Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Auf einer der schönsten Straßen der Welt, die, kühn durch gewaltig aufgetürmte Felsmassen hindurchgesprengt, hoch über dem Spiegel des Tyrrhenischen Meeres der vielfach gewundenen Küstenlinie folgend, von Sorrent nach Salerno führt, rollte am 20. Mai des Jahres 189.. ein leichter Zweispänner dahin. Der Kutscher, ein hübscher, brauner Bursche, deutete mit seiner Peitsche hinter sich nach dem Meer hinunter, um seine beiden Reisenden auf ein seltsames Felsgebilde aufmerksam zu machen, welches, von der Brandung weiß umsäumt, nahe der steilen Felswand aus der blauen Flut emporragte.
»Sehen Sie dort, Exzellenza, das nennen sie die ›Witwe mit ihrer Tochter‹. Manche nennen es auch noch anders.« Und er zwinkerte, breit lächelnd, nach der jungen Dame hin, um anzudeuten, daß die andere Benamsung jenes Felsens nicht eben die sittsamste sein mochte.
Der angeredete Herr, der seinem Äußeren nach nicht gut etwas anderes sein konnte, als ein deutscher Offizier in Zivil, wandte sich nur flüchtig nach der »Witwe mit ihrer Tochter« um, strich sich über den stattlichen, blonden Schnauzbart und brummte etwas vor sich hin, was wohl eine gnädige Anerkennung für jenes Naturspiel bedeuten sollte. Dann wandte er sich an seine hübsche, junge Reisegefährtin, welche mit leicht gerunzelter Stirn geradeaus blickte, und fragte sie mit ironischer Höflichkeit, ob sie denn nicht auch die »Witwe mit ihrer Tochter« freundlichst in Augenschein nehmen wolle.
Sie zog just ein wenig die Schultern hoch und versetzte mißmutig, sie habe schon Genickschmerzen und keine Lust, sich nach jedem alten Stein umzudrehen.
»Erlaube mal«, höhnte der Herr. »Wenn ich mir ein Diner für fünf Francs vorsetzen lasse und genieße nur einen Teller Suppe, so nenne ich das Verschwendungssucht. Und wenn ich die gesamten Reisekosten durch die Summe der gebotenen Sehenswürdigkeiten dividiere, so dürfte das wohl pro Stück mindestens auch fünf Francs ausmachen. Wenn du also zu bequem bist, die ›Witwe mit ihrer Tochter‹ zu beaugenscheinigen, so wirfst du fünf Francs zum Wagenschlag hinaus.« Dabei lachte er gezwungen auf und spielte nervös mit seinen Bartspitzen.
Und die junge Dame stieß die Spitze ihres zusammengefalteten Sonnenschirms ebenso nervös gegen das aufgerollte Spritzleder und gab mit zuckenden Nasenflügeln den Stich prompt zurück. »Und für die roten Bankbilletts, die der Herr Oberleutnant auf dem grünen Tisch in Monako liegen ließen, könnten wir in größter Bequemlichkeit rund eintausend Naturschönheiten à fünf Francs mehr bewundern.«
»Ah, bravo, danke!«
»Bitte sehr!«
Der freundliche Leser wird aus dem gemütvollen Ton dieser Unterhaltung schon längst erraten haben, daß er es mit Hochzeitsreisenden zu tun habe. In der Tat, Graf Dietrich von Dölsberg war erst drei Wochen mit Fräulein Leonore, der einzigen Tochter des steinreichen Kommerzienrats Gumpel, vermählt, hatte diese drei Wochen bei herrlichstem Wetter an der Riviera und am Golf von Neapel verbracht, und dennoch ließen sie sich seit acht Tagen bereits in den Gasthöfen zwei Zimmer anweisen, und boten sich des Abends ohne einen Kuß Gutenacht. Die eben wiedergegebene zärtliche Unterhaltung war auch nicht die erste ihrer Art. Wie denn das so schnell kommen konnte? Ja, du lieber Himmel, wie eben so etwas kommt, selbst unter hochgebildeten und ziemlich vernünftigen Leuten. Gräfin Leonore, geborene Gumpel, war von Haus aus sehr verwöhnt, anspruchsvoll und leicht ein wenig hochfahrend, besonders aber sehr eigensinnig. Graf Dietrich, der mit seiner Verheiratung den aktiven Dienst quittiert hatte, um sich, von der Last seiner Schulden tief gebeugt auf sein Majorat zurückzuziehen, war zwar als eleganter Kavallerieoffizier ein flotter Lebemann gewesen, aber doch noch keineswegs blasiert. Er besaß ein leidliches Verständnis für Kunst und hatte einen warmen Sinn für Naturschönheit, und hatte sich wie ein Kind auf seine Hochzeitsreise nach Italien gefreut. Natürlich hatte er den »Goldfisch« zunächst des Geldes wegen gefreit. Mit dem Fisch hoffte er später schon fertig zu werden, war er doch jung, schön und klug, der Fisch. Das kalte Blut sollte sich doch wohl in traulicher Zweisamkeit, in gemeinsamem Genusse von so viel Glanz und Herrlichkeit unter lachendem Himmel erwärmen lassen. Es hatte sich auch erwärmt, o ja! Lore Gumpel war sogar schon vor der Hochzeit in den Grafen Dietrich verliebt gewesen, so verliebt, wie man es von einer jungen Dame ihrer Erziehung nur irgend verlangen kann. Das hinderte aber nicht, daß kleine Meinungsverschiedenheiten zwischen den Flitterwöchnern entstanden. Er ward ernst und wollte ihr den Herrn zeigen. Sie ward schnippisch und spielte die große Dame, die sich von keinem Manne imponieren läßt, am wenigsten natürlich von dem eigenen. So waren sie denn regelrecht verknurrt und brachten es fertig, selbst auf dem engen Sitze der klapprigen, neapolitanischen Carozza einander fremd und fern zu bleiben.
Wie gern hätte Graf Dietrich sie mit starken Armen umschlungen, fest an sich gedrückt und ihr zärtlich in das niedliche Ohr hineingeflüstert: »Lore, tu doch nur die Augen auf und schau um dich! Die Felsen, die sich in großartiger Wildheit hoch über uns auftürmen, das dunkle, weich rauschende Meer zu unseren Füßen tief unten und die Riesenscheibe der Sonne, die blutrot wie ein flammendes Herz im fernen Westen versinken will – wie kannst du kalt bleiben in solchem Schauen, wie kannst du kleinlichen Launen nachhängen im Angesicht urewiger Größe und Herrlichkeit!«
Aber er sagte das nicht. Er steckte sich eine Zigarette nach der anderen an und drückte sich mit schweigendem Trotz in seine Wagenecke. Denn er hatte sich selbst vorgenommen, niemals aus gutmütiger Bequemlichkeit das erste Wort zu geben, wenn seine Frau ihn durch unentschuldbare Launen je einmal kränken sollte. Wie sehr er auch darunter litt, wie sehr es ihn drängte, seinem Entzücken über die herrliche Fahrt Ausdruck zu geben, er nagte an seinen Lippen und schwieg; denn er war immer ein Mann von Wort gewesen.
Als sie abermals um einen schroffen Felsvorsprung herumbogen, und nun plötzlich eines jener uralten, malerischen Sarazenenstädtchen vor ihnen lag, in weiter Talschlucht zu beiden Seiten die Felsenwände hinaufklimmend mit seiner schon ganz afrikanischen Bauart, den dicken, grauen, verfallenen Mauern, den plumpen, meist würfelförmigen Häusern mit flach gewölbten Dächern, dem Gewirr von steinernen Treppen und Stiegen, die von außen zu diesen Dächern hinaufführten, von Bogenbrücken über die Abgründe finsterer Höfe und steiler Gäßchen hinweg, da vermochte er doch einen lauten Ausruf entzückter Überraschung nicht zu unterdrücken.
»Lore, Lore, sieh doch bloß, das ist unerhört malerisch, das ist ja . . . Nein, hol mich der Teufel, wenn ich je so etwas gesehen habe! Das ist ja das vertrackteste, gottvollste Nest in ganz Italien! Hier bleiben wir. Hören Sie, Kutscher, hier bleiben wir; fahren Sie uns nach dem ersten Hotel!«
Der Kutscher lächelte fast mitleidig. »Nach dem ersten Hotel? Hier gibt es keine Auswahl, Exzellenza. Ich denke, wir fahren weiter. Das hier ist nichts für Exzellenza.«
»Ist mir ganz egal! Und wenn ich auf einer Streu schlafen muß, hier bleibe ich! Das Nest muß ich mir bei Tage noch genauer besehen. Du kannst ja weiterfahren, mein Schatz, wenn es dir nicht gut genug ist«, setzte er, gegen seine Frau gewendet, ironisch hinzu.
Es half nichts, daß der Kutscher mit seiner ganzen, neapolitanischen Zungenfertigkeit abredete, und die junge Gräfin bissige Bemerkungen über seinen rücksichtslosen Eigensinn machte. Graf Dietrich bestand darauf, daß hier eingekehrt werden müsse.
Der Kutscher bog von der Landstraße ab und in die Hauptstraße des Städtchens ein, welche steil am Rande eines Abgrundes bergab führte.
Schon von weitem gewahrten die Reisenden vor einem der stattlichsten Häuser eine aufgeregte Menge Volks, welche laut durcheinanderschreiend in undurchdringlichem Knäuel die ganze Straße sperrte. Der Wagen mußte halten, und dem Kutscher dünkte es offenbar wichtiger, die Ursache des Auflaufs zu erforschen, als seine Reisenden dem Gasthaus zuzuführen. Er schrie in den Haufen hinein, was es denn gäbe, und mindestens zwanzig Stimmen beeilten sich gleichzeitig, seine Neugier zu befriedigen. Der Graf und die Gräfin wurden natürlich, obwohl sie beide leidlich italienisch verstanden, aus dem wüsten Geschrei nicht klug, und auch die Erklärungsversuche des Kutschers, dem sich die Erregung der Eingeborenen alsobald mitgeteilt hatte, fruchteten nichts. Nur das eine ward ihnen klar, daß die heilige Helene irgend etwas mit der Geschichte zu tun haben müsse. Denn Santa Elena war das einzige Wort, welches laut und deutlich wie ein Schlachtruf aus dem wüsten Stimmengewirr an ihr Ohr schlug.
Jetzt öffnete sich in der hohen Mauer, welche sich von dem Hause, vor dem die öffentliche Kundgebung stattfand, bis zum nächsten hinzog, eine schmale, schwere Tür, und heraus trat die behäbige Gestalt eines geistlichen Herrn, welcher vorsichtig die schwarze Soutane über den violetten Strümpfen emporraffte, um die wenigen steinernen Stufen nach der Straße hinunterzusteigen. Doch das sollte ihm vorerst noch nicht gelingen. Denn sofort bei seinem Erscheinen drängte die ganze, aufgeregte Menge auf ihn zu und drückte den alten Herrn fest gegen die Tür, welche gleich nach seinem Heraustreten hinter seinem Rücken geschlossen und mit einem hörbaren Knall verriegelt worden war. Mindestens hundert Stimmen schrien ihm gleichzeitig eine Frage entgegen, und dann verstummte plötzlich der ganze Haufen, mit äußerster Spannung seine Antwort erwartend.
