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»Wohin gehen sie?« fragte der Fürst, der nach der lebhaften Erregung des Gespräches, die bei ihm ungewöhnlich war, sich gleichsam wieder in sich zusammengezogen und, in den Sessel zurückgelehnt, den Lebensprozeß auf halbe Ration gesetzt hatte. Mit seinem Taschentuch trocknete er sich die erhitzte Stirn.
»Zum Pavillon, scheint mir,« antwortete Onegin. »Dort wird Ihre Mutter wahrscheinlich das Neueste aus dem Geisterreiche berichten: und dann wird sie einschlafen.«
Fürst Alexander seufzte und sah auf. »Ich wollte, ich schliefe auch,« sagte er.
»Nun,« sagte Onegin und lächelte obenhin, »das wird bald geschehn, denn Sie haben nicht ausgeschlafen –«
Der Fürst unterbrach ihn, indem er mit dem Tuche in der Hand eine verneinende Bewegung machte: »Ich meine einen anderen Schlaf, den längeren. – Ich mag nicht mehr. Ich habe diese Misere satt. Ich will nicht mehr, Onegin.«
»Vielleicht tranken Sie heute nacht etwas zu viel,« sagte Onegin gelassen.
»Sie verstehen mich falsch. Von gemeinem oder höherem ›Katzenjammer‹ ist hier nicht die Rede. Aber ich überlege mir schon eine Weile – schon seit Wochen, mein' ich – warum ich mit dieser Schopenhauerschen ›Verneinung des Willens zum Leben‹ – nicht Ernst mache, ich für meine Person. Was führ' ich für eine Existenz? Das ist ja unwürdig, das widert mich endlich an. Was hab' ich? Was bin ich? Um diese Misere des Lebens weiterleben zu können, muß ich wie ein Knabe bei meiner Mutter um Geld betteln: und die bei der Raffaela ... Raffaela gibt es, ja, sie gibt es ohne eine Miene zu verziehen, und mit vollen Händen, großmütig wie sie ist – aber meine Frau zu werden, kann sie sich nicht entschließen. Sie sehen es ja – all Ihren Versicherungen vom Gegenteil zum Trotz – daß sie sich nicht entschließt. Sie ernährt uns so aus Güte und Gnade, um der Verwandtschaft willen, so von oben herab ... Und ich zeichne, pinsele, spiele Klavier, schieße nach der Scheibe, verachte das Leben und lasse mich ernähren« –
»Mich und Sie,« setzte er aus Schonung zögernd hinzu. Er stand auf und begann umherzugehen; sein Gesicht rötete sich, seine Finger gerieten in Unruhe. »Mein lieber Onegin,« fuhr er fort, »das halte ich nicht mehr aus. Ich will Ihnen sagen, was ich heute oder morgen thue: ich schieße mir eine Kugel vor den Kopf.«
Das verschlossene Gesicht Onegins ward einen Augenblick lebendig, er sah sehr verblüfft aus, als wollte er sagen: »Oho, was wird dann aus mir?« Indessen gewann er bald seine kaltblütige Ruhe wieder und fing an, sein kurzes, dünnes Schnurrbärtchen langsam durch die Finger zu ziehen. Fast jeder Mensch hat eine besondere, ihm selber gewöhnlich unbewußte Art, sein angespanntes Nachdenken durch eine körperliche Bewegung zu begleiten, wie man den Gesang durch ein Instrument begleitet; Onegin spielte beruhigend mit seinem Schnurrbart, wenn er eine Schwierigkeit durchdachte. Nach einem kurzen Schweigen sagte er, sich auf seinem Sessel ganz gegen den Fürsten drehend: »Ich will Ihnen etwas Besseres vorschlagen, als sich wirklich zu erschießen. Drohen Sie nur damit und heiraten Sie Fürstin Raffaela.«
»Wie verstehen Sie das?« fragte der Fürst.
