Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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27

    Trauer war noch in Zamora
Um den Tod des großen Königs
Don Fernando, tiefe Trauer.
Überhängt mit schwarzen Tüchern
Waren Kirchen und Altäre;
Kein Gesang, kein Ton der Freude,
Auch kein Instrument der Liebe
Ließ sich hören auf den Gassen.
Die Infantin Doña Uraca,
Schmerzlich bitter weinte sie
Um den Tod des großen Vaters,
Um den Gram, den sie ihm sterbend
Noch in seiner letzten Stunde
Zugefügt, um seine Güte,
Um das Unglück ihrer Schwester,
Der vertriebnen Doña Elvira,
Um das Unglück ihrer Brüder,
Don Garzia, Don Alfonso;
Und – wer sollt und könnt es glauben? –
Noch beweint im tiefsten Herzen
Einen andern Wunsch Uraca.
Den Verlust wird sie beweinen,
Wenn sie jeden längst vergaß.

    Denn dem Glück, geliebt zu werden,
Gleicht kein ander Glück auf Erden;
Die geliebte Schäferin,
Sie allein ist Königin.

    In dergleichen Gramgedanken
Tief versenket saß Uraca,
Als auf einmal vor den Toren
Von Zamora Cid erscheint.


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