Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Geschichte von Jahia und Meimune

Unter der Herrschaft Selims II. und in der Zeit seines höchsten Glanzes gab es in Konstantinopel einen jungen Gerber, der sich Ilmene Jahia nannte. Er wohnte bei dem Tore von Narli, durch das man nach den sieben Türmen geht, und lebte mit seiner Mutter, der er sehr gehorsam war. Man kannte ihn ebensosehr seiner Geschicklichkeit in seinem Gewerbe wegen, als wegen der Anmut seiner Gestalt. Er war schön und wohlgebaut; und sein für Freundschaft empfängliches Herz bestimmte ihn, sooft er es nur vermochte, einige Tage in Skutari zuzubringen, um seinen Freund Mohammed zu sehen und sich mit ihm zu freuen. Und nachdem er seiner Mutter die Hand geküßt hatte, unternahm er eines Tages diese kleine Reise; auch ließ er ihr beinahe alles Geld zurück, das er verdient hatte. Er setzte sich in ein Boot; und als er nach Skutari gekommen war, eilte er nach dem Hause seines Freundes, der entzückt war, ihn zu sehen. ›Du kommst gerade zur rechten Zeit, o mein lieber Jahia; man hat mich heute abend zu der Hochzeit eines meiner Nachbarn gebeten; du kommst mit dorthin, und wir wollen uns da ergötzen!‹ ›Da man dich eingeladen hat,‹ entgegnete ihm Jahia, ›ist es dasselbe, als ob man mich aufgefordert hätte, denn alle Welt kennt uns als Freunde; so wird man auch nicht erstaunt sein, wenn man mich mitkommen sieht!‹ Sie brachen auf der Stelle auf und wurden wohl aufgenommen; und als die Stunde des Gebets herangekommen war, folgten sie der Braut nach der Moschee und gingen ihr bei der Rückkehr voraus, wie es die Sitte der Muselmänner will. Die Sänger der Gebete geleiteten sie mit den Imamen bis unter die Türe, wo der ganze Zug sich verabschiedete. Nach den üblichen Gebeten wurde dann die Braut in das Gemach ihres Gatten geführt; danach bot man allen Anwesenden Scherbett an, worauf sich jedermann entfernte.

Jahia und Mohammed gingen mit einigen jungen Leuten ihrer Bekanntschaft in ein abgesondert stehendes Haus, um sich hier zu unterhalten und Wein zu trinken. Ihre Köpfe begannen bereits heiß zu werden, als der, welcher dazu ersehen war, ihnen den Wein einzuschenken, zu ihnen sprach: ›Was machen wir nun, o liebe Freunde? Wir haben den letzten Schluck vor uns stehen!‹ Diese Neuigkeit betrübte sie um so mehr, als es sehr gefährlich war, Wein zu holen; das Verbot nämlich, solchen mit sich zu führen, ist so streng, daß man das Schlimmste zu befürchten hat, selbst des Tags über. Und wenn man gar das Unglück hat, des Nachts ohne Licht, Wein tragend, von denen angetroffen zu werden, so die Stadt behüten und über ihre Sicherheit wachen, darf man nicht die geringste Gnade erhoffen. Nachdem man all diese Übelstände erwogen hatte, wiederholte einer aus der Runde mehrere Male, ohne daß ihm jemand antwortete: ›Wie mag es nur zugehen, daß keiner von uns den Mut hat, Wein zu holen?‹ Jahia fühlte sieh von dieser Rede betroffen und sagte zu sich selbst: ›Ich bin hier der einzige Fremde; die Frage kann sich nur an mich richten!‹ Und sich sogleich erhebend, trug er sich ihnen für solchen Dienst an. Auf Mohammeds Gesicht zeigte sich die Sorge, die ihm dies Angebot machte, und das Wort ergreifend, antwortete er ihm: ›Hast du jemals gesehen, daß zu den Aufträgen der Einheimischen Fremde genommen wurden? Also, o mein lieber Freund, bin ich niemals mit deinem Vorschlage einverstanden. Außerdem kennst du die Wege nicht und läufst noch eher Gefahr als ein anderer!