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Die Woche nahm für Claude einen unglücklichen Anfang. Er war einem von den Zweifelsfällen verfallen, die ihn mit dem Haß eines verratenen Liebhabers die Malerei fliehen machten, der, dennoch von dem Bedürfnis gepeinigt, sie noch zu vergöttern, die Treulose mit Schmähungen überhäuft. Am Donnerstag aber ging er nach drei Tagen eines schrecklichen einsamen Kampfes acht Uhr morgens aus, schloß heftig und dermaßen außer sich, daß er schwor, niemals wieder einen Pinsel anrühren zu wollen, die Tür ab.
Wenn ihm eine solche Krise zusetzte, gab's für ihn nur ein Heilmittel: Vergessen. Er ging dann und suchte mit den Kameraden Händel. Besonders aber durchstreifte er Paris, bis der warme Atem der arbeitenden Stadt ihm neuen Mut gegeben hatte.
An diesem Tage aß er, wie jeden Donnerstag, bei Sandoz, wo es die Zusammenkunft gab. Aber was sollte er bis zum Abend anfangen? Der Gedanke, allein zu bleiben und sich mit sich selbst herumzuquälen, setzte ihn in Verzweiflung. Er wäre wohl auf der Stelle zu dem Freunde hingerannt, wenn er sich nicht hätte sagen müssen, daß er ja auf seinem Bureau war. Dann dachte er an Dubuche. Doch zauderte er, denn die alte Freundschaft hatte sich in letzter Zeit abgekühlt. Er hatte nicht mehr das freundschaftliche Gefühl wie in den Stunden ihres Aufschwunges für ihn, fühlte durch, daß es Dubuche an Intelligenz mangelte und daß sich sein Ehrgeiz nach einer anderen Richtung bewegte; sogar Feindseligkeit fühlte er durch. Doch wo sollte er anklopfen? Endlich entschloß er sich und begab sich nach der Rue Jacob, wo der Architekt im sechsten Stock eines großen, unfreundlichen Hauses ein schmales Gelaß bewohnte.
Claude befand sich im zweiten Stock, als ihm die scharfe Stimme der Pförtnerin zurief, Herr Dubuche sei nicht zu Hause und habe die Nacht außerhalb zugebracht. Langsam stieg er hinab und befand sich, ganz erstaunt über den so außergewöhnlichen Vorfall, daß Dubuche eine Nacht durchschwärmt hatte, wieder auf dem Bürgersteige. Ein unglaubliches Pech! Ziellos irrte er eine Zeitlang umher. Als er aber, ohne zu wissen, nach welcher Seite er sich wenden sollte, an der Ecke der Rue de Seine stand, erinnerte er sich plötzlich dessen, was ihm der Freund erzählt hatte: wie er eine ganze Nacht im Atelier Dequersonnière zugebracht hatte, eine schreckliche Arbeitsnacht vor dem Tage, wo die Projekte der Schüler in der Akademie der schönen Künste abgeliefert werden mußten. Sogleich begab er sich zur Rue du Four hinauf, in welcher das Atelier lag. Bis dahin hatte er es immer vermieden, Dubuche von dort abzuholen, um sich nicht dem Hohngeschrei auszusetzen, mit dem jeder Fremde empfangen wurde. Aber heute ging er frischweg dorthin; seine Bangigkeit, mit sich allein sein zu müssen, siegte über seine Scheu bis zu dem Grade, daß er sich bereit fühlte, ihren Spott über sich ergehen zu lassen, wenn er nur einen Genossen seines Elends gewann.
Das Atelier befand sich im engsten Winkel der Rue du Four im Hintergrunde eines alten, baufälligen Hauses. Man mußte über zwei übelriechende Höfe weg und gelangte endlich zu einem dritten, wo quervor eine Art von geschlossenem Schuppen sich erhob, ein großer Saal aus Holz und Gips, der früher einem Verpacker gehört hatte. Von draußen sah man durch die vier großen Fenster, deren untere Scheiben mit Bleiweiß beschmiert waren, nur die kahle, weißgetünchte Decke.
Doch als Claude die Tür aufgestoßen hatte, blieb er unbeweglich auf der Schwelle stehen. Vor ihm dehnte sich der weite Saal mit seinen vier langen, zu den Fenstern hin senkrechten Doppelreihen von sehr breiten Tischen, an denen auf beiden Seiten die Schüler saßen und die dicht bestanden waren mit nassen Schwämmen, Farbennäpfen, Gefäßen mit Wasser, eisernen Leuchtern, Holzkästen, in denen jeder seine weiße Leinenbluse, sein Werkzeug und die Farben barg. In einer Ecke stand der seit dem letzten Winter vergessene rostige Ofen, ihm zur Linken noch ein Rest Koks, den wegzufegen man sich nicht die Mühe gegeben hatte. Am anderen Ende hing ein Waschapparat aus Zink zwischen zwei Handtüchern. In aller Kahlheit der vernachlässigten Halle aber zogen vor allem die Wände den Blick an, wo sich oben, auf Wandbrettern, ein wirres Durcheinander von Gipsabgüssen reihte, das sich nach unten in einem Wald von T-Winkeln und Winkelmaßen und einer Anhäufung von zu Paketen zusammengeschnürten Zeichenbrettern verlor. Alles aber, was noch von der Wand freigeblieben, war nach und nach mit Inschriften und Zeichnungen beschmiert worden; eine im Laufe der Zeit angewachsene Verunzierung, die wie auf die Ränder eines stets geöffneten Buches hingeworfen war. Da gab es Karikaturen von Kameraden, obszöne Gegenstände, Worte, die einen Gendarmen hätten erröten machen können, außerdem Sprüche, Rechnungen, Adressen. An der am meisten ins Auge fallenden Stelle aber, alles beherrschend, in großen, dicken Buchstaben mit protokollmäßigem Lakonismus hingehauen: »Am 7. Juni hat Gorju gesagt, daß er auf Rom spucke. Gezeichnet: Godemard.«
Ein Murren hatte den Maler empfangen, das sich anhörte wie das aus ihrem Schlupfwinkel aufgestörter wilder Bestien. Was ihn aber starr auf die Schwelle bannte, war der Anblick des Saales, wie er sich heute, am Morgen nach der »Karren-Nacht«, bot. So nennen die Architekten diese letzte Arbeitsnacht. Seit dem frühen Morgen war die ganze Schule, sechzig Schüler, hier eingeschlossen. Die, welche keine Projekte abzuliefern hatten, die »Neger«, halfen den anderen, den nachhinkenden Konkurrenten, die sich gezwungen sahen, in zwölf Stunden die Arbeit einer ganzen Woche zu leisten. Um Mitternacht hatte man sich mit Wurst und Wein vollgestopft. Gegen ein Uhr aber hatte man, zum Nachtisch, drei Dämchen aus einem benachbarten öffentlichen Hause herübergeholt. Und ohne daß die Arbeit eine Unterbrechung erfuhr, war das Fest im Qualm der Pfeifen zu einer Art römischer Orgie ausgeartet. Als Nachbleibsel zeigten sich noch auf dem Fußboden ausgestreutes fettiges Papier und zerbrochene Flaschen und trübe Lachen, welche die Dielen einsaugten; die Luft aber stank nach den in den eisernen Leuchtern erloschenen Kerzen und dem Moschusgeruch der Dämchen, dem sich der der Würste und des Weins einte.
»Raus! ... Maulaffe! ... Was will denn der Strohkopf? ... Raus! Raus!«
Angesichts dieses über ihn hereinbrechenden Orkans schwankte Claude einen Augenblick ganz betäubt. Schließlich bekam er die abscheulichsten Worte zu hören; selbst die Zurückhaltendsten suchten sich in schmutzigen Gemeinheiten zu übertreffen. Er faßte sich, antwortete. Aber da wurde er von Dubuche erblickt. Der letztere wurde rot, denn solche Sachen waren ihm zuwider. Er schämte sich vor dem Freunde, kam unter lautem Gejohle, das sich jetzt gegen ihn wendete, eilig herbei und stammelte:
»Wie, du bist es? ... Ich sagte dir doch, du solltest nie hierherkommen ... Wart einen Augenblick im Hofe.«
In dem Augenblick, wo Claude hinaustrat, wäre er beinahe von einer kleinen Handkarre überfahren worden, die von zwei stark bebarteten Burschen im Galopp herbeigefahren wurde. Das war die Karre, nach welcher die große Arbeitsnacht ihren Namen trug. Schon seit einer Woche pflegten die von den Schülern, welche infolge von Nebenarbeiten im Rückstand geblieben waren, zu sagen: »Ich muß in die Karre!« Sobald die Karre erschienen war, erhob sich ein lautes Geschrei. Es war ein Viertel vor neun. Man hatte gerade noch Zeit, zur Akademie zu kommen. In wüstem Gedränge leerte sich der Saal. Jeder brachte, mit dem Ellbogen arbeitend, sein Zeichenbrett. Die, welche durchaus noch eine Einzelheit fertigstellen wollten, wurden gestoßen und mitgerissen. In weniger als fünf Minuten waren alle Reißbretter in der Karre untergebracht, und die beiden bärtigen Burschen, die letzten der Neulinge der Schule, spannten sich wie Rosse vor das Fahrzeug, während die Flut der anderen mit lautem Geschrei hinten nachschob. Es war wie ein Schleusenbruch, dessen Flut die beiden Höfe überschwemmte, dann in die Straße einbrach und sie mit brüllendem Gewimmel erfüllte.
Claude lief mittlerweile mit Dubuche hinterher, der hintangekommen war und sich sehr ärgerte, daß er nicht noch eine Viertelstunde übrig gehabt hatte, um seine Zeichnung noch sorgfältiger auszutuschen.
»Was machst du nachher?«
»Oh, ich habe den ganzen Tag über Gänge zu besorgen.«
Der Maler war verzweifelt, daß auch dieser Freund ihm entschlüpfte.
»Gut, ich verlasse dich also ... Aber heut abend bist du doch bei Sandoz?«
»Ja, ich denke. Wenn ich nicht irgendwo zum Essen eingeladen werde.«
Die beiden waren außer Atem. Ohne Aufenthalt machte die Rotte einen Umweg, um solange wie möglich umherlärmen zu können. Als sie die Rue du Four hinunter war, stürmte sie quer über die Place Gozlin und warf sich dann in die Rue de l'Échaude. Vorn holperte die immer wilder gezogene und vorwärtsgestoßene Karre über das schlechte Pflaster, wobei kläglich die Reißbretter auf und nieder tanzten; hinterher galoppierte der Schwarm und nötigte die Passanten, wenn sie nicht umgerannt werden wollten, sich an die Häuser anzudrücken. Die Krämer standen gaffend vor ihren Ladentüren und mochten wohl glauben, eine Revolution sei ausgebrochen. Das ganze Viertel war in Aufregung. In der Rue Jacob wurde der Spektakel so toll, daß man angesichts des scheußlichen Geschreis die Jalousien herunterließ. Als sie in die Rue Bonaparte kamen, machte sich ein langer, blonder Mensch den Spaß, ein kleines Dienstmädchen zu ergreifen, das ganz verdutzt auf dem Bürgersteige stand, und es mitzuziehen. Ein Strohhalm in einem Strom.
»Na, leb wohl!« sagte Claude. »Auf heut abend.«
»Ja, auf heut abend!«
Außer Atem war der Maler an der Ecke der Rue des Beaux- Arts stehengeblieben. Vor ihm stand der Hof der Schule weit offen. Alles ergoß sich hinein.
