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Am nächsten Tage aber erhielt ihre fröhliche Stimmung einen Stoß. Genau zu der Stunde, an der gestern der anonyme Brief gekommen war, erschien heute, von derselben Hand verfaßt, ein zweites Schreiben.
Gar nicht erst aufmachen, sondern ohne weiteres in den Ofen stecken, das war Annas erstes Gefühl – aber die Neugier war stärker als die Wallung der Vernunft, und sie folgte dem verhängnisvollen Triebe, der in uns ist, Dinge, von denen wir wissen, daß sie uns gräßlich widerwärtig sein werden, daß sie unsern Seelenfrieden stören werden, recht genau und in der Nähe anzusehen.
Das, was sie heute las, war dies:
»Haben Sie denn das Verhältnis noch nicht gelöst? Noch immer nicht? Bedenken Sie sich, es wird Zeit! Es wird hohe Zeit!!!«
Diesmal war der Brief unterschrieben »der Warner«. Nun nachdem sie gelesen, stand sie da und bereuete, daß sie gelesen hatte. Es war ihr zu Mute, wie einem Kinde, das man vor giftigen Beeren gewarnt hat und das trotzdem genascht hat. Mochte sie das Geschreibsel auch zerreißen und in den Ofen stecken, vergessen konnte sie ja doch nicht, was darin gestanden hatte. Dazu kam der sonderbare Ton und die Form des Briefes; beides war so aufgeregt. Die drei Ausrufungszeichen am Schluß, und die Unterschrift war mit ganz merkwürdigen Schnörkeln verbrämt und verziert.
Das Ende ihres Ueberlegens war, daß auch dieser Brief in Fetzen ging und in den Ofen wanderte.
Am darauf folgenden Tage aber lauschte sie schon mit aller Spannung, ob heute auch der Briefträger erscheinen würde. Und richtig, als die Stunde schlug, klingelte es, und ein dritter Brief lag in ihren Händen. Heut überlegte sie schon nicht mehr, ob sie lesen sollte, oder nicht, mit einer Art von Heißhunger fiel sie darüber her.
Der unbekannte Verfasser betitelte sich heute »Prüfer von Herz und Nieren«: das, was er verkündete, lautete folgendermaßen:
»Verblendete!! Das gefällt Ihnen wohl, daß der unglückselige Mensch Sie mit Schmuck und Flitter überhäuft? Wollen Sie denn mit Gewalt blind und taub sein? Daran sollten Sie doch merken, daß er ein Wahnsinniger ist!! Ein Wahnsinniger!!!«
Ein unheimlicher Schauder überlief Anna, als sie diese Worte las. Es klang wie eine dumpfe Wut daraus, eine Wut gegen sie und zugleich gegen ihn. Sie versank in Gedanken, und so geschah es, daß der Baron sie überraschte, bevor sie noch Zeit gefunden hatte, den Brief zu vernichten. Sie hatte ihn gerade noch in die Tasche stecken können, als er eintrat, und sie mußte sich beinahe Zwang anthun, um dem Bräutigam unbefangen und heiter entgegenzugehen.
Als er aber jetzt, vergnüglich schmunzelnd wie ein Kind, das jemandem eine rechte Ueberraschung zugedacht hat, eine große Schachtel zum Vorschein brachte, und als sie darin ein prachtvolles Perlenhalsband erblickte, fuhr sie zurück, und diesmal war es nicht Schüchternheit noch Bescheidenheit, was sie zurückfahren ließ, sondern Schreck, wirklicher, wahrhaftiger Schreck.
Die Worte des unbekannten Briefschreibers fielen ihr ein, und die schrecklichen Worte hatten ja recht gehabt; so rasend verschwenden konnte ja nur ein Wahnsinniger!
Mit hängenden Armen stand sie da und starrte, wie geistesabwesend, auf den Schmuck, der ihr vom dunkelblauen Sammet, auf dem er gebettet lag, entgegengleißte.
Der Baron hielt den geöffneten Schrein mit beiden Händen vor sie hin und lachte still in sich hinein. Er ahnte nicht, was in ihr vorging, und sah in ihrer Starrheit nur das hülflose Staunen der Armut, die sich plötzlich vom Reichtum überflutet sieht.
»Aber Anna,« sagte er endlich, als sie noch immer wie leblos vor ihm stand, »freust du dich denn gar nicht ein bißchen?«
Sie hörte wieder den Ton seiner Stimme, sie blickte auf und sah sein Gesicht mit einem Ausdrucke unsäglicher Güte und Liebe auf sich gerichtet, und plötzlich brach sie in Thränen aus und fiel ihm schluchzend um den Hals.
Dieser Ueberschwall von Gebensfreudigkeit – das sollte alles nur eine Ausgeburt des Wahnsinns sein? Dieser Mensch, der sich auflöste, nur um ein Lächeln auf ihrem Gesicht hervorzurufen, das sollte ein Verrückter sein? Nein, nein, nein! Und sie drückte das Gesicht an seinen Hals und schüttelte, wie in Verzweiflung, das Haupt.
Der Baron stand ratlos. Diese Thränen sahen doch gar nicht wie Uebermaß von Freude, sondern wie echter Schmerz aus. Bevor er aber noch zu Worte kommen konnte, fing sie an.
»Eberhard,« sagte sie, indem sie die Arme von seinem Halse löste, »siehst du, es ist ja so himmlisch gut von dir, und ich bin dir ja so maßlos dankbar für alles, aber ich bitte, ich beschwöre dich, laß es genug sein, schenke mir nichts mehr.«
Die Heiterkeit wich von seinem Gesichte,
»Ich hatte geglaubt,« sagte er langsam, »es würde dir Freude machen – und nun willst du es gar nicht haben?«
Er schickte sich an, den Schrein zu schließen, und dabei sah er so kummervoll aus, daß ein reißender Schmerz durch ihre Seele ging.
»Nein, nein,« rief sie, »ich will es ja nehmen, gern nehmen, und ich bin dir ja so, so dankbar dafür, aber ich wollte ja nur sagen: dann nichts mehr, Eberhard. Laß es damit genug sein, bitte, versprich es mir, bitte, bitte!«
Er drückte den Kasten ins Schloß und sah sie an, als begriffe er nicht, was sie wollte.
Sie faßte seine Hand mit beiden Händen.
»Siehst du,« sagte sie, »du mußt doch bedenken, daß ich an so etwas nicht gewöhnt bin; du weißt ja doch, daß ich ganz arm bin; ich habe doch früher nie Schmuck getragen, und an so etwas muß man sich doch allmählich gewöhnen. Und wenn das dann so mit einemmal, so massenhaft kommt, siehst du, Eberhard, lieber guter Eberhard, das mußt du dir doch selbst sagen, daß einen das geradezu ängstigt. Das erstickt einen ja und erdrückt einen und das hält man gar nicht aus.«
Ihre Worte waren hastig erregt von ihren Lippen gekommen, aber sie beruhigten ihn. Er entnahm daraus, daß es wirklich nur die Armut in ihr war, die vor dem plötzlichen Reichtum erschrak.
»Du liebes, bescheidenes Kind,« sagte er zärtlich, indem er den Arm um sie legte, »ich glaube wirklich, du hast vollkommen recht, und es war falsch, daß ich zu rasch gewesen bin. Aber du weißt ja doch, warum ich es gethan habe und bist mir nicht böse?«
»Ich – dir böse sein – « erwiderte sie stockend, und die Thränen drängten ihr von neuem empor, so daß sich ihr die Kehle zuschnürte.
Er stellte den Schmuckkasten auf den Tisch.
»Also mag er da bleiben,« sagte er, indem er seinen Ton zur Heiterkeit anstrengte, »und vorläufig genug damit.«
Sie blieben dann noch eine Zeit lang bei einander, aber eine unbefangene fröhliche Stimmung wollte nicht mehr recht aufkommen. Der Vorgang von vorhin wirkte in beiden nach, und zwischen ihnen, auf dem Tische stand der verhängnisvolle Schmuckkasten, der an dem allen schuld war.
Am nächsten Tage blieb Anna verschont; es lief kein Brief ein. Als der Baron indessen erschien, lag ein Schatten auf seinem Gesicht und in seinen Augen war ein dumpfes Glühen.
Anna erschrak einigermaßen, als sie ihn sah; sein Ausdruck war so anders als an den vergangenen Tagen.
Sie forschte nach dem Grunde seines Mißmuts, aber er wollte nicht mit der Sprache heraus.
»Bist du mir böse wegen gestern?« fragte sie endlich, indem sie sich neben ihn setzte.
Er strich mit freundlicher Hand über ihr Haar.
»Nein, gar nicht, lieber Engel,« sagte er, »verlaß dich darauf, gar nicht.«
Sie fragte nicht weiter, sie wollte nicht in ihn dringen, aber ihre Augen blieben stumm besorgt an ihm hängen. »Ach weißt du,« sagte er endlich, indem er sich aus seinem Brüten aufraffte, »es ist wirklich gar nicht der Mühe wert, und es ist unrecht, daß ich dich damit quäle. Ich habe einen Auftritt mit meinem Diener gehabt, das ist die ganze Geschichte.«
Er war aufgestanden und ging im Zimmer hin und her. Anna folgte ihm von ihrem Sitze aus mit den Blicken.
»Mit deinem alten –«
»Mit meinem alten Johann, ja.«
»Aber ich denke,« wandte sie ein, »er ist dir so treu und ergeben?«
»Freilich ist er das,« gab er zur Antwort, »treu beinah bis zum Uebermaß, und das ist es ja eben –« er brach mitten im Satze ab und wanderte wieder schweigend auf und nieder.