‹ Der ganze Kreis stimmte ihm hierin bei und bat Jahia, sich nicht bemühen zu wollen; aber dadurch, daß sie seinen Mut lobten und seine Gutherzigkeit priesen, bestimmten ihn die jungen Leute, sein Anerbieten aufrechtzuerhalten, wennschon sie das Gegenteil zu sagen schienen. Wie eben ein junger Mann, glaubte Jahia, daß ihn seine Ehre dazu verpflichtete, diesen Weg zu machen. Er verdoppelte deshalb seine Bitten; und als die, welche nur daran dachten, Wein zu bekommen, sahen, daß sich kein anderer meldete, welchen zu holen, sprachen sie schließlich zu Mohammed: ›Widersetze dich seinem Vorhaben nicht länger, er hat Mut und Gewandtheit, sicherlich wird er Erfolg haben!‹ Mohammed sah sich genötigt, beizustimmen, und Jahia nahm zwei Krüge, mit denen er glücklich die Schenke erreichte, ließ sie füllen und ging in der Absicht zurück, seine Freunde wieder aufzusuchen.

Die Stunde des Abendgebetes war längst verstrichen; so lagen denn die Straßen verlassen da. Indessen erblickte Jahia von weitem eine Laterne in dem Augenblicke, als er auf einen Platz kam, der in der Nähe der Valide-Moschee ist. Dieses Licht kam so auf ihn zu, daß er weder fliehen noch umkehren konnte; denn wenn er seine Schritte wandte, würde er durch das Geräusch, das er verursachte, nicht nur zur Verfolgung aufgefordert haben, sondern bald auch durch das Meeresufer aufgehalten worden sein. Andererseits konnte er die Krüge, mit denen er beladen war, nicht von sich tun; konnte er doch einen übernommenen Auftrag nicht unerledigt lassen, und es würde auch schmachvoll gewesen sein, wieder zu seinen Freunden zu kommen, ohne ihnen Wein mitzubringen. Während er solches bei sieh erwog und fürchtete, es könnte die Nachtwache mit ihrer Laterne sein, näherte sich der Lichtträger immer mehr, und er erkannte, daß es ein junger Mann war, der vor einem Greise herging, dem ein anderer Sklave folgte. Der Gesichtsausdruck des Greises ließ auf eine große Weisheit schließen; sein weißer Bart wallte bis zum Gürtel herab, und er hatte einen Stab in der einen Hand und eine Gebetsschnur in der andern. Jahia drückte sich an die Mauer, um sie vorbeizulassen, und hoffte im stillen, sie würden ihn nicht bemerken. Als sie jedoch nahe herangekommen waren, hörte er, wie der Alte zu Allah betete und sprach: ›O Herr, im Namen aller Himmel, der sieben Erden Adams und Evas, der glücklichen Propheten, der Heiligen, der Gerechten und Tugendhaften, ich habe heute das achtzigste Jahr meines Lebens erreicht; die schönste Zeit meines Lebens ist vorüber, und du hast es mir in deiner Gnade bisher nicht an einem Gaste fehlen lassen. Heute soll ich das erstemal allein speisen; du weißt es, o großer Allah, wie unerträglich mir das ist! Ich bitte deine göttliche Erhabenheit, wenn du mit der Ehrfurcht zufrieden bist, so ich dir während langer Jahre erwiesen habe, laß mich jemanden finden, der mit mir speisen und mich unterhalten will!‹ Jahia sah ihn mit lähmender Angst an, und der Wortlaut seines Gebetes ließ ihn erzittern. ›Muß das nicht ein großer Prophet sein?‹ sprach er zu sich selbst. ›Was wird aus mir, wenn er mich Wein tragen sieht!‹ Diese Erwägungen peinigten ihn, als er bemerkte, wie der Scheich – denn als einen solchen erkannte er ihn – trotz der Finsternis der Nacht alle Dinge zu erkennen versuchte; und als er ihn selbst erblickt hatte, alsbald seinem Laternenträger befahl, das Licht näher zu bringen. Dann betrachtete er ihn sehr aufmerksam; und so sehr Jahia auch der Wunsch ankam, sich ihm zu Füßen zu werfen, so konnte er es in Anbetracht der Krüge, mit denen er beladen war, doch nicht tun. Der Scheich begann, Allah für die Begegnung, die er bewirkt hatte, zu danken und sagte dann zu Jahia: ›Du siehst, o Jüngling, wie groß meine Dankbarkeit gegen Allah ist und wie sehr ich ihm für die Gnade, dich hier anzutreffen, verbunden bin. Ohne dich würde ich nicht gespeist haben; komme doch in mein Haus; schlage es mir, der dich inständig darum bittet, nicht ab!