Nachdem er sich einen Augenblick verschnauft, gewann Claude die Rue de Seine. Aber sein Pech dauerte weiter. Er sollte diesen Vormittag nicht einen einzigen Kameraden treffen. Er ging die Straße wieder hinauf und wanderte langsam, ohne bestimmte Absicht, bis zum Pantheonplatz. Dann dachte er, daß er immerhin in die Mairie eintreten und Sandoz guten Tag sagen könnte. Das waren dann reichlich zehn Minuten. Aber er barst vor Verdruß, als ein junger Mensch ihm mitteilte, Herr Sandoz hätte einer Beerdigung wegen einen Tag Urlaub. Übrigens kannte er die Geschichte: es war der gewohnte Grund, den der Freund vorbrachte, wenn er einmal zu Hause einen ganzen Tag über ungestört arbeiten wollte. Schon schlug er den Weg zu ihm ein, als ihn die brüderliche Gesinnung und sein Gewissen als fleißiger Arbeiter zurückhielt. Es war ein Verbrechen, einen braven Kerl zu stören, ihm da gerade in einem Augenblick, wo er ohne Zweifel wacker der eigenen Arbeit gerecht ward, noch mit seiner Entmutigung anzukommen.
Jetzt mußte Claude verzichten. Bis Mittag trug er seinen schwarzen Trübsinn die Quais hin spazieren, und der Kopf war ihm so schwer, surrte ihm so von dem beständigen Gedanken an seine Ohnmacht, daß er die geliebten Fernsichten der Seine nur noch wie durch einen Nebel sah. Dann fand er sich wieder in der Rue de la Femme-sans-Tête, frühstückte dort bei Gomard, einem Weinhändler, dessen Schild »Zum Hund von Montargis« ihn anzog. Maurer in ihren kalkbespritzten Arbeitsblusen saßen an den Tischen. Wie sie, mit ihnen, speiste er sein »Einfaches« zu acht Sous, Fleischbrühe in einem Napf, in die er Brot brockte, und eine Schnitte Rindfleisch mit Bohnen, aus einem noch vom Abwaschwasser feuchten Teller. Aber das war ja noch viel zu gut für so einen Stümper, der sich nicht auf sein Handwerk verstand. Wenn ihm ein Arbeitstag mißglückt war, erniedrigte er sich, stellte sich noch unter die Handwerker, deren grobe Arme wenigstens ihr Tagewerk leisteten. Eine Stunde verweilte er, verlor sich an die Unterhaltungen, die an den Nachbartischen geführt wurden. Als er wieder draußen war, nahm er seinen Schlendermarsch aufs Geratewohl wieder auf.
Doch auf dem Rathausplatz kam ihm ein Gedanke, der ihn seinen Schritt beeilen machte. Warum hatte er nicht an Fagerolles gedacht? Obwohl ein Schüler der Kunstakademie, war Fagerolles ein netter Kerl, munter und auch gar nicht dumm. Man konnte mit ihm reden, selbst wenn er die schlechte Malerei verteidigte. Hatte er bei seinem Vater in der Rue Vieille-du-Temple zu Mittag gegessen, so würde er ihn dort sicher noch antreffen.
Beim Eintritt in diese enge Straße fühlte er sich von einer frischen Kühle erquickt. Der Tag war sehr heiß geworden, aber vom Pflaster stieg eine Feuchte auf, die, obgleich vollkommen klarer Himmel herrschte, unter den Tritten des endlosen Verkehrs klebrig blieb. Alle Augenblicke geriet er in Gefahr, von Last- oder Möbelwagen überfahren zu werden, und schließlich zwang ihn ein Gedränge, den Bürgersteig zu verlassen. Trotzdem machte ihm die Straße mit dem Drüber und Drunter und der unregelmäßigen Linie ihrer Häuser, ihren flachen, bis zu den Dachrinnen mit buntscheckigen Firmenschildern bedeckten, von winzigen Fenstern, hinter denen alles Kleinhandwerk von Paris sein Wesen hatte, durchbrochenen Hauswänden Vergnügen. An einem der engsten Durchgänge hielt ihn ein kleiner Zeitungsladen. Zwischen einem Coiffeur und einem Kaldaunenhöker gab's eine Auslage von kindischen Stichen, süßlichen Romanzen und gemeinen Bildern. Vor den Bildern stand in Träumen verloren ein großer, blasser Bursch, während zwei Dirnen sich anstießen und grinsten. Er hätte sie alle drei ohrfeigen mögen, beeilte sich aber, die Straße zu überschreiten, da das Haus der Fagerolles sich gerade gegenüber befand. Es war ein düsteres, altes Gebäude, das fleckig von schmutzigen Regenstreifen aus den übrigen Häusern hervorsprang. Als gerade ein Omnibus vorbeikam, hatte er eben noch Zeit, auf den hier ungewöhnlich schmalen Bürgersteig zu springen. Die Räder streiften ihm schon die Brust, und er wurde bis zu den Knien mit Kot bespritzt.
Herr Fagerolles, der Vater, ein Kunstzinkfabrikant, hatte seine Werkstätten zu ebener Erde. Im ersten Stock bewohnte er, um die beiden hellen, nach der Straße hinausgelegenen, großen Zimmer als Mustermagazine zu benutzen, eine kleine, dunkle, nach dem Hof hinausliegende Wohnung, die eng und stickig war wie ein Keller. Hier war sein Sohn Henri, ein echtes Gewächs des Pariser Pflasters, am Rand des von den Rädern der Fahrzeuge und vom Regenwasser abgenutzten Bürgersteiges, dem Bilderladen, dem Kaldaunenhändler und Barbier gegenüber aufgewachsen. Zuerst hatte der Vater ihn für seinen persönlichen Gebrauch zum Zeichnen von Ornamenten angehalten. Dann, als in dem Knaben ein höher gerichteter Ehrgeiz sich geregt, er sich ans Malen gemacht und von der Akademie gesprochen hatte, hatte es Zank gegeben, Ohrfeigen und eine Reihe von Zerwürfnissen und Wiederversöhnungen. Und noch heute behandelte der Kunstzinkfabrikant, obgleich Henri schon seine ersten Erfolge erzielt hatte, ihn hart und als ein aus der Art geschlagenes Kind, wenn er ihm schließlich auch seine freie Wahl hatte lassen müssen.
Nachdem Claude den Straßenschmutz abgeschüttelt hatte, trat er in den Hausflur ein, ein tiefes Gewölbe, das in einen Hof mündete, der mit seinem grünlichen Licht und seinem dumpfen, schimmligen Geruch an eine Zisterne erinnerte. Unter einem Schutzdach bot sich eine breite Freitreppe mit einem alten, verrosteten Geländer. Als der Maler aber an den Magazinen des ersten Stockes vorbeikam, bemerkte er durch eine Glastür Herrn Fagerolles, der seine Gußmodelle prüfte. Trotz seines Widerwillens gegen dies bronzebemalte Zink und all diese scheußliche, verlogene Nachahmung wollte er nicht unhöflich sein und trat ein.
»Guten Tag, mein Herr ... Ist Henri noch zu Hause?«
Der Fabrikant, ein bleicher, dicker Mann, erhob sich zwischen seinen Buketthaltern, Vasen und Statuetten. In der Hand hielt er ein neues Thermometermodell, eine kauernde Jongleuse, die auf der Nase die leichte Glasröhre balancierte.
»Henri ist nicht zum Mittag gekommen«, antwortete er kurz.
Dieser Empfang brachte den jungen Mann außer Fassung.
»Ah, er ist nicht gekommen ... Verzeihen Sie! Guten Abend, mein Herr!«
»Guten Abend!«
Draußen fluchte Claude zwischen den Zähnen durch. Pech über Pech, auch Fagerolles nicht da. Er ärgerte sich jetzt, daß er gekommen war, daß er sich für diese alte, malerische Straße interessiert hatte, war wütend über den alten, romantischen Krebsschaden, der trotz allem immer wieder in ihm emportrieb. Das war vielleicht sein ganzes Leiden: diese falsche Geschmacksrichtung, die ihm manchmal den Schädel vernagelte. Als er abermals zu den Quais geriet, kam. ihm der Gedanke, nach Hause zurückzukehren, um nachzusehen, ob sein Bild denn wirklich so schlecht war. Aber bei dem bloßen Einfall überlief ihn ein Zittern. Sein Atelier schien ihm eine Stätte des Schreckens, wo er nicht mehr leben konnte, als hätte er dort den Leichnam eines geliebten Toten zurückgelassen. Nein, nein! Die drei Stock hinaufzusteigen, die Tür zu öffnen, sich mit dieser Sache da einzuschließen: dazu hätte es eines Mutes bedurft, den er nicht vermochte! Er überschritt die Seine, ging die ganze Rue Saint-Jacques hinab. Mochte es gehen, wie's wollte, er fühlte sich zu unglücklich. Und so begab er sich zu der Rue d'Enfer, zu Sandoz.
Die kleine Wohnung im vierten Stock bestand aus einem Eßzimmer, einem Schlafgemach und einer engen Küche, wo das Mädchen hauste, während die gelähmte Mutter auf der anderen Seite des Flures ein Gemach hatte, wo sie in freiwilliger Einsamkeit ihren trübseligen Tag verbrachte. Die Straße war einsam und leer. Die Fenster sahen auf den weiten Garten der Taubstummenanstalt, der von der runden Krone eines großen Baumes und dem viereckigen Turm der Kirche Saint-Jacques du Haut-Pas überragt wurde.
Claude fand Sandoz in seiner Kammer über seinen Tisch gebeugt und in eine beschriebene Seite vertieft.
»Ich störe dich?«
»Nein! Ich arbeite seit dem Morgen und habe genug ... Stell dir vor, daß ich jetzt schon seit einer Stunde mich abquäle, einen schlecht gebauten Satz zurechtzustutzen, über den ich mich schon während meines ganzen Frühstücks geärgert habe.«
Der Maler hatte eine verzweifelte Handbewegung, und als er ihn so mißmutig sah, verstand der andere.
»Und bei dir geht's auch nicht, wie's sollte, nicht? ... Laß uns gehen! Wir wollen uns mal gründlich auslaufen. Hast du Lust?«
Doch als er bei der Küche vorbeikam, wurde er von einer alten Frau aufgehalten. Es war die Aufwärterin, die für gewöhnlich zwei Stunden am Vormittag und zwei gegen Abend kam. Nur donnerstags blieb sie des Diners wegen den ganzen Nachmittag.
»Also soll es«, fragte sie, »ein Rochen sein und eine Hammelkeule mit Kartoffeln, nicht wahr, mein Herr?«
»Jawohl, wie Sie wollen.«
»Und für wie viele soll ich decken?«
»Ja, ich weiß nun nicht? ... Decken Sie immerhin für fünf, nachher wollen wir sehen. Also um sieben, nicht wahr? Wir werden uns bemühen, zur rechten Zeit da zu sein.«
Dann wartete Claude auf dem Flur einen Augenblick, während Sandoz zu seiner Mutter hineinschlüpfte. Als er mit der gleichen zärtlich-behutsamen Bewegung zurückgekehrt war, stiegen sie schweigend die Treppe hinab. Nachdem sie unten aber, wie um Witterung zu bekommen, nach rechts und nach links ausgeblickt hatten, gingen sie schließlich die Straße hinauf, gerieten auf den Platz de l'Observatoire und gingen den Boulevard du Montparnasse entlang. Das war ihr gewöhnlicher Spaziergang. Ganz unwillkürlich gelangten sie immer dorthin, zu dieser bunten Folge der äußeren Boulevards, welche sie liebten und wo sie nach Herzenslust streiften. Noch immer sprachen sie nicht. Noch war ihnen der Kopf schwer. Doch heiterte ihr Zusammensein sie nach und nach auf. Vor dem Stadtbahnhof aber kam Sandoz auf eine Idee.