»Siehst du,« fuhr er nach einer Weile fort, »solche alten Diener, die man vom Vater überkommt, die einen als Kind auf dem Arm getragen haben, die einen immerfort begleitet haben, sind ja einerseits ein Schatz, und darum kann man sie nicht so aus dem Hause schicken, wie man es vielleicht mit andern machen würde.«
Ein Zucken ging über sein Gesicht und in seinen Augen flimmerte es, wie die Erinnerung an einen schweren Grimm, den er durchgemacht hatte.
»Du wirst doch nicht an so etwas denken!« sagte Anna, indem sie aufstand. Eine innere Stimme flüsterte ihr zu, wie notwendig ihm die stetige Begleitung eines treuen, mit seiner Natur vertrauten Menschen sein mochte.
»Ich denke ja nicht daran,« versetzte er, »nur das wollte ich sagen, siehst du, solche alten Diener werden andrerseits auch manchmal zu einer Art von Last. Sie wollen den Haushofmeister, gewissermaßen den Schulmeister spielen, und das – na, indessen – « er brach wieder ab. »Lassen wir die dumme Geschichte; sie ist abgethan und, wie gesagt, gar nicht der Rede wert.«
Anna war zu ihm herangetreten und sah ihm bittend in die Augen.
»Mir zuliebe,« sagte sie, »sei geduldig mit dem alten, treuen Menschen; er meint es gewiß so redlich und gut mit dir.«
Der Baron blickte mit einem eigentümlichen Lächeln auf sie nieder.
»Das sagst du,« erwiderte er langsam. Seine Lippen bewegten sich, als wollte er noch etwas hinzusetzen; aber er sprach es nicht aus. Allmählich aber, indem seine Augen auf ihrem Gesichtchen ruhten, kehrte der Ausdruck stiller Zufriedenheit in seine Züge zurück.
»Du bist ein Engel,« sagte er, »und so gut, wie du selbst es gar nicht weißt.«
Bald darauf verließ er sie.
Es war, wie der Baron gesagt hatte; zwischen ihm und dem alten Johann hatte es am Morgen dieses Tages einen Auftritt gegeben, einen merkwürdigen, schrecklichen Auftritt.
In sein junges Glück versenkt, hatte der Baron nicht weiter acht auf den Alten gegeben, sonst hätte es ihm auffallen müssen, daß dieser seit dem Tag, als er mit ihm das Haus verlassen hatte, wo Anna von Glassner wohnte, ein seltsames Wesen angenommen hatte.
Jeden Vormittag, wenn der Baron ausging, um sich zu seiner Braut zu begeben, schlich der Alte geräuschlos hinter ihm drein. Dem Juwelierladen gegenüber, in den er seinen Herrn eintreten sah, auf der andern Seite der Straße, stellte er sich auf und wartete, bis der Baron wieder herauskam; und wenn dieser zu Annas Hausthür gelangt war, ahnte er nicht, daß wenige Schritte hinter ihm sein Diener stand und ihn mit Augen verfolgte – mit Augen, die den lauernden Ausdruck eines wilden Tieres hatten. Wenn er alsdann in die Behausung zurückgekehrt war, wo er mit dem Baron wohnte und wo ihm ein geräumiges Zimmer angewiesen war, setzte der Alte sich an den Tisch, der inmitten des Zimmers stand, und dort saß er Stunden und Stunden lang. Er aß nicht, er trank nicht, er rauchte nicht; er war ganz versunken in dumpfes, stumpfes Brüten. Die einzige Thätigkeit, zu der er sich aufraffte, war, daß er sich alsdann erhob, eine große Schreibmappe auf den Tisch legte, Tinte und Feder herbeiholte und nun mit fanatischem Eifer zu schreiben anfing. Was er da schrieb – niemand sah es, denn niemand war dabei; jedesmal, bevor er an seine Schreiberei ging, riegelte er sorgfältig die Thür seines Zimmers ab. Es schienen jedoch Briefe zu sein; denn das Papier, worauf er schrieb, waren Briefbogen, und jedesmal, nachdem er geendigt und das Geschriebene wohl zehnmal mit gerunzelter Stirn und stumm glühenden Augen durchgelesen hatte, steckte er den Bogen in ein Couvert, das er mit einer Adresse und Postmarke versah. Leise schloß er alsdann seine Thür wieder auf, steckte horchend den Kopf hinaus, und wenn er sich überzeugt hatte, daß niemand ihn hörte und sah, schlüpfte er behutsam aus der Wohnung, aus dem Hause, um den Brief in den nächsten Briefkasten zu stecken.
Abends fand der Baron, wenn er nach Haus kam, die Lampen in seinen Gemächern bereits angezündet, alles zu seinem Empfange bereit, und den alten Johann, einmal wie allemal fertig, ihn des Mantels zu entledigen, ihm den Thee zu bereiten und alles zu thun, woran er von jeher gewöhnt war. Was der Baron nicht beachtete, das waren die Blicke, mit denen der Alte ihn lauernd beobachtete, und was er nicht sah, das war, daß der Alte, nachdem er sich zurückgezogen hatte, draußen auf dem Flur stehen blieb, lautlos an die Thür gepreßt, hinter der sein Herr saß, stundenlang horchend, lauschend, ob er nicht da drinnen plötzlich ein verdächtiges Geräusch, irgend etwas vernehmen würde, das ihn nötigte, zuzuspringen und Hand anzulegen. Denn er wußte ja doch, daß da drinnen ein Wahnsinniger saß und daß es sein Beruf und seine Pflicht war, den Wahnsinnigen zu bewachen.
An dem Vormittag dieses Tages nun, als der Baron gefrühstückt und darauf dem Diener geklingelt hatte, damit er ihm beim Anziehen behilflich sei, hatte dieser sich, im Bewußtsein seiner Pflicht, ein Herz gefaßt und beschlossen, mit seinem Herrn einmal ein Wort zu reden.
Es kam ihm nicht leicht an, denn er war ein echter Schlesier, und daher steckte ihm ein knechtischer Respekt vor seinem Gebieter in Fleisch und Bein. Aber es mußte sein, es mußte.
Den Pelz seines Herrn in den Händen, trat er in das Zimmer ein; als der Baron aber in den Mantel fahren wollte, ließ der Diener ihn sinken.
»Gnädiger Herr wollen mir eine unterthänige Frage erlauben – gehen gnädiger Herr wieder zu dem Fräulein?«
Der Baron sah sich überrascht um; ein Lachen zuckte über sein Gesicht.
»Interessiert dich das so? Allerdings gehe ich zu ihr.«
Der Alte senkte das Haupt und stierte auf den Teppich.
»Nun, was gibt's? Worauf wartest du?« fragte der Baron, indem er ein Zeichen machte, daß er den Pelz anzulegen wünschte.
»Gnädiger Herr, wollen entschuldigen,« erwiderte der Alte, ohne die Augen zu erheben, »ob gnädiger Herr es sich nicht noch einmal überlegen möchten?«
»Was soll ich mir überlegen?«
»Daß gnädiger Herr das Fräulein wirklich heiraten wollen.«
Der Baron machte auf dem Absatze kehrt, so daß er seinem Diener unmittelbar gegenüberstand. Er war einen Augenblick ganz sprachlos vor Erstaunen.
»Was geht das dich an?« stieß er hervor. »Was fällt dir denn ein?«
»Gnädiger Herr wissen ja doch,« murrte der Alte mit hohler Stimme von unten herauf, »daß ich gnädigen Herrn von Kindesbeinen her kenne – daß ich vom seligen Herrn Baron –«
»Weiß ich, weiß ich, weiß ich alles!« rief der Baron, indem er ungeduldig aufstampfte. »Was gehört das hierher?«
»Und daß ich weiß, was gnädigem Herrn gut thut und gnädigem Herrn nicht gut – weil ich weiß, wie es steht.«
Der Baron trat einen halben Schritt zurück.
»Wie was steht?«
Jetzt richtete der Alte das gesenkte Haupt so weit auf, daß er einen schrägen, lauernden Blick in die Augen seines Herrn bohren konnte. Seine Stimme wurde dumpf und leise.
»Wie es – mit gnädigem Herrn steht.«
Das bleiche Gesicht des Barons wurde noch um eine Färbung bleicher, so daß es ganz weiß aussah, und in dem weißen Gesichte glühten die Augen auf. Ein Zittern durchlief seine Gestalt, seine Hände schlossen sich, er konnte keinen Laut hervorbringen. So standen sich die beiden Männer stumm gegenüber. Am Leibe des alten Johann regte sich keine Fiber, nur seine Augen hafteten stieren Blicks an dem Baron. Er sah ja, daß der Mann dort unmittelbar vor einem Ausbruche von Tollwut stand, und Tobsüchtige darf der Wärter nicht aus den Augen lassen.
Es dauerte geraume Zeit, bis daß der Baron seine Fassung einigermaßen zurückgewann. Seine Brust keuchte, indem er zu sprechen begann; die Worte kamen abgebrochen heraus.
»Johann – weil ich weiß – daß du es gut meinst – will ich dir verzeihen, was du – da eben gesagt hast. Aber, wenn du es noch einmal thust, dann nimm dich in acht!« Er hob den rechten Arm mit geballter Faust empor. »Nimm dich in acht!« wiederholte er, »nimm dich in acht!«
Seine Stimme war immer lauter angeschwollen, so daß sie zuletzt beinahe brüllend geworden war. Sein Körper schüttelte sich wie im Krampf. Dann plötzlich ließ er den erhobenen Arm sinken, warf sich stöhnend in einen Sessel und legte beide Arme auf die Lehne, das Gesicht auf die Arme drückend.
