch bis 11, manchmal auch später, und so endigt sich mein Tag. Wenn Sie nun die Zeit bedenken, die zum eignen Studieren bei dieser Einteilung übrigbleibt, so sehn Sie wohl, daß sie zum Vorbereiten und Wiederholen aller dieser Stunden ziemlich klein ist. Und doch wird mir die Zeit lang. Es ist mir, als wär ich schon ein Jahr hier. Eine recht vergnügte Stunde hab ich hier noch nicht gehabt, oder wenigstens war es nicht Frankfurt, das mir sie machte. Indes bin ich mit meinem Aufenthalt hier doch immer nicht unzufrieden. Ich lebe in einer glücklicheren Lage als irgendein andrer Student hier, und ich bin hier, um zu lernen. Man muß seiner Bestimmung folgen, lieber Beer, sie sei, welche sie wolle. Ich werde unglücklich sein, wenn sie mich einmal in eine entferntere Gegend führt. Aber ich werde gehn und den Gram in mir verzehren.

Leben Sie wohl, mein teurer, bester Freund. Vergessen Sie mich nicht und lassen Sie uns Freunde bleiben, wie weit uns das Schicksal auch trennen mag.


Wäre es unter Freunden, wie wir sind, möglich, lieber Beer, uns noch so sehr mißzuverstehn, daß wir einer des andern längeres Stillschweigen einem Mangel an Liebe zuschrieben, so würde ich mich jetzt weitläufig entschuldigen müssen, daß ich Ihren letzten freundschaftlichen Brief erst heute beantworte. Aber so kennen Sie mich gewiß zu gut, als daß Sie von mir glauben sollten, daß meine Freundschaft für Sie durch Abwesenheit oder durch irgendeinen andern Umstand abnehmen könnte. Wozu also die Entschuldigungen? Sie denken sie sich gewiß alle so gut hinzu, als ich sie Ihnen sagen könnte. Denn sie liegen so natürlich in meiner Lage, die darin gewiß sehr viel Ähnliches mit der Ihrigen hat. Darin ist unsre Lage freilich ähnlich, daß wir beide viel zu tun haben. Aber auf der andern Seite ist eine sehr große Verschiedenheit. Ich muß in Frankfurt sitzen, und Sie können in Berlin in dem besten Hause, unter den edelsten Leuten leben. Wie gern möcht' ich mit Ihnen tauschen können! Unsre Freundin schreibt mir, sie hätte die Metaphysik aufgegeben. Ich bedaure Sie, mein Lieber. Sie haben eine treffliche Gesellschafterin an ihr verloren, die Ihnen gewiß, indem sie Ihnen bald Ihre Zweifel löste, bald Ihnen andre entgegensetzte, viel Nutzen geschafft hat. Indes hat sie recht, die Metaphysik zu verlassen, dünkt mich, so außerordentlich auch ihr Kopf ist. Es ist kein rechtes Studium für eine Dame, wenigstens kann sie gewiß mit mehr Glück in einem andern fortkommen. Scheint das Ihnen nicht selbst so, bester Freund? Von den hiesigen Professoren wüßte ich Ihnen nichts zu sagen. Denn die, die Sie interessieren, B. und H., kenne ich nicht. Eine Doktorpromotion hab ich hier gesehn. Wenn Sie jemand wissen, der gern Doktor werden will und nichts gelernt hat, schicken Sie ihn nur her. Hier braucht er nichts, als eine Stunde lang zu stehn und zu tun, als wollte er disputieren. Denn der Professor macht nicht bloß die Disputation für ihn, er hält sie auch hernach. Ich habe einer mit beigewohnt, wo der Doktorierende nicht ein Wort sprach. Üben Sie sich auch, lieber Beer, in Ihren lateinischen Stunden im Schreiben und Sprechen? Tun Sie's doch ja. Sie müssen doch auch einmal disputieren, und da brauchen Sie es notwendig. Gute Nacht, lieber Freund, schlafen Sie wohl und antworten Sie mir bald wieder; aber doch nicht eher, als Ihre Geschäfte es erlauben. Leben Sie wohl!

Ewig Ihr Freund Humboldt.

Göttingen, den 16. Junius 1788.

Wie gern, lieber Beer, hätte ich Ihnen schon neulich geschrieben, als ich dem Hofrat schrieb. Aber Sie wissen ja aus eigner Erfahrung, wie man immer so viel zu tun hat, daß man selbst an den liebsten Beschäftigungen gehindert wird, und so geht es mir auch jetzt häufig. Jedoch, hoff ich, wird mir Ihre Freundschaft verzeihen. Ich habe in den zwei Monaten, die ich nun wieder von Berlin abwesend bin, recht viele angenehme Tage gehabt. Ich habe so viele neue merkwürdige Gegenstände gesehn, so manchen interessanten Mann gesprochen, daß mir die Zeit, ich weiß nicht wie, dabei verstrichen ist. Und auch jetzt, da ich eine neue, ziemlich einförmige Lebensart hier führe, bin ich recht heiter. Es ist wirklich hier sehr gute Gelegenheit zum Studieren, und ich wünschte wohl, daß Sie einmal sie benutzen könnten. Die Studenten sind beinah durchgängig fleißig, und es herrscht ein sehr guter, gar nicht studentenmäßiger Ton unter ihnen. Gegen Frankfurt habe ich einen außerordentlichen Unterschied gefunden. Dabei hat man die vortreffliche Gelegenheit, die Bibliothek zu benutzen, so daß es einem nicht leicht an irgendeinem Hilfsmittel zum Studieren fehlt. Ich arbeite hier ziemlich viel, doch habe ich meine Zeit so eingeteilt, daß es meiner Gesundheit gewiß nicht schädlich sein wird. Sie arbeiten doch auch nicht zu viel, mein Bester? Es war sonst immer Ihr Fehler, noch weit mehr als der meinige. Tun Sie es doch ja nicht; Sie sind noch so jung und haben doch wirklich schon so viel Kenntnisse. Sie können, auch bei einem gemächlicheren Studieren, noch sehr viel leisten. Und bei dem gar zu angestrengten ist wirklich kein Vorteil weder für Leib noch Seele. Denn die Seele ist doch nun einmal so an den Leib gefesselt, daß Schlaffheit der Nerven des Körpers auch die Nerven der Seele schwach macht, mögen Sie nun diesen Zusammenhang, auf welche Art Sie wollen, erklären. Ich lese jetzt den Kant. Ich habe mir vorgenommen, ihn recht sorgfältig zu studieren. Ich schreibe mir jedesmal das, was ich gelesen habe, wieder selbst auf. In einem halben Jahre komme ich doch vielleicht mit der Kritik zu Ende. Sie ist sehr schwer, das muß ich gestehn; aber soweit ich nun gelesen habe, belohnt sie doch auch die Mühe sehr. Und daß Kant eigentlich so dunkel schriebe, das finde ich nicht. Er schreibt vielmehr sehr bestimmt, definiert und dividiert sehr genau. Die Schwierigkeit liegt wohl nur in den Sachen und in der neuen, ungewohnten Darstellungsart. Daß er sich eine neue Terminologie bildet, dünkt mich, verringert eher die Schwierigkeit, als daß sie dadurch größer werden sollte. Es ist doch besser, daß man ein Dutzend neue Wörter lernt, als daß man die alten braucht, die oft durch ihre unbestimmte Bedeutung eine große Verwirrung anrichten. Ich hoffe, Sie werden, wenn Sie einmal selbst den Kant lesen, das, was ich Ihnen hier sage, bestätigt finden. Wir dachten ja sonst über philosophische Gegenstände gewöhnlich einig.

Was machen, was studieren denn Sie jetzt, mein Lieber? Denn Studieren muß doch eigentlich in dem Alter, in dem wir noch beide sind, das wahre Leben, die einzige Freude sein. Und wie sollte sie es Ihnen nicht sein, da Sie durch Ihre schnellen Fortschritte schon so früh sich belohnt sehn. Glauben Sie nicht, daß nur meine parteiische Freundschaft Ihnen das sagt; sollte auch Ihre Bescheidenheit Sie selbst das weniger fühlen lassen, so sagten es Ihnen ja doch so viele andre, deren Urteile sie glauben können.

Antworten Sie mir doch, sobald es Ihnen eine müßige Stunde erlaubt. Denn Sie von irgendeiner nützlichen Arbeit zurückzuhalten, dazu ist meine Freundschaft, wie begierig sie auch ist, etwas von Ihnen zu hören, zu gewissenhaft.

Grüßen Sie tausendmal den Hofrat, die Hofrätin und die Veit und ihren Mann. Auch den jungen Mendelssohn vergessen Sie nicht.

An Karoline.

Im August 1788.

Eilet raschen Flugs dahin,
Eilt, ihr trägen Augenblicke,
Daß mein lieberfüllter Sinn
Meine Lina bald erblicke,
Sie, die meinem Herzen ach! so nah,
Nie mein schwermutsvolles Auge sah!

Daß ich an ihr klopfend Herz
Traulich-brüderlich mich schmiege,
Süß vergessend jeden Schmerz,
Jede Sorg in Schlummer wiege,
Und versenkt in Himmelsschwärmerei
Nur in Lina lebe, webe, sei!

Ha! wenn dann mich hochentzückt
Sie mit sehnendem Verlangen
An den Schwesterbusen drückt!
Wie wird dann auf meinen Wangen
Süß beglückter Liebe Feuer glühn!
Geist und Sinnen werden vor mir fliehn!

Trunken, meiner unbewußt,
Werd ich denken nur sie können;
Doch, durchglüht von reiner Lust,
Wird mein Blick sie Schwester nennen,
Ausdrucksvoll ihr sagen, was, zu schwach,
Sprache nachzubilden nicht vermag!

Schließe, Lina, schließ den Bund,
Der an Seele Seele kettet,
Der aus diesem Erdenrund
Uns in bess're Sphären rettet,
Den von seines Thrones Herrlichkeit
Hoch der Vater sieht und benedeit!

Nie zerreißt ein Liebesband,
Von der Tugend selbst geschlungen.
Siehst du nicht im Sternenland,
Wenn wir endlich ausgerungen
Dieses Pilgerleben, ausgeweint
Jedes Leiden, dort uns fest vereint?

Sie, die sich mit heißer Gier
Nach Unsterblichkeiten sehnet,
Diese Seele, die sich hier
Stets an jene Hoffnung lehnet –
Sieh! der ew'ge Vater gab uns sie,
Und er täuschte seine Kinder nie!

Karoline an Humboldt.

Erfurt, den 3. November 1788.

Ich danke dem Himmel, daß ich endlich aus der Ungewißheit gerissen bin, in der ich um Dich schwebte, mein Wilhelm. Es ist so traurig für ein liebendes Herz, nicht einmal zu wissen, wo es sich seine Geliebten denken soll, und das war mein Fall. Bei Deiner Rückkunft nach Göttingen wirst Du vermutlich die drei Briefe finden, die ich während dieser Zeit schrieb ...

Lieber! Mein ganzes Herz hat für Dich gelitten, daß Du nicht nach L. gedurft hast – Du Armer mußt Dich so lang ohne Erquickung unter den fremden Menschen herumtreiben, o ich weiß, was das ist, aber harre geduldig aus, eine schönere Zukunft erwartet dafür Deiner – und fühlst Du nicht auf den einsamen Wegen, die Du noch jetzt gehst, das Wehen unsrer Liebe, die Dich geleitet? Mögest Du immer die Nähe unsrer Seele, der meinen, empfinden; aus eigner Erfahrung weiß ich, daß dies auch in den trübsten Momenten Trost ist.

