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Bayern huldigt Marien Theresien.

Als sich Maria Theresia wieder im Besitze Böhmens befand, wollte sie zunächst ihre ganze Kraft gegen Bayern wenden. Rechtliche Beweggründe zu einem Angriffe auf dies Land lagen nicht vor, nicht einmal die Besorgniß vor Angriffen durch Karl Albrecht, den gänzlich Machtlosen, konnte einen Angriff rechtfertigen. Es war – in einer Zeit, wo das Recht des Stärkeren als oberstes galt – ein begreiflicher, gerade bei einem so entschieden ausgeprägten und gereizten Frauencharakter begreiflicher Wunsch, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Zudem hatte nicht sie den Krieg begonnen; da er aber begonnen worden in der Absicht, sie auf's Aeußerste zu demüthigen, zu verderben, – nun so mußte er fortgeführt werden bis zum Ende, und so schien es erlaubt, wenn einmal der Stand der Nothwehr eröffnet worden, die Gunst der Augenblicke zu benützen, schon aus dem Grunde, damit sie nicht von Andern zum Nachtheil Marien Theresiens benutzt würde. Die Frau hatte noch mehr als ein Mann darauf zu achten, daß man Achtung behielt vor ihrer Energie und Konsequenz; hatte man sich ja doch bei ihrem Regierungsantritt gegen sie Alles erlauben zu dürfen geglaubt, weil sie – nur eine Frau war! Groß möchte es gewesen sein, nach Wiedererwerbung des entrissenen rechtlichen Besitzes die Waffen ruhen, den bedrängten Gegner in sein Land wiederkehren zu lassen; aber klug schien es Marien Theresien, da das Glück mit ihr in den Bund trat, ihre Ueberlegenheit auf alle Weise zu befestigen, um den Gegnern ein für allemal den Muth zu nehmen, ihr Recht neuerdings anzutasten. Nur das Eine war dabei nicht vorausbedacht, oder im Ungestüm persönlicher Antipathie übersehen worden, daß eben die Ueberlegenheit bei ihren Feinden etwas noch Gefährlicheres als bloßen Neid, – nämlich Besorgniß wecken mußte.

Maria Theresia hatte Preußen beschwichtigt; Sachsen widerstrebte ihr nicht mehr; in Italien konnte sie auf Karl Emanuel zählen; in Frankreich war (am 30. Januar 1743) der neunzigjährige Kardinal Fleury gestorben Ich besitze eine metrische Satyre aus jener Zeit, betitelt: »Vorgang im Reiche Pluton's, bey Ankunfft des berühmten französischen Cardinals daselbsten,« welche, ganz abgesehen von dem Unwerth der Verse, deßhalb nicht uninteressant ist, weil sie die Stimmung in Deutschland beim Tode Fleurys bezeichnet. Pluto geht am Styx spazieren und fragt den alten Charon, »welch ungestaltnen Rest mit Haut beklebter Knochen« er ihm jetzt zuführe? Charon erklärt, es sei der Cardinal, der »Europens größten Theil geschickt zusammen hetzte und großen Fürsten sich fast auf die Nasen setzte.« Pluto weint und klagt bei dieser Nachricht, daß sein treuester Freund und Helfershelfer auf Erden, der »zu seinem Nutzen Teutschland harte Ruthen band,« von den Parzen dahingerafft sei. Die ganze Unterwelt theilt den Schmerz ihres Gebieters, der Atropos hart anläßt, welche sich jedoch mit der Wendung vertheidigt:
»Hätt' ich den Fleury nicht den Faden abgekürtzet,
Würdest du Heuer noch von deinem Thron gestürtzet,
Bedenke, welche frech und ungezähmte Schaar
Dir nicht durch seinen Rath bereits geliefert war,
So daß, so wie man weiß, jetzt Frankreichs Legionen
Den Schweffel-reichsten Theil von deinem Staat bewohnen,
Wann nun der Cardinal die Anzahl noch vermehrt,
So hätten sie dein Reich gewißlich umgekehrt, …
Dann Himmel, Höll' und Welt hegt billig keinen Zweiffel,
Ein eintziger Franzoß sey ärger als 10 Teufel,
Sie hätten gantz gewiß dich um dein Reich gebracht
Und aus demselben wohl noch gar Pariß gemacht« …
Dadurch beruhigt, übergibt nun der höllische Monarch Fleury den Furien,
»Die aber sollen ihn mehr ehren als bekränken,
Weil sie viel nützliches von ihm zu lernen dencken,
Dann die Verschlagenheit der klügsten Teuffeley
Sey gegen dessen List nur Bärenhäuterey.«
Man sieht, auch jene Zeit hatte ihre »politische Poesie« Ich besitze mehrere Proben derselben, die einen nationalen Geist athmen. Eines der interessantesten Stücke »gerechte Klagen des H. R. Reichs« überschrieben, zeichnet sich auch in poetischer Hinsicht vortheilhaft vor den geschmacklosen Produkten jener Epoche aus, und wendet sich in edlem männlichem Zorn nicht bloß anklagend an Frankreich, sondern auch an die deutschen Fürsten, durch deren Eigennutz, Falschheit, Dummheit, Feigheit und Zwietracht es prophetisch den Untergang des Reichs herbeigeführt sieht. Es schließt mit folgenden Versen:
»Ich aber« (das Reich) »übergeb der Macht
Des starken Himmels meine Sache
Und die, so mich zum Todt gebracht,
Zum blut'gen Opfer seiner Rache!«
und das Uebergewicht dieses Staates stand im Begriffe seinen Credit zu verlieren; England und Holland für sie, Rußland mit England in ein Schutzbündniß getreten. Karl VII. hatte kein Vertrauen auf Glück und genoß keines im deutschen Reiche. Dies Reich, welches seit ein paar hundert Jahren seine Kaiser nie unterstützt, weder durch Geld, noch durch Waffen, noch durch Vertrauen, – wurde jetzt durch das Gerücht beunruhigt: man wolle kaiserlicher Seits auf Unkosten verschiedener Reichsstände mit Oesterreich Frieden schließen, Bayern solle zu einem Königreich erhoben und vermittelst Secularisation reichsfreier Stifte, sowie Einverleibung freier Reichsstädte vergrößert werden. Vergeblich widersprach Karl VII. in energischen Ausdrücken, jene Gerüchte ließen doch einen Stachel zurück. Es wurden Stimmen laut, welche – allen von Frankreich im Lauf der letzten Jahrhunderte genährten Vorurtheilen zuwider – nun mit einem Male in der Macht des Hauses Habsburg-Lothringen, wenn dieses den Kaiserthron behauptete, Heil erblickten; und sie hatten allerdings nicht Unrecht, wenn sie auf die Schmach hinwiesen, daß die Krone Karls des Großen durch Karl VII. den Intriguen der Fremden preisgegeben war, wenn man sich erinnerte, welcher Erniedrigung sich ein deutscher Reichsfürst unterzogen hatte, um diese Krone – als Bettler zu tragen!

