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Zweiter Aufzug

Die vorige Decoration.

Erster Auftritt

Said (tritt auf).

Wehe, wehe meinem Leben!
Erde, öffne deinen Schlund.
Samum, gift'ger Wind der Wüste,
Der du Blindheit, Pest, Verwesung
Trägst auf deinen Schwingen her,
Rausch' herüber übers Meer!
Mach' mich blind, verlisch das Licht
Dieser Augen, daß sie nicht
Meine Schande länger schauen!
Weh', daß ich geboren bin! –
Warf mich höhnend die Natur
Aus dem weiten Kreis der Wesen,
Aus der Schöpfung großem Haus
Wie ein ekles Scheusal aus,
Daß ich leide, was ich leide? –
Thiere freu'n sich in den Wäldern
Ihrer Freiheit und gesellt
Zu den Wesen ihrer Art
Sind sie glücklich; und wenn Hunger
Oder Kälte sie befällt,
Dulden sie gemeines Uebel!
Aber Spott, Verachtung, Schmach
Folgt nicht in die Wälder nach;
Dazu nur ward ich erlesen! –
O, verflucht, was Mensch sich nennt!
Ja, der Löwe brüllt in Wuth,
Tiger fressen ihre Beute,
Und der grimme Wolf will Blut,
Wenn ihn dürstet; Jeder stillt
Sein Bedürfniß und nichts weiter,
Und er schonet seines Gleichen;
Nur das Menschenunthier mordet
Aus Gelust und treibet Scherz
Mit Verzweiflung, Angst und Schmerz
Seines eigenen Geschlechtes!
Weh'! mir zieht's die Brust zusammen,
Und mir dunkelt's vor dem Blick! – –
Herz, du brichst, wenn keine Rache
Deiner Wunden Gluth soll kühlen,
Wenn er nicht wie du soll fühlen! –
Ja! – so sey's! – Ich schleudre Brand
In das Haus, und Trümmer finde
Er bei seiner Rückkehr dort,
Wo sein Eigenthum einst stand!
Daß er wisse, meine Hand –
O, ich Thor! wiegt schnödes Gut
Gleich mit meines Herzens Blut? – – –
Ha! ich athme! – Ja, bei Gott!
So geschieht's! – O, eine Stunde
Nur laß mich, o Himmel, leben,
Und ihm wird zurück gegeben!

(Geht ab.)

Zweiter Auftritt.

Ein altes Schloß am Eingange eines Waldes. Vorsaal. Ein hohes und breites Eisengitter bildet den Eingang. Eine Seitenthür.

Donna Flora. Ihr Kind. Diego.

Das Kind.

Mutter, komm.

Flora.

Sey ruhig, Kind!
Auf den Vater warten wir.

Das Kind.

Ach! es ist so garstig hier!

Flora.

Sieh nur, wie dort von den Bäumen
Sich die Zweige zu uns her
Frisch und grün herüber neigen!
Wollen in das Fenster steigen.

Das Kind.

Mutter, ach! ich fürcht' mich sehr!

Flora

(das Kind zum Fenster hebend).

Siehst du, wie die Wasser schäumen
In der Tiefe? ist's nicht schön?

Das Kind.

Nicht hinunter mag ich sehn.

Flora.

Und dort drüben, wie die Sonne
Schlafen geht! Blick' hin geschwind!
Wie es dort so golden schwimmt.
Blick' nur hin, du meine Wonne!

Das Kind.

Käm' nur schon der Vater bald!

Flora.

Wo er auch so lang mag säumen? –
Geh', Diego, späh' im Wald,
Ob man nicht die Jagd vernimmt.

Diego.

Wag' ich, Euch allein zu lassen?
Dieses alte Schloß hier ist
Unbewohnet, wie Ihr wißt;
Nur den Jägern dient der Saal
Je zuweilen zum Asyl,
Wenn vielleicht ein Ungewitter
Oder Nacht sie überfiel,
Weit vom Dorfe.

Flora.

Mein Gemahl
Weiß, daß ich ihn hier erwarte;
Nicht mehr ferne kann er seyn.
Ungeduldig wird der Kleine,
Darum sag' ihm, daß er eile.

Diego.

