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Das Recht im absolutistischen Staat

Wenn man die kurzen Entscheidungen durchblättert, die Friedrich Wilhelm in Beantwortung der Anfragen seiner Behörden niederschrieb, glaubt man, ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht zu lesen, wo der Sultan, und zwar nicht gerade ein gerechter Harun al Raschid, je nach Gutdünken Bastonaden, den Strang oder Zechinen an seine Untertanen austeilt. Zum Glück für die Untertanen des Königs von Preußen hatte derselbe die Einrichtung der Rekrutenkasse geschaffen, aus welcher die Anwerbungen für die ihm so teuren langen Kerls bestritten wurden; eine Einzahlung in diese Kasse konnte sie mitunter vor den ärgsten Unannehmlichkeiten bewahren. Wir hören, daß der Superintendent August Wilhelm Gutjahr in Wernigerode einen recht schönen, wohlgeratenen Sohn ins Hannoversche geschickt hatte, anstatt ihn an das Regiment seines Landesherrn abzuliefern. Trotz der Fürsprache des Grafen von Wernigerode beharrte der König auf seiner Forderung, und da der geistliche Herr mit dem verzweifelten Mute der Vaterliebe weder seinen Sohn noch auch einen Stellvertreter stellen wollte, mit welch letzterem der König schließlich sich begnügen zu wollen erklärt hatte, wären die ärgerlichsten Folgen entstanden, wenn nicht eine Zahlung von 400 Talern in die Rekrutenkasse den Knoten glücklich gelöst hätte. Wenn es sich um Anstellung von Beamten handelte, wurde häufig derjenige bevorzugt, der die größte Summe in die Rekrutenkasse zahlte.

Zu willkürlichen Eingriffen in die Justiz hielt sich der König selbstverständlich berechtigt. Ein Domänenrat, der beträchtliche Summen unterschlagen hatte, die zur Ansiedlung der eingewanderten Salzburger eingezahlt waren, wurde, da er sich bereit erklärte, die fehlenden Summen zu ersetzen, vom Kriminalkolleg zu Berlin zu mehrjähriger Festungsstrafe verurteilt; der König ordnete an, er solle gehängt werden. Trotz der Unterwürfigkeit, an die sich bereits alle Schichten des Volkes gewöhnt hatten, war der Unwille über die Verletzung des Rechtsspruches allgemein. Bei der Sonntagspredigt über den Text: Übet Barmherzigkeit, damit ihr auch Barmherzigkeit findet, war der König zu Tränen gerührt; aber am folgenden Morgen ließ er den Schleebusch vor den Augen der Mitglieder der Kriegs- und Domänenkammer aufknüpfen. Ähnliche Fälle kamen mehrfach vor. Ein Geheimrat Wilke kam in Untersuchung, weil er, der die Anwerbung großer Rekruten als Nebengeschäft betrieb, dabei ansehnliche Summen eingesteckt haben sollte. Da ihm eigentliche Veruntreuung nicht nachgewiesen werden konnte, verurteilte ihn das Kriminalkolleg zu zwei Jahren Festungshaft. Ohne sich daran zu kehren, befahl der König, obwohl er den Wilke könne hängen lassen, wolle er doch aus angestammter Huld Gnade vor Recht ergehen lassen. Der Schuldige solle einmal vor der Hausvogtei, einmal vor dem Grumbkowschen Hause und einmal vor dem Spandauer Tor mit Staupen geschlagen und nachher auf Zeitlebens in das infame Loch nach Spandau gebracht werden. Einen Obersteuereinnehmer, dessen Abrechnung nicht stimmte, und der vom Gericht zu 4 Jahren Festung verurteilt war, ließ der König hängen; nachher stellte sich seine Unschuld heraus.