Ich hatte, seitdem ich Dir nicht schrieb, Stunden unendlicher Freude und Trauer. Karl war bei mir. Ich habe Dir mit den wenigen Worten alles gesagt. Alle Seligkeit, die ich für jenseits hoffe, lag in dem namenlosen Gefühl, mit dem ich ihn in meine Arme schloß – aber auch der bitterste Schmerz. O Wilhelm, ich gehörte mir selbst nicht mehr – nur die Liebe zu Euch, meine ewig Geliebten, hob mich wieder über die Wellen, mit denen ich sonst auf Gefahr, in ihnen zu versinken, fortgeschwommen wäre. Aber auch besser, uneigennütziger, reiner stehe ich von diesem Kampf auf, mit dem besten Entschluß, jeden Moment meines Lebens nur dazu anzuwenden, eine Stufe der Seelenstärke zu erlangen, auf der mich der Sturm nicht mehr so ergreifen kann, mich herabzuwerfen in eine solche Tiefe des Jammers. Ich sehe ein, daß ich bisher noch nicht den rechten Weg gegangen bin, obgleich mit reinem Herzen und Willen. Ich habe noch immer den Leiden, die einmal über mein Leben ausgegossen zu sein scheinen, die Oberhand gelassen – ich habe in dem Wahn gestanden, die höchste Tugend sei, sie mit stiller Ergebung zu tragen – aber ich komme davon zurück; ich sehe, sie werden mich so zu Boden drücken, daß keine sterbliche Macht mich wieder zu erheben vermögend sein wird, wenn ich nicht jeden Augenblick meines Lebens benutze, ihnen entgegenzuarbeiten. Ach, nur noch einige solcher Szenen wie die letzte mit Karl, und Ihr habt mich verloren! –

Ihr sollt mich aber nicht verlieren – sei ruhig, mein trauter, süßer Wilhelm – gib mir Deine liebe Hand und hilf mir mit aufwärts – sieh, ich bin allein wieder aufgestanden aus dem fürchterlichen Strudel, der mich beinahe mit fortgerissen hätte, denn ich liebte Euch zu sehr, um Euch zu sagen, in welchem Zustand ich war. Noch schaudert mir dafür, aber es ist vorbei, ich will nur vorwärts-, nicht zurücksehen, denn die Erinnerung würde mich in dem Laufe zum schönsten Ziel aufhalten, und ich bin es Euch, meine Verbündeten, bin es meiner Karoline (v. Beulwitz) schuldig, dahin zu gelangen. Du mußt dieses herrliche Weib sehen, wenn Du hierher kommst! Wilhelm, es gibt nichts so göttlich Reines wie ihr Herz. Und ich will, daß Du kommen sollst – o mein Bruder, dafür bürgt Dir jeder Schlag meines Herzens – laß Dich bald wieder daran schließen! Grenzenlos, unsterblich, wie wir es selbst sind, ist meine Liebe zu Dir. Laß mich Deinem Herzen nie ferne sein!

An Friedrich Heinrich Jacobi.Auf einer Rheinreise – von Göttingen aus – lernten sich Humboldt und Jacobi kennen. Vom 31. Oktober bis 5. November war Humboldt Jacobis Gast in Pempelfort.

Göttingen, den 17. November 1788.

Endlich, teuerster Herr Geheimrat, habe ich Muße, Ihnen zu schreiben, Ihnen aus der Fülle meines Herzens für die fünf glücklichen Tage zu danken, die ich in Pempelfort bei Ihnen verlebte. Gewiß werden sie mir ewig unvergeßlich sein, diese Tage, gewiß werden sie immer zu denen gehören, bei welchen mein Andenken am längsten und liebsten verweilen wird. Auch für die Zukunft gewähren sie mir eine so frohe Hoffnung. Denn Sie erlaubten mir ja, die Verbindung mit Ihnen durch einen Briefwechsel zu unterhalten, und ich darf ja auch künftig von Ihnen Aufschluß und Belehrung über die wichtigsten Teile des menschlichen Wissens hoffen. Möchte ich es Ihnen ganz sagen können, verehrungswürdigster Freund, mit welchen Empfindungen mich diese Hoffnung erfüllt, mit welchen überhaupt Ihr ganzes gütiges, zuvorkommendes, freundschaftliches Betragen gegen mich, für das ich Ihnen so gern recht warm und innig dankte – wenn nicht gerade das, was des Dankes am meisten wert ist, auch am meisten über den Dank, wenigstens über den gesagten, erhaben wäre. Wenn Sie es aber je fühlten, wie sehr es unsern Geist und unser Herz erhebt, wenn uns Männer, für die wir von wahrer und tiefer Verehrung durchdrungen sind, einiger Aufmerksamkeit würdigen – und erzählen Sie es nicht selbst einmal in Ihrem Hume, daß Sie dies fühlten? –, so stellen Sie sich gewiß lebhaft den Eindruck vor, den mein Aufenthalt bei Ihnen auf mich gemacht hat.

Noch nie war eine so kurze Zeit für mich so reich an interessanten Gesprächen. Ihre Art, metaphysische Untersuchungen anzustellen, hat, noch abgerechnet, daß sie uns der Wahrheit näher bringen muß, so unendlich viel mehr Reiz als jene Methode, die durch die Wolfische Schule so allgemein verbreitet worden ist. Ich gestehe Ihnen, daß ich in der Zwischenzeit, da ich Wolf nun so ziemlich gefaßt hatte, und ehe ich Kant las, beinah einen Widerwillen gegen meine Metaphysik empfand. Es kam mir alles so trocken, so bloßes Gerippe, ohne Geist und Leben, vor, ich demonstrierte und demonstrierte, und nie brachten doch die Resultate eigentlich Überzeugung hervor. Wie konnten nun gar Männer von Scharfsinn und Tiefsinn – wie Sie einmal, dünkt mich, sehr glücklich unterschieden – Geschmack daran finden, völlig allgemeine Begriffe so lange zu zergliedern, zu vergleichen und, um mich eines Kantischen Ausdrucks zu bedienen, in der Schmelzküche der Vernunft zu kochen und zu läutern, bis der Geist verfliegt und endlich ein Nichts zurückbleibt. Überhaupt ist es mir in der Tat ein Phänomen, wie man, statt die Gegenstände selbst in ihrem ganzen Leben und ihrer Wahrheit anzuschauen, seine Augen vor ihnen verschloß, und analysierte, wie man das, was gar nicht auf Verhältnissen beruht, das Dasein der Dinge, durch etwas andres als durch Erfahrung zu erkennen glaubte. Der logischen Verhältnisse zwischen den Begriffen gibt es eine bestimmte Anzahl; man muß also da notwendig einmal auf einen Punkt kommen, von dem aus keine Erweiterung der Kenntnisse mehr möglich ist. Wendet man sich hingegen zu den Gegenständen selbst, hält man nichts eher für wahr, als bis man es selbst angeschaut hat, so mag der Weg vielleicht langsamer sein, aber er ist auch sichrer und reizender und der Stoff des Nachdenkens ebenso unerschöpflich als die Menge der Gegenstände in der Natur. Nur eine Frage wünschte ich hier recht genau und vollständig beantwortet. Da bei dieser Art zu philosophieren alles auf Anschauung, auf Gefühl, also auf etwas ankommt, das nicht so ganz mehr mit Worten ausgedrückt werden kann, so muß auch dabei Irrtum eher als da, wo bloß von Verhältnissen die Rede ist, möglich sein. Vielleicht läßt sich analog von den äußeren Sinnen auf das innere Anschauungsvermögen schließen. So wie jene oft zu empfinden glauben, ohne daß ein Gegenstand der Empfindung wirklich da ist, ebenso kann es wenigstens auch bei diesem der Fall sein. Wie ist nun da Wahrheit von Täuschung zu unterscheiden? Ich glaube, durch kein andres Mittel, als indem man den Gegenstand immerfort herumwendet und wieder von neuen Seiten betrachtet. Denn Analyse der Begriffe kann, dünkt mich, da sie uns nie, auch nur mit dem kleinsten Schritte, aus dem Formalen heraus in das Materielle der Erkenntnis hinüberführt, auch nicht einmal von kritischem Gebrauche hierbei sein. Ferner verdienten wohl die Grenzen unsres Anschauungsvermögens eine eigne Untersuchung; ob wir dadurch bloß das Dasein sinnlicher Gegenstände erkennen und das der außersinnlichen nur mittelbar durch diese, wie z. B. das Dasein Gottes durch das Dasein der Welt, gleichsam als das Zeichen davon, oder ob auch außersinnliche unmittelbar sich uns offenbaren? Mir scheint das letztere unmöglich. Sinnlichkeit ist, glaub ich, die einzige Bedingung, unter der wir neue Begriffe von außen her erhalten können; jede Anschauung, die sich weder mittelbar noch unmittelbar auf Sinnlichkeit bezöge, würde ich für Sensation, nicht für Perzeption halten ...

An Karoline.

Erfurt, 2. Januar 1789.

Noch zwei Stunden, liebe Li, und ich bin bei Dir! Gott, mit welchen Empfindungen seh ich Dich wieder. Mehr als fünf Monate sind's, seit ich Dich nicht sah, und indes sah ich keinen von Euch, war in mancher kummervollen, drückenden Lage, genoß der wahren Freuden nur wenige. Aber doch fühlt ich mich nicht unglücklich; auch die Stunden des Kummers, des Unmuts, der Langeweile sind nicht verloren.

Sie ziehen den Geist in sich zurück, machen, daß er in sich fort in unermüdeter Tätigkeit denkt, arbeitet und sich immer mehr und von neuen Seiten ausbildet. Und auf Bildung unserer selbst kommt es doch allein an; wenn sie allein auch nicht glücklich macht, so ist sie doch alles Glücks erste Bedingung. Stimmt der Gang der Welt außer uns nicht mit unsern Wünschen überein, so bleibt uns noch die Welt in uns, es bleibt uns Erinnerung an die Freuden, die wir genossen; es bleibt uns das Bewußtsein, wie jede Lage, die fröhliche und die traurige, dazu beitrug, uns zu dem zu machen, was wir sind, und es bleibt uns endlich Kraft, durch neue Tätigkeit auch die Verbindung von Umständen, die das Schicksal jetzt um uns kettet, zu neuem Guten für uns und für andre zu benutzen.

Glaube mir, meine teure, geliebte Li, jedes Verhältnis, in das wir geworfen werden, ist gut, einmal weil der es ordnet, der nur Gutes ordnet, und gut dann, weil es Bereicherung durch neue Erfahrung, Gewöhnung an neues Leiden, Anlaß zu neuer Tätigkeit ist. Drum wenn ich nur nicht müde werde, immerfort und ununterbrochen hinblickend auf den größesten Nutzen, den ich in meinem Wirkungskreis stiften kann, tätig zu sein und zu arbeiten, so fürcht ich mich nicht vor den Schlägen des Schicksals. Viel mußte ich erfahren, viel dulden, ehe ich auf den Grundsatz kam, den Deine Karoline so schön ausdrückt: »Für den, der sein Glück im Genießen und nicht im Wirken sucht, muß dieses Leben unausfüllbare Leeren haben!« Aber jetzt steht er mir immer vor Augen, jetzt strebe ich rastlos, danach zu handeln, und er, verbunden mit dem tröstenden, herzerquickenden Rückblick auf Euch und Eure Liebe und der vertrauungsvollen Aussicht auf eine Zukunft, die uns noch enger aneinanderknüpft, läßt mich stark und mutig die Bahn des Lebens wallen.