Edle Frau, verzeiht, ich meine –

Flora

Geh' nur, geh'! – Bleib' kurze Weile
Ich auch mit dem Kind allein,
Wird mir ja kein Leib geschehen;
Ohne Sorge kannst du seyn.

(Diego geht ab.)

Flora.

Komm, mein Herz, hier in den Saal!
Schöne Dinge sollst du sehen!
Mächtige Geweihe sind
An den Wanden und daneben
Alte Waffen; komm geschwind!
(Sie drückt das zögernde Kind mit Heftigkeit an sich.)
Fürchte nichts, mein süßes Leben!
Bist ja bei der Mutter, Kind! –

(Sie geht mit dem Kinde in das Nebengemach.)

Dritter Auftritt.

Said (tritt auf). (Nachdem er sich spähend umgesehen hat, verschließt er das Eisengitter und nimmt den Schlüssel zu sich.)

So! noch einmal! – Fest ins Schloß
Sprang die Feder, und sie hat
Das vergeltende Geschick
Nun in meine Hand gegeben.
's ist geschehn! – nicht mehr zurück
Führt von hier der Weg ins Leben. –
Laß doch sehen; hier daneben
Ist ein Saal, dort werden sie –
Warum zittr' ich? Fluch ihm, Fluch! –
Bin ich zu des Thiers Genossen
Von euch selbst hinabgestoßen,
Ist vom Menschen nichts in mir:
Nun, wohlan! so will, ein Thier,
Ich von ihrem Blute trinken
Volle Gnüge! – O! sie haben
Alle Quellen meines Daseyns
Unbarmherzig mir vergiftet!
Lebt' ich hundert Jahr' auf Erden,
Eine Lust nur kann mir werden:
Rache – wird, sie muß mich laben!

(Er geht gegen die Thür des Seitengemaches.)

Vierter Auftritt.

Said. Flora tritt mit dem Kinde aus dem Saale.

Flora. (aufschreiend).

Ach!

Said.

Was schreckt Euch?

Flora.

Said! – Ihr?

Said

Recht! ich bin's! Ihr kennt mich wohl!
Müßt mich kennen. Saht ja eben,
Als Ihr durch das Dorf gegangen,
Dort mich lust'ge Kurzweil treiben;
An ein Thier war ich gehangen!

Flora

O, um Gott! was wollt Ihr hier?
Geht, ich bitt' Euch! – Gehet, eilet!
Noch in diesem Augenblick
Kommt mein Gatte! Wenn Ihr weilet
Und er trifft Euch hier –

Said

Nicht bangen
Darf Euch! laßt mich immer bleiben.

Flora

Streng und heftig, wie er ist,
Könnt' er schwer an Euch es ahnden.
O, Ihr wißt ja –

Said

Meinet Ihr?

Flora

Ich beklag' Euch, glaubt es mir!
Hart ist man mit Euch verfahren.

Said

Dünkt's Euch auch?

Flora

Es war nicht recht,
Und mir graut vor jener That;
Dennoch folget meinem Rath:
Geht von hier! – Weckt seine Wuth
Nicht noch mehr; es wird nicht gut!

Said.

Sie zu wecken bin ich hier.

Flora.

O, Ihr werdet sicherlich –

Said.

Denkt an Euch und nicht an mich.

Flora.

Was ersinnt Ihr? Gott, – o sprecht!
Herr des Lebens! – Euer Wort –
Dieser Blick, er macht mich beben!

Said.

Sprecht ein kurz Gebet, macht fort!

Flora.

Nein! – Ihr droht nicht meinem Leben!
O, entsetzlich! – nicht ermorden
Wollt Ihr mich!

Said.

Ja!

Flora (schreit auf).

Said.

Ihr müßt sterben!
Ihr und Euer Kind – wir Alle!

Flora.

Nein! – Ihr seyd ein Mensch – es hat
Eine Mutter Euch geboren! –
Ihr vermögt es nicht!

Said.

Verloren
Sind die Worte!

Flora.

Unmuth führt
Leicht das Herz des Menschen irre!
Und gewaltsam harte That
Ist oft schwer bereuet worden!
Wenn mein Gatte, zornentglüht –

Said.

O, daß eine That ich wüßte,
Gleich der seinen! – zu bezahlen
Was ich litt, mit gleichen Qualen!