Leutnant Katte, der Freund des Kronprinzen und Mitwisser seines Fluchtplanes, wurde vom Kriegsgericht nur zur Kassation und zu mehrjährigen Festungsstrafe verurteilt, mit der Begründung, daß er seinen bösen Vorsatz nicht zur Ausführung gebracht habe. Durch Kabinettsorder verhängte der König das Todesurteil und fügte hinzu, der Schuldige hätte dem Rechte nach wegen begangenem crimen laesae majestatis mit glühenden Zangen zerrissen und gehängt werden sollen, in Rücksicht auf seine Familie solle er aber mit dem Schwert gerichtet werden. Die Bemerkung, die der König einfließen ließ, Katte habe der künftigen Sonne gedient, läßt vermuten, daß mehr Rache als Gerechtigkeitsliebe dieses Urteils Quelle war. Urteilsmilderungen waren seltener als Urteilsverschärfungen, und wenn sie stattfanden, war meistens das eigene Interesse als Grund ersichtlich, wie wenn ein großer Musketier der wegen Einbruchs und Diebstahls von 6000 Talern vom Gericht zum Strange verurteilt worden war, vom König begnadigt wurde. Nach Despotenart ließ der König seinen Launen und seinem Jähzorn den Lauf: wer ihn geärgert hatte, an dem mußte er sein Mütchen kühlen. In Preußen angesiedelte Schweizer forderten auf allzu stürmische Art, von einem Teil der auf ihnen lastenden Frondienste befreit zu werden. Solch Schelmenkrop, schrieb der erzürnte König, wolle er nicht dulden, man solle sie herausschmeißen und auf ihre Höfe gleich Litauer und Deutsche setzen, »und ihnen alles und alles geben, was die Schweizer hatten, auch die Betten und alles und alles.« Man meint den aufgeregten Mann zu sehen, wie er sich quält, seinen Worten den entsprechenden Nachdruck zu geben. Einen Prediger, der des Socinianismus verdächtigt wurde, bedrohte er mit Einmauerung.

Die Justiz damaliger Zeit war grausam, besonders soweit sie die unteren Klassen betraf. Die höheren Stände hatten das Gefühl, wenn, nicht wie der König über dem Gesetz zu stehen, doch ein Recht auf mildere und nicht entehrende Strafen zu haben. Jeder Dieb, hatte er auch nur eine Sache geringen Wertes gestohlen, wurde gehängt: man begreift, daß der König seine hohen Beamten, wenn sie viele Tausende veruntreuten, mit demselben Maß gemessen wissen wollte. Das Gesetz überhaupt zu mildern, kam ihm nicht in den Sinn. Im Jahre 1735 erschien ein neues Edikt über die Bestrafung von Hausdieben: Wer seinem Herrn über 3 Taler Wert entwendete, solle vor dem Hause desselben aufgeknüpft werden. Wirklich wurden ein Bedienter des Staats-Kriegsministers Happe und die Köchin eines Geheimrats Treuzettel vor den Häusern dieser Herren gehängt. Infolge des Despotismus entwickelte sich in Preußen eine geheime Polizei mit allen ihren Folgen. Sie war zur Beaufsichtigung von Steuerbeamten und Domänen Verwaltern gegründet worden, dehnte aber ihre Befugnisse immer weiter aus. Durch Angeberei machte sie sich so verhaßt und verächtlich, daß anständige Leute sich zu diesem Dienst nicht hergaben. Ein Gastwirt in Cleve wurde wegen eines Leberreims angeklagt, ein Generalleutnant von Wreech, der sich einen Ausfall auf die Behörde erlaubt hatte, rettete sich durch Zahlung in die Rekrutenkasse. Es erregte Genugtuung, daß ein besonders verrufener Generalfiskal wegen Fälschung von Anklagen und Zeugenaussagen nach Spandau gebracht werden mußte.