Regungslos stand der Alte; in seinen Augen war etwas, wie ein wilder Triumph, indem er auf seinen Herrn niederblickte. Wer hatte nun recht gehabt? War der Mann da, der unglückselige, etwa kein Wahnsinniger?
Zunächst sprach keiner von beiden ein Wort; eine schwüle, beängstigende Stille trat ein. Dann erhob der alte Johann wieder die Stimme.
»Und wenn gnädiger Herr heiraten, thut es gnädigem Herrn nicht gut.«
Der Baron erwiderte nichts; er gab überhaupt kein Zeichen, als hätte er gehört.
»Und wenn ein Fräulein kommt,« fuhr der Alte fort, »und will den gnädigen Herrn heiraten, weil das Fräulein Frau Baronin werden möchte und reich werden möchte, weil sie selber nichts hat – «
Jetzt richtete der Baron das Haupt auf; seine Hand griff in den Stoffüberzug des Sessels, man sah, wie sie sich hineinkrallte, seine Augen drehten sich zu dem Alten herum, mit einem gefährlichen Ausdruck. Der Alte aber hörte nicht auf, wollte nicht aufhören; indem er des Mädchens gedachte, war es, als überkäme auch ihn eine dumpfe, schwälende Wut. Seine Augen unterliefen rot. »Dann ist das nicht recht von dem Fräulein,« polterte er rauh und rücksichtslos heraus.
In diesem Augenblick rollte der Stuhl, auf welchem der Baron gesessen hatte, bis mitten ins Zimmer; mit einem jähen Satze war der Baron aufgesprungen.
»Mach, daß du 'rauskommst!« brüllte er den Alten an. Der Alte stand wie an den Boden gewachsen.
»Gnädiger Herr dürfen nicht heiraten,« sagte er.
»Halt 's Maul und mach, daß du 'rauskommst!« donnerte der Baron noch einmal. Seine Hände flogen, sein Körper erbebte konvulsivisch. Es war aber, als wenn seine Aufgeregtheit den andern nur um so eisiger erstarren machte.
»Ein Arzt hat mir gesagt, der jetzt tot ist, wenn gnädiger Herr heiraten, werden gnädiger Herr jemand umbringen.«
Kaum daß er das gesagt hatte, warf er jedoch den Pelz, den er immer noch in Händen hielt, über den nächsten Stuhl und zog sich eilends nach der Thür zurück. Der Baron hatte den schweren gepolsterten Sessel mit beiden Händen an der Lehne gepackt und mit einer Kraft, wie sie nur der Paroxismus verleiht, emporgeschwungen. Es sah aus, als wollte er den Alten im nächsten Moment zu Boden schmettern. Mit einer hurtigen Bewegung riß dieser die Thür auf und verschwand.
Eine halbe Stunde später, während er lautlos horchend in seinem Zimmer gesessen hatte, vernahm er, wie der Baron aus seinen Gemächern trat und mit schweren Schritten die Wohnung verließ. Er eilte an eines der nach der Straße gehenden Fenster und blickte ihm nach. Richtig – die gewohnte Richtung, er ging zu seiner Braut. Also doch!
Der Alte kehrte in sein Zimmer zurück, warf die Mappe auf den Tisch und gleich darauf saß er wieder vor seinen Briefbogen. Heute knirschte das Papier unter seiner kratzenden Feder; seine Augen brannten, und die Muskeln seines Gesichts spannten sich zu einem Ausdruck grimmiger Verbissenheit, indem er schrieb.
Am Abende des Tages erhielt Anna von Glassner folgenden Brief:
»Zum letztenmal werden Sie gewarnt! Sie ruinieren ihn und gehen in Ihr Verderben! Heute war der unglückselige Mensch dicht daran, daß er seinen Wärter und treuesten Begleiter totgeschlagen hätte.
Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!!!
Der Pflichterfüller.«
Scheinbar beruhigt war der Baron von Anna hinweggegangen, in seinem Innern aber saß die Erinnerung an das, was er mit dem alten Johann erlebt hatte. Und diese Erinnerung war wie ein gärender Keim in seinem Blute, sie ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.
Es erging ihm, wie es dem Menschen geht, wenn er sich mit einem andern gestritten hat. Im Augenblick, da uns der Gegner seine Behauptung ins Gesicht wirft und wir sie ihm leidenschaftlich zürückschleudern, sind wir darüber hinweg – nachher, wenn die Leidenschaft verraucht ist, kommt das Wort uns wieder, leise, schleichend und in seiner Geräuschlosigkeit eindringlicher als vorher, und nun kommt das Grübeln, ob das Wort nicht vielleicht doch recht gehabt haben könnte.
»Ich weiß, wie es mit gnädigem Herrn steht« – immer wieder war es da, das Wort, immerfort und immerfort, wie der Wassertropfen, der unablässig auf den Kopf des Gefolterten fällt. Und indem es in seinem Ohre nachklang, war ihm, als käme das Ungetüm wieder herangeschwommen, von dem er Anna erzählt hatte, als höbe es die gräßlichen grünen Augen wieder auf, und das, was aus diesen Augen sprach, war ja nichts andres als das: »Ich weiß, wie es mit dir steht.«
Und, war es denn etwa so ganz unberechtigt? War nicht in ihm selbst etwas gewesen, das ihn mit Schauder erfüllte, wenn er daran zurückdachte? Immer wieder hörte er eine fürchterliche Stimme, die das Zimmer durchtönte, und das war seine Stimme; der Mensch, der so gebrüllt hatte, war er selbst gewesen. Immer wieder empfand er den Krampf, der plötzlich in seinem Rückenmark losgebrochen war, seine Glieder durchschüttelt, seinen Arm erhoben und seine Fäuste geballt hatte. Es ließ ihn gar nicht los; immer und immer wieder mußte er sich bis ins einzelne vergegenwärtigen, wie das gekommen, wie ihm dabei zu Mute gewesen war. Wie wenn etwas von außen über ihn herfiele, so war es gewesen, wie wenn ihn etwas anspränge, sich seiner bemächtigte, eine fremde, furchtbare Gewalt, beinahe wie ein wildes Tier, das jählings in ihn eingedrungen war und aus ihm hervortobte. Dazu diese plötzliche, unbegreifliche Kraft, die er in den Armen gefühlt hatte. Wenn er jetzt den schweren gepolsterten Sessel anschaute, begriff er gar nicht, wie es ihm möglich gewesen war, ihn wie eine Keule emporzuschwingen. Und in dem Augenblick war es doch so gewesen, und in dem Augenblick war ihm das mächtige Ding so federleicht erschienen. Unwillkürlich schloß er die Augen. Hatte er nicht gehört und gelesen, daß Menschen in der Tollwut eiserne Stangen zerbrechen? Was war das gewesen, was ihm die Muskeln so schrecklich gestählt hatte? Brütend saß er in seinem Zimmer und wagte sich nicht Antwort auf das zu geben, was in ihm fragte.
So also stand es mit ihm? Und wie viel hatte gefehlt, so hatte er seinen alten Johann niedergeschlagen und totgeschlagen. – Freilich, der Alte hatte ihn gereizt; aber wußte er denn nicht, wie er an ihm hing, treu wie ein Hund? Und er hatte ihn beinahe umgebracht!
Und wie hatte der Alte von Anna gesagt? »Wenn ein Fräulein kommt und den gnädigen Herrn heiraten will, weil sie reich werden möchte – «
Hier aber sprang er auf. Das war falsch und gelogen, das wußte er, so weit war er noch vernünftig. Das waren die Gedanken, wie sie in einer Knechtsseele sich zusammenkleistern! Er wußte ja doch, daß er zu ihr gekommen war, nicht sie zu ihm. Mit den Armen griff er in die Luft. Daß sie nur da gewesen wäre in diesem Augenblick, daß er sie an sich hätte pressen können! Denn mächtiger und bestimmter als je zuvor empfand er in diesem Augenblick, daß es nur ein Ziel und eine Rettung für ihn gab, und das war sie, an die er dachte, nach der er verlangte, Anna, Anna, Anna!
Wie eine Todesangst erfaßte ihn der Gedanke, daß sie ihm doch noch entgehen könnte, und mit krampfhafter Ungeduld sah er dem Tage entgegen, da sie Hochzeit machen würden, da sie ihm ganz gehören, immer und allerorts bei ihm und mit ihm sein würde.
Das nächste, was er darum zu thun beschloß, war, daß er seine Braut zu seinem Schlosse hinausführte. Sie sollte den Ort kennen lernen, wo sie mit ihm zusammen sein würde, die künftige Heimat. Man befand sich zu Anfang April; der Winter war überstanden, aber noch nicht überwunden, er kämpfte noch mit dem nahenden Frühling. Trotzdem wollte der Baron nicht länger warten. Es mußte etwas geschehen, wodurch Anna körperlich mit dem neuen Dasein verknüpft würde, und sie selbst hatte Lust dazu. Auch in ihr war ein Bedürfnis, die Umgebung des künftigen Lebens kennen zu lernen; daneben regte sich die Neugier, das schlesische Paradies endlich einmal mit Augen zu sehen.
So wurde der Besuch denn für einen der nächsten Tage beschlossen.