So viel von mir, jetzt von Dir, von meinem Aufenthalt, meinen Absichten. Sieh, meine Herzens-Li, auch diesmal kann ich nur wenig Tage des Zusammenseins mit Dir mir schenken. Mittwoch muß ich wieder von hier fort und zurück; das sind in allem ohne Mittwoch nur vier Tage. Ich bin noch mit zwei andern gereist, die nach Jena gegangen sind und mich wieder hier abholen. Du wünschtest, ich sollte nun auch nach Rudolstadt gehen. Ich wünschte es auch, ebenso Jette und Karl. Es muß ein herrliches Weib sein, Deine Lina. Herzlich danke ich Dir für ihre Briefe. Ich bringe sie Dir wieder mit. Wie voll sind sie von edlen, feinen Empfindungen, von wahren, durchdachten Grundsätzen. Wie schön und ergreifend ist die Sprache; wie sieht man, daß das Herz jede Silbe schrieb. Ach! Li, sind wir nicht sehr, nicht zum Beneiden glücklich, daß wir einen solchen Kreis miteinander schließen? Solche Seelen, vereint durch Liebe zu Liebe und Vollkommenheit und Genuß dieser Vollkommenheit, wie selig müssen die miteinander sein! ...

An Jacobi.

Göttingen, den 7. Februar 1789.

Wenn ich auch eine noch zehnmal größere Gabe im Sophistisieren besäße, mein teuerster Jacobi – ich darf Ihnen doch in dieser vertrauten Sprache schreiben? –, als Sie mir immer beilegten, so würde es mir doch jetzt nicht gelingen, mein langes Stillschweigen bei Ihnen zu rechtfertigen. Zwar ließe sich wohl manches zusammenbringen, das einer Rechtfertigung ganz ähnlich sähe. Drei Wochen war ich verreist, 14 Tage krank, indes war alle Arbeit liegengeblieben, Korrespondenz und Geschäfte hatten sich gehäuft, das klingt wohl alles recht schön. Aber doch fühl' ich, daß es nicht genug ist. Einen lieben, freundschaftlichen Brief, der mir so wert war, durch den ich mich so gestärkt und gehoben fühlte, weil mich ein Mann, den ich so innig schätze und verehre, darin einer so vertraulichen Sprache würdigt, solchen Brief beinah zwei Monate unbeantwortet, zwei wichtige philosophische Aufsätze ebenso lange in meinem Pult liegen zu lassen – das ist zu unverzeihlich, als daß ich irgendeine Entschuldigung dafür wüßte. Doch wozu auch Entschuldigung? Sie stellten ja selbst Freiheit und Ungezwungenheit als das erste Gesetz in unserm Briefwechsel und Umgange auf; ich war nun diese Zeit über einmal nicht in der Stimmung, Ihnen zu schreiben, darum schrieb ich nicht. Jetzt bin ich es wieder und schreibe nun gewiß öfter. Sehr möglich, daß Sie wieder etwas von mir lesen, ehe Sie nur daran denken, dies zu beantworten. Denn das müssen Sie mir schon erlauben.

Ich rede zuerst von Ihren beiden Aufsätzen, über die Sie, wie ich aus Ihrem Briefe sehe, etwas von mir erwarten. Aber da muß ich Sie vorher, nicht aus Bescheidenheit, aber aus Furcht, wieder in Ihrer Meinung zu verlieren, was ich einmal gewonnen habe und worüber ich mich so herzlich freue, noch einmal recht sehr bitten, sich ja in den rechten Gesichtspunkt zu stellen. Sie halten mich für einen weit spekulativeren Kopf und weit geübteren Streiter auf dem metaphysischen Schlachtfeld, als ich bin. Sie wissen es ja selbst, ich bin mit der Wolfischen Philosophie gesäugt und großgezogen worden, und in Kants und andrer Systeme stahl ich mich nur hinüber, zu einer Zeit, da Justinian mit der ganzen Last seiner Gesetze auf mir lag, und an einem Ort, wo ein populärer Philosoph die Metaphysik popularisiert.Göttingen. Man vgl. Humboldts meisterliche Charakteristik Kants in unserm Schriftenband: Einleitung zum Briefwechsel mit Schiller, S. 479–484. Ich freue mich sehr, daß Ihr Spinoza schon Ostern erscheint, und daß Sie so viel auf diesen alten Karren laden, wie Sie sich ausdrücken. Über Ihre Widerlegung Herders weiß ich Ihnen fast nichts zu sagen. Denn ich bin völlig Ihrer Meinung. Auch mir kam es immer so vor, als hätte Herder Spinozas System weder so wie Spinoza es lehrte, noch so, wie er's hätte lehren sollen, vorgetragen. Ich sehe so wenig als Sie ein Mittelsystem zwischen dem System der Endursachen und der wirkenden Ursachen. Entweder ist der Begriff vor der Wirkung da und diese durch ihn oder mit ihr, in ihr, in dem Mechanismus, gegeben, und abhängig wie sie. Ihre Auseinandersetzung läßt, dünkt mich, nicht den mindesten Zweifel übrig, und ich hatte es mir vorher nicht so deutlich entwickeln können.

Mehr könnte ich Ihnen auf den Brief über Freiheit antworten. Alle die Materien, die er berührt, sind mir unendlich wichtig und gerade jetzt mehr als jemals; aber auch gerade jetzt ist meine Philosophie mehr als jemals darüber in Gärung. Völlig einverstanden bin ich mit Ihnen über den Punkt, daß die Frage: sind wir frei oder nicht frei? nie durch Schlüsse entschieden werden kann. Sein, Wirklichkeit ist immer ein Faktum, das unmittelbar erkannt werden muß. Nun ist es wahr, wir fühlen uns frei, sind uns bewußt, bloß unsern Ideen von Recht und Unrecht, Gutem und Bösem, folgen zu können, sollten auch alle unsre Neigungen und Triebe ihre Stimme dagegen erheben. Darum nennen wir uns selbsttätige Ursachen unsrer Handlungen, darum billigen und mißbilligen wir sie. Wie aber, wenn der Determinist uns nun die Unmöglichkeit der Freiheit unsres Willens demonstriert? Möglichkeit und Unmöglichkeit beruht auf Begriffen und muß also demonstriert werden können. Gegen die Methode weiß ich nichts einzuwenden. Sollen wir nun leugnen, daß der Wille sich nach den Ideen des Verstandes bestimmt, leugnen, daß diese Ideen, wenn wir die Kette der wirkenden Ursachen bis an ihr letztes Glied hinauf verfolgen, durch lauter Dinge, die außer uns liegen, bestimmt werden? Leugnen wir aber das nicht, so ist überall Fatalismus; und dann noch zu sagen: »ich bin doch frei, nicht zwar, daß nicht die Gründe meiner Handlungen, wenn ich sie vollständig aufzähle, außer mir liegen sollten, aber weil doch die nächsten Ursachen dazu in mir liegen, doch weil ich mir bewußt bin, daß ich bei einer andern Verknüpfung von Umständen anders handeln würde«, scheint mir ein leeres Wortspiel, kommt mir nicht anders vor, als wenn der gefesselte Negersklave sich frei nennen wollte, weil er weiß, daß er gefesselt ist, weil er einsieht, daß er etwas andres tun würde, als er tut, wenn sein Herr ihm etwas andres beföhle. In der Tat ist das Gleichnis noch zu milde. Der Sklave hat doch noch Wahl zwischen Gehorchen und Sterben. Aber wie? Sie sagen in Ihrem Aufsatz: quo tout effet doit avoir sa cause est une vérité nécessaire; mais il ne s´ensuit pas que toute cause doit êtreun effet. Die Wahrheit des Satzes muß gewiß jeder einräumen. Allein den Gebrauch, den Sie davon machen wollen, sehe ich nicht gleich ein. Soll unser Wille eine solche Ursache sein? Aber fühlen wir nicht, daß er wenigstens seinen Richtungen, Bestimmungen nach – und auf die kommt es doch bei der Freiheit allein an – Wirkung der Ideen des Verstandes ist? Kant hilft sich freilich leicht durch. Freiheit ist Eigenschaft des Menschen, insofern er Ding an sich, ist der Naturnotwendigkeit ist er unterworfen, als Erscheinung in der Zeit. Allein die Gründe, worauf Kant die Freiheit baut, überzeugen mich nicht. Er bildet a priori einen Begriff von allgemeingeltenden praktischen Grundsätzen, bringt heraus, daß diese Grundsätze nur formell sein können, und weil solche Grundsätze, ohne Freiheit, nicht zureichender Bestimmungsgrund des Willens sein könnten, so postuliert er endlich diese Freiheit. Kommt es Ihnen nicht überhaupt so vor, als wäre alles, was Kant auch objektiv von den Dingen behauptet, doch immer nur subjektiv, und noch dazu immer nur auf Erscheinung beruhend? Nicht genug, daß man nach seinem System nicht aus sich heraus auf die Dinge geht, man geht auch nicht in sich hinein; denn auch von sich selbst hat man ja nur immer Erscheinungen. Warum sind die realen Gegenstände, insofern sie für uns nämlich real sind, den Bedingungen der Zeit und des Raums unterworfen? Weil wir nur unter diesen Bedingungen Vorstellungen von Gegenständen empfangen können. Warum haben wir ein Recht, die Kategorien des Verstandes auf die Gegenstände zu beziehen? Weil diese Kategorien Merkmale von Raum und Zeit werden können und Raum und Zeit selbst mögliche Merkmale der Erscheinungen sind. Warum muß jede Erscheinung notwendigerweise eine Ursache haben? Weil sonst keine objektive Verknüpfung der Dinge, d. i. keine Erfahrung für uns möglich wäre. Warum sind wir frei? Weil es sonst keine allgemeingeltenden praktischen Grundsätze geben könnte, die hinreichende Bestimmungsgründe unsres Willens wären. Warum glauben wir an einen Gott? Weil unsre Tugend sonst zwecklos wäre. So wird überall das, was objektiv von den Dingen behauptet wird, aus dem Subjektiven zwar nicht bewiesen, aber es wird um desselbenwillen gefordert. Mich dünkt: die Leibnizische Philosophie analysiert und trägt dann, was nur von Begriffen gilt, auf die Dinge selbst über; die Kantische postuliert; aber noch fand ich – die Ideen ausgenommen, die ich von Ihnen las und hörte, die ich mir aber, ich gestehe es Ihnen, noch nicht ganz zu eigen machen konnte – keine, welche eigentlich sähe. Mag aber auch solch eine Philosophie möglich sein? So ein unmittelbares Berühren, wenn ich so sagen darf, unsrer selbst und der Dinge außer uns? Sie sehen, liebster Freund, ich gerate in Gefahr, in einen allgemeinen Skeptizismus zu versinken. Helfen Sie mir heraus. Schon der philosophische Cartes erklärte den Zustand des Zweifelns für den unglücklichsten unter allen; und der unphilosophische Wöllner sagt es ihm in allen Religions- und Zensuredikten nach.