‹ Solche Worte verdoppelten Jahias Bestürzung; ›sicherlich‹, sagte er zu sich selbst, ›ist dieser Greis ein Heiliger; ich habe schon Allahs Zorn verdient, dieweil ich Wein trage; wenn ich mir nun seinen noch zuziehe, indem ich die Einladung ausschlage, verschlimmere ich mein Vergehen nur. Nehme ich indessen seinen Vorschlag an, darf ich nicht daran denken, die wiederzusehen, die mich erwarten.‹ In dieser Unsicherheit bewahrte er ein tiefes Schweigen; als der Scheich nun bemerkte, daß er die Hände immer unter seinen Mantel hielt, dachte er sich, daß er irgend etwas verbärge, und streckte, um seiner Verwirrung ein Ende zu machen, die Hand aus, hob Jahias Mantel hoch und sprach, als er die Krüge erblickte: ›Ich kann mir wohl denken, daß dich der Wein verlegen macht, aber meinetwegen brauchst du nicht bestürzt zu sein. Nach welcher Richtung willst du gehen? Ich werde dich begleiten oder dir wenigstens von weitem folgen, um dich zu schützen: mit einem Worte, will alles tun, so dir gefällt; doch eines sage ich dir, ohne dich will ich nicht nach Hause gehen.‹ Jahia beruhigte sich bei der Milde des Greises und war entzückt, über etwas derartig Verbotenes keine Vorwürfe zu erhalten, und erzählte ihm offenherzig, weshalb er sich mit diesem Auftrage beschwert hatte. ›Meine Freunde erwarten mich ungeduldig,‹ fügte er hinzu, ›denke darüber nach, was ich machen soll, und sage es mir!‹ Der Greis aber antwortete ihm: ›O mein Sohn, deine Rede zu hören, hat mir mehr Freude gemacht, als der Anblick der schönsten Perle. Du würdest alle Welt bestechen und hast mein Herz gewonnen; wisse also, daß der, dem du eine so hohe Meinung eingeflößt hast, der aus Magnesia gebürtige Scheich Ebulkiar ist. Seit sieben Jahren wohne ich in Skutari und bin achtzig Jahre alt geworden, ohne jemals allein gegessen zuhaben; und durch Allahs besondere Gnade hat man mir so viele Gelübde und Opfer dargebracht, daß ich alle, so zu mir kommen, bewirten kann. Stellt sich zufällig kein Fremder ein, so gehe ich, wenn das Abendgebet beendet ist, und ich nicht mehr hoffen darf, daß jemand kommt, in die Moschee; wähle den mir am meisten Zusagenden aus, lade ihn ein, mir zu folgen und nehme ihn, so gut es mir eben möglich ist, auf. Nicht allein ist heute niemand zu mir gekommen, auch alle, die ich in der Moschee aufforderte, haben mir Gründe angegeben, die ihnen verboten, meiner Bitte nachzukommen. In meiner Hoffnungslosigkeit habe ich mich an den lieben Allah gewandt, er hat mich erhört, indem er mir, meinem Wunsche entsprechend, einen so angenehmen Gast wie dich sandte. Aber‹, fuhr er fort, ›es ist nicht recht, dich deines Verdienstes, das du damit erworben hast, einen so schwierigen Auftrag zu übernehmen, verlustig gehen zu lassen; ich will dich hier erwarten, du bittest deine Freunde um die Erlaubnis, sie verlassen zu dürfen, und kannst ihnen sagen, du fürchtetest, der Wein könne dir schlecht bekommen, und habest bereits zuviel getrunken. Und kommst dann zu mir zurück; du sollst das Vergnügen, das du mir bereitest, nicht bereuen! Ich schwöre dir beim hohen Allah, daß ich hier bis zu deiner Rückkehr warten will. Und ich baue auf dein Wort; in deiner Hand liegt es, ob ich hier die Nacht zubringen soll!