»Sag, wie wär's, wenn wir zu Mahoudeau gingen und mal sähen, wie weit er mit seinem großen Ding da ist? Ich weiß, daß er heute seinen guten Tag hat.«
»Gut! Meinetwegen!« antwortete Claude. »Gehen wir zu Mahoudeau!«
Und sie bogen sogleich in die Rue du Cherche-Midi ein. Der Bildhauer Mahoudeau hatte einige Schritte vom Boulevard ab den Laden einer bankerott gewordenen Obsthändlerin gemietet; und hier hatte er sich, nachdem er die Fenster einfach mit Kreide beschmiert, eingerichtet. In diesem breiten, öden Teil hatte die Straße ein fast provinziales Gepräge, das noch durch einen gewissen kirchlichen Geruch an Anziehung gewann. Weit offene Torwege, durch die man in eine Reihenfolge von tiefen Höfen sieht; eine Molkerei haucht ihren warmen Streudunst; die endlos lange Mauer eines Klosters. Hier war es, wo sich, flankiert von dem Kloster und einer Kräuterhandlung, der Laden befand, der ein Atelier geworden war und auf dessen Schild immer noch in dicken, gelben Buchstaben zu lesen stand: »Früchte und Gemüse.«
Bei einem Haar hätten Claude und Sandoz von kleinen Mädchen, die über die Schnur sprangen, eins abbekommen. An den Bürgersteigen saßen Familien, deren Stuhlbarrikaden sie nötigten, auf den Fahrdamm zu gehen. Doch gelangten sie an Ort und Stelle. Aber der Anblick der Kräuterhandlung machte sie einen Augenblick verweilen. Zwischen den beiden Schaufenstern, die Irrigatoren, Bandagen und alle möglichen diskreten und delikaten Gegenstände aufwiesen, stand unter herabhängenden, trockenen Kräutern eine hagere, braune Frau und blickte ihnen nach, während hinter ihr, im Dunklen, undeutlich das Profil eines bleichen, sich an einem Lungenhusten erschöpfenden Männchens zum Vorschein kam. Sie stießen sich mit den Ellbogen an, und in ihren belustigten Augen stand ein spöttisches Lachen; dann wandten sie sich dem Atelier Mahoudeaus zu.
Der ziemlich große Laden schien fast ganz ausgefüllt von einem Tonhaufen, einer ungeheueren, halb auf einen Felsen hingesunkenen Bacchantin. Die starken Bohlen, die sie stützten, bogen sich unter dem Gewicht der noch formlosen Masse, aus der man nichts unterschied als die riesigen Brüste und Schenkel, die wie ein paar Türme waren. Wasser war herabgelaufen, dreckige Kübel standen umher, in einer Ecke lag ein schmutziger Haufen Gips. Auf den an ihrer Stelle belassenen Wandbrettern der ehemaligen Obsthandlung aber standen dicht beieinander einige antike Abgüsse, die sich unter dem aufgehäuften Staub langsam mit feiner Asche zu bedecken schienen. Ein Waschhausdunst, ein fader Geruch von nassem Ton stieg vom Fußboden auf. Das blasse Licht der mit Kreide beschmierten Schaufenster hob die Armseligkeit dieser Bildhauerwerkstatt und ihren Schmutz noch besonders hervor.
»Ah, ihr!« rief Mahoudeau, der, die Pfeife im Mund, vor seinem Bildwerk saß.
Er war klein und mager, hatte ein knochiges Gesicht, das, trotzdem er erst siebenundzwanzig Jahre zählte, schon Falten zeigte. Seine schwarze Haarmähne hing wirr um seine niedrige Stirn. In diesem gelben, abschreckend häßlichen Gesicht aber standen zwei klare, leere, mit einer anmutigen Naivität lächelnde Kinderaugen. Er war der Sohn eines Steinmetzen in Plassans und hatte dort bei dem Preisausschreiben des Museums große Erfolge davongetragen. Dann war er als Preisgekrönter der Stadt mit einer Pension von achthundert Franken, die er für die Zeit von vier Jahren genoß, nach Paris gekommen. Aber in Paris hatte er wie in einer Fremde gelebt, ohne Anhalt, hatte auf der Schule der schönen Künste nicht gut getan und seine Pension verzehrt, ohne etwas zu schaffen. So hatte er sich nach Ablauf der vier Jahre gezwungen gesehen, des lieben Lebensunterhaltes willen sich bei einem Fabrikanten von Heiligenbildern zu verdingen, wo er täglich zehn Stunden heilige Josephs, heilige Rochusse, heilige Magdalenen, den ganzen Heiligenkalender geschnitzt hatte. Doch als er vor sechs Monaten mit Kameraden aus der Provence zusammengetroffen war, Burschen, unter denen er der älteste war und die er früher im Kinderpensionat des Vater Giraud kennengelernt, die sich heute aber in wilde Revolutionäre verwandelt hatten, war er wieder vom Ehrgeiz ergriffen worden. Der hatte dann im Verkehr mit den leidenschaftlichen, ihm mit ihren ausschweifenden Theorien den Kopf verdrehenden Künstlern riesige Dimensionen angenommen.
»Verdammt!« sagte Claude. »Ist das ein Ding!«
Der beglückte Bildhauer zog eine mächtige Wolke aus seiner Pfeife.
»He, nicht wahr? ... Ja, ich werde ihnen Fleisch machen! Wahres, kein solches Schweineschmalz, wie sie's verbrechen!«
»Es ist eine Badende?« fragte Sandoz.
»Nein, ich gebe ihr Weinreben ... Eine Bacchantin, verstehst du?«
Doch sofort entrüstete sich Claude.
»Eine Bacchantin! Machst du dich über uns lustig? Gibt's denn so was, wie eine Bacchantin? ... Eine Winzerin doch. Und zwar, Gottsdonnerwetter, eine moderne! Freilich ist sie zwar nackt. Also dann aber ein Bauernmädchen, das sich ausgezogen hat. Man muß das herausfühlen. Leben muß das!«
Verblüfft horchte Mahoudeau auf und war ganz verzagt. Er hatte Respekt vor Claude, ordnete sich seinem Ideal von Kraft und Wahrheit unter. Und er gab ihm recht.
»Ja ja, das ist's, was ich sagen wollte ... Eine Winzerin. Du sollst sehen, ob das nach einem Weibe aussieht!«
In diesem Augenblick ließ Sandoz, als er um den riesigen Tonhaufen herumging, einen Ausruf vernehmen.
»Ah, da ist ja der Duckmäuser Chaîne!«
Tatsächlich malte hinter dem Haufen Chaîne, ein dicker Bursch, in aller Stille und kopierte auf eine kleine Leinwand den kalten, verrosteten Ofen. Man merkte seinen langsamen Bewegungen, seinem sonnverbrannten, lederharten Stiernacken sofort den Bauern an. Nur seine gewölbte Stirn verriet Starrsinn, denn die zu kurze Nase verschwand zwischen den roten Wangen, und ein starrer Bart verbarg die starken Kinnladen. Er stammte aus Saint-Firmin, einem zwei Meilen von Plassans entfernten Dorfe, wo er bis zu seiner Aushebung zum Militär die Herden geweidet hatte. Zu seinem Unglück hatte sich sein Nachbar für die Stockgriffe begeistert, die er mit dem Messer aus Wurzeln schnitzte. Jetzt war er für den kunstliebenden Bürger der geniale Hirt, das große Naturgenie geworden. Sein Gönner, der Mitglied der Museumsverwaltung war, hatte ihn angespornt, gelobhudelt, ihm mit allen möglichen Hoffnungen den Kopf verdreht. Dann aber war ihm nach und nach alles fehlgeschlagen: die Studien, Preisbewerbungen, das Stadtstipendium. Trotzdem war er, nachdem er sich von seinem Vater, einem armseligen Bauern, sein Erbteil von tausend Franken hatte auszahlen lassen, nach Paris gezogen. Mit dem Gelde hatte er ein Jahr, bis zu dem Triumph, auf den er hoffte, ausgereicht. Als ihm aber nach achtzehn Monaten bloß noch zwanzig Franken geblieben waren, hatte er sich mit seinem Freund Mahoudeau zusammengetan. Sie schliefen beide in demselben Bett, in einem hinter dem Atelier gelegenen dunklen Raum, aßen miteinander von demselben Brot, das sie vierzehn Tage im voraus kauften, damit es recht hart war und man es nicht so schnell aufaß.
»Sehen Sie nur, Chaîne!« fuhr Sandoz fort. »Wie schön genau Ihr Ofen ist!«
Ohne etwas zu erwidern, lachte Chaîne still ein strahlendes Lächeln in seinen Bart hinein, das sein Gesicht wie ein Sonnenstrahl erhellte.
Um den Unsinn voll zu machen, hatte ihn der Rat seines Beschützers trotz seiner eigentlichen Vorliebe für die Holzschnitzerei auf die Malerei geworfen. Und er malte wie ein Anstreicher, verpfuschte die Farben, machte die klarsten, lebensvollsten trüb. Doch sein Stolz war bei allem Ungeschick die Genauigkeit. Er hatte die naive Vorliebe eines Primitiven für die Miniatur, sorgte sich um die geringste Einzelheit, worin sich die kaum der Scholle entwachsene Kindlichkeit seines Wesens gefiel. Der Ofen hatte eine verschiefte Perspektive, war trocken präzis und in einem trüb schlammigen Ton gemalt.
Von Mitleid mit dieser Malerei erfaßt, trat Claude hinzu. Und er, der schlechten Malern gegenüber so unerbittlich war, hatte ein Lob.
»Ah, man muß Ihnen nachsagen, daß Sie ein gewissenhafter Arbeiter sind. Sie geben sich wenigstens so, wie Sie empfinden. Das ist recht brav da.«
Aber da tat sich die Tür des Ateliers auf, und ein hübscher, blonder Bursch mit einer großen, rosigen Nase und großen, blauen, kurzsichtigen Augen trat herein und rief:
»Wißt ihr, die Kräuterhändlerin von nebenan ist draußen und angelt. So'n Ekel!«
Alle, außer Mahoudeau, der sich sehr verlegen zeigte, lachten.
»Jory, der König der Tollpatsche!« erklärte Sandoz, indem er dem Ankömmling die Hand drückte.
»He! Was? Mahoudeau schläft bei ihr?« fuhr Jory fort, als er endlich verstanden hatte. »Na, was ist da weiter! Ein Weib schlägt niemand aus.«
»Ach, du«, begnügte sich der Bildhauer zu sagen, »bist ja auf die Fingernägel der Deinen gefallen, hast dir dabei ein Stück Backe abgerissen.«
Abermals brachen alle in ein Gelächter aus, und es war jetzt an Jory, rot anzulaufen. Tatsächlich war sein Gesicht mit zwei tiefen Rissen gezeichnet. Er war der Sohn eines Magistratsbeamten von Plassans. Nachdem er seinen Vater mit seinen Liebesabenteuern zur Verzweiflung gebracht, hatte er seinen Streichen die Krone aufgesetzt und sich unter dem Vorwand, er wolle sich in Paris der Literatur widmen, mit einer Café-Chansonette davongemacht. Seit sechs Monaten hausten sie zusammen in einem Winkelhotel des lateinischen Viertels; und jedesmal, wenn er sie mit der ersten besten Schürze betrog, die ihm auf dem Bürgersteig nachlief, lederte ihn das Mädchen. So zeigte er immer wieder einmal eine Schmarre, eine blutiggeschlagene Nase, ein zerschundenes Ohr oder ein angeschwollenes, blauunterlaufenes Auge.