Der alte Priester zog Schultern und Brauen hoch und sagte mit bekümmertem Ton: »Es ist nichts zu machen. Er ist halsstarrig wie ein alter Esel.«
Da erhob sich ein so tolles Wutgeheul, daß selbst die beiden neapolitanischen Wagenpferdchen, die doch wahrlich an dergleichen gewöhnt waren, unruhig wurden und scheu zur Seite sprangen. Es war nur gut, daß nach der Seite des Abgrundes hin eine Schutzmauer die Straße einfaßte. Fäuste wurden drohend in die Luft gereckt, und es flogen sogar einzelne Steine gegen die drei kleinen Fenster in der Vorderwand des Hauses, die allerdings mit grünen Holzläden wohlverwahrt waren. Der jungen Gräfin wurde angst und bange, zumal, da etliche halbwüchsige Burschen und Mädchen sich hinten an den Wagen hängten und sogar ganz frech hineinlangten, um sich des Handgepäcks zu bemächtigen, freilich nicht etwa, um es zu stehlen, sondern nur, um es ihnen nach dem Gasthaus hinaufzutragen. Da auch der Graf kein Verständnis für solche aufdringliche Dienstwilligkeit besaß, so fühlte er sich gedrungen, das allgemeine Geschrei noch durch etliche kräftige, deutsche Kernflüche zu verstärken und dazu mit seinem Stock über den Köpfen der jungen Herrschaften herumzufuchteln. Endlich vermochte sich der freundliche Priester wieder Gehör zu verschaffen, und auf sein gutes Zureden begann sich endlich die Menge zu zerstreuen und eine Gasse für den Wagen freizumachen. Das Gasthaus »Zum goldenen Engel« lag nur wenige Schritte entfernt, und so landete denn das junge Ehepaar schon nach einigen Minuten im sicheren Hafen.
Der Wirt, ein kleiner, fixer Bursche mit vollen, glatten Wangen, winzigem, schwarzem Schnurrbärtchen, und mächtigem, kugelrundem Lockenkopf, der ihm mehr das Aussehen eines Friseurs gab, empfing seine vornehmen Gäste mit außerordentlicher Zuvorkommenheit, aber auch zugleich mit einer zurückhaltenden Würde, wie wenn er in seinem Hause überhaupt ein geringeres Publikum nicht aufzunehmen gewohnt sei. Durch eine ziemlich schmale Mauertür und ein Orangengärtchen geleitete er sie in einen dunklen, kühlen Hausflur eine ziemlich schmale Stiege hinauf auf ein flaches Dach, und von diesem über eine steinerne Bogenbrücke und ebensolche Treppe, die von außen in das obere Stockwerk eines höhergelegenen Nebenhauses hinaufführte, in das ihnen bestimmte Zimmer. Es war ein hochgewölbtes Gemach, das sich durch die ganze Breite des Hauses hindurch erstreckte und sein Licht durch die hohen Glastüren an beiden Enden empfing. Die hohe Tonnenwölbung der Decke war durch ziemlich wohlerhaltenen Stuckzierat im italienischen Barockstil, die Wände durch mehrere alte Porträts, meist kirchliche Würdenträger aus dem vorigen Jahrhundert darstellend, erfreulich belebt, und die spärlichen Möbel waren ebenso altertümlich wie wacklig, das riesige Ehebett von ehrfurchtgebietender Solidität. Der leise Moder- und Staubgeruch, der den dämmerig kühlen, tunnelartigen Raum erfüllte, war für den nervösen Nachempfinder ästhetischer Stimmungen nur ein eigenartiger Reiz mehr. Und Graf Dölsberg gab sich sehr gern solchen Stimmungsreizen hin. Er war ganz entzückt von diesem Schlafgemach, welches eher dem Speisezimmer eines verarmten Nobile glich, und fand es unvergleichlich viel interessanter, als alle die eleganten Schlafgemächer der vornehmen Hotels, die ihn bisher auf seiner Hochzeitsreise beherbergt hatten. Seine gute Laune kehrte zurück, und er bestellte bei dem Wirt »ein nettes, kleines Abendessen nach Ihrem Gefallen – nur daß Sie die vermicelli nicht vergessen.«
»In einer halben Stunde werden Exzellenza bedient sein«, sagte der Lockenkopf mit einer eleganten Verbeugung. »Ich werde die Ehre haben, die Herrschaften hinunter zu begleiten.«
»Bravo, va bene«, versetzte der Graf heiter mit einer höchst vornehmen, entlassenden Handbewegung.
Nun war er also wieder einmal mit seiner hübschen Frau Lore allein. Mit einem gewissen hoffnungsvollen Lächeln wandte er den Blick jetzt ihr zu und sagte: »Nun, was meinst du, gnädige Frau? War das nicht eine gute Idee von mir, hier einzukehren?«
Sie zuckte geringschätzig die Schultern und schnüffelte mit dem feinen Näschen mißbehaglich umher. »Ich finde dies ist eher ein Kartoffelkeller als ein Schlafzimmer. Ich glaube kaum, daß in diesem Jahrhundert schon einmal hier Staub gewischt wurde. Puh, eine Luft zum Ersticken!« Und sie schritt rasch auf die eine der beiden Flügeltüren zu, während der Graf, ärgerlich enttäuscht, stramm kehrt machte und die entgegengesetzte Tür zu öffnen ging.
Beide blieben sie mit einem unwillkürlichen, lauten »Ah!« jeder in seiner Türöffnung stehen, überwältigt von der herrlichen Aussicht, die sich ihren überraschten Blicken darbot. Sie sah sich gegenüber die gewaltige Felswand, an welcher die neue Kunststraße weißleuchtend sich hinschlängelte, sah von der Höhe der Straße bis hinunter zur Talsohle die plumpen, fast fensterlosen Häuser und Häuschen übereinandergetürmt, wirr ineinandergeschachtelt, und endlich von dem riesigen, spitzen Winkel der schroffen Uferfelsen eingerahmt das Tyrrhenische Meer, begrenzt von dem breiten Glutstreifen des abendlichen Horizontes. Er genoß auf seiner Seite den Ausblick über das ganze steilansteigende Tal, welches in nicht weiter Ferne in einer finsteren Felsenklamm zu endigen schien. Die Bergwand an seiner Seite fiel nicht gar so steil ab und war nicht so felsig wie auf der anderen. Sie war ziemlich hoch hinauf terrassiert. Auf der breitesten dieser Terrassen, ziemlich tief unter seinem Standpunkt, lag die Kirche, ein großes Rondell mit einer flachen Kuppel und zwei sehr schlanken, schornsteinähnlichen Türmen an der Vorderseite, schon ganz minarettartig anzusehen. Und überall unter ihm und über ihm Plattformen, Altane, flache Dächer, auf denen singende, laut schwatzende Menschen sich der Abendkühle erfreuten, Steintreppen, Brücken und Mauern, und innerhalb der Mauern Orangen- und Limonengärten, alte, knorrige Feigenbäume an verfallenen Steintrümmern, alte arabische Säulengänge, von jungem Weinlaub hellgrün überdacht, und hie und da eine vereinzelte, hohe Pinie, die breite Krone wie einen schwarzen Sonnenschirm über einem Dache oder Fruchtgärtchen ausspannend.
Eine Viertelstunde wohl stand er, in Schauen verloren, über die Brustwehr der geräumigen Plattform gelehnt und lauschte den mannigfachen Geräuschen, die an sein Ohr schlugen, dem eilfertigen Geläut der Abendglocken, dem Gebimmel heimkehrender Ziegenherden, dem Singen, Lachen, Schwatzen und Zanken meist unsichtbarer Menschen. Dann richtete er sich mit einem tiefen Seufzer auf und schritt langsam durch das fast ganz finstere, hallende Gemach auf das andere flache Dach hinaus. Da saß seine junge Frau auf der Brustwehr, unbeweglich wie eine Statue, und schaute in den rasch dunkelnden Nachthimmel hinaus, an welchem immer zahlreicher die Sterne aufzuflammen begannen. Es wollte ihm, als er absichtlich nahe an ihr vorbeistreifte, so vorkommen, als schimmerten ihre schönen Augen feucht; allein er konnte sich auch wohl täuschen, es war ja schon so dunkel. Noch einmal versuchte er es, mit einem leisen Seufzer ihre Teilnahme zu erwecken. Vergebens. Sie glitt leicht von der Mauer hinunter und kehrte in das Gemach zurück. Sie machte Licht – und bald hörte er sie Koffer aufschließen, packen und kramen, klappern und rascheln, und im Waschwasser plätschern.
Nach einer halben Stunde holte sie der Wirt, wie er versprochen, zum Nachtmahl herunter in das kleine, ebenfalls kellerartig gewölbte Honoratiorenstübchen.
Der Graf war ehrlich erstaunt über das in solcher Geschwindigkeit recht gut zubereitete Souper von mehreren einfachen, aber geschmackvoll zusammengestellten und sehr appetitlich servierten Gängen. Dabei war dieser drollige, dicke Friseurkopf Wirt, Koch und Kellner in einer Person. Graf Dietrich ließ sich besonders die fritti misti und die vermicelli alla napolitana vortrefflich munden, ebenso den vorzüglichen Capriwein, und entschädigte sich für die Einsilbigkeit seiner Gattin, die ein wenig mißtrauisch an dem Gebratenen und Gesottenen herumpickte, durch ein lebhaftes Gespräch mit dem ebenso aufmerksamen als bescheidenen jungen Wirte. Nach einigen einleitenden Worten warmer Anerkennung für das wohlgelungene pranzo ersuchte er ihn um Aufklärung über die Ursache des Volksauflaufs, dessen Zeuge er vorhin geworden war.
»Ah, Sie meinen die Szene vor dem Hause Rovelli«, versetzte der Lockenkopf lebhaft. »Daß ihn die Pest . . . oh, entschuldigen Sie, Signora! Die Leute haben wohl Ursache, auf diesen sauberen Herrn Rovelli böse zu sein. Das schlimmste dabei ist, daß er nicht nur der Großtuchhändler, Bankier, Wucherer und Halsabschneider Ettore Rovelli, sondern seit einem Jahre auch unser Podesta ist. Sonst hätten sie ihn wahrscheinlich schon über der Tür seines eigenen Hauses aufgehängt.«
»Ah, per Bacco, das scheint interessant zu werden. Erzählen Sie doch!« rief der Graf lebhaft. (Durch häufiges Einstreuen von Ausrufen wie per Bacco und Cospetto glaubte er seinem Italienisch einen besonders echten Anstrich zu geben, geradeso wie jene deutschen Federlinge, welche ihre Romane in Hesperien spielen lassen, ohne jemals dort gewesen zu sein.)
