|
Wie jüngst der muntre Lenz mich in das Grüne brachte
Und ich sokratisch war mir meine Seele dachte,
Da hing ich attischer so süßer Laune nach.
Ich sah mir Sokrates, er atmete Vergnügen
Den Blick zur Sonne hin, an Phädons Seite liegen,
Wo dichter Ahorn ihm die Glut der Sonne brach.
Ihm schlurft ein Bach vorbei mit leisen Anmutsgüssen,
Vertraulich für sein feines Ohr,
Und stellte mir den murmelnden Ilissen,
Des Achelaus Quelle vor.
Er schilderte, wie stark? durch wunderbare Töne,
Und Phädon horchte froh, das allgemeine Schöne:
Die Rede stieg so hoch, so tief die Lehre war.
Mich lockt der schöne Tag und dämmernd schöne Buchen,
Das himmlisch süße Lied nachahmend zu versuchen:
Dir, Freundin, stellt es sich in neuer Weise dar:
Wem würdiger, als dir, zu deren frischen Blicken
Des Geistes Schönheit Wonne fügt?
Und jene schwebt in wallendes Entzücken,
wenn er auch Murrende vergnügt.
Gebüsche! rief er aus, mit Lust umzäunte Fluren!
Beliebter Aufenthalt für müde Creaturen!
Wie gut entzeuchst du mich dem Lärm der Unterwelt!
Die Stadt, ein Tummelplatz für wilde Leidenschaften,
Durchkreuzt der Harm, an dem die schlechten Leute haften,
Worunter sich mein Geist in seiner Pflicht erhält:
Sie fliehen vor sich selbst und schwitzen aus der Erde
Das Gold heraus und sich hinein;
Indessen, frei von mancherlei Beschwerde,
Bin ich von ihrem Wuste rein.
Bereits im Kreise schon verschiedner Afterlehre,
Worin ich, als vernarrt in das Gespenst der Ehre
Von Lernbegierde wild nach schönem Tande lief,
Gefiel mir nichts so sehr, wie diese grüne Nächte:
Mir schien, als wenn ich hier so was zu suchen dächte
Und ein versteckter Freund mir flüsternd, komme! rief.
Ich fühlte, dass ein Reiz, wie milde Rebensäfte
So warm in meine Seele fuhr:
Ach! rief ich oft! hier verborgne Kräfte,
Entdeckt euch, ach! entdeckt euch nur!
Für Fehler alt genug, für Wahrheit etwa mündig,
Von Priestern irr gemacht, der Gottheit noch unkündig,
So rief ich diese Macht und rief unwissend an.
Mein Herz gefiel ihr wohl, so sehr ich sie verkannte,
Und gleichwohl gegen sie vor Zärtlichkeit entbrannte:
Zuletzt erschien sie mir und sah mich gütig an.
Mir stieß ein Lüftchen auf, als sollt ich Kühle saugen,
So lieblich, wie die Rose blüht:
Mit einmal fuhr mir etwas von den Augen;
Ich sah, was nur die Liebe sieht.
Nun schien der alte Stand, wie gar? mir unerträglich,
Seit ich die Schönheit sah, die sehen Weise täglich,
Die, wie der Mittagsglanz, sich weit herum erstreckt.
Ich wandle bloß vor ihr und über alle Nebel,
Worin der Haufe schleicht und der gelehrte Pöbel,
Von vielen angegafft, bis an der Lippe steckt,
Und steige wunderhoch, wie nichts sind diese Tannen?
Bis in das reinste Lustrevier,
Und komme stets inbrünstiger von dannen,
Und Wunsch und Triebe bleiben ihr.
Ach, Phädon, siehe doch die hellen Bäche rinnen!
Entdecke dich einmal den allzu groben Sinnen
Und fleuch an meiner Hand bis an die Quelle hin.
Getrost! Wir lassen klug die Puppenfreude schwinden,
Die Pöbelsinne hier in Pöbellust empfinden:
Im Freudenmeere rauscht sich dort der innre Sinn.
Hier gilt es minder sich zu freuen, als zu reizen,
Da dort man zum Genusse geht.
Wer könnte da nach einer kindisch geizen,
Wo jede Freudigkeit entsteht?
Du, Schönheit! höchster Plan! wahrhaftig so vorhanden!
Wie schwach die Namen sind, die Menschen dir erfanden!
Beweger! Kraft! Natur! du, die nur Wonne lebt!
Allgegenwärtiger! So vielfach ausgegossen,
Auch ich bin von deiner Art und von dir abgeflossen
Und kehre dir zurück, wenn Tugend mich erhebt.
Ach! ich bescheide mich und decke meine Blöße;
Ich, nur um dich, gefalle mir,
Ein Teilchen nur von dir, o helle Größe,
Ein Tröpfchen, aber doch aus dir.
Vollständig, ewig jung, unfähig zu veralten,
Durch gleiche, fliehenden begegnende, Gestalten
Bestichst du, wie du warst, so wenig alt, wie neu.
Hier treten Wesen auf, da gehen Wesen unter,
Du tilgest und erzeugst, wie gestern, heute munter,
Besorgest du, dass Tod der Lebens Quelle sei.
Verprangt sich schnell die Lust der abgelebten Floren,
So drängst sich ihr Pomone nach:
Wenn diese stirbt, wird jene neu geboren;
Das Grabmal ist ein Brautgemach.