‹ Dann ließ er sich auf einem Steine nieder: ›An ebendiesem Platze sollst du mich finden‹, wiederholte er ihm noch einmal und gab ihm ein Zeichen mit der Hand, daß er sich entfernen solle. Jahia hatte mehr und mehr Vertrauen gefaßt und konnte nicht umhin, zu sich selbst zu sagen: ›Ich muß Allah danken, einen so gütigen Menschen gefunden zu haben, der sich meiner so freundlich anzunehmen scheint!‹ Also nahm er Abschied von dem Scheich und sprach zu ihm: ›Sobald ich kann, werde ich zu dir zurückkommen, solches verspreche ich dir; auch will ich meinen Freunden nichts von der glücklichen Begegnung, die ich gehabt habe, erzählen, und gedenke, dich nicht mehr zu verlassen, dir den Rest meines Lebens zu widmen und deine Hände zu küssen, mich besser als bislang aufzuführen und mich für mein ganzes Leben deinem Dienste zu weihen, um würdig mit den Muselmännern ins Paradies einzugehen!‹ Nachdem er solche Worte ausgesprochen, verließ er ihn.

Und er war bald bei seinen Freunden; seine erste Sorge nach seiner Ankunft war, ihre Gläser frisch zu füllen und die Krüge auf den Tisch zu stellen. Die Freude ob seiner Rückkehr war um so größer, als sie jede Hoffnung, ihn wiederzusehen, aufgegeben hatten. Sein Freund Mohammed, der von allen am unruhigsten gewesen war, war nicht der letzte, der ihn in die Arme schloß; man überschüttete ihn mit Lobreden und stellte ihn den größten Männern gleich. Welche Mittel sie jedoch anwandten, um ihn zum Platznehmen zu veranlassen, sie konnten ihn nicht dazu bewegen. ›Der ganze Lohn‹, sprach er zu ihnen, ›für den kleinen Dienst, den ich euch geleistet habe, sei die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen. Erstens bin ich etwas ermüdet, und zweitens waren einige meiner Freunde in der Schenke, in der ich war, und veranlaßten mich mit solcher Hast zu trinken, daß mein Kopf ein wenig schwer davon wurde; daher möchte ich mit eurer Erlaubnis gehen und mich bei meinem Freunde Mohammed ausruhen!‹ Nach langem Hin und Her stimmten sie seinem Fortgehen zu und sprachen um so viel weniger auf ihn ein, weil er vorgab, vom Weine benebelt zu sein; nicht so leicht freilich wurde es ihm, den Eifer seines Freundes zu beschwichtigen, der ihn begleiten wollte. Nachdem er sie verlassen hatte, begab er sich eiligst nach dem Platze, wo der Scheich zurückgeblieben war, der ihn auch seinem Versprechen gemäß dort noch erwartete. Von seiner Güte ganz benommen und entschlossen, sein Schüler zu werden, kniete er vor ihm nieder und küßte seine Füße. Der Scheich aber hob ihn auf und zog ihn mit solchen Worten an seine Brust: ›O mein Sohn, was tust du da?‹ Dann pries er seine Pünktlichkeit und nahm ihn bei der Hand. ›Laß uns alsogleich zum Kloster gehn!‹ sprach er zu ihm in unendlich liebevollem Tone. Sie gingen aus Skutari hinaus, und das Krankenhaus der Aussätzigen hinter sich lassend, kamen sie an einen von erstaunlich hohen Mauern eingefriedigten Garten, dessen Pforte der eines Königspalastes ähnlich war. ›Wir sind endlich im Kloster angekommen‹, sagte der Alte zu ihm, ›und haben nur noch Vergnügen zu erwarten!‹ Dann pochte er ans Tor; ein Mädchen fragte, wer klopfe, und öffnete auf die Stimme des Scheichs. Jahia war vor Entzücken außer sich, als er sie schleierlos sah; denn sie war jung und hübsch; sie leuchtete ihnen mit einer Silberlampe, in der ein mit lieblichen Wohlgerüchen durchtränktes Öl brannte.