Mit seinem alten Diener hatte der Baron seit jenem verhängnisvollen Vormittage kein Wort mehr gesprochen; schweigend waren sie umeinander hergegangen; es war wie ein Waffenstillstand zwischen ihnen.
Als er damals seine Wohnung verließ, um zu Anna zu gehen, hatte Eberhard von Fahrenwald ernsthaft erwogen, ob er den Alten nicht fortschicken sollte. Es war das erste Mal, daß ihm der Gedanke kam.
Er hatte ihn von seinem Vater ererbt und es bisher wie eine Art von Naturnotwendigkeit empfunden, ihn fortwährend um sich zu haben. An dem Tage zum erstenmal erhob sich eine Stimme in ihm, die ihm zurief: »Schick' ihn fort!« Er würde ihm natürlich eine für seine alten Tage ausreichende, ja eine glänzende Pension zahlen, aber er wollte ihn los sein.
Als er dann aber zu Anna gekommen war, und diese für den Alten gebeten hatte, war sein Entschluß wieder schwankend geworden. Er war sich nun wieder bewußt geworden, daß er gegen den ausdrücklichen letzten Willen seines Vaters handeln würde, wenn er so thäte, und er sagte sich, daß er es doch gewesen war, der durch seine Heftigkeit den widerwärtigen Auftritt verschuldet hatte. Kampf mit sich selbst, das war ja nun einmal die Aufgabe, die ihm vom Schicksal auferlegt worden war, und dazu gehörte, daß er auch den Widerwillen, den unheimlichen, niederkämpfte, der sich in ihm gegen den Alten zu regen begann.
Also schwieg er; der alte Johann schwieg auch, und äußerlich schien es, als wäre alles, wie es früher und immer gewesen war.
Jetzt, am Tage, bevor er mit Anna hinauszufahren beschlossen hatte, befahl der Baron dem Alten, vorauszufahren und das Schloß einigermaßen zum Empfange vorzubereiten. Die Zimmer sollten gelüftet, in den Oefen und Kaminen sollten Feuer angezündet werden. In den Wegen des Parks, die vom Tauwetter jedenfalls aufgeweicht sein würden, hieß er ihn Sand aufschütten und an besonders morastigen Stellen Bretter legen. Endlich sollte für ein Frühstück gesorgt werden.
Alle diese Weisungen erteilte der Baron in kurzem, bestimmtem Tone; der alte Johann nahm sie mit schweigender Unterwürfigkeit entgegen; er war in diesem Augenblick nichts weiter, als der demütige, gehorsame Knecht.
Ein grauer, nasser Himmel lag über der Erde, als der Baron am nächsten Morgen mit seinem Wagen bei Anna von Glassner vorfuhr, um sie zum Bahnhofe abzuholen.
Als er bei ihr eintrat, stand sie schon reisefertig in ihrem grauen Reisemantel da. Lächelnd wickelte er einen Gegenstand, den er in Händen trug, aus dem umhüllenden Papier; es war ein Paar nagelneuer, mit Pelz gefütterter Gummischuhe. »Das ist kein Schmuck,« sagte er, »das darfst du annehmen, und im Park draußen wird es feucht sein.«
Sie sah ihm dankbar ins Gesicht.
»Auch an so etwas denkst du?«
Sie setzte sich, um die Gummischuhe anzulegen, und dabei konnte sie nicht verhindern, daß er sich auf ein Knie vor ihr niederließ, um ihr beim Anziehen behilflich zu sein.
Zärtlich drückte er ihre kleinen Füße.
»Aber Eberhard!« mahnte sie.
Er sprang auf, schloß sie in seine Arme und küßte sie auf den Mund.
»Komm,« sagte er, »heute fährst du als Anna von Glassner hinaus; das nächste Mal als Anna von Fahrenwald.«
Nach einer Eisenbahnfahrt von etwa einer Stunde kamen sie an der kleinen Station an, von der man zum Gute des Barons gelangte. Als der Zug einlief, stand bereits ein grauhaariger Mann mit abgezogenem Hute und gebeugtem Rücken auf dem Bahnsteige; es war der alte Johann.
»Sieh, wie pünktlich und aufmerksam er ist,« flüsterte Anna, mit dem Kopfe nach dem Alten deutend, dem Bräutigam zu. Dieser erwiderte nichts, und als Johann hinzutrat, um dem Fräulein beim Aussteigen behilflich zu sein, verhinderte er, daß er sie berührte.
»Ist der Wagen da?« fragte er kurz.
Der Wagen war da.
Indem sie dahin gingen, drückte sie mit leisem Vorwurfe den Arm des Bräutigams; er war so freundlich und gut, nur dem alten Diener gegenüber erschien er ihr so barsch.
Der Wagen war zugedeckt, weil es vorher geregnet hatte; jetzt aber hatte der Regen aufgehört. »Möchtest du ihn lieber offen haben?« fragte der Baron.
»O ja,« bat sie. Es war ja eine neue Welt, in die sie kam, und die will man doch gern ordentlich sehen können. Also wurde das Verdeck zurückgeschlagen; im Wagen befanden sich Fußsäcke und Decken; zwei prächtige Rappen stampften an der Deichsel. Der Ueberfluß kam ihr entgegen und breitete beide Arme aus.
Nachdem er sie in eine Wagenecke gepackt und sorgfältig in die Decken gewickelt hatte, setzte er sich neben sie; die Pferde zogen an und der Wagen rollte auf die Landstraße hinaus. Wege und Stege trieften von Nässe, in den Feldern rechts und links standen breite Wasserlachen, so daß sie wie Sümpfe aussahen; am Himmel, der kalt und grau wie Stahl war, taumelten die Wolken, vom Aprilwinde gejagt, in dicken schwärzlichen Ballen dahin. Alles in allem war es kein freundlicher Empfang, den die neue Welt dem jungen Mädchen bereitete.
Der Baron sah sie von der Seite an und sah, wie ihr Stumpfnäschen keck und vergnügt aus Hüllen und Decken in die graue Luft ragte.
»Ist dir kalt?« fragte er.
»Nicht im geringsten!« erwiderte sie.
»Aber schön ist es nicht?«
»Himmlisch,« gab sie zur Antwort. »Was denkst du denn? So eine Stadtpflanze, wie ich; das ist ja die reine Wonne, so über Land zu fahren!«
Er war ganz glücklich und legte den Arm um sie; durch die Decken und Tücher, mit denen er sie umwickelt hatte, war sie aber ganz unförmlich geworden, so daß sein Arm nicht um sie herumreichte. Sie kicherte vor Vergnügen.
»Siehst du,« sagte sie, »wenn du mich so weiter verwöhnst, werde ich noch so dick werden, daß du mich gar nicht mehr umarmen kannst – es fängt schon an damit.«
Er hörte ihrem Geplauder zu. Wie ihn das beglückte, daß sie so zufrieden war! Wie wenig sie brauchte, um zufrieden zu sein!
Der Wagen war inzwischen von der Landstraße abgebogen und quer durchs Land gefahren. Jetzt tauchten in einiger Entfernung die kahlen Baumkronen eines weit ausgedehnten Parkes vor ihnen auf.
Plötzlich kam Annas Hand unter den Decken hervorgekrochen und erfaßte die Hand des Barons.
»Eberhard,« fragte sie leise, indem sie sich zu ihm hinüberbog, »ist es das?«
Er sah ihr ins Gesicht.
»Das ist es,« erwiderte er.
Sie verstummte; ihre Augen wurden groß und ernst.
»Gefällt es dir?« fragte er nach einiger Zeit.
»Es scheint ganz wundervoll,« gab sie flüsternd zurück. Dann zeigte sie mit dem Finger nach vorn.
»Und das da – das ist das Schloß?«
Ueber den Wipfeln des Parks stiegen die Mauern eines großen Gebäudes finster empor.
»Das ist das Schloß,« versetzte er.
Dann ergriff er ihre Hand, die langsam niedergesunken war. »Gefällt dir das auch?«
Sie nickte gedankenvoll mit dem Haupte. Nachdem sie dann ein Weilchen geschwiegen, schmiegte sie sich an ihn.
»Eberhard,« bat sie leise, »könnten wir nicht am Park aussteigen und durch den Park zum Schlosse geh'n?« »Wäre dir das lieber?« fragte er.
Sie nickte wieder; sie hätte kaum sagen können, warum, aber es war ihr wirklich lieber. Vielleicht, daß ihr das große düstere Gebäude unwillkürlich einen Schreck einflößte.
Der Park öffnete sich in das umgebende Gelände; weder Mauer noch Zaun schloß ihn ab.
Als jetzt der Wagen die Stelle erreicht hatte, wo die Parkwege sich mit der Fahrstraße kreuzten, befahl der Baron, anzuhalten.
»Also komm,« sagte er zu Anna, »wir wollen aussteigen und zu Fuße gehen.«
Rasch entledigte sie sich ihrer Umhüllungen, und auf seine Hand gestützt, sprang sie hinab.
Während der Wagen zum Schlosse weiterfuhr, schritten die beiden, Arm in Arm, in den Park hinein.
Ihr Weg führte sie eine Allee entlang, die von hochstämmigen, uralten Buchen gebildet wurde. In den blätterlosen Wipfeln brauste der Wind, der immer stärker angeschwollen und jetzt beinahe zum Sturm geworden war. Die Bäume neigten und beugten sich, die kahlen Aeste schlugen klatschend aneinander, ein Chor von tausend seltsamen Lauten, ein Krachen, Pfeifen und Heulen erfüllte die Luft.