An der Günstlingswirtschaft und den brutalen Ministerstürzen hatte der Hofadel ebensoviel Schuld wie der Fürst. Die genußsüchtigen und geldgierigen Herren waren voll Eifersucht und Neid gegeneinander und verleumdeten sich aufs schamloseste unter dem Mantel freundschaftlichen Umgangs. Fiel einer in Ungnade, so verließen ihn selbst die Kreaturen, die ihm alles verdankten. Unaufgeklärt geblieben ist die Geschichte des Sturzes von Eberhard Danckelmann, dem allmächtigen Minister des ersten Königs von Preußen, von dem Friedrich um so abhängiger war, als Danckelmann ihn erzogen hatte. Man hat angenommen, daß gerade diese Abhängigkeit dem König lästig geworden wäre und daß die Königin ihn zu entfernen gesucht habe, weil er den Hof zur Sparsamkeit anhielt und überhaupt bevormundete; jedenfalls hat die zugleich schwächliche und grausame Art, wie der König seinen langjährigen Berater, an dem trotz sorgfältigster Untersuchung auch nicht die geringste Verfehlung zu entdecken war, erst entließ, dann seines Vermögens beraubte und ins Gefängnis warf, etwas besonders Abstoßendes. Auch die Minderwertigkeit der Nachfolger, die Friedrich seinem Minister gab, spricht gegen ihn. Friedrich Wilhelm I., der die Schwächen seines Vaters kannte, war gerecht genug, dem alten Danckelmann die Freiheit und einen Teil seines Vermögens wiederzugeben, aber doch nicht so gerecht, daß er seine Ehre wiederhergestellt hätte.

Friedrich der Große war ebenso autokratisch wie sein Vater, um so höher ist es ihm anzurechnen, daß er auf Zureden des Justizrats von Cocceji sich von einem gewissen Zeitpunkt an der Eingriffe wenigstens in die Ziviljustiz enthielt. Eingriffe in die Strafjustiz behielt er sich nur vor, um etwa die barbarische Härte der Gesetze zu mildern und um der Gerechtigkeit, wie er sie verstand, genugzutun. Das widerrechtliche Hausen der kleinen fürstlichen Tyrannen mißbilligte er durchaus.

Unter diesen ist der Herzog Karl Eugen von Württemberg besonders berüchtigt. Obwohl die Schwaben derjenige deutsche Volksstamm zu sein scheinen, der am meisten Rechtsgefühl besitzt, und obwohl Württemberg durch seine Verfassung vor dem Absolutismus geschützt schien, hatte sich derselbe doch üppig entwickelt, allerdings nicht ohne Widerstand zu finden. Da der Adel im Laufe des 16. Jahrhunderts aus dem Staatsverbande ausgeschieden war, setzten sich die Stände aus Vertretern der Geistlichkeit und der Bürgerschaft zusammen. Durch förmliche Verträge gesichert, hatte sich die Landschaft, wie die Stände in Württemberg genannt wurden, erhalten; aber sie waren doch vor der Willkürherrschaft jeweils etwas zurückgewichen. Ihr Steuerbewilligungsrecht war der Verschwendungssucht Karl Eugens im Wege und verursachte dauernde Streitigkeiten. Die Prachtliebe des Herzogs und die große Zahl seiner Mätressen verschlangen ungeheure Summen. Das Theater kostete zur Zeit seines größten Glanzes jährlich 300 000 Gulden, unverhältnismäßig viel für ein Ländchen von nicht ganz 500 000 Einwohnern. Durch alle erdenklichen Mittel, auf Schleichwegen oder mit Zwang, suchte Karl Eugen sich Geld zu verschaffen: Ämterverkauf, Abholzung der Wälder, Raub von Kirchengut, Münzverschlechterung, gewaltsame Erhebung ungesetzlicher Steuern, Subsidien von Frankreich. Der Subsidienvertrag zwang ihn dazu, das Heer zu vergrößern, und weckte den Ehrgeiz in ihm, als Kriegsheld zu glänzen. Auch darin hatte er die Stände gegen sich. Die Herren von der Landschaft waren nicht alle gleicher Meinung, manche rieten um des Friedens willen zur Nachgiebigkeit. Am folgerichtigsten, und standhaftesten war der Staatsrechtslehrer Johann Jakob Moser, Verfasser mehrerer damals viel geltender staatswissenschaftlicher Werke. Er hatte als Professor in Frankfurt a. d. Oder Erfahrungen mit dem Despotismus Friedrich Wilhelms I. gemacht, die seinen natürlichen Widerwillen dagegen verstärkten. In Streitigkeiten zwischen Landesherren und Ständen hatte sich der Kaiser zuweilen der Stände angenommen; in diesem Falle versagte die Berufung, weil der Kaiser auf den Herzog Rücksicht nehmen zu müssen glaubte, der infolge seines Vertrags mit Frankreich gegen Preußen, also auf Seite des Kaisers kämpfte. Im Jahre 1759 ließ der Herzog Moser verhaften und auf den Hohentwiel bringen, wo er ohne rechtliches Verfahren fünf Jahre bleiben mußte. Der Oberamtmann Johann Ludwig Huber, der eine unbewilligte Steuererhebung in seinem Amt verhinderte, wurde auf den Hohentwiel gebracht, aber nach kurzer Zeit auf kaiserliche Verwendung hin freigelassen. Ganz unbegreiflich ist die Behandlung der Sängerin Marianne von Geyerseck, einer geborenen Steiermärkerin, die mit ihrem Gatten, dem Violinspieler Pirker, ohne Verhör und Urteil acht Jahre auf dem Hohentwiel zubringen mußte. Sie verlor im Kerker ihre Stimme, mit der sie die Zuhörer in der Oper bezaubert hatte, und wurde wahnsinnig. Vielleicht ist in diesem Falle wie in dem des Dichters Schubart die Gewalttat des Herzogs auf beleidigte Eitelkeit zurückzuführen.