Überaus wichtig hat mir noch in Ihrem Aufsatz die Stelle geschienen, wo Sie auf das Prinzip der Moral hindeuten, da Sie die Frage aufwerfen: worauf denn nun aber der Grundsatz der Tugend (le principe de l'honnête) beruhe, wenn es nicht auf dem Grundsatz der Selbstliebe (le principe de la conservation) sei? Wie sehr hätte ich gewünscht, daß Sie sich über diesen Punkt ein wenig mehr ausgebreitet hätten; doch vielleicht gehörte es nicht zu Ihrer Absicht. Es ist gewiß ein tiefer Blick in die menschliche Seele, in ihr, wie Sie tun, ein unmittelbares Gefühl ihrer Intellektualität und ihrer Kraft, sich, von allem übrigen unabhängig, bloß nach dem Gesetz ihrer eignen Natur zu bestimmen, anzunehmen und darauf, wie es mir Ihre Absicht scheint, die Grundsätze der Moral zu bauen. Man wäre auf diesem Wege gewiß, einmal allgemeingeltende Grundsätze zu erhalten, da dies Gefühl in allen denkenden und freiwollenden Wesen sein muß, und dann allen Handlungen die reinsten, lautersten Absichten zugrunde zu legen. Nur ein Zweifel stößt mir dagegen auf. Sie verbinden damit die Idee eines Gottes, nehmen zwischen ihm und uns ein principe de conformité an, und, fahren Sie fort ce principe de conformité portera sur un sentiment sublime de perfection, dont à la vérité nous ne saurons jamais nous faire une idée distincte, puisque cette idée distincte serait celle de la divinité même, mais qu'un instinct invincible nous fera toujours reconnaître comme le véritable principe de notre vie, en nous ordonnant impérieusement d'en suivre la loi sans la moindre restriction. Sie gestehen selbst ein, daß dieser Begriff von Vollkommenheit nie deutlich in uns sein würde. Sollte es nun wohl möglich sein, Grundsätze und eine im eigentlichen Verstande wissenschaftliche Moral darauf zu bauen? – Unendlichen Dank würde ich Ihnen schuldig sein, verehrungswürdigster Freund, wenn Ihre Philosophie mir hier Licht machen wollte. Denn ich gestehe es Ihnen offenherzig, daß, je mehr und anhaltender ich seit einiger Zeit über die ersten Grundsätze der Moralphilosophie lese und nachdenke, desto schwankender und ungewisser meine Ideen darüber werden. Vorzüglich fühl' ich das immer, so oft ich sie auf das Naturrecht anwenden will. Im Naturrecht soll bewiesen werden, daß es unrecht ist, den andern zu zwingen, ihm Kräfte oder auch nur Äußerungen davon zu rauben. Leg' ich nun das Glückseligkeitssystem zugrunde, so muß ich 1. zeigen, daß die Glückseligkeit andrer von der meinigen unzertrennlich ist; 2. daß Zwang nie Glückseligkeit hervorbringt, sondern ihr vielmehr schadet. Tu ich auch nun beides im allgemeinen, so bleiben mir immer noch Fälle übrig, wo dennoch der Zwang offenbar mehr nützt als schadet, die Kollisionsfälle. Die muß ich also ausnehmen. Wo nun das Übergewicht des Nutzens oder Schadens augenscheinlich ist, hat dies keine Schwierigkeit. Allein vom Augenscheinlichen geht's in unendlichen, oft unmerkbaren Abstufungen zum bloß Wahrscheinlichen, von da zum Ungewissen herunter. Ich finde also nirgends eine feste Regel, nirgends eine genau abschneidende Grenze. Nicht besser ist es, wenn ich an die Stelle der Glückseligkeit den Begriff der Vollkommenheit setze. Wende ich mich aber ganz von diesen materialen Prinzipien zu Kants formalem hinweg, so find' ich auch da sehr viel Schwierigkeiten, nur von andrer Art, und die ich mir selbst noch nicht genug entwickelt habe, um sie Ihnen vorzutragen.

Doch genug von diesem metaphysischen Geschwätz. Ich erschrecke selbst über die Länge, indem ich es wieder ansehe. Aber ich schreib' es ja dem nachsichtsvollen Freunde, der mir einmal erlaubt hat, mich in metaphysischen Bedürfnissen an ihn zu wenden, der fünf Tage lang nicht müde wurde, meine Zweifel zu lösen und meine Einwürfe zu heben. Er wird mir auch jetzt meine Ausführlichkeit verzeihen ...

An Karoline.

Göttingen, 22. Mai 1789.

... Du kennst mich noch nicht, Lina, und der Gedanke quält mich schon lang. Wenn ich es mir denke, daß es Seiten in mir gäbe, die nicht harmonierten mit Deinem Wesen, daß Deine Liebe sich getäuscht fühlte – o! – laß ihn mich nicht vollenden, den grauenvollen Gedanken. Nicht alle, meine Lina, urteilen von mir wie Du, wie Karoline, wie die Weiber und Karl.Die Mitglieder des Tugendklubs der empfindsamen Seelen. Es gibt Menschen, die mich fühllos, mürrisch, menschenfeindlich nennen, und wenn ich dann manchmal denke: und wer weiß, vielleicht haben sie recht, dann gesellt sich der Gedanke hinzu. Eurer Liebe nicht wert zu sein, und stürzt mich in tiefe Melancholie. Aber dann rechne ich wieder auf Eure Verzeihung, rechne auf das volle, selige Gefühl inniger Liebe, das mich für Euch alle füllt, und nach und nach kehren Ruhe und Frieden in meine Seele zurück. Öde und freudenlos ist meine Kindheit dahingewelkt, in den Jahren des Jünglings hab' ich hohe Wonne genossen – ich war ja bei Dir, fühlte ja das ungestüme Pochen Deines Herzens an dem meinigen –, aber auch immer habe ich mit entgegenstrebenden Kräften, Besorgnissen, Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt; wie werden die Tage des Mannes sein? Ich werde glücklich sein, wenn ich Gutes wirken kann, denn ich werde dann zufrieden mit meiner Existenz sein. Aber mehr erwarte ich nicht. Gibt mir das Schicksal mehr, schenkt es mir die Wonne, einmal glücklich zu sein im Kreise einer glücklichen Familie, in Deiner und unsrer übrigen Lieben Nähe, o! dann soll mein warmer Dank hinaufglühen zum Vater, der mir das gab. Empfange ich das nicht, nun – so bin ich gewohnt, zu entbehren, so will ich Verzicht tun auf den Genuß und will wenigstens durch mich genießen lassen, was durch mich des Genusses fähig ist. Ach, es ist mir ein reizender Gedanke, wie wir nach 30, 40 Jahren zurückblicken werden auf unsre Jugend, wie wir uns freuen werden, früher als andre der wahren Lebensweisheit näher getreten zu sein, wie das alles in uns fester, bestimmter, ausgebildeter sein wird, wie wir dann so nah auf die himmlische Wonne ewiger Vereinigung hinblicken werden.

Das höhere Alter war von jeher ein Gegenstand meiner sehnlichsten Wünsche. Man nennt mit Unrecht das Alter des Greises das Alter der Untätigkeit. Der Wirkungskreis mag enger, eingeschränkter sein, aber vielleicht ist er auch schöner, vielleicht ist das Gute auch reiner, das Gute, das man wirkt und das man genießt, und vor allem der Rückblick in die Vergangenheit, die nahe Aussicht auf die Zukunft hin! –

30. Mai.

Ich konnte diesen Brief nicht weiter schreiben, Lina, ich mußte bis heute abbrechen. Aber rate nur, wo ich bin? In einer wilden, schönen, romantischen Gegend, mitten in Felsen und dicken Wäldern. Ich bin aufs Land gezogen, ich konnte es in der Stadt, wo ich gerade jetzt in den Ferien nichts zu tun hatte, nicht länger aushalten; zu verreisen hinderten mich meine Arbeiten. So bin ich auf ein Dorf eine Meile von Göttingen gezogen. In Göttingen weiß niemand, wo ich bin; so bin ich ungestört, allein mit mir und mit Euch. Nie faßt meine Seele das Bild meiner Lieben so rein und klar, als wo in schöner Natur ringsum alles Liebe und Milde atmet. Lange könnt' ich mir Eure herrlichen Wesen nicht so schön und einfach denken als hier, wenn ich abends auf dem Gipfel eines hohen Berges sitze und die weiten Ebenen, den dickbelaubten Wald und die herumliegenden Turmspitzen der benachbarten Dörfer überschaue, oder wenn ich in den Ruinen der zerfallenen Gleichen stehe und das Gefühl des Wechsels und des Vergehens mit seiner ganzen Kraft mich ergreift.

Ich habe außer meiner gewöhnlichen Arbeit nur wenig Bücher bei mir, ein paar philosophische von Jacobi und Hemsterhuis und den Werther. Werther las ich diesen Winter zum erstenmal. Ich fand ihn eines Abends auf dem Tisch eines meiner Freunde, und ich konnte nicht aufhören, bis ich am Morgen damit fertig war. 0! Lina, welch ein Buch! Nicht sowohl seine Liebe, seine daraus entspringende Melancholie, seine Verzweiflung, überhaupt nicht sowohl Teilnahme an seinem Schicksal reißt mich so hin, aber die Fülle der Empfindung und der Ideen, mit der er alle Gegenstände umfaßt, die Bemerkungen über Menschen, Leben, Schicksal, die herrlichen Naturbeschreibungen, die Wahrheit, die so gerade, ohne Umweg ans Herz geht, und dann die unnachahmliche Darstellung, die meisterhafte Zeichnung des Charakters bis in seine kleinsten Züge hinein, die Sprache so wahr, so einfach, so eingreifend, so bezaubernd. Mehr als alles haben mich die Kinderszenen gerührt. Es ist so viel Einfachheit, Unschuld, Reinheit der Seele darin, so gar nichts Verstimmtes, Überspanntes, Verdrehtes. Aber ich muß die erste Ausgabe lesen. Weißt Du noch, wie Du mir sagtest, Du wärest Goethens eigener Meinung? Eine veränderte Ausgabe wirke immer weniger als die erste. Verzeihe die lange Stelle über ein so bekanntes, so oft beurteiltes Buch. Aber mir war's neu, und es freut mich, daß es mir neu war. Ich hätt' es verschlungen, wäre mir's früher in die Hände gefallen. Nun hab ich's genossen. Und überhaupt ist's mir lieb, daß meine Empfindungen, mein Gefühl für Freundschaft, für Liebe, für Seelenvereinigung überhaupt so gar keine Richtung durch Bücher bekam, daß mich darin allein Umgang und eigne Erfahrung bildete. Es ist nun nicht gewaltsam von außen auf mich gewirkt, meinen Gefühlen nichts Fremdes untergeschoben oder beigemischt worden. Ich bin darin so, wie die Natur mich bestimmte zu sein. Ich las überhaupt wenig; wenige Leute meines Alters, die ungefähr eben den Gang gingen als ich, werden so wenig gelesen haben. Aber ich freue mich darüber. Ich habe mehr gedacht, weniger Wert auf fremde Ideen, allein auf Erfahrung zu legen gelernt, und ich bin auch dadurch sicherer vor Eitelkeit und Prahlsucht geworden. – Doch laß mich zurückgehen zu meinem Dorf und meiner kleinen Einsiedelei. Du weißt gern genau, schriebst Du mir einmal, wo Deine Lieben sind, ich will's von mir Dir beschreiben. Denk Dir eine schroffe, hohe Felsenwand, meist kahl, doch hier und da mit herunterrankenden Gesträuchen bewachsen, eine ziemliche Strecke in gleicher Höhe fort. An dieser liegt Reinhausen, wo ich jetzt bin. Die Häuser sind bald an den Felsen gelehnt, bald dazwischen eingeklemmt. Oben steht eine alte Kirche und weiterhin ein großes Amt in einem ehemaligen Klostergebäude. In dem Felsen sind hier und da Nischen, wo sonst Marienbilder standen und auch wohl ein eingehauenes Kreuz zum Andenken eines Unglücklichen, der in der Nacht vom Felsen herabstürzte. Wenn man das Dorf verläßt, tritt man in ein enges Tal, wodurch sich ein kleiner Bach schlängelt, und zu beiden Seiten sind hohe Berge, ganz mit Eichen und Buchen bewachsen, wo hier und dort nackte, weiße Felsen zwischen dem grünen Laube hervorragen. Auf allen Höhen die herrlichsten Aussichten, auf der einen Seite ein weites großes Tal, auf der andern eine Kette von Bergen und auf den zwei nächsten die Trümmer zweier alter Bergschlösser.

