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XLV. Arnold von Tongern, unser Magister der heiligen Schrift, entbietet seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius.

Verehrungswürdiger Herr Magister! Ich quäle mich nun über Eure Qual. Jetzt sehe ich ein, wie wahr der Ausspruch der Poeten ist: »Es kommt kein Unglück allein,« und das will ich folgendermaßen beweisen. Ich bin dermalen leidend, und zu diesem Leiden kommt mir noch eine andere sehr große Qual, welche darin besteht: täglich überlaufen mich Leute und schreiben mir auch aus verschiedenen Gegenden – wie ich denn allenthalben bekannt bin wegen der Schrift, welche ich, wie Ihr wißt, gegen die Verteidigung des Johannes Reuchlin verfaßt habe. jene Leute sagen und schreiben, es wundere sie, daß wir dem Johannes Pfefferkorn, einem getauften Juden, gestatteten, unsertwegen das Geschäft seiner eigenen und unser aller Verteidigung gegen Reuchlin zu übernehmen, so daß er nur den Namen dazu hergebe, während wir doch alle von ihm unter seinem Namen veröffentlichten Schriften verfaßt hätten, wie es denn auch wahr ist, und ich es Euch aber unter dem Beichtsiegel gesagt haben will; auch sagten sie, er hätte bereits eine neue Schrift fertig gemacht, welche den lateinischen Titel führt: »Defensorium Joannis Pfefferkorn contra Joannem Reuchlin,« worin er die ganze Tatsache von Anfang bis zu Ende erzählt: er habe dieses Schriftstück auch ins Deutsche übersetzt. Als ich dies gehört hatte, sagte ich, es sei nicht wahr, einfach deshalb, weil ich nichts von diesem Umstand wisse; und wenn er es getan hat, so ist es bei Gott ein Skandal, daß er mich davon nicht in Kenntnis gesetzt hat, da er doch sonst immer vorher meinen Rat eingeholt hat. Ich glaube, daß er jetzt nicht an mich denkt, weil ich leidend bin; hätte er sich bei mir befragt, so würde ich ihm gesagt haben, es wäre mit einern Male genug gewesen, denn ich weiß, daß wir mit dem Schreiben nichts erreichen werden; Reuchlin setzt nämlich den Stachel immer wieder gegenseitig an, denn er hat den Teufel ( Joh. 7, 20. 8, 48 ) Wenn es sich daher also verhält, so bitte ich inständig, daß er es nicht tue, was Ihr als Korrektor seiner Schriften wohl verhindern könnt. Zweitens habe ich auch vernommen, – was mich eben nicht so sehr schmerzte daß Ihr die Magd des Buchdruckers Quendel (mit Ehren zu melden) gespickt und ihr ein Kind gemacht hättet, und da es wahr sei, habe er ihr den Abschied gegeben und wolle sie nicht mehr im Hause leiden-, sie habe jetzt eine eigene Wohnung und stelle alte Röcke wieder neu her. Ich bitte Euch bei der großen Liebe, die wir immer einer zu dem anderen hatten, schreibet mir doch, ob es sich so verhält, oder nicht; denn längst hätte ich sie schon gerne hergenommen, doch wollte ich es nicht tun, aus Furcht, sie wäre noch Jungfrau. Wenn es aber wirklich so ist, daß Ihr es getan habt, dann wollen wir, wenn Ihr nichts dagegen habt, auf gemeinschaftliche Rechnung spicken, ich heute und Ihr morgen, weil das Würdigere den Vorrang hat, ich Doktor und Ihr Magister. Doch sage ich das ohne Geringschätzung. Und so wollen wir denn das im geheimen für uns bewahren und sie samt dem Kinde auf gemeinschaftliche Kosten unterhalten. Ich weiß, sie wird damit zufrieden sein, und auch das weiß ich, daß ich, wenn ich sie schon lange gespickt, dieses Leiden nicht hätte; indessen hoffe ich, wenn ich nun daran gehe, meine Nieren zu reinigen, daß ich wieder gesund werde. Und hiermit lebet wohl! Wenn ich nicht am Durchfall litte, so wäre ich selbst zu Euch gekommen und hätte nicht geschrieben; aber dennoch müßt Ihr mein Schreiben beantworten.

Gegeben in aller Eile aus unserer Burs »unter XVI Häusern.«


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