Man kam schließlich in Unterhaltung. Bloß Chaîne malte hartnäckig wie ein pflügender Ochs weiter drauflos. Jory war über die Winzerin sofort in Ekstase geraten. Dicke Weiber waren sein Schwarm. Es hatte damit angefangen, daß er zu Hause, in Plassans, den Busen und die runden Hüften einer schönen Fleischerin, die seine Nächte beunruhigte, in romantischen Sonetten gefeiert hatte. In Paris aber war er, seit er mit seinen Jugendfreunden zusammengetroffen, Kunstkritiker geworden und schrieb für ein kleines Skandalblatt, den »Tambour«, Artikel zu zwanzig Franken. Einer von diesen Artikeln, eine Studie über ein bei Vater Malgras ausgestelltes Gemälde von Claude, hatte sogar einen gewaltigen Skandal verursacht; denn er hatte in ihm dem Freunde die »Lieblinge des Publikums« geopfert und ihn als das Haupt einer neuen Schule hingestellt, der Schule des Pleinair. Im Grunde sehr praktisch veranlagt, machte er sich über alles lustig, was nicht mit seinem sinnlichen Genuß zusammenhing, und wiederholte einfach die Theorien, die er im Kreise seiner Freunde auffing.
»Weißt du, Mahoudeau«, rief er, »du sollst einen Artikel haben. Ich werde dein braves Mädchen da lancieren ... Ah, was hat sie für Schenkel! Wenn man sich solche leisten könnte!«
Doch dann sprach er plötzlich von etwas anderem.
»Übrigens, mein Geizdrache von Vater ist mir entgegengekommen. Ja, er hat Angst, ich mache ihm Schande, und er schickt mir monatlich hundert Franken ... Ich kann meine Schulden bezahlen.«
»Schulden? Du bist ja ein Ausbund von Vernunft!« lachte Sandoz.
Tatsächlich zeigte Jory eine ererbte Anlage von Geiz, und man zog ihn damit auf. Er bezahlte die Weiber nicht und brachte es fertig, sein ungeregeltes Lehen ohne Geld und Schulden zu führen. Diese angeborene Kunst, zu genießen, ohne daß es ihn etwas kostete, verband sich in ihm mit einer ewigen Doppelzüngigkeit, einer Gewohnheit zu lügen. Er hatte sich das im Kreise seiner frommen Familie angewöhnt, wo die Sorge, seine Untugenden zu verstecken, ihn dazu gebracht hatte, bei jeder Gelegenheit, selbst wenn er's nicht nötig gehabt hatte, die Unwahrheit zu sagen. Er hatte eine prächtige Antwort. Wie ein Weiser, der das Leben von Grund aus kennt, rief er:
»Oh, ihr habt keine Ahnung vom Wert des Geldes.«
Aber diesmal wurde er gründlich ausgelacht. Was er für ein Spießer war! Noch hatten die Schmähungen ihren Höhepunkt nicht erreicht, als leicht an das Fenster gepocht wurde und der Lärm verstummte.
»Ach, sie wird nachgerade wirklich langweilig«, sagte Mahoudeau mit einer verdrießlichen Handbewegung.
»He, wer ist's? Die Kräuterhändlerin?« fragte Jory. »Laß sie doch 'rein, das gibt einen Spaß.«
Übrigens hatte sich die Tür bereits geöffnet, und die Nachbarin, Frau Jabouille oder, wie sie vertraulich genannt wurde, Mathilde, zeigte sich auf der Schwelle. Sie war dreißig Jahre alt, hatte ein flaches, hageres, verbrauchtes Gesicht mit leidenschaftlichen Augen unter bläulichen, müden Lidern. Es hieß, daß die Priester sie mit dem kleinen Jabouille verheiratet hätten, einem Witwer, dessen Kräuterhandlung damals dank der frommen Kundschaft des Viertels geblüht hatte. So viel stand fest, daß man im schummerigen Dunkel des vom Duft der Arzneikräuter wie von Weihrauch geschwängerten Ladens oft unbestimmte Schatten von Soutanen gesehen hatte. Es herrschte hier, während die Spritzröhrchen verkauft wurden, die Stille eines Klosters, die weihevolle Stimmung einer Sakristei. Die Frommen, die eintraten, flüsterten wie im Beichtstuhl, ließen die Injektoren in ihre Taschen gleiten, entfernten sich dann gesenkten Blickes. Unglücklicherweise waren aber Gerüchte von Kindabtreibungen in Umlauf gekommen. Freilich, wie die wohlgesinnten Leute sagten, war das eine Verleumdung, die von einem gegenüberwohnenden Weinhändler ausging. Seit der Witwer sich wieder verheiratet hatte, ging das Geschäft zurück. Die Glasgefäße schienen trüb zu werden, die getrockneten Kräuter oben unter der Decke zerfielen in Staub; er selber hustete sich, zum fleischlosen Skelett abgemagert, die Seele aus dem Leibe. Aber obwohl Mathilde fromm war, zog sich die fromme Kundschaft nach und nach zurück; denn man fand, daß sie sich, jetzt wo Jabouille so hinfällig geworden war, zuviel mit jungen Leuten abgab.
Einen Augenblick stand sie unbeweglich, während ihre Blicke schnell im Atelier herumfuhren. Ein starker Ruch hatte sich verbreitet, der Ruch nach den Heilkräutern, mit dem ihre Kleider durchtränkt waren und den sie in ihrem fettigen, stets unordentlichen Haar trug: den des fad riechenden Malvenzuckers, den herben Ruch des Holundertees, den bitteren des Rhabarbers, besonders aber den heißen Pfefferminzgeruch, der wie ihr eigener Atem war, der heiße Atem, den sie den Männern ins Gesicht hauchte.
Sie tat, als sei sie überrascht.
»Ah, mein Gott! Sie haben Besuch! ... Das wußte ich nicht; ich will wiederkommen.«
»Ja«, sagte Mahoudeau sehr verdrießlich. »Übrigens will ich auch ausgehen ... Sie können mir am Sonntag eine Sitzung geben.«
Verdutzt betrachtete Claude erst Mathilde, dann die Winzerin.
»Wie!« rief er. »Die Dame stellt dir diese Muskeln da? Verdammt, da mästest du sie ja gehörig!«
Wieder lachten alle, während der Bildhauer Entschuldigungen stammelte. O nein, es handelte sich nicht um den Rumpf und die Beine, nur um den Kopf und die Hände, und sonst bloß noch um ein paar Andeutungen; sonst um weiter nichts.
Mathilde aber lachte mit den anderen. Es war ein grelles, schamloses Lachen. Ohne Umstände war sie eingetreten und hatte die Tür zugemacht. Dann tat sie wie zu Hause, fühlte sich unter all den Mannsleuten wohl, streifte sie an, suchte sich ihnen angenehm zu machen. Ihr Lachen hatte verschiedene Zahnlücken entblößt. Mit ihrem abgenutzten Äußern, ihrer welken Haut, die die Knochen hervortreten ließ, war sie abstoßend häßlich. Besonders war es Jory mit seiner frischen Farbe und seiner großen, rosigen, vielversprechenden Nase, der's ihr antat. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an und setzte sich mit einemmal, wohl um ihn anzulocken, Mahoudeau frech wie eine Dirne auf die Knie.
»Nein, laß!« sagte dieser und erhob sich. »Ich muß fort ... Nicht wahr? Wir werden erwartet.«
Er hatte mit den Augen geblinzelt, freute sich im übrigen auf einen guten Bummel. Alle antworteten, daß sie eine Verabredung hätten, und halfen ihm, seinen Entwurf mit alten, in den Kübeln angefeuchteten Lappen bedecken.
Doch Mathilde, die eine unterwürfig verzweifelte Miene hatte, entfernte sich nicht. Sie begnügte sich, als sie sie anstießen, bloß aus dem Wege zu gehen. Chaîne aber, der nicht mehr arbeitete, verschlang sie über seine Leinwand weg mit seinen großen Augen in lüsterner Begehrlichkeit. Bis dahin hatte er nicht ein Wort gesagt. Als Mahoudeau endlich aber mit den drei Kameraden aufbrach, entschloß er sich, mit plumper, von langem Schweigen ungelenk gewordener Stimme zu sagen:
»Kommst du nach Hause?«
»Sehr spät. Iß nur und leg dich dann hin. Adieu!«
Chaîne blieb mit Mathilde in dem feuchten Atelier mitten zwischen den Tonhaufen und Wasserlachen im kreidigen Licht der beschmierten Fensterscheiben, das den elenden, schlecht gehaltenen Raum grell beleuchtete, allein.
Draußen angekommen, marschierten Claude und Mahoudeau voraus, während die beiden anderen ihnen folgten. Jory schrie vor Lachen auf, als Sandoz ihn damit neckte, daß er ihn versicherte, er habe an der Kräuterhändlerin eine Eroberung gemacht.
»Ah, um Himmelswillen, sie ist ja gräßlich, sie könnte ja unser aller Mutter sein! Ein Maul hat sie wie eine alte, zahnlose Hündin! ... Dabei riecht sie wie 'ne Apotheke.«
Diese Übertreibungen machten Sandoz lächeln. Er zuckte die Achseln.
»O laß gut sein; du bist gar nicht so heikel und nimmst manche, die nicht viel mehr wert ist.«
»Ich? Wo denn? ... Übrigens ist sie, weißt du, hinter unserem Rücken Chaîne um den Hals gefallen. Die Schweine tun sich gütlich zusammen!«
Mahoudeau, der ganz von einer lebhaften Erörterung mit Claude in Anspruch genommen schien, wandte sich mitten in seiner Rede lebhaft um und sagte:
»Ich pfeife drauf!«
Dann endete er, dem Kameraden zugewandt, seinen Satz. Aber als er zehn Schritte getan hatte, warf er von neuem über die Schulter hin zurück:
»Vor allem ist Chaîne zu dumm.«
Es wurde nicht mehr davon gesprochen. Wie sie miteinander dahinbummelten, nahmen sie fast die Breite des Boulevards des Invalides ein. Das war ihre Art zu schlendern. Wenn dann die Rotte allmählich von anderen Kameraden, die sie unterwegs auflasen, anschwoll, so war's, als ob sie in freiem Marsch in den Krieg zögen. Die sich breit machenden Schultern der zwanzigjährigen Burschen nahmen dann die ganze Straße für sich in Anspruch. Waren sie so beieinander, war's, als schallten Siegesfanfaren vor ihnen her; sie packten Paris mit der Hand und steckten es gelassen in die Tasche. Sie zweifelten nicht an ihrem Sieg. Unbekümmert um ihre Armut, und als brauchten sie, um die Herren zu sein, bloß zu wollen, führten sie ihr abgenutztes Schuhwerk und ihre fadenscheinigen Überröcke spazieren. Das ging aber nicht ab ohne eine gewaltige, zur Schau getragene Verachtung gegenüber allem, was nicht die Kunst war, vor dem Reichtum, vor der guten Gesellschaft und vor allem vor der Politik. Wozu war dieser Krempel gut? Höchstens für die Siechen da, in diesem Nest von Paris! Eine stolze Rücksichtslosigkeit, ein absichtliches Nichtverstehenwollen der Notwendigkeiten des sozialen Lebens schwellte ihnen die Brust, der tolle Traum, daß die Welt nur Künstler tragen möchte. Sie waren hierin zuweilen borniert bis zur Torheit: doch das machte sie tapfer und stark.