Der Lockenkopf entschuldigte sich für eine Minute und enteilte in die Küche, um einen neuen Gang anzurichten. Aber es drängte ihn selbst, die aufregende Affäre seinen Gästen klarzumachen, und noch während er den blanken Zinndeckel von der dampfenden Schüssel abhob und der Gräfin den mit Gemüsen hübsch garnierten Braten präsentierte, begann er zu erzählen: »Also, Exzellenza müssen wissen, daß wir übermorgen, am 22. Mai, das Fest der Schutzpatronin unserer Stadt, der Santa Elena, begehen. Oh, ich kann Euer Gnaden sagen, es dürfte wohl nicht viele arme Städtchen unserer Größe im vereinigten Königreiche geben, die ein solches Fest zustande bringen wie wir. Von der ganzen Küste strömen die Leute am zweiundzwanzigsten hier bei uns zusammen. Von Amalfi kommen sie, von Salerno, ja, seit wir die neue Straße haben, kommen sogar von Napoli her feine Herrschaften die Menge. Wir lassen's uns aber auch Arbeit und Geld genug kosten, unsere allerheiligste Patronin würdig zu feiern. Für Feuerwerk allein wurden in diesem Jahre zwölfhundert Lire bewilligt. Da mußte natürlich das ganze Jahr dazu gespart und geknausert werden. Und unsere musikalischen jungen Leute, Schuster-, Schneider- und Tuchmachergesellen, die üben seit Monaten jeden Abend, und ich sage Ihnen: jetzt können sie sich getrost neben mancher Musikkapelle einer größeren Stadt hören lassen. Wir haben aber auch Ursache, uns für unsere Santa Elena ganz besonders anzustrengen. Denn unsere Kirche hat die Ehre, ein uraltes Kleinod zu besitzen, um welches uns das ganze christliche Morgen- und Abendland beneiden, nämlich eine echt silberne Büste der Heiligen im kaiserlichen Ornat, mit Edelsteinen reich verziert und mit einer echt goldenen Krone auf dem Haupt. Wie gerade unsere Kirche zu dieser kostbaren Reliquie gelangte, und wie es kommt, daß wir den Todestag und nicht den Geburtstag am 18. August feiern, das ist eine verwickelte, alte Geschichte, die ich nie habe behalten können. Aber es gibt sogar eine Schrift darüber, von unserem jetzigen Herrn Erzbischof verfaßt, und wenn Euer Gnaden sich dafür interessieren . . .«
»Nein, nicht besonders«, warf der Graf lächelnd ein. »Lassen wir das auf sich beruhen. Erzählen Sie mir lieber, was der Herr Rovelli – so hieß er ja wohl – mit Ihrer Santa Elena zu schaffen hat.«
»Ach, Exzellenz«,« versetzte der kleine Mann mit drollig bekümmerter Miene, »das ist eine Geschichte . . . Man schämt sich wirklich, Mitbürger eines solchen gottvergessenen Schuftes zu sein. Unsere Kathedrale – verzeihen Sie, wir sind etwas eitel und nennen die Kirche der Santa Elena eine Kathedrale – stammt noch aus der Sarazenenzeit, und da ist es wohl kein Wunder, daß sie baufällig wird. Schon vor zehn Jahren sagten die Sachverständigen, daß es lebensgefährlich sei, hineinzugehen. Die Kuppel müßte über lang oder kurz sicher einmal zusammenbrechen, wenn nicht schleunigst eine gründliche Reparatur vorgenommen würde. Aber wie das so zu gehen pflegt in so armseligen Städtchen, das Geld dafür war nicht aufzubringen, und so empfahl man sich denn dem Schutze des lieben Herrgotts und der Fürbitte der Santa Elena, und ließ den Umbau unausgeführt, bis einmal ein großer Stein von der Decke fiel und ein altes Weib erschlug. Jetzt bekamen wir natürlich Angst, und die Sache wurde energisch in Angriff genommen. Die Kirche tat ihren Säckel auf, und weil gar so wenig darin war, so bettelte sie in der Stadt und im Lande herum. Die Bürgerschaft leistete ihr möglichstes. Seine Heiligkeit der Papst gab etwas dazu, und viele fromme Leutchen in der Umgegend steuerten ihr Scherflein bei; aber das reichte alles noch lange nicht. Es blieben noch über zwanzigtausend Lire aufzubringen. Das war so vor nun fünf Jahren. Da erbot sich der reichste Bürger unserer Stadt, der Großtuchhändler Rovelli, die fehlende Summe vorzustrecken, wenn wir ihn zum Podesta wählen und die Kirche ihm die silberne Büste der Heiligen zum Faustpfand lassen wollte. Was blieb uns in unserer Not anderes übrig, als auf seine Bedingungen einzugehen. Wir sind alle ehrliche Leute hier, Exzellenz, mehr oder weniger, und der besagte Rovelli, der alte Geizhals und Wucherer, ist ohne Zweifel der ausgemachteste Schuft, den unser gutes Städtchen beherbergt. Aber das Geld hat eben überall, Gott sei's geklagt, in dieser Welt die Macht für sich. Der Teufel sitzt in jedem Geldstück, in jedem Bankbillett, und die Börse ist der große Hexenkessel, den der Satan mit seinem Kochlöffel umrührt. Hab' ich nicht recht, Exzellenza?«
»Gewiß habt Ihr recht, mein Freund«, bestätigte kräftig Graf Dietrich, indem er seine schmollende Gattin, die Tochter des Kommerzienrats, mit einer gewissen Schadenfreude von der Seite ansah. »Ihr habt also eure gediegene, heilige Helene regelrecht versetzt, wenn ich recht verstanden habe.«
»Ja, Gott sei's geklagt, so ist es. Signor Rovelli hat den Schlüssel zum Heiligenschrein in seinem verdammten Geldschrank sicher verwahrt und gibt ihn zum 22. Mai nur unter der Bedingung heraus, daß die Zinsen und die Abzahlung auf das Kapital pünktlich geleistet worden sind. Bisher sind wir ja auch unseren Verpflichtungen noch immer nachgekommen, aber es sind gar zu schlechte Zeiten jetzt. Unser Tuchhandel liegt durch die Konkurrenz danieder, und die Steuern drücken uns schwer, Euer Gnaden. Da ist es uns denn heuer unmöglich gewesen, die volle Summe zusammenzubringen. Es fehlen noch etwa tausend Lire. Was sind tausend Lire für einen reichen Mann wie Rovelli! Aber es ist ihm durch keine Bitten beizukommen. Mit Drohungen von Gewalt ist erst recht nichts auszurichten; denn der Mann ist doch zugleich unser Podesta und könnte uns das übel heimzahlen. Die Weiber und die Geistlichkeit haben sich auch schon hinter seine junge Frau gesteckt – ich sage Ihnen, Exzellenza, das schönste Weibchen weit und breit, ein wahrer Engel – natürlich, mit Geld kann man sich ja alles kaufen! Er ist verliebt wie ein Kater, der alte Halsabschneider. Aber wenn sich's ums Geld handelt, hat Signora Elena auch keine Macht über ihn. Denken Sie sich, Exzellenza, sie heißt auch Elena, wie unsere heilige Patronin, und übermorgen ist ihr Geburtstag. Aber das rührt ihn alles nicht, den protzigen Schuft!«
Tief aufseufzend, räumte der treffliche Wirt, Koch und Oberkellner »Zum goldenen Engel« die Tafel ab und setzte zum letztenmal neue Teller für den Nachtisch hin, die üblichen Orangen, Feigen und nespoli.
»Und was wird nun werden aus dem Feste?« fragte der Graf. »Hättet ihr nicht lieber die tausend Lire für das Feuerwerk sparen und dafür die Schuld bezahlen sollen?«
»Oh, da kennen Euer Gnaden unsere Leute schlecht!« rief der Lockenkopf. »Die Frömmigkeit allein tut's nicht, noch die Musik und die weißgekleideten Mädchen und die Blumen. Wenn es nicht vom Morgen bis in die Nacht hinein knallt, daß einem die Ohren gellen und der Pulverdampf das ganze Tal erfüllt, so ist es kein richtiges Kirchenfest. Die Feier wird eben in der Kirche vor dem verschlossenen Schrein stattfinden müssen, und die Prozession, das Schönste, was man überhaupt sehen kann, wird ausfallen. Aber die banda wird spielen, und das Feuerwerk wird abgebrannt werden, sonst könnten wir uns auf eine kleine Revolution gefaßt machen. Das Schlimmste ist die Schande, Exzellenza, die Schande vor den fremden Gästen, die herbeiströmen werden, und uns verspotten, weil wir unsere Heilige versetzt haben und nicht einlösen können. Hol' der Teufel den Podesta!«
»Amen!« bekräftigte Graf Dietrich und hieß den Wirt, sich auch ein Glas einschenken und mit ihm darauf anstoßen. Dann steckte er sich eine Zigarre an, um noch einen einsamen nächtlichen Spaziergang zum Meere hinunter zu machen, während seine Gattin, Müdigkeit vorschützend, sich auf ihr Zimmer zurückzog und den vergeblichen Versuch machte, ihr junges, eheliches Herzeleid über der Lektüre eines französischen Romans zu vergessen.
* * *
Schon um halb sieben Uhr öffnete am anderen Morgen Graf Dietrich die hölzernen Türläden und trat auf jenen Altan hinaus, der die Aussicht nach dem Meere hatte. Die junge Frau schlief noch oder tat wenigstens, als ob sie schliefe. Mit leicht gerunzelter Stirn, die frischen Lippen ein wenig geöffnet, die Mundwinkel kindlich schmollend verzogen, lag sie da in dem gewaltigen Bett, den linken Arm über dem Kopfe mit dem wirr gelösten, dunkeln Haar, fast in der Stellung der schlafenden Ariadne im Vatikan. Es hatte dem jungen Ehemann keine geringe Überwindung gekostet, sie nicht mit zärtlichsten Küssen aufzuwecken. Er ahnte wohl, daß sie in Wirklichkeit ebenso wach sei wie er selber; aber warum kam sie ihm nicht entgegen, warum hatte sie ihm gestern abend so kalt getrotzt! Er wollte nicht schwach sein und sich vielleicht auf Lebenszeit das Recht des Stärkeren verscherzen.
Tiefblau lachte der Himmel, tiefblau das weite Meer. Es lachte das goldene Feuer der Sonne, und aus dem dunklen Laube in den Gärten zwischen den hohen Mauern kicherten die gelben Bälle der Limonen und Orangen hervor. Und Graf Dietrich blinzelte mit finster gerunzelter Stirn in die blendende Weite hinaus, nagte an den Lippen und zerrte mit nervösen Fingern an seinem Schnurrbart. Wie kindlich glücklich hätten sie all die Herrlichkeit miteinander genießen können, wenn nicht dies eigensinnige junge Geschöpf . . . Ach, das war doch fast zum Verzweifeln! Wie sollte das enden, wenn dies der Anfang war! Und er hatte sich doch mit jedem Flitterwochentage mehr in seine junge Frau verliebt!
Er rauchte ein paar Zigaretten hintereinander und schritt in ernstem Sinne, in düsterem Grollen auf der geräumigen Plattform hin und her. Dann schlich er sich auf den Zehen wieder ins Zimmer hinein. Lore lag noch immer im Bett: allein sie hatte den schönen Kopf auf den Arm gestützt und starrte mit weit offenen, tränenerfüllten Augen in das öde, dämmerige Gemach hinein. Ja, wirklich, sie weinte! Das hatte er noch deutlich gesehen, obwohl sie sich bei seinem Eintritt auf die andere Seite herumgeworfen hatte.
»Guten Morgen, Lore – – willst du mir nicht wenigstens guten Morgen sagen?«
»Guten Morgen!«
Und weiter nichts! Er konnte sich nicht enthalten, mit dem Fuße aufzustampfen. Dann ergriff er seinen Krimstecher und trat auf den anderen Altan hinaus, die Tür ziemlich unsanft hinter sich schließend.
Das bunte Durcheinander der Häuser, Gäßchen und Gärten lag noch im Schatten der Bergwand. Aber die Menschen wachten schon lange, und der gedämpfte Schall des lebhaften südlichen Straßenbetriebes erfüllte die frische Morgenluft. Esel brahlten, Maultiere, Drei- und Viergespanne, die steilen Straßen hinaufkeuchend, schüttelten klirrend ihre Schellen, Verkäufer aller Art ließen ihren eintönigen Singsang kräftig ertönen. Vor den Haustüren oder auch auf den Dächern und in den Höfen waren fleißige Handwerker geräuschvoll bei der Arbeit. Einen Schmied, zwei Schuster und einen Schreiner konnte er von seinem Standpunkt aus beobachten. Aus nächster Nähe wurden helle Kinderstimmen laut, und als er sein Glas nach der Richtung hinwandte, entdeckte er auf einer Plattform, vielleicht fünfzig Schritte entfernt, und etwa in gleicher Höhe mit der seinigen, drei auffallend sauber gekleidete Kinderchen, welche zwischen zwei und sechs Jahre alt sein mochten. Das älteste, ein Mädchen, saß auf einem Stühlchen und hielt das jüngste auf dem Schoße, es ernsthaft zur Tugend ermahnend, wie es schien. Graf Dietrich glaubte, sein Lebtag noch kein so schönes Kind gesehen zu haben. Er war völlig hingerissen und ließ das Fernglas nicht von den Augen. Das gütliche Zureden des ehrbaren Schwesterchens schien auf Baby keinen Eindruck zu machen. Es strampelte immer ungebärdiger mit den Beinchen und brach schließlich gar in ein durchdringendes Geschrei aus. Da öffnete sich eine Tür, und auf das Dach hinaus trat ein junges Mädchen von zierlicher Gestalt in einem hellen, geblümten Kattunrock und einem losen, weißen Jäckchen, über welches das üppige, schwarze Haar aufgelöst herabfiel. Sie nahm das schreiende Kind auf den Arm, putzte ihm die Nase, küßte es und tänzelte singend mit ihm auf und ab, bis es sich zu beruhigen begann, und dann trat sie an die Brüstung und machte es auf allerlei merkwürdige Dinge ringsumher aufmerksam, um seinen Geist von der Ursache seines großen Leides abzulenken.