Flora.

Wenn Euch Unrecht ist geschehen,
Wenn man Euch mißhandelt hat,
Sagt, ich armes Weib, was that
Ich Euch Böses, daß mein Blut
Ihr vergießen wollt?

Said.

Mich rührt
Keine Bitte! Euer Flehen
Trifft kein Herz!

Flora.

Und doch!

Said.

Ihr müßt!

Flora.

Nein! Ihr könnt es nicht! – Ihr seyd
Schwer gereizt, da ist die Seele
Ihrer Kraft nicht frei und mächtig.
Das Gefühl, das Rache schreit,
Ist nicht Eures Herzens Stimme!

Said.

Ja, sie ist's! und seinem Grimme
Müßt Ihr fallen!

Das Kind.

Mutter! Mutter!

Flora.

Weh! o Gott! – O Gott! – Erbarmen!
Laßt das Kind – nehmt mich! Doch laßt,
Laßt das Kind! – Ich bin sein Weib,
Und sein Unrecht konnt' ich theilen;
Doch das Kind –

Said.

Es ist sein Blut!
Darum soll es zeitig sterben,
Daß sich nicht des Vaters Wuth
Weiter mög' in ihm vererben.
Ihm ja gleicht es!

Flora.

Rührt's nicht an!

Said.

's ist sein Auge! – Dieser Blick
Ist voll Hohn und Grimm wie seiner!
Nein, dir sollen, kleiner Wolf.
Zähne nicht und Klauen wachsen!
Weil du jung noch, würg' ich dich,
Eh' du würgest! –

Flora.

Ha, zurück!
Ew'ger Gott! erbarmt Euch meiner!

Das Kind.

Mutter!

Flora.

Eher tödte mich!
(Man hört Jagdhörner.)

Flora.

Mein Gemahl! – O, Hülfe, Rettung!

Said.

Ist er's? Nun, so mag er schauen
Mit dem Tigerblick, sein Blut
Fließen hier von diesem Eisen.
Seine Nähe soll's nicht hindern.

Fünfter Auftritt.

Vorige. Don Arias. Diego. Jagdgefolge.

Arias (am Gitter).

Was geschieht? – Was ist – ?

Flora.

O, Hülfe!
Rettung mir und Eurem Kinde!

Das Kind.

Vater!

Said.

Seyd willkommen mir!

Arias.

Ha, Unsel'ger! Wie, du hier?
Oeffne! daß ich nicht die Pforten
Zürnend aus der Angel hebe!

Said.

Wenig nützt Euch's! Habt Geduld,
Und ich öffn' Euch selbst.

Flora.

O Qualen!

Said.

Seht! ich steh' in Eurer Schuld,
Und nun eben möcht' ich zahlen.

Arias.

Oeffne, sag' ich!

Said.

Ei, stoßt zu!
Raset, tobt! Die Eisenstäbe
Sind hübsch stark und nicht sogleich
Sprengt Ihr sie.

Flora.

O, mäßigt Euch!

Arias.

Mir ins Antlitz sprichst du Hohn?

Said.

Müht Euch nicht! Seht, dieses Gitter
Bricht nicht Euer Arm in Splitter! –
Zwingt Ihr's nicht? – Nehmt Eure Zähne!

Arias.

Wisse, daß der Tod dein Lohn!

Said.

Meint Ihr etwa, daß ich wähne
Lebend hier von diesem Orte
Weg zu gehn? mit nichten! Sterben
Soll fürwahr, was diese Pforte
Scheidet.

Flora.

Mein Gemahl!

Arias.

Verderben –
(für sich)
Ha! was sinnt er? – Sollt' er's wagen? –

Said.

Nun? was steht Ihr so betroffen? –
Ras't doch, ras't! Rollt Euren Blick
Mit dem Grimme der Hyäne!

Arias.

Nun – verflucht! –

Said.

Schreiet Eurem Büttel,
Lasset Eure Hunde los! –
Blicket her! – Hier diesen Mund,
Glühend, wie Damaskus Rosen:
Sehet, meine Sklavenlippen
Drück' ich drauf.

Arias.

O!

Said.

Um den Leib
Schling' ich meine Sklavenarme, –

Arias.