Unwillkürlich schloß Anna sich dichter an ihren Begleiter. Zum erstenmal setzte sie den Fuß auf Fahrenwaldschen Grund und Boden, und es war, als wenn die Geister und Dämonen, welche dieses Gebiet bewohnten, sie begrüßten.
Der Baron fühlte ihre ängstliche Bewegung; er sagte sich, daß er sie nun da hatte, wo er sie haben wollte, haben mußte, aber es war wie ein Gefühl des Unrechts in ihm. Er kam sich vor, wie ein Jäger, der in einem fremden Erdteile ein Wild gefangen und es in seine Heimat geschleppt hat. Wird das fremde Geschöpf sich an die Luft der neuen Umgebung gewöhnen?
In Gedanken verloren, waren sie schweigend fürbaß geschritten. Dann fing Anna an.
»Siehst du,« sagte sie, »nun begreif' ich, warum sie deinen Park das schlesische Paradies nennen; das find' ich so schön, daß der Garten so offen ist; da können die armen, müden Leute, wenn sie von den Feldern draußen kommen, hereintreten und sich unter den schönen schattigen Bäumen erholen.«
»Gefällt es dir?« fragte er zurück, »das freut mich. Früher, verstehst du, war ein Gitter rings um den Park herum; ich habe es wegnehmen lassen.«
»Das hast du gethan?«
»Ja,« sagte er einfach.
Sie ruckte an seinem Arm; beide blieben stehen.
»Eberhard,« sagte sie leise, indem sie ihm in die Augen sah, »weißt du, was ich glaube? Daß du der beste, gütigste Mensch bist, den es auf Erden gibt.«
Er wandte das Haupt zur Seite, als wolle er ihrem Blicke ausweichen. Es gibt Menschen, die es nicht vertragen, daß man sich mit ihnen beschäftigt; vielleicht auch, daß er an den Vormittag zurückdachte, da er nahe daran gewesen war, den alten Johann zu erschlagen, und daß ihr Lob ihm darum ungerechtfertigt erschien – er erwiderte nichts und drückte nur hastig ihre Hände. Dann schlang er ihren Arm wieder in den seinen und setzte den Weg mit ihr fort.
Von der Allee bogen sie in einen Seitenweg ab, und indem sich nun der Park tief wie ein Wald vor ihr aufthat, sah und empfand Anna erst, wie schön und herrlich er war.
»O Eberhard,« fuhr sie bewundernd heraus, »wie muß das alles herrlich sein, wenn es erst Frühling wird und alles in Laub und Blättern steht!«
Nun warf er den Arm um sie her; sie fühlte seinen leidenschaftlichen Druck.
»Meinst du, daß es schön sein wird? Glaubst du, daß es dir gefallen wird? daß du glücklich sein wirst? Glaubst du's?«
»Ja doch, ja gewiß,« erwiderte sie, indem sie sich bemühte, ihn den Schreck nicht fühlen zu lassen, den seine plötzliche Leidenschaftlichkeit ihr eingejagt hatte.
»Dann will ich dir etwas sagen,« fuhr er fort, indem er sie eng an sich preßte, »sprich nie von mir! Hörst du? Sag nie, daß ich gut bin! Von mir, siehst du, muß nie die Rede sein; das ist mir gerade recht, ist mir das allerliebste! Nur du bist da, und du sollst glücklich und zufrieden sein. Siehst du, ich will mal ein Bild brauchen, damit du's verstehst: du bist für mich wie die Sonne, und ich bin wie die Erde. Und wenn die Sonne scheint, siehst du, dann ist die Erde glücklich, daß sie sich um die Sonne drehen kann. Und mehr will ich nicht und brauch' ich nicht. Und darum gibt's für die Sonne nur eine Verpflichtung: nämlich, daß sie da ist und leuchtet, weiter gar nichts. Und nun sag' mir, wirst du daran denken? Und da sein für mich und leuchten? Wirst du's? Versprichst du's?«
Was blieb ihr anders übrig, als es zu versprechen? Aber wahrend sie es that, fühlte sie beklommenen Herzens, daß es nicht immer leicht sein mochte, nichts weiter als »Sonne« zu sein und immerdar zu leuchten. Indem sie dem Schlosse näher kamen, lichtete sich der Park, das Baumdickicht blieb hinter ihnen und der Weg führte an Rasenflächen und Blumenbeeten vorüber.
Anna riß sich vom Arme des Bräutigams los und schlug in die Hände.
»O herrlich!« rief sie, »hier beginnt mein Reich!«
Sie lief einige Schritte voraus und achtete nicht darauf, daß ihre Füße in dem aufgeweichten Boden beinahe bis an die Knöchel einsanken. Zwischen den kahlen Blumenbeeten ging sie auf und ab.
»O Eberhard,« rief sie, »Eberhard, wie sieht das hier aus! Da bekomme ich Arbeit! Da bekomme ich Arbeit!«
Der Baron war hinter ihr stehen geblieben.
»Geh nicht zu weit,« warnte er scherzend, »du ertrinkst mir am Ende noch, bevor du an deine Arbeit kommst.«
Jauchzend flog sie zu ihm zurück. Blumen gab es also auch hier in dem verwunschenen Hause, und da wo Blumen sind, ist ja auch Licht! Im Augenblick aber, da sie ihm in die Arme fallen wollte, blieb sie jählings stehen. Jetzt erst bemerkte sie, was sie vorhin nicht gesehen hatte, daß sie unmittelbar vor dem Schloß standen.
Auf einem Unterbau von mächtigen Granitquadern, der nur von wenigen, engen, vergitterten Fenstern durchbrochen war, erhoben sich zwei Stockwerke, deren jedes zwölf Fenster zeigte. Himmelhoch sah es von hier unten aus, die Mauern ganz grau, beinahe schwärzlich, wie angeblakt vom schweren Atem der Jahrhunderte; wie ein Gebirge lag es da, und obschon keine Sonne am Himmel stand, war es, als wenn es einen schweren Schatten über die Menschen würfe, die schweigend zu ihm aufblickten. »Du mußt nicht erschrecken,« sagte der Baron, als er in Annas Zügen den Eindruck wahrnahm, den die düstere Behausung in ihr hervorrief, »es ist ein altes Komtureigebäude, daher ist es so alt und sieht so finster aus.«
»Aber weißt du,« erwiderte sie, indem sie sich in seinen dargebotenen Arm hing, »wenn du es mit frischer Farbe anstreichen ließest, würde es gewiß viel freundlicher aussehen.«
Er nickte zufrieden.
»Siehst du,« sagte er, »das ist gleich ein vortrefflicher Gedanke. Ich merke schon, es kommt mit dir ein neuer Geist ins alte Haus.«
Er führte sie darauf durch eine Halle, die vom Garten nach dem Hofe hindurchging, und als Anna, mit offenem Munde, stehen bleiben und den großen, seltsam ausgeschmückten Raum bewundern wollte, zog er sie weiter.
»Komm,« mahnte er, »es ist kalt hier drin.«
In dem schwachen Lichte, das durch enge Fenster hereinfiel, hatte sie nur soviel sehen können, daß die Wände von oben bis unten mit Jagdtrophäen und Jagdgeräten behangen waren. Hirschgeweihe, Wildschweinsköpfe und Köpfe von Elentieren, mit lang herabhängenden Schnauzen, ragten aus den Mauern hervor; das Jagdgerät und die Waffen schienen uralt zu sein; ein riesiger Kamin, in dem kein Feuer brannte, befand sich in der einen Wand.
Sie traten auf den Hof hinaus, den auf der einen Seite das Schloß, auf der andern ein Wirtschaftsgebäude umgab, und hier öffnete sich das Thor, das zu den oberen Räumen führte.
Durch einen Vorflur, dessen Boden mit Steinfliesen belegt war, und wo rechts und links zwei alte große Bilder an den Wänden hingen, Pferde in Lebensgröße darstellend, die von Stallknechten in der Kleidung des siebzehnten Jahrhunderts geführt wurden, gelangte man an die Treppe.
Es war eine Stiege von altem dunklen Eichenholz; mit so flachen Stufen, daß man das Steigen kaum gewahr wurde. Schwere Geländer liefen zu beiden Seiten hinauf.
Anna wußte kaum, wie ihr zu Mute war, als sie in diese wuchtige, von Jahrhunderten gesammelte und aufgespeicherte Pracht hineinschritt; die Erinnerung an den Abend kam ihr zurück, als sie zum erstenmal in seinem Wagen nach Hause gefahren war.
Der Mann an ihrer Seite aber preßte ihren Arm und ließ ihr keine Zeit zum Besinnen.
»Hast du gehört,« fragte er, indem er sie die Stufen hinaufzog, »wie die alte Treppe geknackt hat? Das ist eine gute Vorbedeutung; sie hat die neue Herrin erkannt und sie begrüßt.«
Stumm drückte sie ihm die Hand. Sie hatte so gerne etwas Fröhliches erwidert, aber das fremdartige Neue, das sie umgab, lastete auf ihrer Brust.
Es war ein altertümlich gebautes und verbautes Haus mit lichtlosen Räumen. Die Treppe mündete in einen Flur, der keine Fenster hatte, sondern nur durch eine hoch oben im Dache angebrachte Glasscheibe so viel Helligkeit empfing, daß man die Gegenstände ringsumher erkennen konnte. Eine schmalere Treppe leitete vom ersten zum zweiten Stockwerke hinauf: der Haupttreppe gegenüber öffnete sich ein Gang, an dessen rechter, nach dem Hofe gelegener Seite sich eine Reihe kleiner, winklig ineinander geschobener Gemächer befand; die eigentlichen Wohn- und Staatszimmer lagen vom Eintretenden links, durch eine Glasthür vom Flure getrennt.