Onegin deutete gegen den Pavillon hinaus. »Sie wird wiederkommen. Bleiben Sie hier und werben Sie noch einmal. Sagen Sie ihr selber, daß Sie nicht mehr leben wollen, wenn sie nicht Ihre Frau wird. Ich hab' Ihren neuen Amerikaner vorhin eingesteckt (er zog einen kleinen Revolver von besonders zierlicher Arbeit aus der Tasche), nehmen Sie ihn und setzen Sie ihn sich vor den Augen der Fürstin auf die Brust. Sie ist eine Frau. Ist eine schwache Frau. Aus Schreck, aus Angst, aus Rührung wird sie ›Ja‹ sagen. Das ist eine alte Geschichte und ein altes Mittel, aber die Frauen sind auch eine alte Geschichte, und dieses Mittel ist immer noch eines von den besten, um Frauen zu gewinnen. Oder, wenn sie doch eigensinnig bliebe – ich glaube es aber nicht, und mir scheint, Sie auch nicht, Fürst – nun, dann bleibt Ihnen ja noch immer die wirkliche, reelle Kugel vor den Kopf, die absolute Verneinung.«
»Sie sind toll,« sagte der Fürst und schüttelte mehrmals den Kopf. »Uebrigens, das Ding ist ja nicht geladen.«
»Die Notwendigkeit davon seh' ich auch nicht ein,« entgegnete Onegin. »Sie meinen es ja ernsthaft; also was liegt daran, ob die Kugel schon drin steckt oder nicht. Das Gewisse und Reelle an der Sache ist, Sie haben durch den letzten Wunsch Ihres Bruders gewissermaßen ein Recht auf diese Frau. Es ist eine Demütigung für Sie, wenn Sie's nicht erreichen –«
Fürst Alexander biß sich auf die Lippe und murmelte einige unterdrückte Worte vor sich hin.
»Endlich handelt es sich für Sie um Leben oder Nichtleben,« fuhr Onegin fort. »Und zehntens sind Sie ein vortrefflicher Schauspieler ... Also nehmen Sie den Revolver. Stecken Sie ihn ein. Da!«
Er schob ihn mit einer Art von Lächeln in des Fürsten Brusttasche. Indessen stand der Fürst auf, machte eine etwas heftige Bewegung, um den Revolver wieder herauszuziehen, und runzelte die Stirn. Er warf Onegin einen Blick zu, der den beleidigten Aristokraten zeigte. »Was machen Sie da? Sie tyrannisieren mich. Wozu das, ich lieb' es nicht ... Jedenfalls werd' ich das nicht thun.«
Onegin sah, daß er die Sache zu dreist angegriffen hatte. »Verzeihen Sie, Fürst Alexander,« sagte er in einem ernsthaft abbittenden Tone, indem er sich verneigte. »Wenn ich aus gutem Eifer zu weit gegangen bin, dann bedauere ich sehr. Dann nehme ich alles zurück, was ich gethan und gesagt habe. Ich hab' mir so angewöhnt, in Ihren Interessen mitzudenken, wie in meinen eigenen –«
»Schon gut, schon gut!« fiel ihm der Fürst, wie gewöhnlich schnell besänftigt, in die Rede.
