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Sankt Nikolaus war gekommen.
Für ihr letztes Geld hatte Marretje für Fokje ein Halstuch gekauft, und weil er mit so begehrlichen Augen vor dem Schaufenster des Bäckers gestanden, auch noch ein Sankt Nikolausmännchen, das nicht gar so teuer, weil es entzwei war.
Er saß damit ganz still in einer Ecke, als plötzlich die Tür aufflog, und während eine rauhe Stimme rief:
»Von Sankt Nikolaus für Volkertje Vos!« ein großer Gegenstand ins Zimmer geschoben wurde.
Es war ein Schaukelpferd, fast so groß wie ein Pony, prächtig braun und weiß gefleckt, mit flockiger Mähne, einem Schweif, der bis auf die Hufe herunterhing und auf dem Rücken einem ledernen Sattel mit Steigbügeln zu beiden Seiten. Es hatte glänzende schwarzbraune Augen, aufgesperrte Nüstern und im Maul ein stählernes Gebiß, an dem die Zügel befestigt waren. Quer vor seinen Hufen lag eine kleine Reitpeitsche.
Fokje ließ die zwei Stücke des Sankt Nikolaus-Männchens fallen. Rot vor Schrecken und Freude stand er vor dem Pferdchen. Nachdem er es lange genug angesehen, es erst schüchtern berührt und dann mit beiden Händen zugleich gestreichelt und geklopft hatte, kletterte er in den Sattel, ließ seine Holzschuhe fallen und setzte die strumpfbekleideten Füße in die Steigbügel. Das Pferd begann zu schaukeln, als er sich vornüberneigte nach der Reitpeitsche. Er erschrak einen Augenblick. Aber sogleich saß er wieder aufrecht und schaukelte so sehr er nur konnte. Er lachte, rief Hottehüh! und vorwärts Brauner!, schlug mit der kleinen Peitsche darauf los und hüpfte, bis die Locken um sein glühendes Gesichtchen tanzten. Als er endlich nicht mehr konnte, wollte er einen Lappen haben, um das Pferd abzureiben; er machte es so, wie er es den Kutscher auf Hartestein hatte tun sehen, wenn die Pferde schweißtriefend von der Fahrt heimkehrten.
Die Augen voller Tränen, die sie nicht mehr zurückzuhalten vermochte, sah Marretje zu.
Plötzlich sagte der Kleine:
»Mutter, wann habe ich Geburtstag?«
Sie ahnte, was nun kommen würde. Und trotzdem sie den schweren Entschluß nun bereits gefaßt, begann sie am ganzen Körper zu zittern.
»Wenn ich wieder Geburtstag habe, darf ich auf dem Pony reiten, hat Tante Klara gesagt.«
Sie antwortete mühsam.
»Möchtest du zu Tante Klara zurück?«
Fokje stieß einen Freudenschrei aus.
»Dann wird Mutter dich hinbringen«, sagte das arme Weib.
»Gleich morgen?«
»Morgen, wenn du so gern willst.«
»Und ich darf den ganzen Tag bleiben? und nächsten Tag darf ich wieder hin? und nächsten wieder?«
»Den ganzen Tag sollst du bleiben, und den nächsten auch, und alle Tage, immer, so lange du willst.«
Fokje sprang vor Freude.
Aber ein plötzliches Bedenken kam ihm.
»Du mußt mitkommen«, sagte er und griff nach der Mutter Hand.
Aufschluchzend zog Marretje ihn an sich. Er sah sie erschreckt an.
»Du mußt mitkommen«, wiederholte er, indem er selber anfing zu weinen.
Schnell trocknete Marretje ihre Tränen.
»Ich komme ja mit, mein Herzchen, ich komme ja mit! Nur nicht gleich, und du sollst die Tante nicht darum bitten, hörst du? Später komme ich dann schon.«
Er lächelte schon wieder, und indem er das wunderschöne Pferd bei der Mähne faßte, schwang er sich hinauf und begann wieder aus allen Kräften zu schaukeln.
»So werde ich den Pony reiten! Schau Mutter! So reite ich den Pony!«
Endlich bekam sie ihn ins Bett. Die Peitsche mußte auf der Decke liegen und das Schaukelpferd so dicht am Bett stehen, daß er es fühlen konnte, wenn er die Hand ausstreckte.
Lange saß Marretje bei ihm. Immer wieder streichelte sie sein erhitztes Gesichtchen mit ihrer schweren, kalten Hand.
In der Nacht kam sie nochmals zurück: barfuß stand sie an dem Bett, vor die Flamme des Spinnlämpchens hielt sie schützend ihre Hand. Indem die langsamen, schweren Tränen über ihre Wangen flossen, blickte sie auf das kleine Gesicht, das jetzt wieder so schmal war und so blaß.
»Ich vermag es ja nicht, mein Kind. Ich bin zu arm.«
Am Morgen brachte sie ihn zu Frau van Walsum.