Als der Baron mit Anna die Treppe bis zum ersten Stock hinaufgestiegen war, öffnete sich die Glasthür und es erschien eine Gestalt, die Anna, in dem Dämmer, der sie umgab, kaum zu erkennen vermochte. Es war der alte Johann, der lautlos daran ging, seinem Herrn und dessen Begleiterin die Mantel abzunehmen.
Hinter der Glasthür war noch ein Vorraum, und hier herrschte eine so völlige Dunkelheit, daß Anna nur tappend weiter zu schreiten vermochte. Plötzlich aber brach Licht herein. Der Baron hatte eine Thür geöffnet, die Anna nicht gesehen hatte; an der Hand zog er sie über die Schwelle, und mit einem unwillkürlichen »Ah« – des Staunens und der Bewunderung stand sie mitten im Zimmer.
Der Raum, der sie umgab, war ein großer, viereckiger Saal, dessen Decke in gotischen Spitzbogen gewölbt war und dessen Wände von großen, vom Fußboden bis an die Decke reichenden Bücherschränken eingenommen wurden. Die Schränke waren durch dicke, rotbraune Holzsäulen voneinander getrennt, die kunstvoll, in Gestalt von Palmbaumstämmen ausgeschnitzt waren. In den Schränken drängte sich eine Masse von Büchern; vom Knaufe der Decke, in dem die Spitzbogen des Gewölbes zusammenliefen, hing ein schwerer, altertümlicher Kronleuchter herab und unter dem Kronleuchter, inmitten des Raumes, stand ein Frühstückstisch für zwei Menschen zugerichtet.
Der Baron trat an den Tisch.
»Du mußt hungrig geworden sein,« sagte er, »wollen wir gleich frühstücken?« Anna aber stand in Staunen befangen und erstarrt.
»Nachher,« erwiderte sie auf die Einladung des Barons, »erst muß ich mir das alles ansehen. Das ist ja zu merkwürdig!«
Sie ging von Schrank zu Schrank, sie befühlte mit den Händen die geschnitzten Säulen und sah erst jetzt, welche Fülle erfinderischer Kunst dahineingelegt war. An den Palmen kletterten, in Holz geschnitzt, Affen, Leoparden und andre fremdartige Tiere auf; in den Wipfeln, die sich unter der Deckenwölbung ausbreiteten, sah man Papageien und andre Vögel sich wiegen.
»Wie wundervoll,« sprach sie staunend vor sich hin, »wie wundervoll.«
Der Baron verfolgte schweigend ihr Umherwandern.
»Das ist Holzschnitzerei aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts,« erklärte er.
Aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts – Anna blieb stehen und sah zu ihm hinüber. Das war ja ein königliches Besitztum – und in dem sollte sie gebieten? Sie, das dürftige Gewächschen des neunzehnten Jahrhunderts?
Sie trat vor den Kamin, in dem ein Feuer von mächtigen Holzscheiten prasselte; dann ging sie an die Fenster und bemerkte, daß sie auf den Park hinausgingen und daß sie sich hier am Ende der Schloßfront befand. Zu ihrer Rechten war die Thür geöffnet, durch die man in die anstoßenden Gemächer blickte. Die Thüren all dieser Zimmer standen offen, so daß sich der Blick in einer schier endlosen Flucht von Räumen verlor, aus denen ein unbestimmtes Leuchten und Glänzen zu ihr drang. Sie ahnte, daß in allen diesen Gemächern eine gleiche Pracht wie in diesem ersten herrschen mochte. Stärker als Hunger und Durst war die Neugier.
»O Eberhard,« sagte sie leise, indem sie die Hände zusammenlegte, »thu mir's zuliebe, zeig mir das alles erst. Frühstücken können wir ja nachher.«
Er war bereit, und an seiner Seite ging sie nun über den spiegelglatten Parkettboden in das nächste Zimmer und von da weiter.
Die Räume waren, wie man das in alten Häusern findet, launenhaft unsymmetrisch gebaut; bald in Form von langen, schmalen Gängen, bald zu tiefen Gelassen ausgeweitet.
Allen gemeinsam aber war die reiche Pracht der Ausstattung. Ein altertümlicher schwerer Prunk herrschte in dem Mobiliar. Tiefrückige Sofas, mit vergoldeten, in Löwenköpfen auslaufenden Armlehnen; Lehnstühle von schwarzem Ebenholz; dazwischen, einer jüngeren Epoche entstammend, kleine Stühle von zartem, vergoldetem Holz und Rohrgeflecht. Dunkelroter Sammet in dem einen, dunkelblauer Sammet in dem nächsten Zimmer, dann wieder Polster von goldgepreßtem Seidenstoff. An den Wänden große Spiegel in massiv goldenen oder silbernen Rahmen und eine Fülle von Bildern. Unter diesen, die sämtlich von älteren Meistern herrührten, vielfach hervorragende Werke; wie denn überhaupt die ganze Ausschmückung der Räume den Eindruck erweckte, daß ein hochentwickelter Kunst- und Schönheitssinn zur geistigen Erbschaft der Fahrenwalds gehörte.
Am liebsten wäre Anna vor jedem einzelnen Bilde stehen geblieben; aber dann hätte sie bis zum Abend stehen können, und heut abend wollten sie doch wieder in Breslau zurück sein. Darum ließ sie sich von ihrem Begleiter weiterführen, und nur in einem der Gemächer machte sie unwillkürlich vor den Gemälden Halt.
Es war dies ein gangartiger Raum, ungefähr wie eine Galerie. Auf der Tapete von dickem purpurrot gefärbten Leder hing eine Reihe von Porträts, Männer und Frauen darstellend, offenbar die hauptsächlichen Vertreter des Geschlechts.
Aus dem sechzehnten Jahrhundert kamen sie hervor und gingen bis in die Neuzeit, eine gemalte Chronik der wandelnden Tracht und Kultur.
Die Augen des jungen Weibes hafteten an den Kleidungen, daneben aber beschäftigte es sie, den stark hervortretenden Zug von Familienähnlichkeit wahrzunehmen, der die Gesichter innerlich verband. Lauter edle, fein ausgearbeitete Physiognomieen, mit bleichen Zügen und dunklen, schwermütigen Augen, eine Reihe von Menschen, von denen der vorhergehende immer dem nachfolgenden die schwere Bürde des Lebens auf die Schultern zu legen schien, froh, daß er sie nicht länger zu schleppen brauchte.
Annas Blicke gingen zu Eberhard hinüber, dem letzten Fahrenwald, der mit offenbarer Ungeduld an der Thür zum nächsten Zimmer ihrer wartete, und sie stellte fest, daß sein Aeußeres ihn als echten Nachkommen seiner Vorfahren verkündete.
Als sie seine Ungeduld bemerkte, riß sie sich los, um ihm zu folgen, an der Thür zum Nebenzimmer aber hing ein Bild, das ihre Schritte wider ihren Willen bannte.
Ein alter, weißhaariger Mann, in langem schwarzen Rock, über den am Halse ein breiter, spanischer Spitzenkragen fiel, saß an einem Tische, auf dem sich Phiolen, Retorten und all die Geräte befanden, wie sie vor Zeiten die Alchimisten gebraucht hatten.
Das aber, was den Beschauer an das Bild fesselte, waren die Augen des alten Mannes; diese Augen waren schrecklich. Stier und starr, mit einer Wut im Ausdruck, die lebendig geblieben zu sein schien, nachdem der Körper des Mannes längst im Grabe zerfallen war, bohrten sie aus der Leinwand hervor.
Während Anna sprachlos vor dem Gemälde stand, trat der Baron zu ihr heran und faßte sie, beinah heftig, am Arm.
»Komm fort,« sagte er. Der Ton seiner Stimme war rauh, wie nie zuvor.
Von dem unheimlichen Anblick gefesselt, stand sie noch immer. Jetzt wandte er sich nach der Thür, durch welche sie in die Galerie eingetreten waren.
»Hatte ich dir nicht befohlen, das Bild fortzunehmen?«
Sie drehte den Kopf – zu wem sprach er?
In der Thür stand der alte Johann, der, wie es schien, lautlos hinter ihnen drein gekommen war.
Sie sah, wie er langsam den Kopf vorstreckte und die Augen auf den Baron richtete.
»Gnädiger Herr,« sagte er, »haben nichts davon befohlen.«
In dem Augenblick fühlte Anna, deren Arm in dem des Barons lag, wie ein Zucken durch dessen Körper ging. Seine Gestalt reckte sich in allen Gelenken, so daß er Anna um mehr als Kopfeslänge überragte.
»Wenn ich's also wirklich noch nicht befohlen haben sollte,« fuhr er fort, indem er über sie hinweg sprach, »so befehl' ich es jetzt. Das Bild kommt fort von der Wand! Gleich auf der Stelle! Jetzt!«
Nun kam der alte Diener, immer den Kopf vorgestreckt, und immer die Augen auf seinen Herrn gerichtet, zwei Schritte näher.
»Das soll fort? Das Bild von dem alten Herrn?«
»Ja – hast du mich nicht verstanden?« erwiderte der Baron, und seine Stimme rollte dumpf empor.