Claude wurde lebhaft. Die warme Atmosphäre gemeinsamer Hoffnung gab ihm seinen Glauben an sich selbst zurück. Nur eine unbestimmte Schwere blieb ihm von den am Morgen ausgestandenen seelischen Qualen zurück. Er begann von neuem mit Mahoudeau und Sandoz über sein Bild zu disputieren, schwor aber doch noch, daß er es morgen vernichten wolle. Der sehr kurzsichtige Jory aber sah den alten Damen ins Gesicht und verbreitete sich in Theorien über das künstlerische Schaffen. Man mußte sich so geben, wie man war, und im ersten Wurf der Eingebung. Er selber korrigiere sich nie. So gingen die vier unter beständigen Diskussionen den Boulevard hinab, dessen halbleere Einsamkeit mit den endlosen Reihen ihrer schönen Bäume eigens für ihre Gespräche geschaffen zu sein schien. Doch als sie auf die Esplanade eingebogen waren, gestaltete sich ihr Streit zu einem so erbitterten, daß sie mitten in der weiten Ausdehnung stehen blieben. Ganz außer sich behandelte Claude Jory als einen Kretin. War's denn nicht besser, ein Werk zu vernichten, als es als ein mittelmäßiges aus der Hand zu geben? Ja, dies gemeine Handelsinteresse war ekelhaft! Sandoz und Mahoudeau sprachen beide zugleich sehr aufgeregt dazwischen. Beunruhigt wandten die Passanten sich nach ihnen um und umstanden schließlich die lärmenden jungen Männer, die sich ausnahmen, als wollten sie aufeinander losschlagen. Als man sie dann aber im besten Einvernehmen sah und wie sie alle zusammen eine weißgekleidete Amme, die kirschrote Bänder hatte, bewunderten, ging man, da man sich genarrt glaubte, seiner Wege. Aber die Amme! Wetter nich' noch mal! Was für Nuancen! Was würde das für ein Bild geben! Ganz hingerissen kniffen sie die Augen und folgten der Amme durch die Anlagen und waren ganz erstaunt, kamen sich plötzlich wie aus einem Traum erwacht vor, daß sie schon hier angelangt waren. Der nach allen Seiten hin offene, mächtige, südlich nur von der fernen Perspektive der Invaliden abgeschlossene Platz mit seiner Größe und Ruhe entzückte sie. Zudem hatten sie hier Raum genug für ihre Gestikulationen. Hier konnten sie doch atmen. Sie, die erklärten, Paris sei ihnen zu eng und es fehle ihrem Ehrgeiz in ihm an Luft.
»Habt ihr ein bestimmtes Ziel?« fragte Sandoz Mahoudeau und Jory.
»Nein«, antworteten die letzteren. »Wir gehen mit euch ... Wohin wollt ihr?«
Mit verlorenem Blick murmelte Claude:
»Ich weiß nicht... dorthin!«
Sie verfolgten den Quai d'Orsay bis zur Konkordiabrücke. Vor der Deputiertenkammer äußerte der Maler entrüstet:
»Was für ein elendes Gebäude!«
»Neulich«, sagte Jory, »hat Jules Favre hier eine großartige Rede gehalten ... Er hat's Rouher gründlich gegeben!«
Doch die drei anderen ließen ihn nicht fortfahren. Der Streit erhob sich von neuem. Ah was, Jules Favre! Ah was, Rouher! Existierte so etwas überhaupt! Idioten, von denen zehn Jahre nach ihrem Tode kein Mensch mehr reden würde! Sie überschritten die Brücke, zuckten verächtlich die Achseln. Als sie aber mitten auf dem Konkordiaplatz standen, wurden sie still.
»Das da«, erklärte Claude schließlich, »ist immerhin nicht ohne.«
Es war vier Uhr. Der schöne Tag neigte sich in einem wunderbaren Goldstaub. Zur Rechten und zur Linken, gegen die Madeleine und gegen die Deputiertenkammer hin, zogen sich die Reihen der Gebäude in die weite Ferne hinein und hoben sich von dem klarblauen Himmel ab, während der Tuileriengarten die runden Wipfel seiner großen Kastanienbäume aufbaute. Zwischen den beiden grünen Rändern ihrer Seitenalleen stieg die Avenue der Champs-Elysées weit bis zu dem ungeheuren Tor des Arc de Triomphe an, unter welchem durch der Blick ins Endlose führte. Im Doppelstrom, wie ein doppelter Fluß, wogte die Menge. Dazwischen die lebhaften Bewegungen der Fahrzeuge, die wogende Flucht der Kutschen, aus der der Reflex eines Geschirrs, das Funkeln einer Laterne aufspritzte wie ein weißer Schaum. Unten füllten sich, auf dem Platz, die mächtigen Bürgersteige, die breiten Fahrdämme von dieser ununterbrochenen Flut wie Seen. In jedem Sinne zeigte sich der Platz von strahlenden Rädern überquert, zwischen denen die Menschen wie schwarze Punkte wimmelten. Die beiden Fontänen sprangen und wehten taufrische Kühle in dies glühende Leben hinein.
Vor Wonne erbebend, rief Claude:
»Ah, dies Paris! ... Es ist unser, wir brauchen bloß zuzugreifen.«
Alle vier begeisterten sich mit vor Verlangen weitoffen leuchtenden Augen. Hauchte nicht von der Höhe dieser Avenue über die ganze Stadt hin der Ruhm? Paris hielt ihn, und sie wollten ihn erraffen.
»Wohl, das werden wir«, versicherte Sandoz in seiner energischen Weise.
»Wahrhaftig!« sagten Mahoudeau und Jory.
Sie nahmen ihre Wanderung wieder auf, bummelten noch weiter, gelangten hinter die Madeleine, gingen die Rue Tronchet hinauf. Endlich erreichten sie die Place du Havre, und Sandoz rief:
»Wir sind ja wohl auf dem Weg zu Baudequin?«
Die anderen waren überrascht. Wahrhaftig, sie waren auf dem Weg zu Baudequin.
»Welchen Tag haben wir?« fragte Claude. »Donnerstag? Wie? ... Also müssen Fagerolles und Gagnière dort sein... Gehen wir zu Baudequin!«
Sie stiegen die Rue d'Amsterdam hinauf. Sie hatten Paris durchquert. Es war einer ihrer großen Lieblingsspaziergänge geworden. Auch noch andere Märsche machten sie. So zum Beispiel von einem Ende bis zum anderen die Quais, oder wohl auch ein Stück der Festungswälle streiften sie ab, von der Brücke Saint-Jacques bis zu den Moulineaux, oder sie gingen bis zu einem bestimmten Punkt des Père-Lachaise hinauf und machten dann den Bogen zu den äußeren Boulevards hin. Sie liefen die Straßen, die Plätze, die Gabelungen ab, streiften ganze Tage lang umher, als hätten sie die Viertel eins nach dem anderen erobern wollen, und ließen ihre Theorien von den Hauswänden widerhallen. Und das Pflaster, all dies Pflaster, das ihre Sohlen traten, dieser alte Kampfboden schien ihnen zu gehören, von dem ein Rausch aufstieg, der sie, wenn sie erlahmten, neu belebte.
Das Café Baudequin lag am Boulevard des Batignolles, an der Ecke der Rue Darcet. Ohne daß man wußte, wie's gekommen, hatte die Schar es zu ihrem Versammlungsorte gewählt, obgleich nur Gagnière in diesem Viertel wohnte. Sie kamen hier regelmäßig Sonntagabend zusammen. Auch donnerstags gegen fünf Uhr kamen die, welche gerade frei waren, gewöhnlich einen Augenblick mit vor. Heute, an dem schönen, sonnigen Tage, waren die kleinen Tische vorn auf der Straße unterm Zelt sämtlich von einer doppelten Reihe den Bürgersteig versperrender Gäste besetzt. Doch die Freunde machten sich nichts aus dieser Enge, dieser öffentlichen Schaustellung. Sie zwängten sich durch und betraten den leeren, kühlen Saal.
»Ah, Fagerolles ist allein!« rief Claude.
Er war auf ihren gewohnten Tisch hinten links zugeschritten und drückte einem schmächtigen, bleichen Burschen die Hand, dessen Mädchengesicht von zwei grauen, spöttisch schmeichlerischen, stahlscharf blitzenden Augen belebt war.
Alle nahmen Platz. Man bestellte Bier. Der Maler fuhr fort:
»Weißt du, ich hab' dich bei deinem Vater gesucht ... Er hat mich schön in Empfang genommen!«
Fagerolles, der streitsüchtige, ungeschliffene Manieren zur Schau zu tragen liebte, schlug sich auf die Hüfte.
»Der Alte kann mir gestohlen bleiben! ... Wir haben wieder einen Krach miteinander gehabt, und ich hab' mich heut morgen davongemacht. Will er nicht, daß ich ihm Entwürfe für seine Zinkschweinerei da mache? Als wenn ich nicht schon in der Akademie genug davon hätte!«
Dieser leichte Hieb auf die Professoren freute die Kameraden. Fagerolles machte ihnen Vergnügen. Er machte sich durch solche beständigen boshaften Ausfälle und Schmeicheleien bei ihnen beliebt. Sein fragendes Lächeln schweifte von einem zum anderen, während seine langen, geschmeidigen Finger mit angeborener Geschicklichkeit auf der Tischplatte mit dem verschütteten Bier komplizierte Figuren zeichneten. Sein künstlerisches Geschick verfügte über eine glückliche Hand, der alles gelang.
»Und Gagnière?« erkundigte sich Mahoudeau. »Hast du ihn nicht gesehen?«
»Nein, ich bin seit einer Stunde hier.«
Aber Jory, der stillgeblieben war, stieß Sandoz mit dem Ellbogen an und zeigte ihm mit einer Kopfbewegung ein Mädchen, das mit einem Herrn im Hintergrund des Saales einen Tisch innehatte. Es waren übrigens bloß noch zwei andere Gäste da: zwei Sergeanten, die Karte spielten. Sie war fast noch ein Kind. Eins von den Pariser Kindern, die mit achtzehn Jahren noch mager und unreif aussahen. Man hätte sie mit ihrem hübschen, blonden Lockengeriesel über dem feinen Naschen, dem großen, lachenden Mund in dem rosigen Gesicht mit einem frisierten Hündchen vergleichen können. Sie blätterte in einer illustrierten Zeitschrift, während der Herr mit ernster Miene ein Glas Madeira trank. Aber aller Augenblicke warf sie über das Journal weg muntere Blicke zu den jungen Leuten hinüber.
»Nett! Wie?« flüsterte Jory, der Feuer gefangen hatte. »Auf wen, zum Teufel, hat sie's abgesehen? ... Nach mir sieht sie her!«
Aber heftig unterbrach ihn Fagerolles.
»Oho! Irr dich bloß nicht! Auf mich hat sie's abgesehen! ... Denkst du etwa, ich sitze hier seit einer Stunde, bloß um auf euch zu warten?«
Die anderen lachten. Mit gedämpfter Stimme erzählte er ihnen von Irma Bécot. Oh, sie war ein drolliges Ding! Er kannte ihre Geschichte. Sie war die Tochter eines Krämers aus der Rue Montorgueil. Übrigens hatte sie in der biblischen Geschichte, im Rechnen und in der Rechtschreibung einen ganz guten Unterricht genossen, denn sie hatte bis zu ihrem sechzehnten Jahre eine benachbarte Schule besucht. Ihre Schularbeiten machte sie zwischen den Linsensäcken. Die Straße, das Leben im Gewimmel des Bürgersteiges vervollständigten ihre Erziehung, und das beständige Geklatsch der bloßköpfigen Köchinnen, die, während ihnen für fünf Sous Schweizerkäse abgewogen wurde, die Skandalgeschichten des Viertels auskramten. Ihre Mutter war gestorben. Vater Bécot hatte schließlich bei seinem Dienstmädchen geschlafen; sehr verständiger Weise, denn so brauchte er deswegen nicht auszugehen. Aber das hatte ihm Appetit gemacht, es hatte ihn jetzt auch nach anderen Weibern verlangt, und bald hatte er sich derartig ins Vergnügen gestürzt, daß sein Kram nach und nach drauf ging. Die getrockneten Gemüse, die Warengläser, die Schubladen mit dem Zuckerwerk: alles war hin. Irma ging noch in die Schule, als sie eines Abends, wie sie gerade den Laden schloß, von einem Burschen über einen Korb mit Feigen geworfen worden war. Sechs Monate drauf war's mit dem Geschäft zu Ende; ihr Vater starb an einem Schlaganfall; sie nahm ihre Zuflucht zu einer Tante, von der sie geprügelt wurde. Sie ging mit einem jungen Mann aus der Nachbarschaft durch, kehrte dreimal zurück und machte sich eines schönen Tages endgültig davon, um sich in allen Kneipen des Montmartre und von Batignolles herumzutreiben.