Wie mild durchleuchtet sie die grenzenlose Ferne!
Zu Zeugen ihrer Pracht vergoldet sie die Sterne
Und Sonnen säet sie, wie leichte Körner hin.
Ich hier zerschmelze ganz in süße Symphonien,
Wonach so schön vereint die Weltenheere ziehen:
O, dass ich noch kein Stern der letzten Größe bin!
Doch nein: ich wecke hier im tale meine Leier
Und stimme so nachahmend ein;
Auch muß zumacht mein stilles Opferfeuer
Im Kleinen ihr Gemälde sein.
Doch, Unerforschliche! Erstatte, dass ich frage:
Woher ergoß sie sich, so manche böse Plage,
Die deiner Menschenherz mit Elend überschwemmt?
Du, gute Schönheit, kannst, du nie, das Böse zeugen:
Dir ist die Güte selbst, nur uns das Übel eigen:
Ich fühle, dass dein rat nicht unsre Wonne hemmt.
Der Teile innrer Bau, der Glieder äußre Hülle,
Der Geist? O, schön sind sie gemacht!
Nur unser Herz, der frevelhafte Wille
Verließ dein Licht und suchte Nacht.
Allein der Ärgste hat umsonst dir abgeschworen;
Do Schönheit hast dein recht auf alle nie verloren:
Der Dümmste huldigt die auch ohne Lehre noch.
Du schimmerst ihm nur kaum durch aufgeblühte Wangen,
Wie klopfend bleibt sein Herz an ihrer Seide hangen
Und hüpfend schultert er das schwerste Sklavenjoch.
Dir rennt er, deiner ganz entohniget im Innern,
in jedem äußern reize nach
Und sucht, so laut auch Fehler ihn erinnern,
Nur dich im größten Ungemach.
Von Thoren nie gesehn, die klügelnd dir entwischen,
Verfolgst du sie, den Tand zur Einsicht anzufrischen,
Und wirfst dein kennbar Licht auf jede Freude hin.
Sie ruft Natur und Kunst, bei dir sich einzuladen:
Für deine kleinste Lust gefallen großen Schaden;
Und immer bleibst du so dem Triebe Lehrerin.
So labest du den Geist an kleinen Ehrenbildern:
Denn Schönheit nährt die Geister ja.
Gereuts ihm dann, sich ferner zu verwildern,
So sind doch noch Begriffe da.
Der Mienen Melodie, der Rede Licht und Schatten,
Die Scherze, die sich frei zum Edlen ernste gatten,
Der durch die süße List erobernde Betrug
Und alle lockende Gestalten oder Töne
Beweisen immer noch, wie sehr das kleinste Schöne
In unsre Seele passt, beweisen sie genug.
Wen rührt die Freude nicht, wenn itzt, in Epheukränzen
Das Schäfervölkchen ausgeführt,
Durch laute Lust vereint zu Reihetänzen
Arcadiens Gebirge ziert?
Doch lass das junge Herz rechtschaffen sich entschließen
Und dann die Weisheit sich auf seinen Geist ergießen:
Wie fröhlich kann nicht da so manche Zierde blühn?
Ein lasterhaftes Herz für wohlgemachte Glieder,
Und Bacchus Evoe für anmutreiche Lieder
Sind Wolken, welche Schwarz sich um die Sonne ziehn.
Unendlich ist der Reiz, wenn Schönheit fromme Jugend,
So wie Dianens Bild umringt.
Wie mächtig wirkt die Dichtkunst in die Tugend,
Wenn Orpheus spielt und Linus singt?
Wenn unsre Geister sich mit Tugendliebe gatten,
Verschwindet der Lilien Glanz, wie weggestrahlte Schatten,
Und Götter atmen Luft auf unsre Herrlichkeit.
Die stille Majestät wahrhafter Ehrentaten,
Geschäftig, wie sich selbst, dem Lande wohlzuraten,
Verliert am Werte nichts durch ihre Seltenheit.
Wie können Denker so sich ihrer Kraft entwöhnen
Und jauchzen, ist sie fortgedrengt?
Das tut der Wahn, der sich durch alle Szenen
Zu blindem Eigennutze mengt.
Erfreut sie, wie sie drückt, der Schätze schwere Bürde?
Was ist das Flittergold nur selten ächte Würde?
Was bringt die wilde Luft in kargen Ernten ein?
Hier ist es immer schwer, nichts stets in Sorge machen,
Noch schwerer, wert des Glücks sich durch Verdienste machen,
Am schwersten, fromm in Lust, vergnügt in Mühe sein.
Wo so das Böse herrscht, da bleibt das schlechte Schöne
Noch kaum der kleinsten Ehre wert.
Der Harm belehrt der Griechen eitle Söhne,
Dass ihn das Gute ernährt.
Ja, Phädon, merke dir: wen reine Tugend kleidet,
Der kann nicht schöner sein, und wenn auch unbeneidet:
O, Tugend ist ein Schatz, der Kronen überwiegt!
Du Schönheit, tauche selbst in deine Nektarfluten
Die Wünsche Phädons ein und rechne das zum Guten,
Warum allein mein Geist sich im Gebete schmiegt.
Für Licht und Wärme brennt nur eine Flammensphäre,
Und so gehöret das Gute dir
Und kehrt zurück, wie Wasser in die Meere,
Und fleißt in dich und ich mit ihr. |