Sage, Li, was fehlt Deinem Wilhelm, um in dieser Gegend und fern von allen gleichgültigen Menschen, nur umgeben von dem Gedanken seiner Lieben, heiter und glücklich zu sein? Und das bin ich auch, bin ich von ganzer Seele. Und Du, Du meine teure, geliebte Li, Du wirst es auch jetzt sein, wirst mit unsrer Karoline die süßesten Freuden der Freundschaft schmecken. O! wenn Ihr dann Arm in Arm miteinander herumgeht und Euch Eurer Nähe, Eures Genusses freut, dann gedenkt meiner, dann der Tage, da ich Euch sah, dann erinnere Dich, Li, eines herrlichen Abends, als wir mit Deinem Vater spazierengingen und die untergehende Sonne so schön im Abendrot glänzte. O! nie vergaß ich den Abend, nie die Gefühle, die mich in Burgörner durchbebten, wie ich das erstemal der heiligen Laube mich nahte.

O! Lina, Lina, welchen Himmel voll Seligkeiten schenkte mir der Vater der Liebe, indem er Dich mir gab! Wer das ausdrücken, das schildern könnte, o! das Herz vermag's kaum zu fassen, und der Hauch des Mundes vernichtet es. Denn es drängt sich an alle Gedanken, schließt sich unzertrennlich fest an alle Empfindungen an, kettet sich an die Szenen der Vergangenheit, schafft sich unermeßbare Aussichten in die Zukunft – mißt die Seele ganz aus, erschöpft sie, ist alles und eins. – O! verzeihe diesen Ausbruch meiner glühenden Liebe. Sie stammt ja, diese Glut, aus dem Ideale, das ewig vor meiner Seele schwebt, dem reinsten, geistigsten Gewebe alles des Schönen, das ich in jeder einzelnen von Euch fand, nur in jeder einzelnen anders und anders modifiziert und gemischt. Manchmal hab' ich's versucht, es in Worte zu kleiden, das Bild, das ich von jeder von Euch so lebhaft empfinde, aber die Worte versagen, und ich sinke in Anschauen zurück ...

An Jacobi.

Juli 1789.

Sie erhalten diesen Brief, teuerster Freund, durch die Hand meines Bruders. Ich sprach Ihnen schon von ihm in Hannover, und ich hoffe, Sie sollen wahr finden, was ich Ihnen damals über ihn sagte. Ich liebe ihn unendlich wegen der vorzüglichen Güte seines Herzens und seines Charakters und seiner großen Anhänglichkeit an mich und schätze ihn wegen der Mannigfaltigkeit und Gründlichkeit seiner Kenntnisse und des regen, durch nichts abgeleiteten Eifers, diese Kenntnisse zu vermehren, zu verbreiten, nutzbar zu machen. Die Schwächen, die teils Folge, mitunter aber auch Quelle jener besseren Eigenschaften sind, werden Sie bald bemerken, aber auch – ich kenne aus eigner Erfahrung Ihre Nachsicht – verzeihen. Ich bitte Sie also mit Zuversicht recht herzlich, ihn mit eben der Güte zu empfangen, welche mir den ersten Tag, da ich Sie in Pempelfort sah, zu einem der frohesten meines Lebens machte, und ihn Ihres näheren Umgangs, nach dem er sich so innig sehnt, zu würdigen. An Gegenständen des Gesprächs, hoff' ich, soll es Ihnen mit ihm nicht fehlen. Zwar hat er sich nur wenig mit Metaphysik beschäftigt und erst seit kurzem Kant zu studieren angefangen. Aber für jedes andre Gespräch, in dem sich Raisonnement an Fakta anschließt, hat er gewiß Geschmack, und vielleicht interessiert Sie da seine Lebhaftigkeit, die Freimütigkeit seines Urteils und die witzigen Einfälle, in denen er, wenn er vertrauter wird, nicht unglücklich ist. Seine eigentlich wissenschaftlichen Kenntnisse erstrecken sich vorzüglich auf höhere Mathematik, Naturkunde, Chemie, Botanik und vor allem andern Technologie. Daneben beschäftigt er sich mit philologischen Arbeiten, und Heyne braucht ihn hier und da zur Erklärung solcher Stellen der Alten, die eine vertrautere Bekanntschaft mit ihren Künsten und Handwerken erfordern. Zwischen ihm und mir werden Sie eine sehr große Verschiedenheit finden. Bei völlig gleicher Erziehung wichen von unsrer Kindheit an Temperament, Charakter, Neigung, selbst Richtung in wissenschaftlichen Dingen immer voneinander ab. Sein Kopf ist schneller und fruchtbarer, seine Einbildungskraft lebhafter, sein Sinn fürs Schöne schärfer, sein Kunstgefühl überhaupt – vielleicht weil er sich selbst mit vielem Eifer auf einige Künste, Zeichnen, Kupferstechen legte – weit mehr geübt und gebildet. Im ganzen hat er überall und in jedem Verstande mehr Sinn, mehr Kraft, neue Ideen aufzufassen, aus dem Wesen der Dinge selbst herauszuheben; ich mehr Fähigkeit, Ideen zu entwickeln, vergleichen, verarbeiten. So möchte ich den Unterschied zwischen ihm und mir bestimmen, und daraus getraute ich mir alle übrigen, auch die kleinsten Abweichungen zu erklären. Doch nun genug von ihm und mir; verzeihen Sie nur, daß ich schon einen so großen Teil meines Briefes damit anfüllte. Doch diese Sehnsucht, meinem Bruder einen Teil Ihrer Freundschaft zu verschaffen, wird Ihnen zeigen, wie unendlich teuer mir der ist, den Sie mir schenken!

An Georg Forster.

Georg Forster, 1754–94, einer der anregendsten Reisebeschreiber (Rußland und um die Welt), wurde 1788 Bibliothekar und Professor in Mainz. Seine Gattin Therese war die Tochter von Humboldts Göttinger Lehrer Heyne (Philologe). Die Mainzer Klubisten entführten F. 1793 nach Paris, wo der Schwärmer für die französischen Revolutionsideale enttäuscht starb. Humboldt lernte Forster in Göttingen kennen und bewunderte den Reisenden und Menschheitsträumer; er ist auch mitbeteiligt an Forsters Schutzschrift für religiöse Toleranz.

Bern, den 28. Oktober 1789.

... Unstreitig interessiert von allen meinen zürichschen Bekanntschaften LavaterJoh. Casp. Lavater, 1741–1801, Diakon von St. Peter in Zürich, Physiognomiker, Somnambulist, Magnetist, Geheimbündler. Goethes zeitweilige innige Freundschaft mit L. ist bekannt. In Humboldts Gesicht stellte L. das Gepräge von Eigensinn und Veränderlichkeit fest. Sie am meisten. Also zuerst von ihm. Ich war fast täglich eine oder mehrere Stunden bei ihm, und da er seine gewöhnlichen Geschäfte meinetwegen nicht unterbrach, so sah ich ihn in so vielen charakteristischen Lagen, daß ich ihn hinlänglich beobachten konnte. Durch das, was mir Jacobi von ihm gesagt, durch manches, was ich von ihm gelesen hatte, und worin mir Spuren tiefen und wirklich seltnen Geistes unverkennbar schienen, war meine Erwartung in der Tat hochgespannt. Ich erwartete eine Fülle neuer, großer, fruchtbarer, wenngleich auch oft nur halb wahrer, oft gar schwärmerischer Ideen. Allein in allem dem fand ich mich sehr getäuscht, und nicht bloß getäuscht, weil ich so viel erwartete, sondern wirklich, weil ich so wenig fand. Ich hätte die interessanten Ideen zählen können, die ich in den ganzen vierzehn Tagen von ihm hörte, und ich würde mich schämen, damit einen einzigen Tag, bei Ihnen oder Jacobi zugebracht, zu vergleichen. Hier und da ist freilich ein tiefer und schneller Blick; aber sein Geist ist zu kleinlich, hat weder die rastlose Tätigkeit, womit wirklich genialische Köpfe die geahnte Wahrheit aufsuchen, noch die fruchtbare Wärme, womit sie die gefundene umfassen. Ewiger Rückblick auf sich, Eitelkeit, Ausdruck geistloser und fader Herzensgefühle, Spielerei in Worten rauben ihm alle wahre Kraft. Ganz anders würde dies wahrscheinlich alles sein, wenn er wahre Gelehrsamkeit besäße, wenn er auch über fremde Ideen mehr gedacht hätte, und wenn er noch jetzt mehr läse. Allein so lebt er immer nur in seinen eigenen Ideen, und seine Beschäftigungen, die ich nun so oft mit ansah, sind großenteils wahre Spielereien. Ordnen seiner physiognomischen Zeichnungen, Beschreiben von Urteilen in einzelnen, oft sehr holprigten Hexametern, Korrespondenz, Besorgung einer unendlichen Menge von Kleinigkeiten für Leute aller Art, kleine Gelegenheitsgedichte usw. Überhaupt ist es unbeschreiblich, wieviel er auf die Form und das Äußere hält. Er ließ mich oft allein in seiner Stube, und das war mir immer interessant. Einen großen Teil seiner Bücherbretter nehmen pappene Futterale ein. Einige enthalten gesammelte Briefe. Da waren: »Wichtige Briefe«, »Briefe von Andern«, »Briefe an Jünglinge« und zwei dicke Bände mit der Aufschrift »Bremen«. Auf vielen andern stehen einzelne Namen, da fand ich manchen Bekannten und noch mehr manche Bekanntin. Ich riet lange, was das sein könnte. Noch den letzten Tag erklärte er's mir. Er legt in diese Futterale das von seinen Arbeiten, was die Person interessieren kann. An eine seiner Freundinnen, die ich auch sehr genau kenne, gab er mir den Inhalt eines solchen Futterals offen mit. Was war das nun? Nichts als teils frömmelnde, teils empfindsame, aber alle höchst ideenleere Gedichtchen, sauber abgeschrieben, auf seinem Papier mit in Kupfer gestochenem Rand. An den Wänden hingen hier und dort in Rahmen gefaßte Täfelchen mit Sprüchen aus dem Lesebüchlein für Weise. Auf dem Tische lag eine auf Holz gespannte Pergamenttafel mit der Überschrift: »Nötigste Geschäfte«. Kurz, ich würde nicht fertig werden, wenn ich Ihnen alle Merkwürdigkeiten dieser Stube erzählen wollte, und ich begreife nicht, wann der Mann an die Materie kommt, da ihn die Form so viel Zeit kosten muß. Meine wichtigsten Unterredungen mit ihm waren über Physiognomik und über deutsche Schriftsteller und den Maßstab, nach dem man Geistesprodukte bei uns beurteilt. Es mag wohl viel Schwärmerei darin liegen, die ganze Sinnenwelt nur so als eine Art anzusehen, wie die unsinnliche erscheint, nur als einen Ausdruck, eine Chiffre von ihr, den wir enträtseln müssen: aber interessant bleibt die Idee doch immer, und wenn man sich recht hineinträumt, schon die Hoffnung, immer mehr zu entziffern von dieser Sprache der Natur, dadurch – da das Zeichen der Natur mehr Freude gewährt als das Zeichen der Konvention, der Blick mehr als die Sprache – den Genuß zu erhöhen, zu veredeln, zu verfeinern; die grobe Sinnlichkeit, deren eigentlicher Charakter es ist, im Sinnlichen nur das Sinnliche zu finden, zu vernichten und immer mehr auszubilden den ästhetischen Sinn als den wahren Mittler zwischen dem sterblichen Blick und der unsterblichen Uridee. Über unsre Literatur, darüber, daß so wenig Produkte erscheinen, aus welchen eigentlich Genie hervorblickt, sagt er freilich manches Gute. Aber wen nahm er nun von dem allgemeinen Verdammungsurteil aus? Haben Sie je solche Zusammenstellung gehört? Jacobi, Spittler und Löffler aus Gotha, den letztern aber nur nach einem Gespräch mit ihm, nicht nach seinen Predigten, wonach er ihn nur für einen »vornehmen Philister« gehalten hätte. Denn Philister ist ihm jeder, in dessen Produkten wohl Richtigkeit der Ideen, Korrektheit der Sprache, Eleganz der Darstellung, aber nicht eigentliches Genie ist.