Das Haus schien Jahia ein Ort der Wonne zu sein. Man sah in jeder Ecke des von einer großen Anzahl Silberlampen erleuchteten Vorraums ein großes Ruhebett an einem Erkerfenster; die Mitte nahm ein Wasserbecken ein, das mit dem kostbarsten Marmor ausgelegt war und so klares Wasser füllte, daß man mühelos eine unendliche Schar Fische in ihm erblicken konnte, deren Spiel das Auge erfreute. Den Rand des Wasserbeckens zierten verschiedene an Farbe und Duft herrliche Blumen. Jahia nahm auf dem Ruhebette Platz; indessen war sein Sinn mit allen Dingen, die sich ihm darboten, beschäftigt; er konnte nicht begreifen, warum ihn der Scheich, der doch nur von einem Kloster gesprochen hatte, in einen so prächtigen Palast führte. Als der Greis sein Erstaunen sah, sprach er zu ihm: ›Nenne mir den Gegenstand deiner Erwägungen; habe ich dir nicht gesagt, daß ich dich als meinen Sohn ansehe? Glaube nur, es ist vielleicht besser, von einem Scheich an Kindes Statt angenommen zu werden, als in Wahrheit sein Sohn zu sein; die Annahme steht frei, für sie spricht das Herz, folglich darf man froh darüber sein. Sei also unbesorgt, du bist in meinem Hause und sollst mir Gesellschaft leisten; und einen Teil der Nächte wollen wir vergnügt verbringen. Ich will dir meine ganze Habe hinterlassen, und solange wir warten, daß der Todesengel kommt, um mich aufwärts zu geleiten, soll es dir an nichts fehlen. Ja, weil du mir gefällst,‹ fuhr er fort, ›so möchte ich gern, daß du meinen Platz einnimmst und daß man dich die alten, ehrwürdigen Gebräuche unseres Glaubens wieder einführen sieht!‹ Nach solchen Worten ging er in ein Nebengemach, aus dem er wenige Zeit später mit einem von Gold und Silber strotzenden Gewande angetan herauskam, das man für das eines Königs halten konnte. Als er sich Jahia zur Seite gesetzt hatte, trugen die Sklaven große, mit prachtvollen Edelsteinen geschmückte Porzellanschüsseln auf, in denen sich die ausgesuchtesten Gerichte häuften, die Ambra- und Moschusdüfte verbreiteten. Jahia war erstaunt ob dieser Pracht; und die Überraschung aller seiner Sinne hinderte ihn am Sprechen. Der Scheich aber sprach zu ihm: ›Ich habe das Alter, in dem du mich siehst, erreicht, ohne mich jemals in dieser Weise gekleidet zu haben; immer bat ich zu Allah, mir einen Sohn zu schenken; mein hohes Alter läßt mich keinen mehr erhoffen. Und ich habe ihn heute morgen um einen liebenswerten Menschen gebeten, den ich an Kindes Statt annehmen kann, er hat mein Gebet erhört, indem er dich zu mir sandte; so tue ich denn alles, womit ich mir denke, ihm meine Freude und Dankbarkeit ob des empfangenen Glücks bezeigen zu können. Schließlich erwerben sich die Scheichs durch die Gewohnheit, die Fremden, die sie aufnehmen, zu prüfen, sehr viel Menschenkenntnis, so daß ich mühelos alle guten Eigenschaften, die in dir wohnen, erkannt habe. Und ich habe gesehen, wie treu du bist und wie du die Tugend liebst. Doch zur Verringerung