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O Spessart, edler Forst, du bist
Der Wälder Preis zu jeder Frist.
Wie weit umher in Land und Gauen
Auch forschend rings die Augen schauen,
Mit deinen Buchen, deinen Eichen
Laßt sich kein andrer Wald vergleichen!
Wie Säulen schlank im Tempelraum
Stehn deine Stamme, Baum an Baum,
Und deine Wipfel wölben sich
Zum weiten Dom andächtiglich;
Und drüber lacht der Sonne Schein,
Und ihrer Strahlen hell Gefunkel
Blitzt durch das kühle Laubesdunkel,
Und wirkt grün goldne Lichter drein.
Es führet deiner Bäume Pracht
Der Strom weithin als edle Fracht,
Der Main trägt sie auf mächt'gem Floß
Zum Rhein, der in den salz'gen Schooß;
Denn dort das Schiff auf weitem Meer,
Das rüstig fährt im Sturm einher,
Hoch in der Luft die Masten stolz,
Gezimmert ist's von deinem Holz;
Die Eich' aus der sein Rumpf gebaut,
Sie wuchs dort, wo der Spessart blaut!
An Zauber reich zu allen Zeiten
War dieses ganze Waldrevier;
Ein Wunderschloß erhob sich hier
Voll nie geschauter Herrlichkeiten,
Erbaut von einer Feen Macht.
Was Fantasie an Zeit und Pracht
Nur träumen mag, hier war's zu sehen,
Verkörpert sah man's vor sich stehen. –
In diesen stillen Raum gebannt,
Mit Welt und Menschen unbekannt
Und dem Geschick, das ihm beschieden,
Haus't hier ein fürstlich Jungfernkind:
»Waldfräulein« und ihr Hofgesind.
So glüht ein strahlend goldner Stern
Am wolkenlosen Himmel fern,
In stiller Nacht verschwiegnem Frieden,
Wie hier die anmuthsreiche Maid,
Gezeugt in Lust, gezeugt in Leid.
Die Mutter, einem Knaben hold,
Gewährte, was sie nicht gesollt;
Daß sie verletzte das Gebot,
Versenkte sie in Gram und Noth.
Umsonst schlug sie die Augen nieder,
Sah sie im Nest die Vöglein brüten
Und sorgsam ihre Jungen hüten;
Bald wird zu eng das straffe Mieder,
Der schlanke Leib allmählig schwillt;
Und wie hervor die Beere dringt
Und sich dem Blütenkelch entringt,
Der die Verborgne nicht mehr faßt,
So fühlt sie wachsen ihre Last! –
Schon schmäht, was Lieb' und Stille schuf,
Erst leise, lauter bald der Ruf.
Da – fliehend ihres Vaters Zorn,
Lief Nachts sie aus dem Vaterhaus,
Mit zartem Fuß, durch blut'gen Dorn,
Verzweifelnd in den Wald hinaus!
Und auf dem grünen Rasengrund
Erreichte sie die schwere Stund;
Und gegen allen Hofesbrauch,
Hinter dem wilden Rosenstrauch,
Wo Farrnkraut stand und hohes Gras,
Sie eines Töchterleins genas. –
Das Kind spielt mit den Beeren roth;
Die Mutter lag erbleicht und todt!
Die Spessartsfee des Weges zog,
Den Rosenstrauch zur Seite bog;
Da fand sie auf der grünen Stätt'
Bald das unsel'ge Wochenbett.
Es schaute mit den Aeuglein klar
Das Kindlein – wird die Fee gewahr;
Es lacht ihr zu, greift nach ihr hin. –
Die Fee war hold, von mildem Sinn;
Sie faßt es flugs in ihren Arm
Und legt es an den Busen warm;
Und in sein Rosenmündlein klein
Steckt sie den weißen Finger drein.
Dran saugt das Kind mit ganzer Lust,
Als läg's an seiner Mutter Brust;
Drauf führt in ihrem goldnen Wagen
Die Fee zum Schloß Waldfräulein zart,
Wo sorgsam man der Kleinen wahrt.
Doch in dem Haus, aus dessen Mauern
Die Mutter jüngst entflohn mit Trauern,
War Gram und Herzeleid erwacht.
»Auf! Geht und sucht bei Tag und Nacht,
Späht aus um sie nach allen Seiten;
Bringt Jemand ihrer Spur ein Zeichen,
Dem will ich Lohn in Fülle reichen!« –
So sprach der Vater, der, einst hart,
Nun netzt mit Thränen seinen Bart! –
Die Knecht' in alle Winde reiten,
Doch – wie des Wegs die Kundschaft zog,
Wie sie bald rechts, bald links sich bog,
Hin durch des Urwalds düstres Grauen, –
Vom Fräulein ist nichts zu erschauen!
Schon zog sie müd' und hoffnungsleer,
Da brach was durch's Gebüsch daher! –
»Horch! Was bricht dort durch den Dorn?«
»Kommt der Wolf vorbei gestrichen!«
»Warum kommt er träg geschlichen,
Der sonst rennt in scharfem Zorn?«
»Wolf, was blickst du so unmuthig,
Hörst du's in den Lüften toben?
Zieht die wilde Jagd dort oben,
Bellen Hunde, schnauben Pferde?«
»Wolf, was ist dein Maul so blutig,
Warum hängt dein Bauch zur Erde?« –
Und wie der Knecht den Jagdspieß hebt,
Der Wolf zu raschem Sprung anhebt,
Und läßt entfallen dem Maule schnell
Einen Goldpantoffel zu dieser Stell'.
Und wie die Knechte weiter gehn,
Gar bald sie vor der Todten stehn;
Die lag, ein stummes Marmorbild,
Gebettet auf den Rosen wild,
Noch unversehrt, ein schönes Weib;
Ein Schenkel einzig war am Leib
Verletzt! Es hat der Wolf, beflissen,
Darein mit scharfem Zahn gerissen,
Und, weggescheucht vom Feenwagen,
Hat er den Schuh mit fortgetragen; –
So fand das fürstliche Gesind
Die Todte ohne Schuh und Kind!
Sie führten nun vom Schreckensort
Die Leiche der Prinzessin fort.
Bald stand das Castrum aufgeschlagen;
Der Vater aber rauft das Haar,
Und schluchzet unter lauten Klagen!
»O harte Noth, o grausam Lieben!
Ob du gethan auch, was nicht recht,
Wärst du mir nur am Leben blieben!
Wer's immer war, der dich geschwächt,
Zum Ritter macht' ich gern den Knecht.
Ach! wer zum mindesten mir brächt'
Die Frucht, entfallen deinem Schooß,
Wie wär's ein Trost, so mächtig groß!« –
Da zogen Lenzschwalben vorbei, die sangen,
Die hellen Stimmen vernehmlich klangen:
»Wir ziehen fort, wir ziehen fort,
Wir bauen ein Nest an schön'rem Ort!
Waldfräulein schlummert, der Säugling hold,
In einer Wiege von hellem Gold;
Wir ziehen fort, wir ziehen fort,
Wir bauen ein Nest an schön'rem Ort!« –