Von Zürich aus besuchte ich Zug und Luzern. Ich hatte schönes Wetter und konnte die herrlichen Aussichten am Züricher See ganz genießen.

Noch schöneres und heiteres Wetter hatte ich auf meiner jetzigen Wanderung, auch die höchsten Berge bedeckte kein Wölkchen. Ich ging in das Lauterbrunner- und Grindelwalder- und von da über die Scheideck in das Haßlital, dann die Aar hinauf bis nach Spital, um über die Furke den Gotthard zu ersteigen. Allein ein tiefer Schnee, der gerade fiel, als ich in Spital übernachtete, vernichtete meinen Plan und ich mußte wieder umkehren. Ich brachte sehr glückliche Tage in diesen rauhen, wilden Gegenden zu. Nie wurde meine Seele mit so großen Bildern unwiderstehlicher, alles zerschmetternder Gewalt und widerstrebender, trotzender Stärke erfüllt, nie drängte sich mir so stark das Gefühl einer zahllosen Reihe verflossener Jahrhunderte auf, nie dämmerte in meiner Seele ein Ahnen unabsehbar ferner, wieder zertrümmernder und wieder schaffender Zukunft! Wenn ich manchmal aus einem engen, umschlossenen Tal auf die höchsten unersteiglichen Gipfel der Gebirge rund umher sah, wie sich die Ideen der Einöde, der Einsamkeit, des Blicks in weite Fernen von der schwindelnden Höhe, rege Erwartung dessen, was hinter jenen Bergen, über jenen Gipfeln hinaus ist, meiner Seele bemeisterten, wie dadurch alles Nahe, Gegenwärtige, Gewisse in ihr verschwand und nur das Vergangene, Zukünftige, Entfernte, Ungewisse meine träumende Phantasie umschwebte! 0! lieber Forster, wir müssen einmal zusammen eine eigentliche Gebirgsreise machen. Das ist weniger kostbar und weniger langwierig als eine Reise nach England und muß Ihnen, als Naturforscher, doch auch sehr wichtig sein ...

An Karoline.

Von Weimar, Januar 1790.

... Deinen Brief habe ich empfunden, wie Du ihn schriebst, und das überwallende Gefühl meines Herzens dankt Dir für die Momente, die er mir gab. Auch ich, meine Lina, fühle tief unsre Trennung. Deine Liebe hatte mich so namenlos beseligt, und die Seele, die diesen Genuß einmal kostete, ist jedem andern verschlossen. Dann treibt mich so manche andre Idee, Empfindung um. Ich bin nicht fähig, zu sein wie sonst; selbst Karoline muß das bemerken. Sonderbar ist's. Alles in uns vereinzelt uns auf unsre Gefühle hin, alles außer uns reißt uns davon los.

Hier war's eine eigene Existenz. Schiller wurde in den ersten Stunden vertraut, das heißt, er genierte sich nicht. Aber die Art, wie sie untereinander sind, drückte mich oft. Wenn ich Karoline ansah, über ihn hingelehnt, das Auge schwimmend in Tränen, den Ausdruck der höchsten Liebe in jedem Zuge, – ach, ich kann's Dir nicht schildern, wie mir's dann ward. Denn es war kein freies Äußern, kein Hingeben in die Empfindung, alles gehalten, gespannt. So viel Fähigkeit zu geben und zu genießen, und die gehemmt. Wenn es nun so fortgeht, denk' ich immer, tötet endlich das ewige Hemmen die Kraft, es stirbt hin, was in sich so beseligt, so viel Schönes erzeugt hätte, und man sitzt endlich wie der Adler mit gelähmtem Flügel am Strande des Meeres und blickt zur Sonne und vermag kaum mehr den Gedanken zu fassen: ich war einst da. Mir gibt's keinen andern reinen Gewinn, als was in schönen Seelen schön empfunden wird, und der höchste Genuß – wer ihn auch genieße – ist mir höchstes Gut, dem ich alles opfern könnte. Und in unserm Leben werden gerade immer die schönsten Gefühle vernichtet, die höchsten Genüsse gestört.

Da nennen sie Ruhe, was Leere ist, und arbeiten darauf hin und vegetieren. Immer möchte das sein, wenn darum bloß weniger genossen würde. Aber so ist der Genuß der Vater der Kraft, und nie wird etwas Schönes genossen, ohne daß etwas noch Schöneres daraus hervorgeht. Und doch ist's nicht unmöglich, das Individuelle unsrer Empfindung auch unter den Einschränkungen zu erhalten, die die Allgemeinheit unsrer Lagen setzt. Wenigstens kann es jeder für sich bis auf einen gewissen Grad. Und weil man das kann, und weil Du meine Sehnsucht fühlst wie ich, daß man es muß, so bin ich unsres Glückes so gewiß ...

An Karoline.

Dessau, 15. Januar 1790.

... Die Natur schuf uns für einander, oder – ach! daß mein Herz noch so oft nicht Mut hat, das Grenzenlose Deiner Liebe zu fassen – sie gab nur Dir die Fähigkeit, mich zu beglücken.

Wie so alles in uns immer eins war! Wie so immer gleiche Höhe, gleiche Weite der Empfindung, wie in uns beiden der äußere und innere Sinn immer so gleich zusammenschmolz, wie in uns beiden immer jener diesem gleiche Glut lieh und in uns beiden immer dieser jenen auf gleiche Weise verschlang! Hätte ich Dich nie gefunden, so hätte ich wohl glücklich sein können, aber den höchsten Grad des Glücks hätte ich nimmer erreicht. Und doch fühl ich's, daß meine Liebe noch immer höher, schöner werden wird. Meine Seele ist noch nicht groß genug, die Deine ganz zu umfassen, so vieles ahnt sie nur erst, so vieles liegt erst dämmernd vor ihr da. Aber Liebe erhöht die Kraft, und mit der Kraft wächst auch wieder die Liebe.

Daß Du so gar nicht fühlst, wie so unendlich viel Du bist, meine Lina! Diese Stille, diese Bescheidenheit, diese Innigkeit in Dir reißt mich zu so entzückender Bewunderung hin. Wie alles so tief in Dich eingeht, so fest in Dir haftet, so schwer sich wieder losreißt! Du bist so ganz, was Du bist, trennst Dich so gar nie von der Masse aller Deiner Empfindungen! Und diese Empfindungen beruhen alle auf so feinen und tiefen Ideen und erhalten dann Leben und Glut von einem so feinen Schönheitssinn, der ihnen so viel von den äußern Sinnen borgt und doch nie das Seelenvolle in ihnen mindert.

Dies mir zu denken, Dich, wie ich Dich empfand, wie Du in mich übergingst, mir darzustellen, zu bilden – beschäftigt mich jetzt unaufhörlich. Dann kehrt jede Szene unsrer Liebe in meiner Phantasie zurück, und jede dieser Erinnerungen sagt mir, wie namenlos Du mich liebst. Dann entbrennt meine Einbildungskraft, dann vergeß ich mich selbst, und endlich scheint mir's ein Traum ...

Karoline an Humboldt.

Erfurt, Mittwoch, den 10. März 1790.

Über acht Tage hat mein erstes Blatt wieder müssen liegen bleiben. Die Nacht darauf, daß ich den beiliegenden Brief geschrieben hatte, bekam ich wieder meine gewöhnlichen Brustschmerzen, die diesmal noch empfindlicher und anhaltender waren wie sonst. Doppelt habe ich gelitten durch den Gedanken, daß Du und Karoline wieder so lange ohne Nachricht von mir bleiben mußtet, und doch konnte ich unmöglich schreiben. Die Empfindung, die ich in der Brust hatte, war, als ob man mir ein glühendes Eisen durchgezogen hätte, und bei der geringsten Beugung vermehrte sich die Spannung so, daß es mir an Atem mangelte. Nun geht es etwas besser. ... Ich will das Beste hoffen, o, die Zukunft wird mir geben, was gut ist, möge sie mir eine dauernde Gesundheit bringen, die schönste Blüte des Lebens geht ohne sie verloren. Wenn die besten Kräfte des Geistes darauf verwandt sind, den Schmerz zu bekämpfen, so verliert die Seele ihren süßesten Genuß, die schöne Fülle, mit der sie die Gegenstände umfaßt, aus denen sie in sich liebliche Gestalten bildet. ...

Der Tasso ist gar herrlich. Goethe hat sich bei uns sehr in Kredit gesetzt, weil er die Frauen so darinnen lobt, – es sind köstliche Sachen, er liegt immer bei mir, man wird nicht müde, ihn zu lesen. Ja, wohl muß die Stein viel genossen haben, als er sie noch liebte – aber nun von ihm verlassen –, das muß sehr weh tun. Ich kenne dies Verhältnis nicht genau; aber so viel habe ich wohl gemerkt, daß sie hin und wieder klein und er indelikat gehandelt haben ...

An Karoline.

Berlin, 18. Mai 1790.

... Und dann, meine Lina, dann beginnt unser stilles, einsames, glückliches Leben! Ich bin sonst so selten gewohnt, mit meinen Träumen in der Zukunft zu weilen. Ich hielt mich so gern an der Erinnerung fest und vermied es, ungewissem Hoffen zu trauen. Aber in dieser Zukunft ruht meine Phantasie unaufhörlich. Du erst hast sie mir gegeben, diese Zuversicht des Erwartens. Du erst hast jede bange Sorge, jeden ängstlichen Zweifel an künftigem Glück zerstört. Nie, in den kühnsten Ausflügen meines sehnenden Herzens, träumt' ich mir eine Seligkeit wie die, welche jetzt mir schon so nah ist. Wir werden nun unzertrennlich miteinander leben, miteinander werden sich nun alle unsre Ideen, unsre Empfindungen entwickeln, jeder Tag wird uns inniger ineinander verschlingen.

Ich fühle es so lebhaft vorher, wie erst das mich gut und stark und groß machen wird, dies ewige ungestörte Anschauen Deiner unendlichen Güte, der Feinheit, der Grazie Deiner Seele! Wir werden uns so viel einander geben, wir werden jeder nur durch den andern eigentlich leben und da sein, und doch wird gerade dieser Gedanke noch der kleinste Teil unsres Glückes sein. Aber Dich leben und weben zu sehen in der ungebundenen Freiheit Deines Wesens, die immer neuen, mannigfaltigen und immer gleich schönen Gestalten Deiner Seele zu beobachten, das wird mein Leben so wonnevoll machen. Wie meine Seele, genährt mit diesem Anblick, sich dann höhere und schönere Ideale schaffen, wie sie mit rüstiger Kraft zu ihnen aufstreben wird! Wieviel mehr Gutes in mir entstehen, wieviel mehr von mir ausgehen wird! Nicht wahr, meine Lina, Du lebst wie ich in dieser seligen Zukunft? Du warest noch nie recht glücklich, der Stunden eigentlichen Genusses wurden Dir so wenige, und mancher Kummer trübte sie wieder. Aber dann wirst Du glücklich sein. O! Du siehst, wie mein Herz es aufgefaßt hat, dies unumschränkte Vertrauen auf Deine Liebe, siehst, wie zuversichtlich ich glaube, daß Du Deine Glückseligkeit aus mir schöpfen wirst, wie ich die meinige aus Dir.

An Karoline.

Berlin, den 29. Juni 1790.