Hatte Graf Dietrich schon das Kind bewundert, so geriet er über das himmlische Gesichtchen, welches aus dem rabenschwarzen Rahmen der üppigen Haarfülle in zarter Blässe herüberleuchtete, vollends in Entzücken. Sein ausgezeichnetes Glas ließ ihn sogar die weißen Zähne erkennen, wenn sie den Mund öffnete, und die Grübchen in ihren kindlich weichen Wangen, wenn sie lächelte. War das die älteste Schwester der Kleinen oder vielleicht gar ihre Mutter? Nein, das war wohl nicht möglich. Sie konnte kaum älter sein als sechzehn Jahre.
Da! Jetzt wandte sie das Gesichtchen ihm voll zu, jetzt blickte sie gerade zu ihm hinüber. Himmel, was für Augen! – O weh, sie hatte den dreisten Beobachter entdeckt und rasch, gekränkt, wie es schien, wandte sie sich ab und trat mit dem Kinde auf dem Arm ins Haus zurück.
»Ah, wie schade!« sagte der Graf ganz laut und setzte den Feldstecher auf die Brüstung. Dann zündete er sich von neuem eine Zigarette an und träumte verlorenen Blickes in den köstlichen Morgen hinein. Von Zeit zu Zeit spähte er immer wieder nach jenem Altan hinüber. Die beiden größeren Kinder waren allein. Sie holten sich ihre Stühlchen herbei, um über die Brüstung hinüberschauen zu können. Der fremde, blonde Herr schien ihnen jetzt ebenso merkwürdig zu sein, wie ihre dunkle Schönheit vorher ihm gewesen war. Graf Dietrich winkte ihnen zu. Da stießen sie sich an und tuschelten miteinander. Und dann warf er ihnen gar Kußfinger zu, eine Artigkeit, welche die Älteste nach einigem Zögern erwiderte. Und dann lachten die Kinder über ihr kleines Abenteuer und liefen davon, wahrscheinlich, um es der Mutter zu erzählen. Gleichzeitig trat die junge Schöne wieder heraus, in der Zwischenzeit zierlich frisiert. Die Kinder hingen sich an ihre Kleider und schwatzten, mit den Fingerchen hinaufdeutend, auf sie ein. Lächelnd blickte sie auf – und lächelnd verbeugte sich Graf Dietrich mit einer sprechenden Geste, welche besagen sollte: »Entschuldigen Sie – aber die Kleinen sind gar zu reizend.«
Jetzt noch weiter durch den Feldstecher hinüberzustarren, wäre unartig gewesen. Aber das konnte ihm niemand verwehren, beim Auf- und Abwandeln jedesmal langsamer auf die reizende Nachbarschaft hin- und rascher von ihr wegzuschreiten. Die Schöne setzte sich mit einer Näherei draußen hin, und die Kinder spielten um sie herum. Es war ein reizender Anblick, so reizend, daß der Graf darüber seines Herzeleides und selbst seines Frühstückshungers schier vergaß.
Da legte sich eine Hand auf seinen Arm, und er fuhr erschrocken wie ein ertappter Sünder aus seiner träumenden Betrachtung auf.
»Wonach schaust du denn gar so eifrig aus?« fragte Gräfin Lore mit leichter Ironie. Ihre Stimme klang immer noch kalt und unfreundlich wie gestern abend, und ihre Miene war noch ebenso trotzig herb.
Das ärgerte den Grafen, und mit absichtlich übertriebenen Ausdrücken, um womöglich ihre Eifersucht zu reizen, schilderte er die Entdeckung seines entzückenden Gegenübers. Sie hob den Feldstecher an ihre Augen, blickte ziemlich lange ungeniert hinüber und sagte dann, indem sie das Glas sinken ließ, halb mitleidig: »Sonderbarer Geschmack! – Wollen wir nicht zum Frühstück hinuntergehen?«
Er machte ihr eine förmliche, kleine Verbeugung und geleitete sie in das Gastzimmer hinunter.
»Wissen Sie, Don Pasquale,« wandte sich während des Frühstücks der Graf an den lockenköpfigen Wirt – er hatte aus dem Fremdenbuch ersehen, daß er den schönen Namen Pasquale Scoppa führte –, »wissen Sie, Don Pasquale, daß hier in Ihrer nächsten Nachbarschaft eine hervorragende Schönheit zu Hause ist? Wenn es noch mehr so schöne Mädchen im Städtchen gibt, dann sehe ich mich genötigt, unbedeckten Hauptes durch Ihre Gassen zu spazieren. Denn ich habe einen großen Respekt vor der Schönheit.«
Der Lockenkopf verbeugte sich graziös, wie wenn ihm selber das Kompliment gegolten hätte, und sagte: »Exzellenza sind sehr gütig. Wir haben allerdings ein paar hübsche Mädchen im Ort. Aber ich wüßte nicht, welche von ihnen Euer Gnaden hier in der Nähe gesehen haben könnten.«
Graf Dietrich beschrieb ihm die Örtlichkeit, so gut es gehen wollte. Er hatte kaum der drei Kinder Erwähnung getan, als Signor Pasquale ihn lebhaft unterbrach: »Ah, das kann niemand anders sein, als Signora Rovelli selbst.«
»Ist es möglich? Aber sie sah aus, wie ein junges Mädchen von sechzehn Jahren!«
»Ganz recht! Sie sieht auch sehr jung und mädchenhaft aus. Es kann gar keine andere gewesen sein, als Signora Elena. Denn außer ihr sind nur alte Weiber im Hause.«
»Corpo di Bacco!« rief der Graf begeistert aus und schnippte dazu laut mit den Fingern. »Nun, dann erkläre ich feierlich: für einen Kuß von diesem Engel wäre ich bereit, ihrem Scheusal von Mann die fehlenden tausend Lire aus eigener Tasche zu bezahlen.«
»Exzellenza belieben wohl zu scherzen«, sagte Signor Scoppa, ungläubig lächelnd.
»Und zwar etwas unpassend zu scherzen«, fügte die Gräfin leise auf deutsch hinzu.
Graf Dietrich tat, als habe er ihre Bemerkung gar nicht gehört, und versicherte nachdrücklich, es sei ihm durchaus ernst mit seinem Anerbieten. Übrigens sei es ihm nicht nur um den Kuß allein, sondern auch darum zu tun, das Sankt Helenenfest in seiner ganzen ungetrübten Pracht und Herrlichkeit zu genießen.
Es versteht sich, daß Don Pasquale den Gast, der tausend Lire für einen Kuß zu geben bereit war, sofort um einige Stufen in seiner Hochachtung steigen ließ, und mochte es ihm nun damit wirklich ernst sein oder nicht, jedenfalls dieser seiner Hochachtung in der Rechnung entsprechenden Ausdruck zu geben beschloß.
Gräfin Lore fand den Kaffee im »Goldenen Engel« viel zu stark. Sie hatte einen ganz roten Kopf davon bekommen. Oder sollte sie vielleicht . . . Aber nein, sie erklärte ganz entschieden, daß es von dem Kaffee herrühre. Sie hatte auch gar keine Lust, in der Mittagshitze die steilen Straßen und Treppen hinauf und hinab zu klimmen oder gar die Berge hinaufzusteigen, wie ihr Gatte vorschlug. »Ich will dir auch in deiner Jagd auf Schönheiten nicht hinderlich sein«, fügte sie zum Schlusse spitz hinzu. »Amüsiere du dich auf deine Art, ich werde den Vormittag benutzen, um einmal ausführlich« (mit aufsteigenden Tränen) »an meine Mutter zu schreiben.«
»Bitte, mich der Frau Kommerzienrätin zu Füßen zu legen«, versetzte der Graf mit schlecht verhohlenem Ingrimm und verließ mit einer förmlichen Verbeugung das Zimmer. Er hatte gehofft, daß Leonore ihm wegen seiner kostspieligen Kußlust heftige Vorwürfe machen, daß es eine regelrechte, gesunde eheliche Szene mit Tränen und allem Zubehör geben werde, und dann hatte er ihr sanft zureden und sie zwingen wollen, ihr Unrecht einzusehen. Es wäre eine so herrliche Gelegenheit zu einer gerührten Versöhnung gewesen – und nun wieder diese vornehme Zurückhaltung, diese kühle Malice! Aber oho! Er wollte ihr schon zeigen, daß er der Stärkere sei, daß er sich nicht durch Weiberlaunen ins Bockshorn jagen lasse.
Vor der Haustür traf er den Wirt in anscheinend erregtem Gespräch mit etlichen behäbigen, älteren Männern, die gar sorgenvoll dreinschauten. Don Pasquale schritt rasch auf ihn zu und teilte ihm flüsternd mit, daß diese würdigen Honoratioren soeben von einem neuen Bittgange zu dem verwünschten Podesta zurückkehrten, daß aber wieder alle Vorstellungen und Versprechungen vergeblich gewesen wären. Bargeld, nur ganz allein Bargeld vermöchte ihm den Schlüssel zum Heiligenschrein aus der Tasche zu locken, hatte ihnen der Geizhals erwidert. »Dürfen wir wirklich annehmen,« schloß Pasquale, »daß es Euer Gnaden ernst ist mit dem Kuß?«
»Mein Ehrenwort!«
»Ah, wirklich! Aber ich weiß nicht, ob die gnädige Frau uns vorhin verstanden hat. Es könnte doch . . .«
»Oh, meine Frau hat sehr gut verstanden; aber sie ist gar nicht eifersüchtig.«
Pasquale zog die Augenbrauen hoch und lächelte über sein ganzes, volles Gesicht. »Ah, wie sind die deutschen Ehemänner zu beneiden – ich bitte um Verzeihung, Exzellenza. Sie gestatten mir also, Ihre Bedingungen . . .«
»Um Gottes willen, bringen Sie die Geschichte nicht in der Stadt herum!« fiel der Graf rasch ein. »Sie haben doch hoffentlich nicht schon diesen Herren erzählt . . .«
»Nein, nein, gewiß nicht! Was denken Euer Gnaden von mir!« rief der Lockenkopf mit Emphase. »Aber es wird schwer sein, an Signora Elena heranzukommen. Der Alte darf natürlich nichts davon wissen. Er würde in eine schöne Wut geraten! Und er hält sein Weibchen eingesperrt wie so ein Pascha. Kaum, daß er ihr erlaubt, allein in die Kirche zu gehen.«
»So, so! Und was glauben Sie, würde Donna Elena dazu sagen?«
Der Wirt lächelte fein: »Oh, es geschieht ja um der Heiligen willen!«
»Gewiß, gewiß!« lachte der Graf. »Alle weltlichen Nebengedanken sind ausgeschlossen! Nun, sehen Sie zu, was Sie mit Wahrung der nötigen Diskretion ausrichten können. Um halb ein Uhr bin ich zur collatione wieder zurück!«
Während Graf Dietrich im Schweiße seines Angesichts in der alten Sarazenenstadt umherkletterte, und Gräfin Leonore mit heißen Wangen und nassen Augen an ihre gute Mutter schrieb, war Don Pasquale nicht müßig. Zunächst einmal teilte er den fünf Ehrengreisen, Würdenträgern der Stadt, unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit das großmütige Anerbieten des Fremden mit. Die machten Gesichter! Dergleichen war ihnen denn doch noch nicht vorgekommen. Tausend Lire für einen Kuß! Iddio lo sa! Diese Fremden müssen doch ausgemachte Narren sein. Aber immerhin, welch ein Glück für ihr schönes Vaterland, daß sie es sind! Ob es die schöne Elena wohl tun würde? Perchè no, warum auch nicht? Der Deutsche war ein vornehmer Herr, ein schöner Mann, un gentiluomo molto simpatico. Abgesehen davon, daß der blonde, stattliche Conte sich zweifelsohne angenehmer küssen ließ als der gräuliche, alte, meist noch dazu schlecht rasierte Ettore Rovelli, war es doch ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, als Frau Bürgermeisterin zum Besten der Stadt und zu Ehren der allerheiligsten Kaiserin Helena ein kleines Opfer zu bringen!