des Staunens, das ich an dir beobachte, wisse, daß wir in unserem Stande über alle Herrlichkeit erhaben sind, die du hier siehst, weil wir wenig Wert darauf legen. Wenn du übrigens Wein liebst, kannst du dich an ihm erlaben; du weißt, er ist den Derwischen nicht verboten; das öffentliche Ärgernis ist sicherlich das einzige, das man dabei zu vermeiden hat. Sieh mich doch als deinen Vater in allen Dingen an und folge der Lebensweise, der ich mich seit meiner Kindheit befleißige!‹

Dieser Ausspruch erinnerte Jahia an den ersten Gedanken, der in ihm aufgestiegen war, als ihn der Scheich angeredet hatte. Er hielt ihn für einen Propheten, und mehr für den Propheten Elias als für jeden andern, auf Grund der Ähnlichkeiten mit dem heiligen Manne, die er an ihm entdeckt hatte. Indessen standen diese Orte des Entzückens, der Reichtum, die Geschmeide und die große Zahl der Sklavinnen, die er gehen und kommen sah, um ihm zu dienen, im Widerspruche mit diesem Gedanken, ebenso wie der Wein, den man in Fülle aufgetragen hatte. Zu often Malen bildete er sich auch ein, daß der Scheich ein Zauberer sei, der nach seinem Belieben alle Arten von Gestalten annähme. ›Doch welche Absicht sollte er dabei gehabt haben, mich hierher zu führen?‹ sagte er bei sich selbst. ›Welchen Grund hätte er wohl, mich zu täuschen? Mein Hab und Gut kann niemanden reizen; und ich bin nicht schön genug, daß er etwas anderes mit mir vorhaben könnte: sehen wir zu, wie alles dies ausgehen wird!‹ Der Wein, der bei Leibesstrafe in Klöstern verboten ist, überraschte Jahia am meisten; infolgedessen sah er immer nur auf die kostbaren Gefäße, die ihn enthielten. Der Scheich aber erriet seine Gedanken und sprach zu ihm: ›‹Glaube nicht, o mein Sohn, daß ich es über mich bringe, Wein zu trinken; ich habe ihn nur für dich holen lassen. Der Wein, den wir Scheichs trinken, ist Paradieswein. Man soll mir welchen bringen!‹ befahl er. Alsbald reichte man ihm eine goldene Flasche dar. Dann setzten sie sich zu Tische, und als sie beim Essen waren, gab ihm der Scheich von diesem Weine zu kosten. Er fand, daß er einem Scherbett ähnelte, dem Zucker, Ambra und Moschus beigemischt sind, der daher viel angenehmer als Wein riecht. Je mehr Jahia an die überraschenden Dinge dachte, desto klarer wurde es ihm, daß der Scheich alle anderen Wunder übertraf. So kam denn auch nichts der Ehrfurcht gleich, mit der er ihn behandelte. ›Warum‹, sprach der Scheich zu ihm, ›bist du immer so gedankenvoll, anstatt dich der Freude hinzugeben?‹ ›O Gebieter,‹ entgegnete ihm Jahia, ›das Übermaß deiner Güte setzt mich in Erstaunen, ich fürchte immer, daß mein Glück nur ein Traum ist, und muß stets an eine Geschichte denken, welche einige Ähnlichkeit mit meiner Lage hat!‹ ›Ich liebe Geschichten‹, nahm der Scheich das Wort, ›und finde, sie vermehren die Tafelfreuden!‹ Und er drängte ihn, sie zu erzählen, und Jahia hub nun mit folgenden Worten an:


 << zurück weiter >>