»Wohin – soll ich's denn bringen?«
Der Baron überlegte einen Augenblick.
»Oben hinauf,« befahl er dann, »in die grüne Kammer.«
In den Augen des alten Dieners zuckte ein grelles Licht auf; es sah aus, als traute er seinen Ohren nicht.
»Das Bild – « fragte er, beinah drohenden Tons, »von hier fort? in die grüne Kammer?«
Und jetzt geschah etwas, das Anna mit eisigem Schreck überlief; von dem Mann an ihrer Seite, von dessen Mund sie bisher nur Töne sanftester Güte vernommen hatte, kam plötzlich ein unbeschreibbarer Laut.
»Wenn dir das also nicht paßt,« schrie er, »dann also anders: auf den Boden mit dem Bild!«
Der alte Johann erwiderte nichts, rührte sich aber auch nicht vom Fleck, nur sein Mund that sich halb auf, daß man die langen Zähne darin sah.
In der Brust des Barons stieg etwas herauf, gurgelnd und rauschend, wie eine steigende Flut.
»Auf den Boden damit, hast du mich gehört?«
Diesmal schrie er nicht, er brüllte. Anna blickte auf; sein Gesicht war verzerrt. Ein furchtbares Entsetzen überkam sie.
»Eberhard!« kreischte sie auf.
Als er den Schrei vernahm, senkte er den Blick zu ihr. Sie stand leichenblaß, mit schlotternden Gliedern, die Hände wie flehend und zugleich wie abwehrend zu ihm erhoben. In dem Augenblick war es, als knickte sein aufgestraffter Körper in sich zusammen, die lodernde Wut in seinen Augen erlosch, um einem maßlosen Erschrecken zu weichen, und mit einem dumpfen »o mein Gott« schlang er beide Arme um sie, riß sie an seine Brust, und so, indem er sie an sich gepreßt hielt, zog er sie aus der Galerie in das anstoßende Gemach, wo er sie auf das Sofa niedersinken ließ.
Sobald sie Platz genommen, sank er knieend zu ihren Füßen, das Haupt in ihren Schoß gedrückt, die Hände um sie gelegt, als fürchtete er, daß sie aufspringen und entfliehen würde. Daran aber hätte Anna wohl kaum gedacht, sie fühlte sich von dem eben erlebten Schreck ganz kraftlos und gebrochen. Sie mußte die Zähne aufeinanderpressen, damit sie nicht klappernd zusammenschlugen, ihre Glieder zitterten wie im Frost.
Als der Baron das Beben ihres Leibes verspürte, hob er das Gesicht zu ihr auf.
»Aengstige dich nicht,« flehte er, »ängstige dich nicht.«
Aber er sah ihre Augen mit stummem Grauen auf sich gerichtet.
»Es war ja um deinetwillen, daß ich so heftig wurde,« fuhr er fort, »weil ich sah, daß das Bild dich erschreckte.«
Und als sie noch immer nicht im stande war, ein Wort zu erwidern, drückte er das Haupt wieder in ihren Schoß und schüttelte es und faßte sie fester mit den Händen.
»Geh nicht von mir!« stöhnte er, »verlaß mich nicht!«
Bei diesem Worte wurde ihr wieder weich und warm. Schweigend breitete sie die Arme um ihn her, senkte das Gesicht auf sein Haupt und ein Strom von Thränen, der lautlos aus ihren Augen brach, verkündete, daß das Eis geschmolzen war, das sich für einen Moment um ihre Seele gelegt und sie von ihm getrennt hatte.
So saßen sie schweigend bei einander, lange Zeit. Das einzige Geräusch, das man vernahm, war das Knistern des Holzes im Kamin, das in sich zusammenfiel, um sich in Kohle zu verwandeln und danach zu Asche zu werden. Sonst regte sich kein Laut, und es war, als hauchten die alten Möbel, die Bilder an den Wänden die dumpfe Stille aus, die wie eine Last im Zimmer lag. Es war, als thäten sich geräuschlos in Winkeln und Ecken und in der Luft umher Augen auf, dunkle, schwermütig forschende Augen, als blickten sie fragend auf die beiden in sich versunkenen Menschen dort, und als blinzelten sie sich gegenseitig zu, Gedanken tauschend, wie die Abgeschiedenen sie verstehen, die Lebenden aber nicht.
Endlich hatte Anna ihre Fassung wieder erlangt.
»Komm weiter,« sagte sie, indem sie sich vom Sofa erhob.
Er stand auf.
»Nun wirst du wohl nichts mehr sehen wollen?« fragte er.
Sie fühlte, daß sie ihm Mut machen müsse.
»O ja, gewiß,« versetzte sie, »du hast es mir versprochen, und Versprochenes muß man halten.«
Sie hing sich in seinen Arm, sie bemühte sich, einen leichten Ton anzuschlagen und ihm zu zeigen, daß alles überwunden und vergessen sei.
So führte er sie denn weiter, bis daß sie am andern Ende der Zimmerflucht in zwei kleinere, freundlichere Gemächer gelangten.
»Siehst du,« sagte er, stehen bleibend, »dies, hatte ich gedacht, sollte dein Wohnzimmer sein, und dort nebenan solltest du schlafen.«
Anna blickte umher.
»O ja,« meinte sie, »hier könnte es mir gefallen.«
Sie ging ans Fenster.
»Da hab' ich ja gerade meine Blumen vor mir,« sagte sie, indem sie in den Garten hinunterblickte. »Das macht sich alles ganz vortrefflich. Nur, weißt du, was ich möchte? Daß das Zimmer vielleicht eine andere Tapete bekäme.«
Sie trat an die Wand und befühlte den dicken, dunkelbraunen Stoff, mit dem sie bekleidet war.
»Das ist ja alles ganz prachtvoll,« fuhr sie fort, »und die eingepreßten Goldmuster geradezu kostbar, aber siehst du, ich bin nun einmal ein Kind unsrer Zeit und möchte es gern ein bißchen heller haben und freundlicher.«
Der Baron machte ein Gesicht wie ein vergnügtes Kind.
»Aber Anna,« rief er, »das ist ja mein Gedanke gewesen von Anfang an! Alle Zimmer miteinander möchte ich umtapezieren lassen, damit mehr Licht in die alte Finsternis kommt. Und in Breslau habe ich ein Muster gesehen, weißen Untergrund mit goldenen und blauen Blumen, etwas reizend Freundliches, den suchen wir uns, gleich morgen, nicht wahr?«
Sie nickte ihm zu. »Gleich morgen,« sagte sie.
Er ergriff ihre Hände. Es sah aus, als wolle er sich bei ihr bedanken. »Und andre Möbel darf ich dir auch hineinstellen? Nicht wahr? Diese alten, schweren Sessel mit den riesigen Lehnen, diese bauschigen Sofas, das ist doch alles nichts für dich? Nicht wahr? Etwas recht Zartes, Luftiges und Duftiges suchen wir uns aus, das erlaubst du mir? Nicht wahr? Hast du Rosenholz gern?«
Sie sah ihm in die Augen und neigte das Haupt.
»Alles, was dir gefällt, wird auch mir gefallen, und was du mir schenkst, nehme ich gern.«
Ein Freudenschein zuckte über sein Gesicht. Er machte eine Bewegung, um sie zu küssen, bevor er aber dazu gelangte, bog er den Kopf wieder zurück. Der ängstliche Ausdruck, mit dem er sie ansah, verriet, daß er sich nicht getraute. Er dachte an den Auftritt von vorhin.
Anna schob langsam die Hände an seinen Armen hinauf, bis daß sie auf seinen Schultern ruhten. Da stand er vor ihr, der Besitzer all dieser Pracht und Herrlichkeit, der gegenüber sie sich wie eine Bettlerin erschien, da stand er, der starke Mann, in dessen Armen sie wie Glas zersplittert wäre, wenn seine Kraft sich gegen sie gewandt hätte – und bat sie, demütig wie ein Knabe, ihr all seinen Reichtum zu Füßen legen zu dürfen, und wie ein Schuldbewußter wagte er nicht, sie zu küssen. Und worin bestand denn seine Schuld? Ein unaussprechliches Mitleid quoll ihr im Herzen empor, die Thränen drängten sich ihr in die Augen. Aber sie wollte ihn keine Thränen sehen lassen, sie zwang sich zum Lächeln, und so, weil ihr trotz allem Widerstand die Augen dennoch übergingen, hob sie sich auf den Fußspitzen empor, und unter Thränen und Lächeln suchte sie mit ihrem Munde seinen Mund. Aufatmend, wie nach tiefer überstandener Qual, beugte er sich zu ihr herab, und der Kuß, in dem sie sich zusammenfanden, war wie ein gegenseitiges Versprechen, daß sie nun ein neues Leben begründen wollten in dem alten, ausgestorbenen Hause.
Raschen Schrittes kehrten sie darauf zu dem Saale zurück, wo das Frühstück angerichtet stand. Die warmen Speisen waren inzwischen kalt geworden, aber das störte die Laune nicht. Auch war neben den warmen Gerichten kalter Braten in genügender Fülle da, um sich daran satt zu essen. Während der alte Johann die Teller wechselte, schenkte der Baron ihr Wein ein, und sie trank ein tüchtiges Glas. Sie war nun ganz heiter, ganz ihrem Berufe als »Sonne« treu, und der Baron, ihre »Erde«, leuchtete in ihrem Lichte auf.
Das einzige, was sie einigermaßen hätte stören können, war der Anblick des alten Dieners, der schweigend aufwartete und, während sie aßen und tranken, hinter dem Stuhle seines Herrn stand.