Mit dem Lockenkopf an der Spitze setzte sich nach geflogener Beratung der kleine Trupp in Bewegung nach dem Hause des bösen Schlüsselbewahrers. Sechs Mann hoch Einlaß zu finden in die wohlverwahrte Feste des Podesta und gar selbst bis zu der Schönen selbst vorzudringen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Das sahen sie wohl ein. Sie teilten sich daher in Rotten von je Zweien ab, um von den Gärten oder Dächern der Nebenhäuser aus wenigstens in die Nähe jenes Daches zu gelangen, auf welchem Donna Elena zuletzt gesehen worden war. Fast gleichzeitig erreichten die drei Rotten ihre Beobachtungsposten, zwei Greise zur Rechten, zwei Greise zur Linken und der Fünfte samt dem Lockenkopf der Rückseite des Hauses gegenüber. Die beiden letzteren standen allerdings hinter der Mauer eines Orangengärtchens und konnten nicht auf das Dach hinaussehen, obwohl das Gärtchen um eine Terrassenstufe höher lag, also etwa in halber Höhe des Hinterhauses, zu dem das Dach gehörte. Aber der schlaue Pasquale schaffte bald Rat. Mit Unterstützung seines würdigen Begleiters erkletterte er einen der höchsten und kräftigsten Orangenbäume dicht an der Mauer. So geriet er wenigstens ungefähr auf gleiche Höhe mit der Brüstung des Daches. Darüber hinwegschauen konnte er freilich nicht, aber er begann auf gut Glück mit vorsichtigem Pst, pst! eh und olà! zu locken. Und als er vorgestreckten Halses, ganz Auge und Ohr, das Ergebnis abwartete, da vernahm er auch von rechts und links ein gleiches Pst, pst. Die anderen Mittelmänner waren also auch am Werk. Da tauchte etwas Weißes über dem Rand der Brüstung empor . . . Mit einem kühnen Satz sprang Pasquale zurück und drückte sich, seinen Begleiter mit sich reißend, an die Mauer. Er hatte das alte Galgenvogelgesicht des Podesta erblickt.
»Was gibt's denn da? Was soll denn das? Wartet, böse Buben, ich will euch schon fassen!« So schimpfte der Alte, während die Schuldbewußten sich schleunigst entfernten. Ein paar Minuten später trafen die sechs wieder auf der Straße zusammen und kratzten sich die Köpfe: Was nun? So ging es nicht. Sie beschlossen endlich, sich direkt an die hohe Geistlichkeit zu wenden.
Der würdige Padre Sebastiano konnte sich nicht enthalten, nach dem Bericht, den Don Pasquale ihm erstattete, seinem Erstaunen durch etliche recht weltliche Ausrufe Ausdruck zu geben. Er ließ sich noch zu wiederholten Malen von den sechs Abgesandten auf das nachdrücklichste bekräftigen, daß der vornehme Fremde sich nicht nur einen schlechten Scherz erlaubt habe. Sodann lehnte er sich an seinem altväterischen, zerschlissenen Polsterstuhl bequem zurück, schlug die violett bestrumpften Beine übereinander, nahm eine Prise und unterzog den seltsamen Fall einer reiflichen Erwägung, während die würdige Gesandtschaft im Halbkreise um ihn herum saß und mit einer gewissen ängstlichen Spannung in seinen Mienen zu lesen suchte.
Zunächst rückte sich Pater Sebastian das Käppchen nach dem linken Ohr zu und kratzte mit bedenklich hochgezogenen Brauen seine rechte Schädelhälfte. Dann rückte er das Käppchen wieder gerade, faltete die großen Hände über seinem liebenswürdigen Bäuchlein und begann, die Daumen umeinander zu drehen. Aber nicht lange blieb er ernsthaft. Es begann erst leise um seine Mundwinkel zu zucken – indem er nämlich der mancherlei lieblichen Opfer gedachte, so unterschiedliche heilige Frauen zu höherem Ruhme der Kirche in alter und neuerer Zeit gebracht hatten – und schließlich brach der alte Herr gar in ein lautes, behagliches Lachen aus. »Eine pudelnärrische Geschichte!« rief er einmal über das andere, indem er dabei den grauen Kopf schüttelte und sich vergnüglich die Hände rieb. »Ihr wißt wohl, meine Freunde, heute abend gegen sechs Uhr kommt unser Herr Bischof hier an. Bis dahin müssen wir versuchen, die Geschichte ins Reine zu bringen. Ich denke, ich nehme es auf mich. Der Herr Bischof wird mir schon Absolution erteilen. Mein Gott, heißt es doch schon: Ein Küßchen in Ehren kann niemand verwehren! Und wenn es nun gar dazu dienen soll, unsere liebe Frau aus dem Gefängnis zu befreien. Für tausend Lire könnte ich mich sogar entschließen, dem Herrn Podesta selber einen Kuß zu geben. Er wird kein Unmensch sein, wenn er gutes Geld sieht.«
»O heilige Barmherzigkeit!« rief eines der alten Männlein erschrocken. »Hochwürdiger Herr, Ihr denkt doch nicht etwa, dem Podesta selber den Vorschlag zu unterbreiten?«
»Ja, wem denn sonst?« versetzte der geistliche Herr. »Er ist doch nun einmal der Herr und Gatte, der über Signoras Lippen zu verfügen hat.«
»Dann ist alles verloren«, fiel Pasquale bekümmert ein. »Sein Geiz ist stark, aber seine Eifersucht ist noch stärker. Glaubet mir das, hochwürdiger Vater!«
Und die fünf Ältesten nickten, ernsthaft bestätigend.
Jetzt wurde Padre Sebastiano denn doch bedenklich. »Hm, hm! Ihr meint also, ich sollte heimlich mit der schönen Frau verhandeln, ei, ei!« Er nahm eine neue Prise, sann ein klein Weilchen nach, sprang dann endlich energisch auf die Füße und rief mit einem komischen Seufzer: »Gott steh' mir bei. So soll ich mir auf meine alten Tage noch einen Kuppelpelz verdienen! Aber was tut man nicht seiner allerheiligsten Patronin zuliebe! Ich will mich sofort auf den Weg machen.«
Die sechs Männer bedankten sich ehrerbietigst, wußten sie doch nun die Angelegenheit in besten Händen, dieweilen Vater Sebastian dafür bekannt war, daß er mit seiner sanft einschmeichelnden Rede die Weibsen alle um seinen Finger zu wickeln verstand. Sie gingen zufrieden heim, um den Ihrigen mit geheimnisvoller Miene zu verkünden, daß nun doch Santa Elenas Schrein sich noch rechtzeitig öffnen werde.
Sobald die Gesandtschaft das Feld geräumt hatte, warf sich Vater Sebastian in seine neueste Sonntagssoutane, bürstete den kanonischen Filzhut mit besonderer Sorgfalt glatt und machte sich auf den Weg. Er wählte absichtlich die einsamsten Gäßchen, die steinigsten Kletterpfade zwischen hohen Mauern, um unterwegs nicht aufgehalten zu werden und möglichst unbemerkt das Haus des Podesta zu erreichen. So ganz klar war er sich über seinen Kriegsplan noch nicht. Es half ihm auch nichts, daß er unterwegs mehrmals stehen blieb, um zu überlegen. So hatte er denn wenig auf den Weg geachtet und kam schließlich um einige Terrassenstufen höher am Berge vor das Rovellische Hinterhaus, als er beabsichtigt hatte. Doch hatte der Irrtum immerhin den Vorteil, daß er von seinem erhabenen Standpunkte aus auf das Hinterdach herabsehen und feststellen konnte, daß Signora Elena daheim war. Sie saß wieder wie am frühen Morgen mit einer Näharbeit beschäftigt, und ihre drei Kleinen spielten um sie herum. Auf Umwegen gelangte er nun in den nämlichen Fruchtgarten, in dem vorhin Pasquale Scoppa auf der Lauer gelegen hatte.
In dem Garten war um die heiße Mittagsstunde niemand anwesend. Es war ganz einsam ringsumher. Er durfte also wohl wagen, sich Frau Elena bemerklich zu machen. Aber er war ein kleiner Mann, und die Gartenmauer war hoch. Da blieb ihm denn freilich nichts anderes übrig, als auf einen Baum zu klettern, just so wie vorhin der Lockenkopf. Freilich war ihm ein bißchen bange um seine neue Soutane, und dann – wenn man ihn hier sähe! Er lachte leise vor sich hin: »Du lieber Gott, das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, daß ich im Dienste meiner lieben, heiligen Frau noch einmal auf solche Bubenstreiche verfallen würde!«
Und dann begann er sich vorsichtig zu räuspern und mit leisem »Pst! Eh! Olà!« sein Heil zu versuchen. Allein niemand hörte ihn. Da wurde der ehrwürdige Vater zuletzt ungeduldig, pflückte eine Apfelsine und warf sie mit bemerkenswerter Geschicklichkeit auf das Dach hinüber.
Alsbald erhob sich drüben lautes Kindergeschrei. O du gütiger Himmel, sollte er am Ende in seinem heiligen Eifer eines der unschuldigen Würmlein zu Schaden gebracht haben? Eine schöne Bescherung, wenn ihn der grimmige Podesta etwa gar hier abfaßte und wegen Körperverletzung vor Gericht zog! Glücklicherweise war die Frucht sehr reif und weich gewesen.
Nun vernahm er auch die tröstende Stimme der jungen Mutter. Das Wehgeschrei ließ nach, und im nächsten Augenblick schon tauchte Frau Elenas liebliches Gesicht über der Brustwehr auf, um nach dem Urheber so heimtückischer Bosheit auszuspähen.
»Wer war das, böse Buben ihr, wollt ihr wohl . . .« begann sie mit drollig sanfter Stimme zu schelten. Aber da stockte sie schon. Denn sie hatte den guten Padre, ihren verehrten Beichtvater, erblickt, wie er, ein ansehnliches Häuflein pechschwarzen Unglücks, da unten im grünen Wipfel hockte und ihr etwas verlegen lächelnd mit seinem Nebelspalter eifrig zuwinkte.
»Seid mir gegrüßt, meine Tochter!« rief er gedämpften Tones hinauf. »Ich muß Euch notwendig sprechen, ohne daß Euer Gatte etwas davon merkt. Sind wir sicher, daß wir hier nicht belauscht werden?«
»Nein, gar nicht, mein Vater!« gab ihre sanfte Stimme klagend zurück. »Ich bin nie und nirgends sicher vor ihm, und besonders heute nicht: er behauptet, es hätte vorhin schon einer da im Baum gesessen und heraufgewispert. Wart Ihr das auch, mein Vater?«
»Nein, meine Tochter, das war der goldene Engel, ich meine den Scoppa, den Lockenkopf, hehe!«
»O du heilige Barmherzigkeit!« rief die kleine Frau ganz verwirrt und schlug ihre Händchen ineinander mit einem hilflosen Blick nach oben. »Was will man denn nur von mir?«
»Einen Kuß, mein Täubchen, einen einzigen Kuß!« flüsterte Vater Sebastian verschmitzt lächelnd hinauf. Ja, ja, der alte Herr hat den Schalk im Nacken zu sitzen. Er konnte es sich nicht versagen, das kleine, verängstigte Weibchen da droben noch ein bißchen mehr in Erstaunen zu versetzen. Das kindlich drollige Erschrecken stand ihr gar so lieblich zu Gesichte.