»Eine liederliche Dirne!« murmelte Claude verächtlich.
Plötzlich aber erhob sich drüben der Herr, flüsterte ihr etwas zu, und als Irma Bécot ihn hinausgehen sah, lief sie mit der Geschwindigkeit einer schwänzenden Schülerin herbei und setzte sich Fagerolles auf die Knie.
»Wenn du dir vorstellen könntest, wie er sich einem anhängt! ... Schnell, küß mich, eh' er wiederkommt!«
Sie küßte ihn auf den Mund, trank aus seinem Glas. Auch mit den anderen gab sie sich ab, lachte ihnen aufmunternd zu. Denn sie hatte eine Vorliebe für die Künstler und bedauerte nur, daß sie nicht bemittelt genug waren, um Mädchen für sich allein aushalten zu können.
Besonders schien Jory sie zu interessieren, der sehr aufgeregt war und ihr feurige Blicke zuwarf. Da er rauchte, nahm sie ihm die Zigarette aus dem Mund und steckte sie in den ihren, ohne daß sie sich dabei in ihrem schlüpfrigen Geschwätz unterbrach.
»Ihr seid alle Maler! Ah, das ist lustig! ... Aber warum machen die drei da so brummige Gesichter? Lacht doch, oder ich komme und kitzle euch; ihr sollt sehen!«
Tatsächlich betrachteten Sandoz, Claude und Mahoudeau, peinlich berührt, sie mit ernster Miene. Sie aber blieb mit dem Ohr auf der Lauer, und als sie ihren Herrn zurückkommen hörte, warf sie Fagerolles schnell zu:
»Also nicht wahr? Morgen abend, wenn du willst. Hol' mich in Brédas Bierlokal ab.«
Dann, als sie die ganz feucht gewordene Zigarette Jory wieder in den Mund gesteckt hatte, sprang sie mit mächtigen Sätzen und schlenkernden Armen, in einer unsäglich komischen Haltung, zurück. Und als mit würdiger, ein wenig bleicher Miene der Herr wiedererschien, fand er sie still dasitzen, den Blick auf denselben Stich des illustrierten Journals gerichtet. Der ganze Vorgang hatte sich so schnell und in einem so drolligen Galopp vollzogen, daß die beiden Soldaten, zwei gutmütige Kerls, bei ihrem Kartenspiel sich vor Lachen ausschütteten.
Übrigens hatte Irma alle erobert. Sandoz erklärte, daß ihr Name Bécot sich sehr gut für einen Roman eigne. Claude fragte, ob sie ihm wohl zu einer Studie stehen würde; während Mahoudeau sie schon als eine Knabenstatuette vor Augen hatte, die sehr guten Absatz finden würde. Bald ging sie, wobei sie hinter dem Rücken ihres Herrn dem ganzen Tisch Kußhände zuwarf, einen ganzen Regen von Kußhändchen, die Jory erst noch ganz und gar entflammten. Doch Fagerolles wollte sie noch nicht abtreten. Denn unbewußt freute es ihn, daß er in ihr ein Kind der Straße, wie er selbst eins war, wiedergefunden hatte, und fühlte er sich von ihrer Verderbtheit, die auch ihm zu eigen war, angenehm berührt.
Es war fünf Uhr. Sie ließen sich nochmal Bier geben. Stammgäste des Viertels hatten inzwischen die Nachbartische besetzt, und diese Philister schickten Seitenblicke nach der Künstlerecke hinüber, in denen sich Mißachtung mit einem gewissen unruhigen Entgegenkommen einten. Man kannte sie ganz wohl. Eine Legende hatte sich über sie zu bilden angefangen. Sie aber sprachen jetzt von gleichgültigen Dingen: von der herrschenden Hitze, von der Schwierigkeit, in dem Omnibus nach dem Odéon einen Platz zu bekommen, und daß sie einen Weinhändler entdeckt hatten, bei dem man gutes Fleisch zu essen bekam. Einer von ihnen wollte eine Erörterung über eine Partie ekelhafter Gemälde anschneiden, die dem Luxembourg-Museum einverleibt worden waren; doch alle waren derselben Meinung: die Gemälde waren nicht die Rahmen wert. Und sie schwiegen wieder, rauchten und wechselten nur hin und wieder einmal ein Wort oder ein Lachen.
»Warten wir eigentlich noch auf Gagnière?« fragte Claude endlich.
Man protestierte. Gagnière war unausstehlich. Übrigens würde er, sobald die Suppe auf dem Tisch stände, schon kommen.
»Also los!« sagte Sandoz. »Es gibt heut abend eine Hammelkeule. Wir wollen sie nicht versäumen.«
Jeder beglich seine Zeche, und sie gingen. Ihr Aufbruch wurde von dem Café mit einer gewissen Aufregung beachtet. Junge Leute, jedenfalls Maler, deuteten, als ob sie den gefürchteten Häuptling eines wilden Stammes vorübergehen sähen, flüsternd auf Claude. Der famose Artikel Jorys tat seine Wirkung. Und das Publikum selbst leistete ihm Vorschub und schuf bereits von sich aus die Schule des Pleinair, während die Freunde selbst noch damit spaßten und im Scherz sagten, das Café Baudequin wisse noch gar nichts von der Ehre, die sie ihm an dem Tage gaben, wo sie es zur Wiege einer Kunstrevolution auserkoren hatten.
Auf dem Boulevard waren sie jetzt ihrer fünf. Fagerolles hatte sich zu ihnen gesellt. Langsam durchquerten sie mit der übermütigen Miene von Eroberern aufs neue Paris. Wie ihre Zahl gewachsen war, nahmen sie auch in breiterer Ausdehnung die Straße ein, und stürmischer rissen ihre Fersen das heiße Leben der Bürgersteige mit sich. Als sie die Rue de Clichy hinaufgegangen waren, verfolgten sie die Rue de la Chaussée d'Antin, bogen in die Rue Richelieu ein, überschritten, um dem Institut ihren Hohn zuzuschleudern, die Seine über die Brücke des Arts, gewannen endlich den Luxembourg durch die Rue de Seine, wo ein dreifarbiges Plakat, die grellbunte Reklame eines Wanderzirkus, ihnen laute Rufe der Bewunderung entlockte. Der Abend brach herein. Der Strom des Verkehrs floß träger. Die müdegewordene Stadt wartete auf Kühle und Schatten, bereit, sich dem ersten besten Manne zu ergeben, der kraftvoll genug war, sie zu nehmen.
Als Sandoz in der Rue d'Enfer die vier anderen bei sich hatte eintreten lassen, verschwand er in dem Gemach seiner Mutter. Dort verweilte er ein paar Minuten und erschien dann, ohne etwas zu sagen, mit dem stillgerührten Lachen, das er stets hatte, wenn er wieder von ihr herauskam. Sofort gab es in der engen Wohnung einen erschrecklichen Lärm. Lachen, Erörterungen, Geschrei. Er selber gab ein Beispiel, während er der Aushilfsfrau half, die sich bitter beklagte, daß es schon ein halb acht und ihre Hammelkeule trocken geworden wäre. Die fünf hatten schon Platz genommen und löffelten die Suppe, eine ausgezeichnete Zwiebelsuppe, als ein neuer Gast erschien.
»Oh, Gagnière!« schrie es im Chor.
Gagnière, ein Kleiner mit einem erstaunten, von einem blonden Bärtchen leis beflaumten Puppengesicht, blieb einen Augenblick in der Tür stehen und zwinkerte mit seinen grünen Augen. Er stammte aus Melum, war der Sohn einer reichen Bürgerfamilie, die ihm zwei Häuser hinterließ. Er hatte sich das Malen im Wald von Fontainebleau selber beigebracht, malte sehr gewissenhafte Landschaften, hatte ausgezeichnete Motive. Doch seine eigentliche Leidenschaft war die Musik. Er war wie verrückt auf sie, hegte für sie eine Flamme, die ihn selbst den Leidenschaftlichsten der Schar nicht nachstehen ließ.
»Bin ich zu viel?« fragte er schüchtern.
»Nein, nein! Komm nur!« rief Sandoz.
Und schon brachte die Frau ein Gedeck.
»Ob man vielleicht auch gleich für Dubuche einen Teller hinstellen läßt?« fragte Claude. »Er hat mir gesagt, daß er sicher kommt.«
Aber sie waren auf Dubuche, der in der feinen Gesellschaft verkehrte, nicht gut zu sprechen. Jory erzählte, er habe ihn in einer Kutsche zusammen mit einer alten Dame und ihrer Tochter gesehen und er habe ihre Sonnenschirme auf den Knien gehabt.
»Wo bist du gewesen, daß du dich so verspätet hast?« fragte Fagerolles zu Gagnière gewandt.
»Ich war in der Puie de Lancry, weißt du, wo es Kammermusik gab ... Oh, mein Lieber! Sachen von Schumann: du kannst dir keinen Begriff machen! Das packt, geht einem über den Rücken, als wenn einen der Atem eines schönen Weibes anhauchte. Ja ja, etwas, das immaterieller ist als ein Kuß; ein beseligender Hauch .... Auf Ehre, man möchte reinweg vergehen ...«
Seine Augen feuchteten sich; wie von einem zu lebhaften Entzücken erbleichte er.
»Iß deine Suppe«, sagte Mahoudeau, »und erzähl uns nachher!«
Der Rochen wurde aufgetragen und die Essigflasche auf den Tisch gesetzt, damit man die braune Buttersauce würzen konnte, die nicht pikant genug schien. Es wurde tapfer gegessen, das Brot verschwand nur so. Übrigens gab es keinerlei Luxus; es wurde nur Tischwein getrunken, den die Gäste mit Rücksicht auf den Geldbeutel des Gastgebers noch reichlich verdünnten. Mit Hurra wurde die Hammelkeule begrüßt. Der Hausherr schickte sich eben an, sie zu zerteilen, als abermals die Tür aufging. Diesmal aber erhoben sich leidenschaftliche Proteste.
»Nein, nein! Niemand mehr! ... 'raus, wer zu spät kommt!«
Dubuche, der gerannt und noch außer Atem war, schob sein dickes, blasses Gesicht herein und stammelte, über das Geschrei bestürzt, Entschuldigungen.
»Wahrhaftig, ich versichere, der Omnibus ist schuld ... Ich habe in den Champs-Elysées fünf Wagen abwarten müssen.«
»Nein, nein! Er lügt! ... 'raus mit ihm! Er kriegt keinen Hammelbraten ab! ... 'raus! 'raus!«
Trotzdem war er schließlich eingetreten. Jetzt bemerkte man, wie außerordentlich sorgfältig er gekleidet war: in schwarzem Beinkleid, schwarzem Gesellschaftsrock, Krawatte, feinen Schuhen, Krawattennadel; mit all der peinlichen Feierlichkeit eines Bürgers, der zu einem Diner gewesen ist.