Schubart war nicht wie Moser und Huber ein Charakter, der aus Pflichtbewußtsein und Bürgerstolz Übergriffen des Herzogs Widerstand leistete; er war ein genialer, gegen jede Schranke unwilliger, seinen Leidenschaften hingegebener, mehr von Gefühlen als von Grundsätzen beherrschter Mensch. Nach saftigem Sichausleben dürstend, fühlte er sich in dem kleinen Geislingen, wo er Präzeptor war, nicht am Platze; die Enge der häuslichen Verhältnisse drückte ihn nieder. Es war ein Aufschwung, als ihn der Herzog im Jahre 1769 zum Organisten und Musikdirektor in Ludwigsburg ernannte. Er war damals 30 Jahre alt, künstlerisch hochbegabt. Der Dichter Matthisson, der ihn in seinen letzten Lebensjahren singen und spielen hörte, hat ihn den Shakespeare des Gesanges genannt. Vielleicht hat sich die eigentümliche Art seiner Begabung mehr noch als in seinen Gedichten in der vergänglichen Kunst des Musizierens und Phantasierens ausgesprochen. Seine Gedichte langweilen oft durch hohles Pathos; aber durch die aufgebeulten blechernen Floskeln blitzt immer wieder sieghaft der Goldglanz echter Poesie. Sein Urteil in künstlerischen Dingen war treffend, er begeisterte sich neidlos für alles Große und Schöne; was in der zeitgenössischen Literatur Gutes geschaffen wurde, entging ihm nicht. Sein religiöses Gefühl war aufrichtig, aber ohne vernünftige und sittliche Grundlage, und es gab ihm nicht immer den Halt, dessen er bedurfte. Seinem Hang zur Liederlichkeit und zu Ausschweifungen wirkte kein festes Pflichtgefühl entgegen. Es kam im Zusammenhang mit dieser Schwäche dazu, daß er seine Stelle verlor und des Landes verwiesen wurde. Im Unglück bewährte er sich besser als im Glück; allerdings machte er zuerst eine Zeit haltlosen Vagabundierens durch, tat dann aber einen glücklichen Griff, indem er eine Zeitung, die Deutsche Chronik, gründete, die rasch ein großes Publikum gewann. Sie setzte sich für gemeinnützige Ideen ein, wie es der Richtung der Zeit entsprach, namentlich aber für unverfälschtes Christentum und Freiheit. England und Nordamerika pries er als Vorbilder. In den Lesegesellschaften, die er gründete, machte er die Anwesenden mit Klopstock, Goethe und Leisewitz bekannt. Zuerst in Augsburg, dann in Ulm war er der Mittelpunkt empfänglicher, verständnisvoller Menschen. Man hat später gemeint, Schubart habe den Zorn des Herzogs durch einen Vers gereizt, in welchem er ihn als Gründer der Karlsschule verspottete: Als Dionys von Syrakus – Aufhören muß, Tyrann zu sein – Da ward er ein Schulmeisterlein. Schubart hat von der Akademie, die er die Sklavenplantage auf der Solitüde nannte, nie etwas wissen wollen. Ganz unglaublich ist es nicht, daß ein Despot ohne Humor sich durch einen mutwilligen Reim zu einer furchtbaren und lange währenden Rachehandlung veranlaßt sehen konnte.