Mit offenem Munde stand sie da und machte so große Augen, als wollte sie's nicht glauben, was sie Schreckliches gehört. Erst nach ein paar Sekunden stummen Erstarrens schoß ihr dunkle Glut in das blasse Gesicht und dann stieß sie einen leisen Schrei aus – und verschwand.
Sie blieb geraume Weile fort. Dem guten Padre wurde die Zeit recht lang, zumal da sein Sitz nicht eben bequem war. Endlich erschien sie wieder und spähte schüchtern mit dem Finger an den Lippen über die Brustwehr. »Seid Ihr noch da, ehrwürdiger Vater?« flüsterte sie ganz leise hinter vorgehaltener Hand.
Der ehrwürdige Vater hatte sich die Zeit damit vertrieben, eine Orange auszusaugen und sie nicht kommen sehen. Als er ihre Stimme hörte, schrak er leicht zusammen und rief mit vollem Munde hinüber: »Ei, freilich, meine Tochter, hier bin ich noch! Warum lieft Ihr so eilig davon?«
»Mein Gott, ich habe solche Angst! Wenn uns jemand gehört hätte! Er paßt mir überall auf, und den Leuten trau' ich auch nicht. Es ist aber nicht recht von Euch, daß Ihr Euren Scherz mit mir armem Weibe treibt.«
Vater Sebastian spie das ausgekaute Fruchtfleisch aus und erwiderte eifrig: »Aber was denn? Es ist durchaus kein Scherz, was ich sagte! Könnt Ihr nicht hier zu mir in den Garten kommen, mein Kind, daß ich euch das Nähere . . .«
»O nein, unmöglich! Er hat alle Türen verschlossen. Aber heute abend werde ich in die Kirche kommen zum Fest, das hat er mir erlauben müssen.«
»Allein?«
»Ja, allein, er geht nicht mit. Er fürchtet sich doch vor den Leuten, wie stolz er auch tut.«
»Nun gut, ich verlasse mich darauf, nicht wahr?« gab Vater Sebastian ernsthaft zurück. »Denn bedenket wohl, es handelt sich um Santa Elenas Befreiung, und Ihr allein könnt sie bewirken. Gott schütz' Euch, schönste junge Frau!« Damit winkte er ihr freundlich lächelnd zu und kletterte vorsichtig wieder von seinen Zweigen herunter.
Eine Viertelstunde später klopfte es bescheidentlich an der Türe der seltsamen Halle, welche das gräfliche Ehepaar im »Goldenen Engel« bewohnte. Graf Dietrich war eben erst heiß und staubig von seinem Morgenausflug zurückgekehrt und stand in Hemdärmeln, ohne Kragen vor dem Waschtisch, um sich ein wenig instand zu setzen für den Mittagsimbiß. Er glaubte, es werde der Wirt sein, der ihm zu melden komme, daß das Mahl aufgetragen sei. Wie erstaunte er aber, als mit einer überaus artigen Verneigung der Probst von Sankt Helenen, der würdige Vater Sebastian, hereintrat.«
»Ach du Gerechter!« war des Grafen erster Gedanke. »Jetzt hat mir diese Plaudertasche von einem Wirt schon gar die hohe Geistlichkeit auf den Hals gehetzt. Jetzt wird mir zweifelsohne dieser ehrwürdige Mann Gottes zu Gemüte führen, daß solch ein Kuß ein gar sündhaftes Begehren sei, und daß ich elender Ketzer lieber in mich gehen und mir den Segen der Kirche und den Dank der heiligen Helene durch Spendung eines Tausendfrancs-Billetts ohne Kuß verdienen möge.«
Er war so verblüfft, daß ihn seine ganze junge Wissenschaft von der italienischen Sprache im Stiche ließ und seine Entschuldigungen über die mangelhafte Toilette sowie die Frage, was ihm denn die Ehre verschaffe, nur als ein undeutliches Gemurmel in verschiedenen Sprachen zum Ausdruck kam.
Der geistliche Herr bat nun seinerseits gleichfalls in einiger Befangenheit, er möge sich doch gar nicht stören lassen, und erging sich in umständlichen Entschuldigungen für sein Eindringen. Die beiden Herren wären niemals fertig geworden mit ihren höflichen Redensarten und verlegenen Bücklingen, wenn nicht die Gräfin von der Plattform hereingekommen und durch die Aufforderung, Platz zu nehmen, im besten Italienisch, den unfruchtbaren Weitläufigkeiten ein Ende gemacht hätte.
Sie setzte sich dem Vater Sebastian gegenüber, lächelte ihn überaus liebenswürdig an und eröffnete die Unterhaltung ganz naiv mit der Frage: »Sie kommen wegen des Kusses, ehrwürdiger Vater, nicht wahr?«
Der also Angeredete wäre vor Erstaunen fast wieder vom Stuhle emporgeschnellt, und Graf Dietrich, der eben im Begriff war, sein verstaubtes Gesicht in den triefenden Schwamm zu vergraben, ließ vor Schreck diesen Schwamm in die Schüssel zurückfallen, daß das Wasser weit umherspritzte.
»Pardon!« schnarrte er. »Meine Frau meint . . .« Aber er brachte den Satz nicht zu Ende. Und während er seine Verwirrung durch eine neue Wassertaufe verbarg, murmelte er auf gut Deutsch in den Schwamm hinein: »Donnerwetter noch mal, die geht schneidig vor!« Und dann prustete er fürchterlich und machte überhaupt so viel Lärm, als er nur irgend konnte, um seine Lore aus dem Konzept zu bringen.
Der geistliche Herr ließ seine Blicke mit innigem Erstaunen zwischen dem Wassermann und seiner schönen jungen Gattin hin und her gehen, und es dauerte geraume Zeit, bis er sich soweit gefaßt hatte, um wieder Worte zu finden. »Ja, allerdings . . . das heißt . . . Signor Scoppa hat mir nämlich erzählt, daß Euer Gnaden . . . Signora weiß also?«
»Ja, gewiß!« versetzte die Gräfin lieblich lächelnd. »Oh, mein Mann hat keine Geheimnisse vor mir! Ich finde die Idee ganz reizend.«
Graf Dietrich konnte sich, das rote Antlitz aus dem Handtuch erhebend, nicht enthalten, ein baß erstauntes »Nee wahrhaftig?« einzuwerfen.
Frau Leonore tat, als hätte sie das nicht gehört, und fuhr eifrig fort: »Ich habe die kleine Frau von hier aus den ganzen Vormittag beobachtet. Sie ist wirklich süß. Ich muß gestehen, wenn ich ein Mann wäre, ich glaube, ich gäbe zweitausend Francs für einen Kuß von ihr. Ja, ich fürchte, ich brächte es sogar fertig, sie ihrem Scheusal von Gatten zu entführen.«
»Pardon!« warf der Graf wieder ein. »Auch wenn du mit deiner Frau auf der Hochzeitsreise wärest?«
»Gewiß! Auch wenn ich mit meiner Frau auf der Hochzeitsreise wäre!« bestätigte sie mit einem köstlich leichtsinnigen Aufwerfen ihres feinen Köpfchens.
»Ah!« grunzte der Graf, indem er das Handtuch um den Zeigefinger wickelte und sich energisch die Ohren trocknete. Er wußte nicht recht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Eigentlich verwünschte er jetzt schon die ganze närrische Idee dieses kostspieligen Kusses. Wenn seine Frau die Sache so nahm, dann war ja eigentlich gar kein Witz dabei.
Ein kaum merkliches Lächeln des Triumphes huschte über das Antlitz der Gräfin. Aber sie ließ sich nichts merken, sondern fuhr in demselben gleichmütig heiteren Ton zu plaudern fort: »Und Sie glauben, daß die junge Frau sich zu dem Kuß bereit finden wird?«
Der ehrwürdige Vater errötete wie ein verlegener Jüngling vor einem kecken Mädchen. »Ja, ich wüßte nicht, weshalb sie sich weigern sollte«, versetzte er recht verlegen. »Ihr Herr Gemahl, Contessa, ist doch alles andere eher als – abschreckend, hehehe, sollt' ich meinen!«
»Grazie tante«, sagte Graf Dietrich, sich tief verneigend, indem er sich dabei einen reinen Kragen anknöpfte.
»Und dann, was die Hauptsache ist,« fuhr Vater Sebastian glatter fort, »es geschieht ja doch nicht aus sündhafter Lust, sondern nur der lieben heiligen Frau zu Gefallen. Andernfalls hätte ich mich natürlich mit dieser Angelegenheit nicht befaßt.«
»Ah, Sie haben die schöne Signora Elena also selbst vorbereitet!« rief Gräfin Lore sehr belustigt.
»Ach nein, ich konnte leider nicht zu ihr gelangen«, antwortete der geistliche Herr mit einem komischen Seufzer. »Aber ich habe ihr wenigsten das Versprechen abgenommen, daß sie heute abend in die Kirche kommen will. Der Herr Bischof wird auch da sein, wissen Sie. Die Kirche ist herrlich geschmückt. Die Geistlichkeit samt den Chorknaben im festlichen Ornat und die Stadtmusikanten lassen ihre besten Stücke hören. Oh, Exzellenza müssen sich das ansehen! Es wird sehr schön. Und nach dem Gottesdienst, wenn sich die Menge verlaufen hat und es dunkel wird in der Kirche, hehehe . . . Oh, sie wird sich nicht weigern! Und wenn sie wirklich so töricht sein sollte, nun, ich denke, dann wird der Herr Bischof ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.«
Die Gräfin konnte sich nicht enthalten, laut aufzulachen, und der alte Herr stimmte in herzlichem Behagen mit ein.
Graf Dietrich fuhr mit ärgerlicher Hast in seinen Rock hinein und sagte, recht gezwungen mitlachend: »Mir scheint, dieser unglückliche Kuß soll wie eine heilige Handlung unter Assistenz der gesamten Geistlichkeit vollzogen werden. Sollen nicht auch die Stadtmusikanten dazu aufspielen? Pardon, ehrwürdigster Vater, aber dieser Modus entspricht doch nicht ganz meinen Absichten.«
»Oh, bitte recht sehr«, wehrte der Padre höflichst ab. »Exzellenza haben selbstverständlich die Art der Ausführung ganz nach Dero Belieben zu bestimmen. Das heißt – wenn es Ihnen überhaupt ernst ist mit Ihrem Anerbieten.«
Der Graf warf einen scheuen Blick nach seiner Gattin hinüber. Wie gern hätte er alles widerrufen, hätte sie jetzt mit sanftem, liebevollem Vorwurf die Augen zu ihm erhoben. Aber sie sah ihn nicht an. Das fatale ironische Lächeln wich nicht aus seinen Zügen. So beeilte er sich denn, mit möglichstem Nachdruck zu versichern, daß es ihm ernst sei mit dem närrischen Handel.
Der geistliche Herr verbeugte sich schmunzelnd und erbat sich zu mehrerer Sicherheit noch eine urkundliche Bestätigung der also entschieden ausgesprochenen Absicht.