»Aha, es ist ihm mit seiner Einladung fehlgeschlagen«, spaßte Fagerolles. »Ihr seht, die feinen Damen haben ihm den Laufpaß gegeben, und jetzt kommt er, weil er sonst nichts anderes anzufangen weiß, unsere Hammelkeule mit aufessen!«
Dubuche wurde rot und stammelte:
»Oh, so'n Einfall! ... Seid ihr boshaft! ... Laßt mich endlich zufrieden!«
Sandoz und Claude, die Seite an Seite saßen, lächelten. Jener winkte Dubuche zu sich heran und sagte zu ihm:
»Nimm dir dein Gedeck, ein Glas und einen Teller und setz dich hier zwischen uns ... Sie werden dich schon in Ruhe lassen.«
Doch solange die Hammelkeule gegessen wurde, gingen die Sticheleien weiter. Er selber machte, nachdem die Aufwärterin ihm noch einen Teller Suppe und ein Stück Fisch aufgetrieben, gute Miene zum bösen Spiel. Er tat sehr ausgehungert, verschlang gierig seine Suppe und erzählte eine Geschichte von einer Mutter, die ihm die Hand ihrer Tochter ausgeschlagen hätte, weil er ein Architekt war. So gestaltete sich der Schluß der Mahlzeit sehr geräuschvoll; alle redeten zu gleicher Zeit. Der Käse, der der einzige Nachtisch war, hatte einen gewaltigen Erfolg. Es blieb kein Bissen davon übrig. Fast wollte das Brot nicht zulangen. Dann, als der Wein tatsächlich ausgegangen war, trank jeder noch einen Schluck frisches Wasser und schnalzte unter lautem Lachen mit der Zunge. Mit rotem Gesicht und vollem Bauch und behaglich, als hätten sie ein reiches Mahl eingenommen, begaben sie sich in die Kammer, um zu schlafen.
Das waren die schönen Abende Sandoz'. Selbst zu Zeiten, wo es ihm recht schlecht gegangen war, hatte er doch immer den Freunden ein Stück Rindfleisch vorzusetzen gehabt. Es freute ihn zum äußersten, wenn er alle seine Freunde, alle von der gleichen Idee belebt, so um sich hatte. Obgleich er nicht älter war als sie, schwoll ihm das Herz von einer gewissen Väterlichkeit und einer herzlichen Glückseligkeit, wenn er sie so, Hand in Hand und trunken von Hoffnung, um sich her sah. Da er nur eine Wohnstube hatte, mußte sein Schlaf gemach mit herhalten, und da es an Platz mangelte, mußten zwei, drei auf dem Bette sitzen. An diesen heißen Sommerabenden blieb das Fenster offen, und man gewahrte gegen den klaren Nachthimmel zwei schwarze Schattenrisse: den Turm von Saint-Jacques du Haut- Pas und den Baum im Garten der Taubstummenanstalt. Hatte er's gerade dazu, gab's nachher noch Bier. Jeder brachte seinen Tabak mit, und bald war das Gemach eingeräuchert, so daß man schließlich miteinander sprach, ohne sich zu sehen. Bis spät in die Nacht hinein blieb man so in der großen, melancholischen Stille des abgelegenen Viertels beieinander.
Heute kam um neun Uhr die Aufwärterin und sagte:
»Herr, ich bin fertig. Kann ich jetzt gehen?«
»Ja, gehen Sie ... Sie haben Wasser aufs Feuer gestellt, nicht wahr? Ich mache den Tee nachher selber.«
Sandoz hatte sich erhoben. Er verschwand mit der Aufwärterin und kam erst nach einer Viertelstunde wieder. Ohne Zweifel hatte er seiner Mutter, der er jeden Abend das Bett zurechtmachte, bevor sie sich zur Ruhe legte, noch einen Gutenachtkuß gegeben.
Aber schon ging es laut her. Fagerolles erzählte eine Geschichte.
»Ja, ja, Alter! In den Akademien korrigieren sie die Modelle ... Neulich kommt Mazel und sagt mir: ›Die beiden Schenkel sind nicht richtig gezeichnet.‹ Ich sage ihm: ›Sehen Sie doch, mein Herr, das Modell hat sie so.‹ Es war die kleine Flore Beauchamp, ihr wißt. Er aber sagt mir wütend: ›Wenn ihre Schenkel so sind, sind sie nicht richtig!‹«
Man wälzte sich vor Lachen. Besonders Claude, dem Fagerolles die Sache erzählte, um sich bei ihm zu empfehlen. Seit einiger Zeit unterlag Fagerolles Claudes Einfluß. Und obgleich er fortfuhr, mit taschenspielerartiger Fixigkeit zu malen, sprach er nur noch von massiger, solider Malerei, von auf die Leinwand geworfenen, getreu ihr eigenes Leben atmenden Naturausschnitten. Was ihn freilich nicht abhielt, bei anderer Gelegenheit über die Pleinairisten zu spotten und sie zu beschuldigen, sie trügen ihre Farben mit dem Kochlöffel auf.
Dubuche, der nicht mitgelacht hatte, fühlte sich in seinem Rechtlichkeitssinn verletzt und wagte zu antworten:
»Warum bleibst du auf der Akademie, wenn du findest, daß man dich dort verdummt? Das ist doch einfach: man geht dann eben ... Oh, ich weiß: ihr seid alle gegen mich, weil ich die Schule in Schutz nehme. Aber seht: meine Auffassung ist die, daß, wenn man ein Handwerk üben will, es nicht schlecht ist, wenn man's erst mal lernt.«
Es erhob sich ein wildes Geschrei. Claude bedurfte seiner ganzen Autorität, um zu Worte zu kommen.
»Er hat recht: man muß sein Handwerk lernen. Bloß ist es nicht mehr gut, es sich unter der Fuchtel der Professoren anzueignen, die einem ihre Auffassung mit Gewalt eintrichtern wollen ... Was ist der Mazel für ein Idiot! Sagt, daß Flore Beauchamps Schenkel nicht richtig sind! Und dabei: was für erstaunliche Schenkel, nicht? Ihr kennt sie ja, wißt, wie von Grund aus sie ihre wütende Unzucht ausplaudern!« Er lehnte sich auf dem Bett, wo er saß, zurück, und die Augen in die Höhe gerichtet, fuhr er mit feuriger Stimme fort:
»Ah, das Leben, das Leben! Es empfinden, wiedergeben in seiner Wirklichkeit! Es seiner selbst willen lieben; in ihm die einzig wahre Schönheit sehen, die ewig wechselnde! Von dem stumpfsinnigen Wahn ablassen, man veredle es, indem man es kastriert! Verstehen, daß die sogenannte Häßlichkeit nichts ist als Merkmal von Charakter! Und daß leben machen, Menschen gestalten die einzige Weise ist, uns göttlich zu steigern!«
Seine Zuversicht kehrte zurück. Der Marsch durch Paris hatte seine Inbrunst für das lebensvolle Fleisch wieder angespornt. Stillschweigend hörte man ihm zu. Er hatte eine wilde, fanatische Handbewegung; dann aber beruhigte er sich.
»Gott ja, jeder hat seine Auffassung. Aber das dumme ist, daß die von der Akademie noch untoleranter sind als wir... Und die Jury des Salons ist in ihren Händen. Es steht fest, daß der Idiot Mazel mein Gemälde zurückweist.«
Und nun ergingen sich alle in Verwünschungen, denn die Frage der Jury war der ewige Gegenstand ihres Zornes. Sie verlangten Reformen. Jeder hatte eine Lösung bereit, von der allgemeinen, auf die Wahl einer hinreichend liberalen Jury angewandten Abstimmung bis zu einem freien Salon, wo alle ausstellen konnten.
Während die anderen diskutierten, hatte Gagniére Mahoudeau zum offenen Fenster hingezogen und flüsterte mit ersterbender Stimme, den Blick in die Nacht hinein verloren:
»Oh, es ist fast nichts, siehst du! Vier Takte, ein hingeworfener Eindruck. Aber was liegt alles drin! ... Für mich ist es eine vorüberfliehende Landschaft, ein melancholischer, von einem unsichtbaren Baum beschatteter Wegwinkel; dann etwa ein Weib, das vorübergeht, kaum erkennt man sein Profil; und dann geht sie, und niemals, niemals trifft man sie wieder ...«
In diesem Augenblick rief Fagerolles:
»Sag, Gagnière! Was schickst du dies Jahr in den Salon?«
Der aber hörte nicht und fuhr in seiner Ekstase fort:
»Schumann enthält alles! Er ist unermeßlich ... Auch Wagner, den sie erst noch letzten Sonntag ausgepfiffen haben!«
Doch ein abermaliger Anruf Fagerolles' machte ihn aufschrecken.
»Wie? Was? Was ich in den Salon schicken werde? ... Vielleicht eine kleine Landschaft, einen Seine-Winkel. Es ist nicht so einfach. Zunächst muß ich erst selbst mal damit zufrieden sein.«
Er war plötzlich wieder in seine unruhige Schüchternheit zurückverfallen. Die Skrupel seines künstlerischen Gewissens hielten ihn oft monatelang vor einer Leinwand fest, die nicht größer war als eine Hand. Er stand in der Nachfolge der Meister der französischen Landschaftsmalerei, die zuerst die Naturtreue angestrebt, und mühte sich mit der Richtigkeit des Tones und der genauen Beobachtung der Werte ab. In einem Grade, daß ihn seine allzu gewissenhafte Theoretisiererei schließlich lähmte. Oft wagte er nicht eine lebendigere Note mehr und hatte ein trübseliges Grau, das in Anbetracht seiner umstürzlerischen Leidenschaft überraschen mußte.
»Ich«, sagte Mahoudeau, »freue mich schon, wenn ich mir vorstelle, was sie vor meiner braven Winzerin für Gesichter schneiden werden.«
Claude zuckte die Achseln.
»Oh, du wirst angenommen. Die Bildhauer sind entgegenkommender als die Maler. Und dann verstehst du deine Sache sehr gut. Du hast was in den Fingern, was gefällt ... In deiner Winzerin stecken eine Menge reizender Einzelheiten.«
Dies Kompliment berührte Mahoudeau nicht weiter. Er posierte Kraft, wollte nichts von Anmut wissen, verachtete sie, die unwiderstehliche Anmut, die trotzdem immer wieder zwischen seinen groben, ungebildeten Arbeiterfingern hervorsproßte wie eine Blume, welche zäh in dem spröden Erdreich, wohin sie von einem Windstoß eingesenkt wurde, ausdauert.
Fagerolles seinerseits stellte schlauerweise nichts aus. Er fürchtete, seinen Lehrern zu mißfallen. Er hieb blindlings auf den Salon los, der ein elender Basar war, wo die gute Malerei zwischen der schlechten verschwand. Im geheimen aber träumte er von dem »Prix de Rome«, über den er im übrigen nicht minder wie über das andere loszog.
Jory aber hatte sich, sein Bierglas in der Hand, mitten in die Kammer gestellt, und während er es mit kleinen Zügen leerte, erklärte er:
»Schließlich langweilt mich die Jury! ... Sagt mal, wollt ihr, daß ich sie 'runterreiße? Von der nächsten Nummer an zieh' ich los und bombardiere sie. Ihr gebt mir Notizen, nicht wahr, und wir schmeißen sie über den Haufen ... Wird ein Hauptspaß!«
Claude geriet noch mehr in Eifer. Es wurde ein allgemeiner Enthusiasmus. Ja, ja, man mußte gegen die Jury zu Felde ziehen! Alle mußten dabei sein, mußten sich eng zusammenschließen und gemeinsam ins Feuer gehen. Es gab in diesem Augenblick keinen von ihnen, der an seinen persönlichen Ehrgeiz gedacht hätte. Denn noch trennte sie nichts, weder ihre innerste Verschiedenheit, welche sie noch nicht kannten, noch die Rivalität, die sie eines Tages aufeinanderprallen lassen würde. War der Erfolg des einen nicht der des anderen? Noch gärte die Jugend in ihnen, und in überschäumender Hingabe träumten sie wieder ihren ewigen Traum, wie sie in Reih und Glied die Welt eroberten, wobei jeder sein Bestes hinzugab, der eine nach der, der andere nach jener Richtung, während doch die ganze Schar in geschlossener Reihe vorrückte. Schon läutete Claude, als anerkannter Führer, den Sieg aus, verteilte die Preise. Trotz seines pariserischen Leichtsinns glaubte selbst Fagerolles an die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses, während Jory mit seinem massiven, die Provinz nur schlecht verleugnenden Appetit sich in praktisch nützlicher Kameradschaft ausgab, die Phrasen auffing und sie für seine Artikel verwertete. Mahoudeau trieb seine gemachte Brutalität auf die Spitze und krampfte die Hände zusammen, als kneteten seine Fäuste eine Welt. Gagniere aber ward frei von seinem Grau in Grau und verfeinerte die Empfindung bis zum schließlichen Verlöschen des Intellektes. Während Dubuche aus schwerwiegender Überzeugung bloß gelegentlich einmal ein Wort dazwischenwarf, Worte aber, die mitten in alle Hemmungen hinein wie Keulenhiebe waren. Sandoz seinerseits, der vor Glückseligkeit lachte, sie alle so einig zu sehen, alle in einem Hemd, wie er sagte, entkorkte eine neue Flasche Bier; er hätte wohl das ganze Haus geleert. Er rief:
»Hei, wir sind so weit! Festhalten! ... Das ist das einzig Wahre! Zusammenhalten, wenn man Grütze im Schädel hat! Hole der Teufel di«e Dummköpfe!«
Doch in diesem Augenblicke wurde zu seiner höchsten Überraschung draußen geklingelt. In das plötzlich eingetretene Schweigen hinein sagte er:
»Elf Uhr! Wer, zum Kuckuck, kann das noch sein?«
Um zu öffnen, eilte er hinaus. Man hörte, wie er einen freudigen Ruf ausstieß. Und schon kam er auch wieder, öffnete weit die Tür und rief:
»Ah, ist das liebenswürdig, uns mit so einem lieben Besuch zu überraschen! ... Bongrand, meine Herren!«
Der große Maler, den der Hausherr mit so respektvoller Vertraulichkeit ankündigte, trat mit ausgestreckten Händen herzu.