Am 18. Januar 1777 war es, daß der Herzog dem Oberamtmann Scholl in Blaubeuren den Befehl erteilte, Schubart, der sich auf ulmischem Gebiet befand, ins Württembergische zu locken, wo er verhaftet werden solle. Drei Tage brauchte der dienstfertige Mann, bis er Schubart beredet hatte, ihn im Schlitten nach Blaubeuren zu begleiten. Dort wurde er sofort von einem Husarenoffizier verhaftet und auf den Hohenasperg gebracht. Über ein Jahr mußte er in einer Zelle des Turmes zubringen, ohne zu ahnen, was ihm vorgeworfen wurde. Irgendein Verfahren fand auch später nicht statt. Der Festungskommandant Rieger hatte früher dem Herzog beim gesetzwidrigen, zwangsmäßigen Anwerben von Rekruten gedient, war dann in Ungnade gewesen und hatte Jahre als Gefangener auf dem Hohentwiel verbracht. Unter dem Gemisch von Härte, selbstquälerischer Wollust und kerkerfeuchter Frömmigkeit, das sich während jener Zeit in der Seele des Mannes zusammengeballt hatte, litt Schubart sehr. Noch widerwärtiger erscheint der Herzog, der seine tückische Grausamkeit als den Erziehungseifer eines um das Seelenheil seiner Untertanen besorgten, menschenfreundlichen Landesherrn ausgab. Er behauptete, Schubart zum guten Menschen heranbilden zu wollen. Je nach der Stufe der Besserung, die das Opfer nach seiner Meinung erreicht hatte, gewährte er Erleichterungen der Haft. Man hat nicht das Recht, von dem Gemarterten zu verlangen, daß er durch elf Jahre der Gefangenschaft eine gleichbleibende stolze Haltung bewahre. Seinem ungefestigten Charakter gemäß wechselten Verzweiflung und Empörung mit der Bereitwilligkeit, sich allen Quälereien zu unterwerfen und sogar dem Henker zu schmeicheln. Immerhin bricht durch peinliches Gewinsel vulkanisch prächtig das Gedicht von der Fürstengruft, der Nichtigkeit des Herzogs und seiner genialen Kraft zum Denkmal. Es wurde bald nach seinem Entstehen gedruckt, und Karl Eugen hat es gelesen. Daß er Schubarts Dichtungen geschätzt habe, ist kaum anzunehmen; aber er wußte, daß andere sie schätzten, und machte sich das zunutze, indem er sie in der Werkstätte der Karlsschule drucken ließ und die Hälfte der Einnahmen für sich behielt. Wahrscheinlich schmeichelte es seiner Eitelkeit, daß die angesehensten Männer der Zeit, Fürsten und Dichter, sich für den unglücklichen Gefangenen verwendeten. Schubarts Frau konnte es nicht wagen, als Anklägerin vor ihm zu erscheinen, sondern mußte sich als jammernde Bittstellerin vor ihm demütigen und ihm danken, daß er ihre Kinder nach seinem Gutdünken ausbilden ließ. In der Zeit, als Schubart Festungsfreiheit genoß, Singspiele dichtete und komponierte, besuchten der Herzog und seine Geliebte den Hohenasperg und wohnten den von ihm geleiteten Aufführungen bei.

