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XI. Cornelius Fenstermacher grüßt vielmal den Magister Ortuin Gratius.

So viele Grüße, als am Himmel Sterne und im Meere Sandkörner sind, ehrwürdiger Herr Magister! Ich habe hier viele Streitigkeiten und Händel mit schlechten Menschen, die sich vermessen, Gelehrte zu sein, und doch von der Logik, welche die Wissenschaft der Wissenschaften ist, nichts verstehen. Ich habe unlängst bei den Predigern eine Messe »de spiritu sancto« gelesen, daß Gott mir seine Gnade und ein gutes Gedächtnis bei meinen Schlußfolgerungen verleihen möge, wann ich mit Leuten disputiere, die sich bloß lateinisch auszudrücken und Aufsätze zu machen verstehen. Auch habe ich in jener Messe eine Kollekte für unsern Magister Jacob von Hoogstraten und unseren Magister Arnold von Tongern, obersten Regens in der Laurentius-Burs, eingelegt, auf daß es ihnen bei der theologischen Disputation gelinge, einen gewissen Doktor der Rechte, Namens Johannes Reuchlin, bis auf den letzten Punkt zu widerlegen: das ist auch so ein weltlicher Poet und vermessener Mensch, hält Widerpart gegen vier Universitäten für die Juden und stellt ärgerlich und fromme Ohren beleidigende Sätze auf, wie Johannes Pfefferkorn und unser Magister von Tongern nachgewiesen haben. Allein er besitzt weder in der spekulativen Theologie gründliche Kenntnisse, noch ist er im Aristoteles oder im Petrus Hispanus bewandert. Darum haben ihn unsere Magister in Paris zum Feuer oder Widerrufe verurteilt. Ich habe Brief und Siegel des Herrn Decan der hochheiligen theologischen Fakultät von Paris gesehen. Einer unserer Magister, tief gelehrt in der heiligen Theologie und erleuchtet im Glauben, der Mitglied von vier Universitäten ist und mehr als hundert Schriften über die »Libri sententiarum« des Petrus Lombardusl hat, auf welche er sich stützt, hat offen erklärt, oben erwähnter Dr.Johannes Reuchlin könne sich nicht aus der Schlinge ziehen, und selbst der Papst wage es nicht, einen Ausspruch gegen eine solch hochgepriesene Universität zu tun, weil er kein Theolog ist und den seligen Thomas »Wider die Heiden« nicht versteht, obgleich man ihn einen Gelehrten – freilich nur in der Poetik – nennt. Unser Magister Zehenderl, welcher Leutpriester zum heiligen Martin ist, zeigte mir ein Schreiben, in welchem jene Universität ihrer Schwester, der Universität Köln, in höchst freundschaftlichen Ausdrücken tätige Hilfe mit sicherem Erfolge verspricht. Und doch vermessen sich jene Latinisten, zu opponieren. Ich saß unlängst in Mainz im Gasthaus zur Krone, wo zwei solche Windbeutel mich auf höchst zudringliche Weise anranzten und unsere Magister zu Paris und Köln blödsinnige Burschen und Narren nannten. Sie sagten, ihre Schriften über die »Sententiae« seien Blödsinn; gleicherweise nannten sie die »Processus«, »Copulata«, »Reparationes« aller Bursen nichtsnutziges Zeug. Hierüber geriet ich so in Zorn, daß ich gar nicht antworten konnte. Dabei neckten sie mich auch noch, weil ich eine Wallfahrt nach Trier gemacht hatte, um den heiligen Rock zu sehen, indem sie sagten, es sei wohl nicht der Rock des Herrn, und dies folgendermaßen durch einen Hornschluß bewiesen: »Alles, was zerrissen ist, darf nicht als der Rock des Herrn vorgezeigt werden; nun befindet sich aber derselbe in diesem Zustande, folglich u. s. w.« – Nun gab ich wohl den Obersatz zu, nicht aber den Untersatz; hierauf brachten sie folgenden Beweis vor: Der selige Hieronymus sagt: »seit uralter Zeit durch seine Verblendung in Parteien gespalten, hat der Orient den ungenäheten und ganz gewobenen Rock des Herrn bis auf's kleinste in Stücke zerrissen.« Hierauf erwiderte ich, der h. Hieronymus habe nicht die Schreibart des Evangeliums, und auch nicht durchweg die der Apostel, und hiemit stand ich vom Tisch auf und verließ diese Windbeutel. Ihr müßt wissen, sie sprachen so unehrerbietig von unsern im Glauben erleuchteten Magistern und Doktoren, daß sie gewiß und wahrhaftig vom Papst exkommuniziert werden können. Wenn die Herren, die mit dem römischen Hofe in Verbindung stehen, das wüßten, sie würden sie selbst vor die römische Kurie vorladen und ihre Pfründen in Besitz nehmen, oder sie wenigstens mit Unkosten chikanieren. Wer hat je gehört, daß bloße Gesellen, die in keiner Fakultät promoviert und nie eine Prüfung bestanden haben, ihr Mütchen kühlen sollten an so ausgezeichneten Männern, die in allen Zweigen des Wissens unstreitig die gründlichsten Kenntnisse besitzen, wie unsere Magister? Allein sie bilden sich auf ihre poetischen Machwerke gar viel ein. Auch ich kann Gedichte und Aufsätze machen, denn auch ich habe das »Novum latinum idioma« unseres Magisters Lorenz Rabe und Kohlburgers Grammatik und den Valerius Maximus und andere Humanisten gelesen. Neulich habe ich auf einem Spaziergange einen metrischen Aufsatz gegen diese Leute verfaßt. Hier ist er:

Zu Mainz, im Gasthaus, das den Schild zur Krone führt,
Allwo ich unlängst auch mich selbst hab' einquartiert,
Treibt sich ein Paar zudringlicher Gesellen um:
Gar freche Schlingel, wenn es unsern Lehrern gilt.
Ihr Tadel wagt sogar an Theologen sich,
Obgleich sie nicht einmal in der Philosophie
Zur Promotion gekommen sind, und regelrecht
Zu disputieren, und aus einem Schlusse sich
Viel Folgesätz' herauszubilden nicht verstehn,
Wie fein und sinnig lehrte Thomas von Aquin.
– Wer den verachtet, ist ein Mensch ohn' allen Wert –
Wie in den »Quodlibeta« Schlüsse formuliert
Der Doktor, der niemals zu widerlegen ist,
Der in den Wissenschaften jeden Kampf besteht.
Doktor Seraphicus ist ihnen unbekannt,
Obgleich ohn' ihn niemand Physik verstehen kann,
Der heil'ge Doktor auch, der so wahrhaftig schreibt,
So groß in Aristoteles und Porphyrius,
Daß er allein die fünf »Universalia«
Recht auslegt, auch genannt »Praedicabilia«:
Wie bündig, wie zusammenhängend legt er doch
Die Bücher über die Prädikamente aus,
Und von des Aristoteles Moralsystem
Gibt er uns einen kurzgefaßten Inbegriff.
Von allem dem verstehen die Poeten nichts,
Drum führen sie auch solch' ein unverschämt Geschwätz,
Wie jene zwei Windbeutel voll Anmaßlichkeit,
Die unsere Magister »Hasser« titulier'n.
Doch, unser Meister Hoogstrat soll sie nur einmal
Vorladen, dann wird ihnen bald die Lust vergehn,
Noch ferner anzugreifen solch Erleuchtete.

Lebet wohl und grüßt mir, unter Bezeugung meiner hohen Verehrung, meine Herren, unsern Magister Arnold von Tongern, unsern Magister Remigius, unseren Magister Valentin von Geltersheim, den Herrn Jakob von Ganda, höchst scharfsinnigen Poeten des Predigerordens, und die anderen


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