Ha! so treffe mein Geschoß –

Said.

(schließt Flora in seine Arme)
Nun, wohlan!

Flora.

Weh mir! Zurück!

Arias.

(läßt das Geschoß sinken).

Said.

Grauet Euch vor diesem Schilde?
Drückt doch ab! – warum so müde
Plötzlich?

Arias.

Höll' und Teufel!

Said.

Thut mir's kund! –

Arias.

Hund der Wüste!

Flora.

O, erbarme –

Said. (zieht den Dolch).

Und nun – sterbet!

Flora.

Ah!
(Sie sinkt ohnmächtig in Saids Arme).

Arias.

Halt ein!
Sey barmherzig! gib sie frei
Und dir soll verziehen seyn!

Said.

Frei gibt sie der Tod wie mich!

Arias.

Said! o erbarme dich!
Weh! – sie ist zur Leiche worden!
Gib sie frei und sieh, ich schwöre:
Fern von mir sey jede Rache;
Was du that'st, ich will verzeihn!

Said.

Ihr, verzeihn? – Haha! – ich lache!

Arias.

Reich bin ich an Geld und Gut!
Gib sie frei und nimm von Allem,
Was ich habe, nach Gefallen!
Willst du Gold? – sprich! – es sey dein.

Said.

Wie so gütig könnt Ihr seyn!
Seht doch! – Ei! – doch als ich flehte,
Als ich dort im Staube rang,
Bittend Eure Knie' umschlang,
Euern Fuß auf meinen Nacken
Setzte und um Gott beschwor:
Daß um leichte Schuld Ihr nicht
Mich unmenschlich solltet quälen,
Ließ't Ihr mich – o, daß ich's denke! –
Und ich sollte – ? Nimmermehr!

Arias.

O, halt' ein! – Auf meinen Knieen
Fleh' ich dich! und nimm zum Lohne,
Was ich habe! – Ich will büßen,
Was ich Hartes dir gethan.

(Mit brechender Stimme.)

Nimm mein eigen Leben an,
Aber Weib und Kind verschone!

(Er sinkt auf seine Kniee.)

Said.

(aufschreiend, läßt den Dolch fallen).

Ha! – Gerecht ist Gott! Er sieht
Auf der Menschen dunkles Leid,
Alle Thränen zählt sein Auge,
Jeden Seufzer hört sein Ohr,
Und vor sein Gericht, vergeltend,
Zieht den Schuld'gen er hervor.

Flora

(erholt sich, ihre Blicke suchen das Kind).

Rui – lebst du?

Said.

Ja, er lebt!

Das Kind.

Mutter! Mutter!

Flora.

Ja, er lebt!

Said.

Don Arias – auf! erhebt
Euch von dieser tiefen Stelle,
Die nicht Eurem Blute ziemt.

Arias.

Said!

Said.

O, vergeßt es nie,
Daß Euch, seine Macht zu zeigen,
So der Himmel konnte beugen:
Daß vor mir, der Menschen letztem,
Ihr gelegen auf dem Knie.

Arias.

Said, Said!

Flora.

Wär' es möglich!

Said.

Seyd getrost! – Und weil ich, frevelnd,
Meiner Niedrigkeit vergessen,
Weil so schwere Schuld mich drückt,
Daß ich diesen Dolch gezückt,
Weil ich mich so hoch vermessen,
Es gewagt, ein schlechter Sklave,
Euch zu fassen mit Gewalt,
Meinen Arm um Euch zu schließen,
Eure Lippen zu berühren
Ich gedroht –
Seht – so sey dieß meine Strafe! (Er durchsticht sich.)
Seyd versöhnt – und wollt verzeihn!

Arias.

Mensch! – O Himmel!

Flora.

Weh! sein Blut!

Said.

Laßt es immer ruhig fließen! –
Nehmt den Schlüssel.

Flora.

(öffnet; Don Arias und das Gefolge treten ein).

Eilet – helft!

Said.

Müht Euch nicht; ich traf mich gut! –

Flora.

Gott! – er stirbt!

Arias.

Nein, nein! – Erwache!

Said.

Segn' Euch Gott! – Dieß meine Rache! (Er stirbt.)

(Der Vorhang fällt.)

Ende.


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