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4. Der Herd auf St. Helena.

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Öde Felszacken, verbrannte Ebnen und auf der Höhe ein kleiner grünumbuschter Fleck: Napoleons Grab, von ihm selbst gewählt in der Valée du Silence, seinem einzigen Spaziergang. Zwei Meilen davon liegt das ärmliche Wohnhaus, in dem sich die letzten Szenen seines Lebensdramas sieben Jahre lang abspielten, inmitten einer kleinen, aber treuen Komparserie.

Zu seinem Gefolge gehörte auch der Küchenchef Herr Lepage. Als ein Chef ohne Bataillone von Kasserollen, Tiegeln und Pfannen war er wie ein Heerführer ohne Waffen. Zwei Jahre lang betrachtete er angeekelt die vier Chinesen, die er als Helfer vorfand. Dann wurde er über den mangelnden Eiskeller und den fehlenden kulinarischen Komfort schwermütig, zankte sich mit Gott und der Welt und verließ schließlich den Kaiser, um der Rückkehr in die »Kultur« willen.

Nach einem kurzen Interregnum des Herrn Pieron, ersten Silberdieners des Kaisers, versah Laroche, der Koch des ehemaligen englischen Gesandten in China, den Dienst am Herd, bis auch ihn die qualmende Kohle, das Unzulängliche der Gegebenheit vertrieb. Nun klagte der Kaiser seiner in Rom weilenden Mutter seine Dienstbotennot, wie nur irgendeine einfache Hausfrau. Durch sie erfuhr die Fürstin Borghese von der Kalamität und sandte eiligst ihren der Familie sehr ergebenen Leibkoch Chandelier, der bereit war, bis zur letzten Mehlsuppe bei seinem Herrn auszuharren. Freilich war er durch den Schaden anderer so klug geworden, sich eine ganze Küchenausrüstung, Eismaschinen, Lötzinn und derlei mehr mitzunehmen. Kaum angekommen, ging er eigenhändig an die Konstruktion eines richtigen Ziegelherdes und lehrte den eingeborenen Schlosser eine Bratröhre schmieden. Der Kaiser kam täglich die Fortschritte besichtigen, scherzte mit dem erfindungsreichen Chandelier und freute sich auf seine ersten Pastetchen.

Eines Tages verlangte der Kaiser von ihm eine echte rechte Feldsuppe. Chandelier wußte als alter Soldat genau Bescheid, dennoch schuf er für den Herrscher eine verfeinerte Bohnensuppe mit Weißbrot. Aber der wollte gerade den groben Pamps der Menage haben, und Chandelier mußte von vorn anfangen. Napoleon erhielt also sein Gericht, lobte es als sehr gelungen, aß nur wenig davon – – und begehrte die Suppe nie wieder.

Ganz ähnlich erging es ihm, als ihn die Laune packte, von den schlitzäugigen Boys ein echt chinesisches Mahl zu verlangen. Er dankte für die Wiederholung und ließ Chandelier demütig um zwei Koteletten bitten.

Als Chandelier nach des Kaisers Tode wieder in Paris war, schüttete er seinem Freunde Carême sein gekränktes Kochherz aus. Selbst die Erinnerung ließ den Aufenthalt auf der unwirtlichen Insel in keinem gemilderten Licht erscheinen. Besonders ergrimmte ihn die Haltung des Gouverneurs. Wir wissen lange, welch grausamer und demütigender Kerkermeister Hudson Love war, nun hören wir, daß er auch von den eingeführten Lebensmitteln das Beste für sich behielt. So »erjagte« er stets das seltene, von draußen eingeführte Wild für seinen Privattisch – was man ihm nachfühlen kann. Weniger verzeihlich ist, daß er auch die andern Vorräte in schlechter Qualität reichen ließ, so daß später die Diener Besseres im Orte selbst – wir würden heute sagen »hinten herum« besorgten.

Chandelier versuchte sich auch als Gemüsezüchter, aber der dürre Boden verbrannte die zarten Pflänzchen, wie er das Geflügel verkommen und die Rinder abmagern ließ. Nur die kleinen chinesischen Schweine gediehen gut, und Blut- und Bratwurst, sowie Karbonaden bildeten die Stütze des Menüs. Von Seefischen wurden lediglich kleine magere Sorten gefangen, und Schaltiere und Muscheln fehlten ganz. Von Früchten waren Bananen reichlich vorhanden, mit deren Saftlosigkeit der verwöhnte Pariser wenig anzufangen wußte. Desto mehr sagten ihm die Süßweine von Madeira und Teneriffa und die einheimischen Schnäpse zu. »Der Kaiser aber,« setzte er hinzu, »trank nur Bordeaux«.

Schließlich war aber der Tisch des hohen Herrn doch nicht gar so ärmlich bestellt – nur daß alles Material zur Garnierung und Ausgestaltung, wie Trüffeln, Champignons, Salate fehlte. Mittags zum Gabelfrühstück gab es stets eine »erfrischende Suppe«, panierte Hammelbrust vom Rost, Brathuhn oder Koteletten und oft frisches Gemüse (die Konservierungskunst steckte noch in ihren Anfängen). Abends zum Diner wurden 6-7 Gänge, darunter stets ein süßer, serviert. Und waren es auch meist wieder Pastetchen und Karbonaden, so wurden sie doch wenigstens auf »silberner Platte« gereicht ...

Ein Bild von unbeschreiblicher Melancholie: die öde Insel, das einsam segellose Meer und auf dem Plateau im häßlichen Haus der gestürzte Herrscher, dem silberne Schüsseln den Prunk eines Kaiseressens vorgrimassieren sollten, während der Dunst des improvisierten Herdes in Schwaden durch den Raum zog ...

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