In den Streitigkeiten des Herzogs mit den Ständen siegte zuletzt die Landschaft. Ihre Klage beim Reichsgericht fand nach dem Siebenjährigen Kriege Gehör, und der Herzog mußte sich zu einem Vergleich bequemen, der seine schlimmsten Übergriffe abstellte.

Beispiele fürstlicher Gewalttätigkeit und sinnloser Wirtschaft ließen sich viele erzählen. Es ist dem menschlichen Geist eigentümlich, daß er, wenn er gar keinen Widerstand findet, wuchert und erkrankt. Spuren von Größenwahn zeigen sich bei vielen unumschränkten Herrschern. Wie Friedrich Wilhelm I. abnorme Züge hatte, so wurde Karl Eugen von manchen Zeitgenossen für geisteskrank gehalten. Doch hebt das Pflichtgefühl und die Frömmigkeit des Königs von Preußen ihn hoch über den schwäbischen Tyrannen, dessen gelegentliche Schuldbekenntnisse, Besserungsgelöbnisse und Pfauenfederedelmut ihn nur abstoßender machen. Friedrich Wilhelm war, wieviel er auch verdarb und wie oft er auch entgleiste, im ganzen guten Willens; dies Bewußtsein mag ihn erfüllt haben, als er trotzig die Gewißheit äußerte, er werde in den Himmel kommen.

Die Tätigkeit Friedrichs des Großen auf dem Gebiete des Rechts, namentlich des Strafrechts, ist ruhmwürdig. Im einzelnen bediente er sich dabei seines Großkanzlers Cocceji, der unter anderem die Kunst verstand, seine Pläne als die eigenen des Königs erscheinen zu lassen, wodurch sie mehr Aussicht auf Verwirklichung bekamen. Friedrich war der Ansicht, daß zivilisierte Völker sich von barbarischen durch menschenfreundlichere Gesetze unterscheiden und daß es Pflicht des Regenten sei, die Verbrechen eher zu verhindern als zu bestrafen. Gleich nach seinem Regierungsantritt wollte er die Tortur abschaffen, stieß aber bei Cocceji auf Widerspruch, der, wie die meisten Richter seiner Zeit, die Tortur für unentbehrlich hielt. Der König gab so weit nach, daß er einige schwere Fälle, wie Majestätsverbrechen und Landesverrat, vorbehielt und daß diese beschränkte Aufhebung nicht öffentlich verkündet wurde. Nach 1777 ist die Folter in Preußen nicht mehr angewendet worden. Leider brachte es die weitgehende Rücksicht, die Friedrich auf den Adel nahm, mit sich, daß die Patrimonialgerichtsbarkeit von seinen Reformen nicht berührt wurde. Der einzige Fortschritt auf diesem Gebiete war, daß der Justitiar, den die adligen Herren anstellten, ein Examen machen mußte.

Eine sehr wichtige Neuerung war die Einführung fester Besoldung für die Richter; erst als diese gesichert war, konnte sich der preußische Richterstand den Ruf der Unbestechlichkeit und des großartigen Unabhängigkeitssinnes erwerben, der ihn seitdem auszeichnete.

Des Königs Kenntnisse in der Ziviljustiz waren zu gering, als daß er sich damit eingehend befaßt hätte. Das preußische Landrecht in deutscher Sprache, dessen Herstellung er wünschte, ist erst unter seinem Nachfolger vollendet worden. Denkwürdig bleibt aber allezeit der Befehl, den er an Cocceji richtete, immer den Landesgesetzen und Rechten gemäß zu verfahren, »allermaßen Ich Mich hiervon keineswegs immediate meliren, noch vor einen oder anderen Teil besonders portiren werde, vielmehr will, daß alles denen Rechten und Landesgesetzen gemäß tractiret werden soll, da Ich Mich Selbst solcher in meinen eigenen Sachen unterwerfe«. Mag der Einfluß Coccejis und Montesquieus zu diesem Entschlusse mitgewirkt haben, so ist es schön, daß er ihm zugänglich war. »In den Gerichten«, sagt er, »müssen die Gesetze sprechen, die Herrscher schweigen.«


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