Und doch besaß dieser kaiserliche Bettler einen kostbaren Schatz, den er im Unglück entdeckte, – die Liebe seines Volkes. Wir Deutsche sind ganz eigen geartet. Wären wir uns in jedem Augenblick uns bewußt: wodurch wir stark sind, und wären wir nur in keinem aus Pietät schwach genug: dies den Fürsten zu verhehlen, welche häufig ganz anders berichtet und berathen werden. Unsere Kraft wurzelt im Herzen. Wir mögen – zu unserem eigenen Unglück – im Glück schwach und schläfrig seyn; – im Unglück werden wir wach und stark; all unsre Ehre und Größe leuchtet aus dem Unglück. Da sind wir groß genug, unseren Fürsten alles Leid, das sie verursacht, zu vergeben und zu vergessen; da wissen wir bloß, daß sie unseres Bluts, und geben unser Blut für sie; da richten wir sie an unserer Treue zur letzten Erhebung auf, und stehen noch, wenn sie fallen, und decken über ihre Schwächen und ihre Schuld den unverwüstlichen königlichen Purpur unserer Volksherrlichkeit. So handelten einst für Max Emanuel, der in Brüssel praßte, während sein Volk litt, die Bayern, als er unter Oesterreichs Uebergewicht erlag. So jauchzten die Bayern ihrem Karl Albrecht entgegen, als er, ein Kaiser ohne Macht und Hoffnung, im April 1743 aus Frankfurt, seinem kaiserlichen Asyl, nach München wiederkam. Da war's die Größe des schwerheimgesuchten und doch nicht gebeugten Volkes, an welcher sich der gebeugte Fürst zu neuer Hoffnung, zu kühnem Entschlusse wieder erhob!