Lebhaft erhoben sich alle, frohbewegt von dem herzlichen Druck der breiten Hand. Bongrand war ein beleibter Mann von fünfundvierzig Jahren mit einem zerarbeiteten Gesicht unter langen, grauen Haaren. Vor kurzem war er in's Institut aufgenommen worden; sein schlichtes Alpakajacket zeigte im Knopfloch die Rosette der Ehrenlegion. Aber er liebte die Jugend, und es gehörte zu seinen liebsten Zerstreuungen, sich hin und wieder unter sie zu mischen und zwischen den jungen Anfängern, an deren Feuer er sich erwärmte, seine Pfeife zu rauchen.
»Ich werde den Tee zurechtmachen«, rief Sandoz.
Als er mit Teekessel und Tassen aus der Küche zurückkam, sah er, wie Bongrand sich's schon bequem gemacht hatte und inmitten des wieder aufgelebten Lärms, seine Tonpfeife rauchend, rittlings auf einem Stuhl saß. Er selber sprach mit Donnerstimme in die Unterhaltung hinein. Er war der Enkel eines Farmers aus der Beauce, der seinerseits der Sohn eines bürgerlichen Vaters aus Bauernstamm war und einer künstlerisch sehr begabten Mutter. Er war reich, war nicht auf den Verkauf angewiesen, bewahrte aber den Geschmack für die Boheme und ihre Ansichten.
»Ah ja, ihre Jury da! Ich möchte lieber verrecken, als zu ihr zu gehören!« sagte er mit weitausgreifenden Handbewegungen. »Bin ich etwa so ein Schinder, der arme Schlucker vor die Tür setzt, die ihr tägliches Brot gewinnen wollen?«
»Aber Sie könnten uns«, bemerkte Claude, »einen ausgezeichneten Dienst leisten, wenn Sie für unsere Bilder einträten.«
»Ich? Ach, laßt das doch! Ich würde euch bloß kompromittieren ... Ich zähle ja nicht mit, ich bin nichts.«
Es erhob sich lauter Protest. Fagerolles warf mit durchdringender Stimme hin:
»Oh, als ob der Meister der ›Dorfhochzeit‹ nicht mitzählte!«
Doch Bongrand ereiferte sich, stand mit geröteten Wangen da.
»Laßt mich mit der ›Hochzeit‹ zufrieden! Sie fängt an, mich zu langweilen, die ›Hochzeit‹, das kann ich euch sagen ... Wahrhaftig sie drückt mich wie ein Alp, seit sie im Luxembourg hängt.«
Diese »Bauernhochzeit« war bis jetzt sein Meisterwerk. Es war ein zwischen Kornfeldern hin zerstreuter Hochzeitszug. Die sehr nah und wahr beobachteten Bauern hatten in ihrer Haltung etwas homerisch heroisch Episches. Von diesem Gemälde datierte eine Umwälzung, denn es hatte eine neue Formel gebracht. Im Anschluß an Delacroix und gleichlaufend mit Courbet war es eine von der Logik gemäßigte Romantik, die eine größere Genauigkeit in der Beobachtung, eine vollkommenere Faktur besaß, ohne daß es die Natur bereits mit der Derbheit des Pleinair gepackt hätte. Trotzdem berief sich die ganze junge Schule auf diese Kunstart.
»Es gibt nichts Schöneres«, sagte Claude, »als die beiden ersten Gruppen: den Geigenspieler und dann die Braut mit den alten Bauern.«
»Und die große Bäuerin doch, die sich umwendet und herbeiwinkt!« rief Mahoudeau. »Ich möchte wohl eine Statue draus machen.«
»Und der Wind über die Kornfelder hin«, fügte Gagniere hinzu, »und die beiden reizenden Flecke, die das Mädchen und der junge Bursch in der Ferne geben!«
Mit verlegener Miene hörte Bongrand zu und hatte ein leidendes Lächeln. Als Fagerolles ihn aber fragte, woran er gegenwärtig arbeite, antwortete er unter einem Achselzucken: »Lieber Gott, nichts! Kleinigkeiten! ... Ich werde nicht ausstellen; möchte gern einen großen Zug tun... Ach, wie seid ihr glücklich, die ihr noch unten am Fuß des Berges seid! Man hat so gute Beine, ist so tapfer, wenn es sich darum handelt, da hinaufzusteigen! Aber dann, wenn man oben ist, ach ja! Dann fängt die Langeweile an. Eine wahre Pein, Fauststöße, ewig erneute Anstrengungen, die beständige Furcht, daß man zu schnell hinabstürzt! ... Mein Gott! Man möchte lieber unten sein, noch alles vor sich haben ... Lacht nur! Ihr werdet sehen, werdet eines Tages schon sehen.«
Tatsächlich lachten sie, glaubten, es handle sich um ein Paradox, um die Pose des berühmten Mannes, die man im übrigen entschuldigte. War's denn nicht die höchste Freude, wie er, mit dem Titel des Meisters gegrüßt zu werden? Beide Arme auf die Stuhllehne gestützt, hörte er ihnen, während er dicke Wolken aus seiner Pfeife sog, still zu.
Inzwischen half der in wirtschaftlichen Dingen bewanderte Dubuche Sandoz beim Servieren des Tees. Der Lärm ging weiter. Fagerolles erzählte eine unbezahlbare Geschichte von Vater Malgras, der seine eigene Nichte zum Modell lieh, wenn er für seinen Handel eine Aktstudie haben wollte. Dann kam die Unterhaltung auf die Modelle. Mahoudeau war wütend, weil es keine schönen Bäuche mehr gab. Es war einfach unmöglich, noch ein Mädchen mit einem richtigen Bauch zu finden. Plötzlich aber schwoll der Tumult an. Man beglückwünschte Gagnière mit Bezug auf einen Liebhaber, den er während eines Konzertes im Palais Royal kennengelernt hatte, einen verrückten, reichen Rentner, dessen einzige Leidenschaft es war, Gemälde zu kaufen. Lachend erkundigten sich die anderen nach seiner Adresse. Dann ging's mit Schimpf und Schande über die Kunsthändler her. Es war doch wahrhaftig eine traurige Sache, daß der Liebhaber dem Maler mißtraute und in der Hoffnung, einen Rabatt zu erhalten, durchaus durch den Zwischenhändler mit ihm verkehren wollte. Diese Frage des Broterwerbes regte die jungen Leute ganz besonders auf. Claude freilich legte eine stolze Verachtung an den Tag. Man wurde betrogen, nun wohl! Aber was machte das, wenn man ein Meisterwerk zustande gebracht hatte, hätte man dabei auch bloß Wasser zu trinken gehabt? Doch als Jory wieder mal seine gemeinen Ansichten bezüglich des Geldgewinnes zum Ausdruck brachte, erhob sich allgemeine Entrüstung. Hinaus mit den Journalisten! Dann wurde ihm die Gewissensfrage gestellt, ob er etwa seine Feder verkaufen würde? Ob er sich vielmehr nicht lieber die Hand abschnitte, als das Gegenteil von dem zu schreiben, was seine Überzeugung war? Übrigens hörte man nicht auf seine Antwort. Noch immer stieg der Eifer. Die schöne Begeisterung ihrer zwanzig Jahre, die einzige Leidenschaft für das von aller menschlichen Schwäche entbundene, wie eine Sonne über allem stehende Werk machte sich Luft. Welche Lust, sich an diese Gluten zu verlieren, sich von ihnen verzehren zu lassen!
Der bis dahin unbeweglich gebliebene Bongrand hatte seine unbestimmte Leidensgeste dieser unbegrenzten Zuversicht, dieser brausend anstürmenden Freudigkeit gegenüber. Er vergaß die hundert Bilder, die seinen Ruhm begründet hatten; er dachte an die Schwergeburt des Werkes, das er unvollendet auf seiner Staffelei stehen hatte. Und indem er seine kleine Pfeife aus dem Mund nahm, flüsterte er mit vor Rührung feuchten Augen:
»0 Jugend, Jugend!«
Bis zwei Uhr morgens tat Sandoz, der sich verdoppelte und verdreifachte, immer wieder heißes Wasser in die Teemaschine. Vom schlummernden Stadtviertel her vernahm man nur noch das liebestolle Gekreisch einer Katze. Alle redeten unbestimmt durcheinander, wortberauscht, mit heiserer Kehle, brennenden Augen. Als sie sich endlich aber entschlossen, aufzubrechen, nahm Sandoz die Lampe, leuchtete ihnen über das Treppengeländer hinab und mahnte leise:
»Nicht zu laut! Meine Mutter schläft!«
Dumpf verhallte das Geräusch der Schuhe die Treppen hinab; das Haus sank in tiefe Stille.
Es schlug vier Uhr. Claude, der Bongrand begleitete, plauderte sich noch immer mit ihm durch die nachtöden Straßen dahin. Er wollte sich nicht schlafen legen, wartete mit wütender Ungeduld auf die Sonne, um sich dann gleich an sein Gemälde heranzumachen. Diesmal würde ihm sicher und bestimmt ein Meisterwerk gelingen, jetzt, wo ihn der schöne, kameradschaftliche Tag begeistert hatte und eine ganze Welt ihm im Kopfe hämmerte. Endlich hatte er sich wieder heimgefunden, und er sah sich in sein Atelier zurückkehren, wie man zurückkehrt zu einem geliebten Weibe; mit hochklopfendem Herzen. Ganz verzweifelt war er jetzt, daß es noch nicht Tag war, der ihm endlos zu zögern schien. Sogleich würde er an seine Leinwand herangehen, in einer Sitzung seinen Traum verwirklichen. Aber beim flackernden Schein der Laternen hielt ihn Bongrand aller zwanzig Schritte am Knopf seines Paletots an und wiederholte ihm, daß diese verwünschte Malerei eine Donnerwettergeschichte wäre. Er, Bongrand, verstehe trotz all seiner Erfahrung noch heutigentags nichts. Mit jedem neuen Werke finge er von vorn an; man möchte mit dem Kopf gegen die Wand rennen.
Der Himmel lichtete sich; die Gemüsehändler fingen an sich in die Hallen zu begeben. Aber beide fuhren sie noch fort, umherzuschweifen, während jeder, mit lauter Stimme, unter den erblassenden Sternen für sich sprach.