... Noch niemand hat mich so gefaßt wie Du, niemand so verstanden. Alles, was mich manchmal selbst bei mir freut, das hast Du so tief und gleich gesehen und fühlst es überall, wo es, in welcher Gestalt es sei, erscheint. Ich erkläre mir das immer so. Mir ist's, als hätte dem bildenden Geist, der uns schuf, immer bei jedem von uns eine Idee von Vollkommenheit – höhere und geringe – vorgeschwebt, und nach dieser Idee hätte er unser Wesen geformt. Wo nun die Idee groß, die Form schön war, da bleibt das Gepräge in jedem Ausdruck, jeder Handlung, jeder Äußerung des Menschen – sie sei gut oder böse –, und der tiefe Späher findet sie überall wieder und freut sich der Hand Gottes im Menschen. Wir selbst fühlen diese unsre ursprüngliche Form manchmal, aber nur in den Augenblicken, wo wir ganz in uns hineingehen. Zu diesen Augenblicken führt kein Nachdenken, oder nicht leicht. Eine Art von Begeisterung zieht den Vorhang uns auf, und dann fällt er wieder, und die Erinnerung umschwebt uns wie ein Traum. Mir geht's manchmal so, und wenn ich einmal recht unzufrieden mit mir bin, dann sage ich mir manchmal, und ich bin doch gut! und dies sag' ich mir nur im Andenken so eines Augenblicks. Aber in den wahrhaft großen und schönen Wesen ist's anders, da ist die Form rein und unentstellt erhalten, da stellt sie sich in ihrer ursprünglichen Wahrheit in jeder Äußerung ein, da bedarf es nicht des begeisterten Augenblicks – nur des Sinnes, ihre Schönheit zu empfinden. Das sind die Wesen, deren Adel man anbetet, und so betet man dich an, Lina, so betet Dich jeder an; aber mit dieser Glut der Andacht, mit dieser Innigkeit der Demut nur ich!

An Karoline.

Berlin, 22. September 1790.

Gib Deinem Geiste Beschäftigung, wenn Du kannst; es zerreißt die Seele, aber es füllt doch und verzehrt nicht so langsam. Ich habe schon viel zu tun und werde bald sehr viel haben und zum Teil Sachen, die mich sehr anziehn. Jetzt gerade ein paar Urteile gegen eine Kindesmörderin und gegen einen Brandstifter. Alle solche Menschen scheinen mir jetzt so wenig schuldig. Wenn ich bedenke, wie oft die Ideen sich so sonderbar aneinanderreihen und wie leicht bei manchen unternehmenden Charakteren der bloße Gedanke Tat wird, so schwindelt's mir oft im Kopf, ob man bestrafen oder belohnen soll. Und dann ein Blick auf das angerichtete Übel, auf die übrigen Menschen, auf die ganzen äußeren Lagen, in die nun so ein Ideengang, so eine Ansicht nicht paßt. Dazwischen ein ewiger Streit, und den mit Schwert und Kerker zu schlichten. Sonderbar genug! Wären die meisten Verbrecher Menschen von großem Gehalt, so würde es mir nicht leid tun, auch streng zu sein. Der Leidende dächte dann: ich habe die Freude gehabt, nach meinen individuellen Gefühlen, in unabhängiger Freiheit zu handeln; es ist billig, daß ich dulde, was daraus natürlich entspringt. Aber so sind die Besseren unter den Verbrechern meist Menschen, die nicht anders handeln konnten, und daß sie nicht konnten, ist teils so menschlich, teils so gut. Da zerknickt man denn mit der Strafe jedes höhere, schönere Gefühl und zwingt die Menschen zu Kälte und Fühllosigkeit. Sonst sah ich das anders an, ich wäre aus Grundsatz streng gewesen. Die Menschen müssen leiden, um stark zu werden, dacht' ich. Jetzt denke ich, sie müssen Freude haben, um gut zu werden. Ich bin viel sanfter, viel menschlicher geworden. Wie bin ich überhaupt so anders, seitdem Dein Wesen in das meine verwebt ist, nun seitdem ich Dich liebe. Wie ist mein Geist mehr gehoben, mein Herz besser, mein ganzes Wesen veredelt. Und seitdem Du mich liebst, wie bin ich da so viel jugendlicher, blühender, glücklicher! Jeder, der mich sieht, dächt' ich, müßte die Pflege Deiner Hand an mir erkennen, müßte sehen, daß nun Du mich hegst und trägst und beseligst. Denn, daß ich glücklich bin, glücklicher, wie ich je den glücklichsten Menschen sah, das sagt mir doch jeder Augenblick, das Geständnis preßt mir doch selbst der Trennung wehester Moment aus.

An Karoline.

Berlin, 30. September 1790.

Wie so ein schöner Gedanke ist's, meine Li, daß alles Vollkommenerwerden nur ein Zurückkehren ist zu dem ursprünglichen Dasein. Auch mir war's oft so. Durch alle Hüllen hindurch, die in dem eingeengten Leben die Urschöne der Seele verdecken, erblickt man doch in Momenten der Begeisterung die eigentümliche Gestalt und ahnt mit hoher, fester Gewißheit, daß einst eine Zeit die Schleier hinwegheben wird. Und immer ist der Genuß in diesen Momenten zwiefach. Denn auch sich empfindet man größer und schöner, weil es des vereinten Strebens der edelsten, besten Kräfte bedarf, um zu fassen, was den meisten Blicken entschlüpft. Darum irrt man sich in seiner Menschenkenntnis so oft, weil man nicht unterscheidet, was den Menschen eigentümlich ist, und was nur aus dem Zusammenhange der Umstände von außen und aus dem inneren Mißverhältnis und Entgegenarbeiten der Kräfte entsteht. Nur aus dieser eigentümlichen Gestalt läßt sich beurteilen, wieviel ein Mensch je zu werden vermag, und nur durch ihren Anblick läßt sich die Gewißheit über einen Charakter erhalten, die ohne ihn durch das bloße Urteilen aus einzelnen Ideen, Handlungen, Reden alle Augenblicke wankend werden muß, besonders bei Menschen, deren Ideengang schnell und ungleichförmig ist. Nur nach dieser Urgestalt müßte man Charaktere schildern, und nur durch sie entsteht Liebe im echten Sinne des Worts. Und hier, dünkt mich, liegt der Grund, warum die Liebe immer von der Sinnlichkeit unabtrennbar, immer bedürfend der Gegenwart ist. Denn nur das Wahrnehmen des ganzen Menschen in jeder möglichen Art der Äußerung vermag ein Bild dieser Urgestalt zu geben. Der ganze Körper, vor allem aber das Auge, ist ihr Abdruck; einmal der Körper in Ruhe, dann aber vorzüglich in Bewegung. Die Schnelligkeit oder Langsamkeit, die Heftigkeit oder Ruhe, die Leichtigkeit oder Ungeschicklichkeit, die Feierlichkeit oder Einfachheit der Bewegung in ihren kleinsten Graden und feinsten Spiegelungen sind eigentlich das, woraus man die Natur der Empfindung, die Weite, Tiefe, Lebhaftigkeit berechnen kann. In Dir ist der Ausdruck dieses eigentümlichen Wesens unendlich stark und lebhaft. Wie ich Dich auch noch wenig gesehen hatte, wußte ich doch mit Gewißheit, wie Du in jeder Lage, bei jeder Empfindung, jeder Handlung sein müßtest, und nur weil ich überzeugt war, wie unendlich schön und groß Du in jedem Moment erscheinen müßtest, konnte ich zu diesem Gefühle von Liebe gehoben werden. O! unsre Wesen, holde, süße Li, sehen sich, wie sie sind, ungehemmt und uneingeschränkt von all dem Fremden, was jetzt auf sie wirkt, und nur dies rastlose Streben, uns ewig so zu schauen, und diese ewig glühende Sehnsucht, uns in dieser ursprünglichen Gestalt miteinander zu vereinen, ist es, was unser Glück über das Glück aller Menschen emporhebt, deren Art zu sein ich zu ahnen vermag. Ewig schweben mir diese Ideen vor, ich möchte Muße haben, mich ihnen zu überlassen, damit ich tiefer in sie dränge und sie mir deutlicher vorständen; allein meine Seele ist so gestört, mein Geist so heruntergestimmt. Oft ist's mir, als könnte ich gar nicht schreiben. Du mußt es auch an meinen Briefen fühlen. Da ringe ich mit meinen Empfindungen, die ich nicht loszureißen vermag, mit der Sprache, die sich der Idee nicht anschmiegen will. Laß mich erst bei Dir sein, mit Dir leben, dann wird's besser gehn. Trage mich bis dahin. Ach! wie ist Dein letzter Brief so schön und so lieb. Faß es, Li, wie Du mich glücklich machst. Jeder Augenblick ist mir so süß, jeder anders als der entflohene, und in jedem gibst Du meiner Seele die Wonne, die sie bezaubert – oft eine so schmerzliche, seelenzerreißende Wonne. O! Li, nie kannte ich, nie ahnte ich diese Gefühle, ich liebte Dich lange; aber was mich jetzt beseelt, ist ein neues, schöneres Leben. – Mit Deiner Gesundheit geht's besser, Li. Ich hofft' es nicht, aber es ist, als gäbe unsre Liebe uns ein andres Dasein.

... Mit meiner Lage, unserm Plane geht's sehr gut. Die Menschen kommen mir zuvor und zeichnen mich auf jede Art aus. Ich sehe nichts, was uns hindern könnte. Wenigstens bringt doch jetzt, da meine Probearbeiten zum Teil schon angefangen haben, jeder Monat uns schon näher. Die Zeit, da ich fertig bin, läßt sich so pünktlich nicht bestimmen. Ginge alles recht gut, so wär's vielleicht noch ein paar Monate vor dem Schluß des folgenden Jahres, das wünschte ich herzlich. ... Übrigens ist's doch sehr gut, daß ich so lange hier blieb. Äußere Lagen haben doch immer einen äußerst großen Einfluß, und meine äußere Lage gewinnt dadurch unendlich. Man lernt mich hier besser kennen, ich gewinne die Leute mehr, ich kann auf schnelleres Fortkommen rechnen. An sich läge mir gerade daran nicht viel, allein bei unserm jetzigen Vermögen muß ich doch dienen. Die Arten, wie ich meine Einkünfte außerdem vermehren kann, sind immer ungewiß und nicht dauernd, und es ist doch so nötig, ein wenig mehr zu haben, als man nur höchst notwendig braucht. Man kann so oft Menschen aus so großer Verlegenheit ziehen, und es tut sehr weh, wenn man sich und andern die Freude versagen muß. Von unsrer Einrichtung muß ich Dir noch ein paar Worte sagen. Vergiß ja nicht, das Service bei B. zu bestellen. Es wird sehr leicht werden, Erlaubnis zu bekommen, dergleichen Dinge hereinzubringen. Mama hat mir zwar neulich ein sehr vollständiges porzellanenes geschenkt, allein wenn ich mich nicht irre – ich habe es lange nicht gesehen und mir jetzt nicht zeigen lassen –, so ist's nicht ganz neumodisch, und auf alle Fälle sind zwei gut. Für ein silbernes Besteck brauchen wir auch nicht mehr zu sorgen. Mein ältester Bruder hatte eins, und da er Geld brauchte, so habe ich's ihm nach dem Gewicht abgekauft. Mama spricht noch oft von Dir und Deiner Einrichtung, und neulich hat sie mir Deinen Brief zu lesen gegeben. Du hättest dabei sein müssen, wie ich meinen eignen Wisch wieder mußte loben lassen. –

An Karoline.

Berlin, Sonntagabend, 31. Oktober 1790.