Gegen den Rath Seckendorfs, welcher den trostlosen Zustand des Heeres, die Unzuverlässigkeit der Verbündeten, die Erschöpfung aller Hülfsquellen darstellte und zu einer Versöhnung mit Oesterreich rieth, beschloß Karl VII. den Angriff und besprach mit Broglio und dem Prinzen Conti den Kriegsplan; da zeigte sich indessen abermals, wie wenig der Kaiser auf die französische Hülfe rechnen konnte; Broglio erklärte, daß er ohne Befehle seines Hofes nicht die Offensive eröffnen dürfe. Inzwischen begannen die Oesterreicher den Feldzug gegen die Bayern, deren Hauptmacht unter Minuzzi bei Simpach und Braunau lag, und durch verschiedene französische Besatzungen mit der französischen Hauptmacht, welche sich unter Conti bei Landau befand, zusammenhing. Während nun Khevenhüller die französischen Besatzungen zu Griesbach und Pfarrkirchen überfiel, worauf die übrigen sich rasch nach Landau zurückzogen und Conti über die Isar, rückte Prinz Karl von Lothringen gegen das Lager bei Simpach vor; das Corps Minuzzi's wurde am 9. Mai 1753 aufgerieben, dieser selbst gefangen genommen. Rasch benützten die Sieger den glücklichen Erfolg, und bemeisterten sich Dingolfings, Landaus, Deggendorfs, wo die Franzosen wichen. Broglio und der Graf von Sachsen, von denen der Erstere in Straubing, der Letztere in Stadt am Hof war, thaten nicht bloß nichts zur Rettung Bayerns, sondern zogen sich dann, als die Sieger immer weiter vordrangen, aus dem unglücklichen Lande zurück, an den Rhein. So aufgegeben, sah Karl VII. die Unmöglichkeit, sich mit seiner unverhältnißmäßig geringen Kriegsmacht gegen den Feind zu behaupten; überdieß eilten auch neue Schaaren aus Tyrol wie aus Böhmen herbei. Er flüchtete am 8. Juni zum zweiten Mal aus München, welches am 12. d. M. von den Feinden wieder besetzt wurde, anfänglich nach Augsburg, dann, als er sich auch dort – bei dem Vordringen der Feinde – nicht mehr sicher hielt, nach Frankfurt. Zu spät erkannte er jetzt die Zweideutigkeit Frankreichs Er schrieb an Broglio, daß ihn dessen Benehmen um so mehr überrascht, da er noch am vorigen Tage einen Brief des Königs von Frankreich erhalten, worin ihn dieser versichert, daß er die Ehre seiner Krone an die des Kaisers geknüpft erkenne und letzteren jederzeit als seinen Freund und Verwandten betrachten werde. Nun sehe der Kaiser wohl, daß ihm keine andere Zuflucht mehr übrig bleibe, als die, welche er bei der Großmuth seiner Feinde zu suchen habe. Er werde sich derselben auch hingeben und hoffe, daß ihm der König von England, der ihn, als Kurfürst von Hannover, mit zum Kaiser erwählt, deßhalb behülflich sein werde. Er hoffe aber auch, dem König noch einst die Augen zu öffnen, und tausend Köpfe wie der des Marschalls Broglio sollten nicht vermögend sein, den Vertust von zwei Königreichen und zwei Armeen, um welches dieser seinen Herrn und ihn gebracht, zu verantworten., die Nemesis, welche seinem Bunde mit dem Erbfeind Deutschlands folgte. Er sah, da binnen kurzer Zeit Bayern und die Oberpfalz im Besitz des Feindes war, keinen andern Ausweg mehr als Waffenstillstand. Seckendorf unterhandelte einen solchen am 27. Juni im Kloster Niederschönfeld mit Khevenhüller und brachte ihn auf die Bedingung zu Stande, daß Bayern den Oesterreichern zur Besetzung eingeräumt wurde, die Truppen Karls VII. aber (»Maria Theresia habe ihn nie als Kaiser anerkannt und führe keinen Krieg gegen das Reichsoberhaupt«) sich auf neutrales Reichsgebiet zurückzogen. Somit stellten sich denn die bayerischen Truppen auf anspachischem Gebiet bei Wemding auf, und nur in Ingolstadt blieb noch eine französische Besatzung, welche erst am 1. October mit Capitulation aus dieser Festung auszog.

Während nun Prinz Karl von Lothringen den Franzosen (unter Broglio) an den Rhein nacheilte, behauptete Bärenklau Bayern für Maria Theresia, leider nichts weniger als in der Weise, welche der Menschenfreundlichkeit und Gerechtigkeitsliebe dieser Fürstin entsprach. Fort und fort erlaubten sich die Sieger unverantwortliche Gewaltthaten und abscheuliche Ausschweifungen; selbst dann noch, als eine förmliche österreichische Verwaltung (unter dem Grafen von Goes) in Bayern organisirt wurde, und Volk wie Landstände Marien Theresien huldigen mußten, wogegen Karl VII. von Frankfurt aus ebenso protestirte, als Maria Theresia früher gegen die ihm geleistete Huldigung in Oesterreich und Böhmen. Eine arge Zeit, welche alle Begriffe von Treue verrückte! Wie wenig die österreichische Verwaltung in Bayern im Sinne und Geiste der edlen Fürstin handelte, welche allen Grund hatte, Volkstreue hoch anzuschlagen, – beweist unter vielen andern Beispielen das Todesurtheil, welches über einen Buchdrucker zu Stadt am Hof erging, welcher sich keines andern Verbrechens schuldig gemacht, als daß er – die Protestation Karls VII. gedruckt hatte; wer möchte dabei nicht an das Schicksal Palm's denken?!

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