»Ich bitte um Entschuldigung«, fügte er achselzuckend hinzu. »Ich hege für meine Person keinerlei Mißtrauen; aber Signora Elena könnten doch vielleicht glauben, daß man sich einen schlechten Scherz mit ihr erlauben wolle. Und auch des Herrn Bischofs wegen . . .«
Der Graf ließ ihn gar nicht ausreden. »Gewiß, gewiß!« rief er ungeduldig. »Ganz wie Sie wünschen. Wollen Sie mir, bitte, das Nötige in die Feder diktieren. Mein Italienisch reicht für schriftliche Äußerungen nicht aus.«
Und so geschah es. Zehn Minuten später verabschiedete sich Pater Sebastian mit der wertvollen Urkunde in der Tasche, welche für die Befreiung der versetzten Heiligen Gewähr leistete, von dem gräflichen Paare, nicht ohne des Himmels reichsten Segen auf ihre ketzerischen Häupter herabgewünscht zu haben.
Als er endlich hinauskomplimentiert war, begann der Graf, umständlichst sich die Nägel zu putzen. Seine Hände zitterten dabei nervös, und er erwartete, schmerzlicher Ungeduld voll, irgendein Wort von seiten seiner Frau, das einen Anknüpfungspunkt für eine endlich zum Frieden führende Aussprache geben konnte. Es lag ja so nahe.
Aber nein, sie sprach es nicht. Erst als er nach minutenlangem vergeblichen Harren seine Nagelbürste wütend auf den Waschtisch schleuderte, öffnete sie ihren reizenden kleinen Mund und sagte: »Wollen wir nicht hinuntergehen? Ich bin furchtbar hungrig.«
»Ich auch!« Und mit einem zornigen Ruck stieß er die Tür auf und lud sie zum Vorangehen ein.
Gräfin Leonore aß mit gutem Appetit und hatte merkwürdigerweise auch gar nichts an den Speisen auszusetzen, obwohl Don Pasquale, der Kochkünstler selbst, gar nicht mit seiner Leistung zufrieden war. Sie redete nur, um die Speisen zu loben, und von Zeit zu Zeit huschte ein ganz eigenes, sinniges Lächeln über ihre fein geröteten Wangen, zuckte neckisch um ihren weichen Mund und zitterte nervös um ihre Nasenflügel. Den Grafen wollte es bedünken, als habe er sein junges Weib noch niemals so schön wie heute gesehen. Nun lachte sie auf seine Kosten, und er hätte rasend werden können über die Figur, die er ihr gegenüber spielte. Wie allerliebst sie sich mit diesem charmanten Pfäfflein zu verständigen gewußt hatte! Vor seinen Augen hätte er sie an sich reißen und sie ganz und gar zerdrücken mögen, in Hemdärmeln und ohne Kragen! Wie schelmisch sie den würdigen Liebesvermittler angelächelt hatte, als sei es die harmloseste und lustigste Sache von der Welt für eine junge Frau auf der Hochzeitsreise, die Hilfe der Geistlichkeit für die lockeren Gelüste des treulosen Gatten anzurufen. Potz tausend Himmelelement nochmal, wie affenschändlich dumm kam er sich vor! Er, der Reichsgraf Klaus Dietrich Gneomar von Dölsberg, Premierleutnant a. D. und Majoratsherr, der bloß zu dem Zwecke, um seine launische, kleine Frau zu ärgern, tausend Francs für einen Kuß zum Fenster hinauswerfen wollte, einen Kuß noch dazu von einer Mutter von drei Kindern, die er nur von weitem gesehen hatte – vielleicht hatte sie, in der Nähe betrachtet, Pockennarben oder mindestens fürchterliche Sommersprossen; Knoblauch und dergleichen duftende Gewürze sollten diese italienischen Landdamen ja auch mit besonderer Vorliebe zu genießen pflegen – puh! Und diese tausend Francs gehörten, wenn er es recht bedachte, nicht einmal ihm, dieweil er den fürstlichen Wechsel für die Hochzeitsreise der Großmut des Kommerzienrats Gumpel verdankte. Gräßlich, gräßlich, ganz abscheulich! Auf Kosten des Schwiegervaters machte er sich vor seiner Frau lächerlich. Denn als Strafe schien sie es gar nicht zu empfinden – sie war in beleidigend, in niederschmetternd guter Laune!
Ob er nicht doch klein beigeben sollte? Freilich, sie war an allem schuld, sie hatte angefangen, und wenn er sich jetzt freiwillig ins Unrecht setzte, dann hatte er vielleicht ein für allemal die Partie verloren. Ah, ekelhafter Zwiespalt! Aber es wäre doch zu schön gewesen, wenn sie sich jetzt auf der Stelle versöhnt hätten, um die Reize des wunderbar malerischen alten Nestes und seiner Umgebung miteinander genießen zu können. Mit Vergnügen würde er ja die tausend Francs auf den Altar der heiligen Helena niedergelegt und auf den verwünschten Kuß Verzicht geleistet haben. Ach Gott, wenn sie ihm nur ein ganz klein wenig entgegen gekommen wäre, wenn sie ihm nur mit dem kleinen Finger gewinkt hätte! Aber nein, sie tat nichts dergleichen – er war einfach Luft für sie! Obwohl sie ihm gnädigst gestattete, sie nach der Marina hinunterzuführen und ihr die Merkwürdigkeiten der Stadt zu zeigen, hütete sie sich doch, den ganzen Nachmittag über auch nur ein einziges Wörtchen zu sprechen, welches er hätte als einen Annäherungsversuch deuten können. Scham und Grimm nagten an seiner stolzen Seele und bestärkten ihn in seinem Trotze, wie sehr er auch darunter litt.
So nahte der Abend heran, und die hellen Glocken riefen mit fröhlichem Gebimmel zur Vorfeier von Santa Elenas Fest. Die Hitze des Tages war einer angenehmen, salzig frischen Kühle gewichen, die ein linder West vom Meer herüberwehte. Der Graf saß müde vom vielen Steigen auf dem Altan und rauchte.
Da trat die Gnädige zu ihm heraus und sagte – immer in diesem verwünschten ironischen Ton: »Nun, hörst du nicht, die Glocken rufen dich! Santa Elena erwartet ihren Befreier.«
Graf Dietrich warf ärgerlich den Kopf auf und zerrte an seinem Schnurrbart. Er überlegte ein Weilchen, bevor er ihr möglichst sanft und einladend erwiderte: »Ja, ja, ich bin bereit. Willst du nicht mitkommen?«
»Ich?! Behüte! Ich werde doch nicht so indiskret sein! Ich will euch nicht stören.«
Euch! Verwünscht, wie das klang!
Der Graf sprang vom Stuhl auf, und seine Augen funkelten. Er trat zwei Schritte auf seine Frau zu. »Weißt du, Lore, ich . . .« Beinahe hätte er sich gedemütigt, beinahe wäre es ihm entwischt, das selbstmörderische Geständnis: »Weißt du, Lore, ich bin doch eigentlich ein rechter Esel!« Aber noch zur rechten Zeit gewahrte er ihr überlegenes, kaltes Lächeln, und das Wort blieb ungesprochen. Er griff nach Hut und Stock, machte ihr eine militärisch kurze Verbeugung und verließ raschen Schrittes das dämmernde Gemach.
Düstere Entschlossenheit in den Mienen, wie ein nobler Verbrecher, der sich selbst den Gerichten zu stellen entschlossen ist, so schritt er die Straße hinab der Kirche zu.
Die gesamte Einwohnerschaft des Städtchens schien in und vor der Kathedrale versammelt zu sein. Grünweißrot bewimpelte Masten sowie die Gerüste für das Feuerwerk waren bereits auf der Piazza aufgerichtet. Gassenbuben tummelten sich mit lautem Geschrei dazwischen umher, und versuchten, an den Stangen emporzuklettern. Auf den breiten Stufen, die zum Hauptportal emporführten, saßen dichtgedrängt Greise, Weiber und Kinder. Alt und jung drängte sich vor den Buden der Zuckerbäcker und den Karren der fliegenden Eisverkäufer. Durch das weit offene Portal strömten die Menschen aus und ein, nach italienischer Manier den Gottesdienst brockenweise mit eingeschobenen Verdauungspausen genießend.
Nun drängte sich auch Graf Dietrich hinein. Die hohe, flachkuppelige Rotunde war von einer Kopf an Kopf stehenden Menschenmenge erfüllt, deren Mittelpunkt das Dilettantenmusikkorps bildete, durch Uniformmützen gekennzeichnet. Auf dem Hochaltar war der reich vergoldete, doch noch verschlossene Schrein der versetzten Heiligen aufgebaut. Der Bischof und eine ganze Schar von Priestern in goldgestickten Meßgewändern standen darum herum, drehten und neigten sich, sangen und beteten unisono mit einförmigem Tonfall. Chorknaben in roten Gewändern und weißen Hemden ließen ihre hellen Kinderstimmen ertönen, knieten nieder, standen wieder auf und schwangen die Weihrauchkessel mit wahrhaft bacchantischem Übermut. Mattrot leuchtete ein ganzer Sternhimmel von Wachskerzen durch die Weihrauchwolken hindurch, und die Schar der Gläubigen flüsterte und lachte mit ungenierter Fröhlichkeit gleich einer gedämpften Orchesterbegleitung zu der feierlichen Pantomime, die sich auf den Altarstufen abspielte. Das ging so eine Weile fort.
Der Graf war auf das lebhafteste gefesselt von dem köstlich bunten Durcheinander und wie berauscht von dem Weihrauchduft und dem matten Kerzenschimmer. Als Protestant konnte er sich den Sinn und Zusammenhang der wunderlich theatralischen und dennoch so ergreifenden gottesdienstlichen Handlung nicht erklären. Aber er genoß das seltsame Schauspiel mit offenen Augen und Ohren und vergaß darüber fast seinen Herzenskummer.
Zum Schluß ordnete sich die gesamte Geistlichkeit zu einer Prozession und stattete den verschiedenen, in den Seitenkapellen logierten Heiligen kurze Besuche ab, und dazu spielte – der Graf traute seinen Ohren nicht – die Musik die lustigsten Militärmärsche und Polkas mit vollem Schlagzeug, großen und kleinen Trommeln, Becken und Triangeln. Väter und Mütter ließen ihre Kinder auf den Armen dazu springen, daß die Kleinen vor Vergnügen jauchzten.
Der Graf stand an eine der schlanken maurischen Säulen gelehnt, welche die niedrige Galerie trugen, die zwischen der Rotunde und den Seitenkapellen herumlief. Nun kam der bunte Zug bei ihm vorbei. Alles verneigte sich tief, einzelne Weiber fielen auf die Knie und suchten einen Kuß auf die im langsamen Vorwärtsschreiten segnend ausgestreckten Hände des Bischofs anzubringen. In erster Reihe hinter dem hohen Würdenträger schritt nachdenklich Padre Sebastiano einher, das freundliche, alte Gesicht in kummervolle Falten gelegt. Seine listigen Äuglein huschten wie suchend über die Köpfe der Menge. Da, jetzt hatte er den deutschen Sonderling erblickt. Er streifte im Vorbeigehen seinen Arm und flüsterte ihm zu: »Ich bin trostlos, mein lieber Herr; sie will nicht, die Gottvergessene! Sie weigert sich hartnäckig! Sie hat eine solche Angst vor der Rache ihres Wüterichs, daß selbst die Versprechungen allerreichster himmlischer Gnaden sie nicht umstimmen konnten. O Barmherzigkeit Gottes, welch ein schwerer Tag für mich!«
Er hielt den Grafen mit zwei Fingern am Ärmel gepackt und zog ihn so mit sanfter Gewalt mit sich fort. Jetzt blieb er plötzlich stehen und kniff seinen großen Begleiter dermaßen in den Arm, daß dieser fast aufgeschrien hätte. »Eccola!« raunte er ihm hastig zu und deutete dabei mit einer Neigung des Hauptes auf ein wenige Schritte von ihm am Boden kniendes Weib, welches eben nach der Hand des Bischofs haschte und mit großen, segenflehenden Augen zu dem wohlbeleibten Herrn emporblickte.