Unwillkürlich gingen ihre Blicke von Zeit zu Zeit zu ihm hin, und immer sah sie ihn dann in einer ganz seltsamen Haltung, regungslos, den Kopf wie in brütendem Sinnen zu Boden gesenkt, an seinem Platze stehen.
Offenbar dachte er immer noch darüber nach, wie furchtbar und eigentlich grundlos der Baron ihn vorhin angefahren hatte. Das that ihr so leid um den alten Mann. Sie fühlte das Bedürfnis, ihm irgend eine kleine Freundlichkeit zu erweisen. Zwischen Herrn und Diener war offenbar eine Spannung; es wäre ihr so lieb gewesen, wenn sie das Verhältnis zu einem guten hätte machen können; Menschen, die so einsam leben, wie sie drei nun bald leben würden, müssen sich doch verstehen, dürfen nicht mit feindseligen Gedanken umeinander hergehen.
»Aber wissen Sie, Johann,« fing sie möglichst unbefangenen Tones an, indem sie den Kopf zu ihm erhob, »ich muß Ihnen wirklich mein Kompliment machen, wie das Schloß im Stande gehalten ist. Da ist ja kein Stäubchen und kein Fleckchen, und das Feuer in den Kaminen – « Sie brach im Satze ab.
Der Alte, als er seinen Namen von ihrem Munde hörte, hatte langsam, wie aus einem Traume zurückkommend, den Kopf erhoben und die Augen auf sie gerichtet, und als sie seine Augen sah, konnte sie nicht weiter.
Was für Augen waren das! Stierend, bohrend, als wollten sie sich durch ihre Augen hindurch bis in das Mark ihres Lebens hineinwühlen. Dabei that sich, wie sie es vorhin schon an ihm wahrgenommen hatte, sein Mund halb auf, so daß die langen Zähne sichtbar wurden, der Kopf schob sich nach vorn, und das ganze Gesicht nahm einen Ausdruck an – ja, was war es nur für ein Ausdruck? Anna begriff ihn zuerst gar nicht, dann kam ihr das Bewußtsein: das war ja Haß! Wütender Haß! Sie hing, wie gebannt an diesem Gesicht. – Was hatte sie ihm gethan? War er so erbittert über sie, weil sie ahnungslos die Ursache gewesen war, daß sein Herr so heftig gegen ihn wurde?
Der Baron, der nervös aufgezuckt war, als sie sich an den Alten wandte, hatte ihr plötzliches Verstummen bemerkt. Jetzt sah er ihr totenblasses Gesicht und ihre verstörten Augen. »Ist dir etwas?« fragte er.
Er faßte nach ihrer Hand; ihre Hand war eiskalt.
»Ist dir unwohl?« wiederholte er hastig seine Frage.
Sie schüttelte den Kopf. Von der Stuhllehne, an die sie zurückgesunken war, richtete sie sich gewaltsam auf. Sie drückte seine Hand, als wollte sie ihn beruhigen.
»Nein, nein, nein,« erwiderte sie. Ihre Stimme war gepreßt, ihre Augen gingen zu den Büchern hinüber und von den Büchern in irgend eine Ecke. Es war, als flüchteten sie sich, als wüßten sie nicht mehr, wo sie hinblicken sollten. Aufzuschauen wagte sie nicht, denn da stand ja der Alte; den Baron anzuschauen vermochte sie auch nicht, denn sie spürte, wie die wilde Unruhe in sein Gesicht zurückkehrte. Der seltsame Raum, in dem sie sich befand, die fremdartigen Tiergestalten in den geschnitzten Palmen – es war, als wenn das alles zu einem lautlosen, unheimlichen, gespenstischen Leben erwachte, als wenn es wirklich ein verwunschenes und verzaubertes Haus sei, in das sie sich tollkühn hineingewagt hatte, und aus dem es nun kein Entrinnen mehr gab. Eine betäubende Angst legte sich auf sie, es war ihr zu Mute, als würde ihr eine schwere bleierne Haube über den Kopf gezogen.
Jählings stand sie auf.
»Ach, weißt du,« sagte sie mit taumelnder Stimme, »ich glaube, wir möchten nach Haus fahren – ich glaube, es wird Zeit.«
Mit einem Sprunge war er neben ihr; er hatte gesehen, wie sie wankte; er schlang den Arm um sie; mit lastender Wucht lehnte sie an seiner Schulter.
»Der Wagen soll vorfahren!« herrschte er dem Alten zu Sobald dieser hinaus war, beugte er sich zu ihr.
»Was ist dir?« forschte er voller Besorgnis, »ist dir etwas geschehen? Hat dir jemand etwas gethan?«
Sie suchte mit den Augen umher – der Alte war fort. Ihre Lippen bewegten sich lallend.
»Er – ich weiß nicht, was ich ihm gethan habe – hat mich so schrecklich angesehen.«
»Der Johann?«
Sie drückte das Gesicht an seine Brust.
»Um Gottes willen bleib ruhig,« bat sie. Schon hörte sie, wie die steigende Flut in seiner Brust wieder zu rauschen begann; schon fühlte sie, wie der Griff seiner Hand, mit der er sie umschlungen hielt, wieder eisern wurde.
»Ich schicke ihn fort!« knirschte er.
»Nein,« flehte sie, »nicht um meinetwillen!«
»Ich jage ihn fort!« wiederholte er drohend.
Sie waren, indem er das sagte, auf den Flur hinausgetreten; er hatte so laut gesprochen, daß seine Worte durch den ganzen Treppenraum hallten. Am Fuße der Treppe stand der alte Johann; er hatte hören müssen, was der Baron eben gesagt hatte. Und nun begab sich etwas Unerhörtes.
Indem der Baron mit Anna die Treppe hinabzusteigen begann, knickte der Alte da unten in die Kniee und fiel zu Boden, beide Hände nach oben ausgestreckt. Das Haar hing ihm wirr übers Gesicht, seine Augen waren ganz rot; seine Brust arbeitete und sein Mund war weit offen. Aber er brachte nichts hervor, als ein dumpfes Keuchen; mit plattem Leibe warf er sich auf die Treppe, so daß sein grauer Kopf auf den Stufen lag. »Jesus, Gottes Sohn – « stammelte Anna, indem sie, von Grausen gepackt, den Arm ihres Begleiters umklammerte und ihn zum Stillstehen zwang.
Jetzt fing der Alte mit dumpfer, heulender Stimme an: »Gnädiger Herr wollen mich fortjagen – und ich habe gnädigen Herrn auf den Armen getragen – und ich bin immer mit gnädigem Herrn gewesen – und habe immer nichts andres gedacht, als was gnädigem Herrn gut wäre und gesund – und gnädiger Herr wollen mich fortjagen – «
Annas Hand krallte sich in den Arm ihres Bräutigams, sie wußte kaum mehr, was sie that; sie fühlte, wie die Ohnmacht ihre Augen zu verdunkeln begann.
»Sag ihm, daß du ihn behältst,« raunte sie mit fliegendem Atem; »wenn du mich lieb hast, sag ihm, daß du ihn behältst!«
Der Baron strich mit leiser Hand über ihr glatt gescheiteltes Haar; die Ruhe war ihm zurückgekehrt.
»Steh auf, Johann,« sagte er, »du sollst bleiben, ich jage dich nicht fort.«
Schwerfällig raffte sich der alte Mann auf und trat an den Fuß der Treppe zurück. Er blickte nicht auf, seine Arme hingen herab, mit der rechten Hand wischte er den Treppenstaub von seinem Rock.
»Und hier, bei dem gnädigen Fräulein bedanke dich,« fuhr der Baron fort, indem er mit Anna bei ihm vorüberschritt, »küß ihr die Hand, sie hat für dich gebeten.«
Knechtisch gebeugten Hauptes trat der Alte auf Anna zu, um ihr die Hand zu küssen. Solcher Bezeigungen ungewohnt, wollte Anna es nicht dulden. Der Baron stieß sie heimlich an. »Thu's,« flüsterte er ihr zu, »es muß sein!«
Nun überließ sie ihm ihre Hand, die der Diener, ohne die Augen zu erheben, an den Mund führte.
Indem sie die gebrochene Gestalt vor sich sah, überkam sie ein wahres Jammergefühl. Unwillkürlich drückte sie seine Hand.
»Das alles wird vorübergehen,« sagte sie mit wohlwollendem Trost, »ich weiß ja, wie treu Sie dem Herrn Baron immer gewesen sind, und das sollen Sie auch in Zukunft bleiben, und dann werden wir ganz gewiß gute Freunde werden, ganz gewiß.«
Sie vermochte nicht zu erkennen, welche Wirkung ihre Worte auf den Alten hervorbrachten; ohne aufzublicken, zog er sich zurück, und gebeugten Hauptes blieb er stehen, bis Anna mit ihrem Begleiter auf den Hof hinausgetreten war. Sie stiegen ein; der Wagen rollte ab, und als das Schloß hinter ihnen lag, fühlte Anna es wie eine Erleichterung. Aus dem Bereiche der Gespenster und Dämonen kehrte sie zu den Menschen zurück.
Von den Aufregungen erschöpft, die sie durchlebt hatte, lehnte sie blaß und schweigend in der Wagenecke; der Baron saß gleichfalls mit seinen Gedanken beschäftigt; so kamen sie auf der Bahnstation an, und als der Abend einbrach, waren sie wieder in Breslau.