... Ach! wahrlich, Li, wer ein Glück genießt wie das, was unsre Liebe uns schafft, der läuft nicht Gefahr, kleinlichen Eitelkeiten zu unterliegen; es gibt ja für ihn nur das einzige, herzerschöpfende Gefühl, das ihn aus sich selbst in den Geliebten hinüberzieht, alle Kräfte des Wesens ausfüllt. Nur in meinen Geschäften ist mir die Meinung der Menschen lieb, weil sie mich da teils weiterführt, teils mir die Arbeit erleichtert. Mit diesen Geschäften ist's wieder so ein eignes Ding. Sonst dachte ich nie, daß ich gut arbeiten würde; ich habe doch eigentlich so wenig praktisches Geschick, und das gehört mehr dazu als Kenntnisse; nun sagen die Leute, daß ich's tue, und wenn mir das freilich auch in meiner jetzigen Lage lieb ist, so ist's mir auch unlieb, weil es mir der Arbeit mehr bringt und mir das Entfernen von allen Arbeiten einmal erschweren wird. Und doch denk' ich mir dies Entfernen jetzt mehr als je. Ich fühle es wohl, daß ich schon jetzt recht nützlich bin in gewisser Art und es künftig in einem eigentlichen und größeren Wirkungskreise sehr sein könnte. Aber was ist dieser Nutzen gegen den, den man stiftet, wenn man in ungebundener Geistesfreiheit nur sich und den Menschen lebt, an die man durch Liebe geknüpft ist. Und da rauben die Geschäfte unendlich. Erst so viel Zeit, dann Stimmung, sie machen Kopf und Charakter platt, weil sie beide so auf die gewöhnlichen, allgemein geltenden Ideen herunterziehen, weil man so viel Mechanisches verrichten muß, höchstens der Scharfsinn geübt wird, und weil die Idee des Nutzens, der aufgewandten Zeit und der Quantität der fertiggemachten Arbeit eine so leere Eitelkeit gibt. Diese erniedrigenden Folgen fürchte ich ewig auch bei mir, und wenn dann der Gedanke mir kommt, ich könnte dadurch einmal noch weniger sein, als ich jetzt bin, noch weniger wert, in der Liebe meiner Li zu leben, dann wird mir sehr trübe.

Die Arbeit gibt mir auch an sich keine Freude. Äußere Vorteile strebe ich nicht dadurch zu erreichen, ich hätte nie ehrgeizig werden können, und in sich freut mich selbst die Güte der Arbeit nicht. Denn auf der einen Seite weiß ich doch zu gut, was auch das Ideal einer solchen Arbeit wäre, als daß ich mir je genügen sollte, und auf der andern haben die Talente, die zu diesem Genügen erfordert würden, keinen innern Wert in meinen Augen. Die interessantesten Sachen sind freilich Kriminalsachen, und ich arbeite fast nichts als die. Aber da muß man nun von dem Charakter so eines Unglücklichen reden und räsonnieren: so war er, und so war er nicht, und darum ist er nun so und so schuldig. Da komm' ich mir immer wie ein Kind vor, das über die Handlung eines Mannes urteilt. Aus so einem ungeschickten Stück Akten will ich wissen, wie der Mensch ist in seinen Ideen, Gefühlen, und noch dazu meistens ein Mensch, der in so verschiedener Lage mit mir lebt, daß es mich, auch wenn ich ihn um mich hätte, Studium kosten würde, in ihn hineinzugehen. Das Resultat dieser Beobachtungen, das oft so fein ist, muß ich dann einem steifen, positiven Gesetz anschmiegen und, diese Kluft zu überspringen, meine Zuflucht zu einem scharfsinnigen, oft spitzfindigen Räsonnement nehmen.

Was mich aber am meisten kränkt, das ist eben dies Räsonnement über den Charakter. Denn es muß doch weit peinlicher sein, sich falsche Beweggründe unterschieben zu sehen, als selbst die härteste Strafe erdulden. Die Arbeit, von der ich Dir neulich schrieb, war von der Art. Eine Person hatte ihr fünfmonatiges Kind umgebracht, weil sie es nicht unterbringen konnte und nicht zu ernähren wußte. Es kostete mich da immer weit mehr, zu sagen, sie hat es aus Gleichgültigkeit gegen das Leben des Kindes getan, aus feiger Trägheit, es mit Mühe zu ernähren, als sie zu ewigem Gefängnis zu verurteilen. Ich weiß denn auch wohl, daß das nur in meiner Empfindung so ist, nicht in der der Menschen, über die ich spreche, daß ich also selbst durch ein ganz falsches Räsonnement, sobald ich nur nicht zu hart strafe, nicht kränke; aber meine Einbildungskraft stellt es mir doch einmal so vor, und um eigentlich ganz edel gegen die Menschen zu handeln, muß man sie sich doch immer ebenso feinfühlend denken, als man sich selbst in einem gleichen Falle zutrauen würde. – – Verzeih mir, meine Li, daß ich Dir so viel von diesen Dingen vorschwatze, aber es ist doch das, womit ich mich jetzt am meisten beschäftige, und da denke ich, muß Li wissen, wie das auf mich wirkt. Mußt aber nicht glauben, daß ich eben ungern arbeite. Nein, wirklich nie. Täte nur lieber etwas andres, wodurch ich in mir mehr, Lis werter würde und ihr mehr und höheres Glück gäbe. Denn dazu, dazu allein möchte ich doch leben, und ich werde nie glücklich sein, bis ich nicht fühle, daß ich nichts, nichts mehr denke, empfinde, tue, was nicht Li glücklicher macht. Jetzt denk' ich es bei der Arbeit nun wohl, denn diese Arbeit verkürzt die Zeit unsrer Trennung. Aber oft denke ich auch, ob es nicht besser gewesen wäre, diese Zeit ganz abzuschneiden, gleich oder doch jetzt gleich meinen Abschied zu nehmen und Dir zu leben und mir ...

An Karoline.

Berlin, Montag, 8. November 1790.

Gestern früh ging ich um sechs Uhr aus, es blinkten noch ein paar Sterne, ich ließ sie Li grüßen, aber sagten mir, Li schliefe noch ... Aber ich wollte erzählen, wie ich um sechs Uhr ausging. Ich lerne jetzt Hebräisch bei Spaldings jüngstem Sohn, den ich wohl leiden mag, weil er ein guter, wenngleich oft ein etwas platter Mensch ist. Die Sprache interessiert mich bloß um ihrer selbst willen. Sie weicht so erstaunlich von allen andern ab, und sie trägt noch so viele Spuren von der ersten rohen Ideenentwicklung. Das ist mir überhaupt beim Sprachstudium fast allein wichtig, daß man die vielfältigen Arten kennenlernt, in welchen die Ideen ausgedrückt werden können. Der eigne Ausdruck in der Sprache, in der man nun selbst schreibt oder spricht, erhält nicht bloß dadurch mehr Geschmeidigkeit und eine mannigfaltigere Bildung, sondern die Klarheit der Ideen selbst gewinnt, je mehre und verschiedene Formen man davon lernt. Ich kann aber so wenig Zeit darauf wenden, nur Sonntagvormittag. Außerdem höre ich Astronomie bei Bode und lese manchmal in Lis Buche. Ja, darin und in dem Petrarka, den mir Li mitgegeben hat. Sonst kann ich nichts für mich tun, nicht einmal ein Buch lesen, die Geschäfte rauben mir eine schreckliche Zeit. Indes arbeite ich nicht ungern. Es ist doch immer ein gewisses Interesse, bald des Scharfsinns, bald des Wissens, freilich oft auch nur des Fertigseins dabei, und dann arbeite ich gern und schnell, weil meine liebsten Hoffnungen nähergerückt werden. Noch geht alles recht gut...

14. November.

Schilt Billn nicht, daß er so kindisch ist. Hat heute noch eine Entdeckung gemacht, die ihn so gefreut hat. Li heißt auf hebräisch mein, brauche nun nicht mehr zu sagen »meine Li«, Li ist schon mein; aber Bill heißt nicht Dein und ist doch auch Dein. Ach! wohl ist er Dein.

An Karoline.

Berlin, Sonntagabend, 13. Februar 1791.

Es ist so eine milde Frühlingsluft, in der es einem immer so wohl wird. Ich ritt heute spazieren, die Gegenden haben noch so etwas Herbstliches. Mit unendlichen Gefühlen ruft mir ihr Anblick die Vergangenheit zurück. Wie ich von Dir ging, fing auch schon das Laub an zu fallen, und die Pappelallee trauerte im entblätternden Sturm. Ach! der vorletzte Morgen! Wie wir noch den König von Thule am Wasser hersagten, beide schon so schmerzlich in innerster Seele bewegt und doch noch empfänglich für die Wonne, uns noch zu besitzen. Und dann gingen wir zum Baum unsrer Liebe und schnitten wechselweis – jeder einen Buchstaben – den Tag ein, und Du schlangst ein Haar um die teuren Namen. Haar wird der Wind hinwegwehen, Baum wird einmal hinwelken, aber wir werden ewig bleiben und ewig unsre Liebe. Ach! Du sagst es so wahr: in den Momenten, wo wir ganz uns eigen sind, ist es etwas Unzerstörbares, nie Hinschwindendes, das uns umwallt... Noch nie war es mir so. Aber was hatt' ich auch sonst, das mich getragen hätte durch den Wechsel der Zeit, ehe dies einzige Gefühl mich belebte. Ihm nur dank' ich diesen Blick in eine nie endende Zukunft, ihm die Gewißheit einer höheren Vollendung, die mich nimmer, nimmer verlassen wird. »Was bin ich?« frag' ich mich noch jetzt oft, wenn ich empfinde, wenn es mich beseligt, wie Du mich liebst. Es ist so wahr, als es einfach ist... Aber Deine Liebe heiligt mich, und daß ich Dich liebe, mit diesem Gefühl, mit diesem Hingeben des ganzen, ganzen Seins. O! Du wirst glücklich sein, meine Li. Du wirst ewig sehn, welche Wonne Du mir gibst, wie ich aufblühe an Deiner Seite und mich größer fühle und schöner in dem Odem Deiner nie ausgesprochenen Gefühle. Ich kann nicht emporstreben, kann mir selbst nicht genügen, wenn ich nicht in höchster Freiheit leben darf. Ich fühlte, wie glücklich ich sein würde mit einem Wesen, das ich liebte, dessen Schönheit mir in ihrem Anschauen so reiche, selige Wonne gewährte; aber immer war es mir auch, als wäre dann doch zugleich auf ewig dahin, ohne was die Entwicklung keines Wesens gedeiht, die höchste Freiheit des Geistes und der Empfindung. Denn – verzeih meinem Mißtrauen, teures, einziges Weib – ein Wesen zu finden, mit dem ich in dieser Freiheit existieren könnte, das seine Seligkeit darin fände, sie zu geben und zu empfangen, das hofft' ich nie. Ich kannte ja Dich noch nicht, wußte nicht, wie Du, wie ich nur aus dieser Freiheit Deine höchsten Freuden schöpfest... Wir werden nichts hingeben, nichts aufopfern, in der höchsten Schönheit werden wir nebeneinander aufblühen, und nie wird nur ein Moment unser wonnevolles Dasein trüben. Die höchste Liebe ist immer auch mit der höchsten Freiheit gegattet. Aber wie wenige haben Kraft, diese höchste Liebe zu fassen, und in diesen wenigen, wie gleicht sie dem kurzen Lenz einer schönen, aber hinwelkenden Blüte. In uns wird sie ewig sein und unvergänglich. Dein ganzes Wesen geht aus Liebe hervor, und mich hebst Du zu der Höhe empor, zu der ich sonst nie gestiegen wäre. Ich kann nicht danken, heiliges Wesen.


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