Graf Dietrich machte sich von dem Griff des Paters los und blieb wie angewurzelt stehen. Ja, das war sie! Und sie war, aus der Nähe gesehen, bei Gott noch viel, viel schöner denn aus der Ferne. So märchenhafte, heilige Kinderaugen hatte er sein Lebtag noch in keinem Frauenantlitz gesehen, und einen Kuß von diesen Lippen zu begehren und tausend Lire dafür zu bieten, das erschien ihm jetzt auf einmal bei weitem nicht mehr so blitzdumm und moralisch verwerflich wie noch vor einer halben Stunde.
Er wartete, bis der Zug vorüber war, und dann trat er einen Schritt vor, im Begriff, die fromme Schöne anzureden. Noch überlegte er, was er wohl sagen sollte, als sie seiner gewahr ward. Sie schien ihn zu erkennen. Ein tiefes Rot ergoß sich jäh über das bräunlich blasse Gesichtchen. Sie stand hurtig auf, raffte ihren Spitzenschleier dichter um den Kopf zusammen und ging raschen Schritts davon.
Nach kurzem Zögern folgte der Graf ihr nach. Er hatte beschlossen, sie nicht aus den Augen zu verlieren und sie womöglich auf der Straße anzureden, wenn sie wirklich nicht in der Kirche blieb. Er wollte ihr einige liebenswürdige Schmeicheleien sagen, um diese weichen Wangen noch einmal erröten und die wunderbaren Augen dankbar zu ihm aufblicken zu sehen, wenn er ihr erklärte, daß er auf den Kuß verzichte, wenn sie ihn ihm nicht freiwillig gewährte; daß er die versetzte Heilige auch ohne so süßen Entgelt auslösen wolle, einzig, weil sie eben auch Elena hieße.
Allein vergebens spähte er durch das Halbdunkel nach der hellen Gestalt aus. Er hatte zu lange gezögert. Schon war sie in dem dichten Knäuel von Menschen verschwunden, der nun nach Beendigung des Rundgangs der Pforte zudrängte. Der Graf warf sich nun auch in das Gewühl hinein und drückte sich rücksichtslos durch die Menschen hindurch. Aber draußen war sie auch nirgends zu erblicken, weder auf der Freitreppe, noch auf der Piazza. Seinem scharfen Auge wäre sie sicher nicht entgangen. Sollte sie vielleicht zu einer anderen Tür hinausgeschlüpft sein? Er lief rings um die freistehende Kirche herum. Nein, nirgends, also vielleicht doch noch im Gotteshause zurückgeblieben. Er trat wieder durch das Hauptportal hinein. Die Geistlichkeit hatte sich auch bereits in die Sakristei zurückgezogen. Meßner und Chorknaben waren beschäftigt, die Kerzen zu löschen. Im übrigen schien die weite Halle menschenleer. Er schritt in schier atemloser Hast um die schmale, niedrige Galerie herum und schaute in all die dunklen Nischen und Kapellen hinein. Sie war auch hier nirgends zu entdecken.
Halt, was war das? Eine helle weibliche Gestalt mit einem schwarzen Spitzentuch über dem Kopf – ah, endlich, das mußte sie sein! Sie stand unter der Kanzel, welche auf einem seltsam steinernen Hüttchen mit ganz schmalen Gucklöchern darin ruhte, in eifriger Unterhandlung mit einem Schwarzrock, der wohl niemand anders als Pater Sebastian sein konnte. Jetzt drehte sich der alte Herr um. Ja gewiß, er war's. Der laute Widerhall der Schritte in dem leeren, weiten Raum hatte ihn aufmerksam gemacht, und sowie er in dem Nahenden den Grafen erkannte, öffnete er die schmale bronzene Pforte, welche zur Kanzeltreppe in jenen eigentümlichen Unterbau hineinführte, er schob die Signora Elena da hindurch.
Graf Dietrich war so kindlich zappelig und aufgeregt, wie er's in seinen jüngsten Jünglingsjahren kaum jemals gewesen. In der Befürchtung, die Schöne könnte hinter jener Tür in einer Versenkung verschwinden, stürzte er mit ein paar Riesenschritten auf das Kanzelhüttchen los, packte seinen ehrwürdigen geistlichen Freund am Arm und fuhr ihn im Eifer gar auf Deutsch an: »Donnerwetter, da ist sie ja doch! Warum verstecken Sie sie denn vor mir? Soll ich meinen Kuß nun haben oder nicht?«
Vater Sebastian hatte sich rasch mit seinem breiten Rücken vor die schmale Tür gestellt. Er streckte sanft abwehrend die Hände gegen den Aufgeregten aus. Ein breites Lächeln verklärte sein ganzes gutes Gesicht, und er gurrte ihm sanft beruhigend zu: »Pace, pace, taci, taci, figlio mio! Friede, Friede, stille, stille, mein Sohn! Sie hat sich eines anderen besonnen, das Täubchen. Sie sollen Ihren Kuß bekommen, Exzellenza. Aber im Dunkeln muß es geschehen. Sie schämt sich so, die Furchtsame.«
»Schön, schön!« rief der Graf ungeduldig. »Wenn es ihr so beliebt, auch im Finstern.« Damit wollte er die Hand auf die Klinke legen.
»Entschuldigen Sie noch einen Augenblick: Haben Sie vielleicht die tausend Lire bei sich? Dann dürfte ich wohl bitten . . .« Und mit freundlich einladendem Schmunzeln hielt er ihm die offene Hand entgegen.
Graf Dietrich griff in seine Brusttasche und sagte mit ärgerlichem Achselzucken: »Cospetto, ihr seid mißtrauisch, ihr Italiener! Nun, meinetwegen auch pränumerando!« Und er fingerte hastig eine Tausendlirenote aus seinem Taschenbuch hervor und drückte sie dem mit einer dankbaren Verbeugung zur Seite tretenden Priester in die Hand.
Nun endlich war der Weg frei. Vater Sebastian öffnete ihm selbst das bronzene Pförtlein zur Seligkeit. Sein Herz klopfte lauter als am Tage, da er als junger Fähnrich zu einem Pistolenduell gegangen war. Seine Pulse hämmerten und sein Atem flog, und alles Blut schoß ihm zu Kopfe, als er seine hohe Gardeulanengestalt tief herabbeugen mußte, um durch die niedrige Tür in das geheimnisvolle Verließ hineinzukriechen. Unmittelbar hinter seinem Rücken wurde die Tür wieder ins Schloß gedrückt. Es war Nacht vor seinen Augen. In dem schwachen Lichtschimmer, der durch die schießschartenartigen Fensterchen in den engen Raum drang, gewahrte er einen weißen Schemen. Auf den tappte er zaghaft zu und flüsterte leise: »Signora Elena?«
Ein Gewand raschelte, der Schemen huschte ihm entgegen, und im nächsten Augenblick preßte sich ein warmes Lippenpaar gegen das seine. Zwei Arme schlangen sich um seinen Nacken. Er fühlte die zarten, kühlen Händchen an seinem Genick und an seinem Hinterhaupt. Minutenlang ließen ihn diese Arme nicht los, immer fester preßte sich ihr Mund auf den seinen, immer heißer und rascher fächelte ihr süßer Atem ihm um Wange und Schnurrbart.
Dem Grafen Dietrich wirbelte der Kopf. Seine kühnsten Erwartungen sah er übertroffen. In seinem Leben war er noch nicht so geküßt worden, so zäh anklammernd, so innig hingebend, und in seinem Leben hatte auch er noch nicht so geküßt. Er fühlte sich plötzlich berufen, diese arme, darbende Seele für die grausamen Entbehrungen einer mehrjährigen Ehe mit dem alten, ogerhaften Geizhalse nach Möglichkeit zu entschädigen. Das war auch ein frommes Werk, eine menschenfreundliche Mission – Gewissensbisse verspürte er nun nicht mehr.
Ha, diese feurigen Südländerinnen, die verstehen zu lieben. Selbst in ihren zärtlichsten Stunden hatte seine Lore niemals auch nur annähernd so zu küssen vermocht – allerdings er sie auch nicht. Ein allzu feuriger Liebhaber war er eben bisher nicht gewesen. Aber nun entfachte er sein eigenes Feuer an der fremden Glut und erwiderte in süßer Trunkenheit ihre betäubenden Liebkosungen. Er preßte die schlanke Gestalt an sich, daß sie aufstöhnte vor Schmerz und Wonne.
Und jetzt tat Signora Elena den Mund auf und sagte: »Halt, genug, du erdrückst mich! Verzeih' mir, Dietrich, verzeih' mir! Ich war eine Närrin. Verzeih' mir den Betrug! Ich liebe dich ja so wahnsinnig! Ich kann nicht leben, wenn du mir böse bist!«
Des Grafen Arme sanken schlaff herab. »Lore du!« stammelte er, fassungslos vor Überraschung.
»Ja, du lieber Ungetreuer, ich bin's, dein angetrautes Weib! Küsse, die tausend Francs wert sind, kann ich dir freilich nicht verabreichen, aber . . .«
Er schnitt ihr die Rede ab, indem er sie stürmisch an sich zog und ihr den Mund von neuem mit Küssen verschloß, womöglich noch feurigeren als vorher. »Du Liebe, Holde, Süße, kannst du mir wirklich vergeben?« stammelte er. –
Sie vermochte nicht zu antworten, aber er fühlte ihre Tränen auf seinen Wangen. –
Und dann traten sie hinaus aus dem finsteren, dumpfen Raum. Vor der Tür stand Vater Sebastian und drohte schmunzelnd mit dem Finger: »Ei, ei, Sie haben mich aber lange warten lassen!«
Wie auf Verabredung ergriffen die beiden Versöhnten jedes eine seiner beiden Hände und beugten sich zum Kuß darüber. Er entzog sie ihnen mit einer raschen Bewegung und sagte bescheiden, den grauen Kopf schüttelnd: »Oh nicht doch, meine lieben Kinder! Das verdiene ich nicht. Ich bin ein sündiger Mensch und hegte sündhafte Gedanken. Nun, Santa Elena mag mir gnädig sein, wenn ich dafür zur Rechenschaft gezogen werde. Aber ich bin ein Priester und habe Gewalt, von Sünden freizusprechen, wo ich wahre Bußfertigkeit sehe. Ich weiß, ihr seid arge lutherische Ketzer, aber wenn ihr die Gnade Gottes nicht verschmäht . . .«
Graf Dietrich faßte seine Frau bei der Hand und zog sie mit sich auf die Knie nieder. Beide senkten sie das Haupt, und der alte Priester berührte ihre Scheitel und sagte mit leicht zitternder Stimme, »Stehet auf von Sünden rein, und gehet hin in Frieden!« –
Hand in Hand traten die Neuvermählten aus der Kirche, Arm in Arm wanderten sie bis in die sinkende Nacht Gasse auf und Gasse ab unter den singenden, festfröhlichen Menschen einher. Und am andern Tage, als auf allen Wegen, die die glänzende Prozession mit der befreiten silbernen, juwelenstrotzenden Heiligen in der Mitte durchzog, die Kanonenschläge dröhnten, die Rosenblätter von allen Dächern und Mauern auf den purpurnen Baldachin herniederflatterten, und am Abend, als auf der Piazza raschelnd und zischend mächtige Feuerräder sich drehten, die prachtvollen Raketen hoch in die Luft stiegen und der helle Regen von bunten Kugeln und Funkengarben das enge Tal und das dunkle Meer magisch erleuchteten, als die banda ihre schmetternden Weisen spielte und die Kinder hell aufjauchzten vor Freude, da gab es doch in dem ganzen festtrunkenen Städtchen niemand, der so von frommem Danke gegen die Heilige Elena erfüllt, mitgejubelt hätte, wie der blonde deutsche Graf und seine glückstrahlende junge Frau.