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Die Geschichte von der scharfsinnigen Ausflucht zweier Trunkener

Hudschadsch, der durch seine Strenge so bekannte Statthalter des Sultans, hatte dem Aufseher der Wache von Bagdad eingeschärft, alle die zu töten, denen er zwei Stunden nach Sonnenuntergang auf den Straßen begegnete; als dieser nun die Runde machte, überraschte er zwei vom Weine berauschte junge Männer. »Wer seid ihr denn,« fragte er mit barscher Stimme, »daß ihr den Befehlen des Stellvertreters des Sultans entgegenhandelt?« Der eine der jungen Leute antwortete ihm durch folgende Stegreifverse:

Große Herren, bleich und zitternd – Neigen sich vor meinem Vater,
Aber wenig rührt den ihre – Demutsvoll ergebne Haltung:
Er vergießt ihr dunkles Blut – Und bereichert sich an ihnen.

Der Aufseher war überzeugt, daß der junge Mann ein naher Verwandter des Sultans sei, und wagte nicht, ihn töten zu lassen, und gab sich damit zufrieden, ihn ins Gefängnis zu setzen.

Er stellte die gleiche Frage an seinen Begleiter, der ihm mit andern Versen antwortete:

Tag und nächtens brennt das Feuer :– In den Küchen meines Vaters,
Und es drängt der Gäste Menge – Ständig sich um seine Tische!

Der Aufseher hielt ihn für den Sohn eines Araberfürsten aus der Wüste und glaubte, ihm die gleiche Schonung zukommen lassen zu müssen wie dem ersten.

Und er führte folgenden Morgens die beiden jungen Leute vor Hudschadsch, indem er ihm erzählte, was sich ereignet hatte. Als der Wesir sie befragte, gestand der erste, daß er der Sohn eines Arztes wäre; und der zweite sagte, daß sein Vater alle gekochten Bohnen im Basar der Stadt verkaufte. Trotz seiner natürlichen Strenge konnte sich Hudschadsch ein Lachen ob des Versehens seines Wachthauptmanns nicht verkneifen und begnadigte die beiden Schuldigen auf Grund ihrer Verstandesschärfe.


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