Mit immer ernsterem Gesichte fuhr Onegin fort: »In diesem Fall könnten Sie aber denken, ich hätte ebensosehr mein Interesse im Auge wie das Ihrige – der Fall ist sehr delikat. Ich habe vor Jahren Ihre großmütige Freundschaft angenommen, als Sie sie mir aufdrangen, als Sie noch sagen konnten: ›Ich bin für einen zu reich, ich will, daß Sie mit mir leben, daß Sie ohne irdische Sorgen Ihren Ideen und der Menschheit leben!‹ Sie handelten damals wie ein Fürst – und ich wie sein Freund. Das war damals ... Jetzt könnten Sie denken, ich rede Ihnen so zu, die Fürstin zu gewinnen, damit Sie Ihren verlorenen Besitz, von dem ich mitlebte –«
»Schweigen Sie, schweigen Sie!« rief der Fürst dazwischen. »Onegin, was reden Sie –«
»Verzeihen Sie, ich muß. Es ist ganz notwendig. Ich will nur noch sagen – erlauben Sie – die Existenz, die Sie ›unwürdig‹ finden, ist es dann doppelt für mich, und ich für meinen Teil muß ihr ein Ende machen, indem ich Sie verlasse. Bitte, sagen Sie nichts; meine Ehre verlangt es. Ihr eigenes Gefühl muß es Ihnen sagen, daß ich Ihrer langjährigen, großherzigen Freundschaft unwürdig, daß ich nicht der Onegin wäre, für den Sie mich hielten, wenn ich in dieser Lage länger bleiben könnte, um Ihnen die Frage, ob Sein oder Nichtsein, zu erschweren. Also – sehen Sie mich jedenfalls als nicht mehr vorhanden an. Es gibt keinen Onegin mehr. Da kommt Fürstin Raffaela, ohne Ihre Mutter – thun Sie, was Ihnen gut dünkt, aber ohne an mich dabei zu denken. Ich komme nicht in Betracht. Ich verschwinde.«
Er setzte sich schon bei den letzten Worten in Bewegung und winkte noch, möglichst vornehm lächelnd, mit der Hand, während er davonging. Fürst Alexander sah bestürzt ihm und seinem Schatten nach, der etwas plump über den Kiesweg fiel und sich fortbewegte, bis er hinter den Bäumen verschwand. »Onegin! Onegin!« rief der Fürst hinterdrein. Aber Onegins Schritte verhallten.
Der Fürst rieb sich die wieder erhitzte Stirn. »Was ist das?« dachte er ganz verstört. »Er geht? Ich soll ihn verlieren? Weil sein Stolz verletzt ist – weil ich mich beklagt habe, daß ich nicht mehr reich bin? –« Er seufzte und sah in die Luft, als sähe er dort die Landgüter und die Wertpapiere, die er einst besessen und trotz aller »Verneinung des Willens zum Leben« mit so sicherer Hand verstreut, vertrunken, verspielt, aus allen Fenstern hinausgeworfen hatte. »Verwünschtes Geld,« dachte er mit einem verzweifelten Lächeln. »Das Allererbärmlichste auf dieser erbärmlichen Erde ist doch das elende Geld!«
Fürstin Raffaela war herangekommen. Sie hatte ihren Sonnenschirm aufgespannt, in dessen Schatten sie doppelt reizend aussah. »Onegin,« sagte sie, »ging wie im Sturm an mir vorbei, durch den Garten hin. Was will er?«
»Ich weiß nicht,« antwortete der Fürst etwas befangen, gedrückt. »Du hast meine Mutter im Pavillon gelassen –«
»Sie schläft,« sagte Raffaela lächelnd, »ihren gewöhnlichen Morgenschlaf.«
»Ja, ja,« murmelte er, und ging dann, von ihrem Anblick wirklich etwas bezaubert, sich in eine Art von Verliebtheit hineinphantasierend, auf sie zu. »Du wünschtest einen Ausflug zu machen, liebe Raffaela. Liegt dir daran? Soll ich dich begleiten?«
»O nein,« sagte sie sanft. »Mir liegt nichts mehr daran.«
»Dein Wille, weißt du, wäre mir Befehl –«
»Mein Wille?« wiederholte sie. »Hab' ich noch einen Willen? Ich weiß wirklich nicht. Das Wort klingt mir so fremd, so sonderbar ...«
»Nun ja,« sagte er galant, »dein liebenswürdiges Herz hat sich so sehr gewöhnt, seinen Willen mit dem unseren zu verschmelzen; ihn gleichsam in einen Familienwillen aufzulösen – das ist es!«
Sie nickte vor sich hin und erwiderte nichts.
»Nur in einem Punkt« – fing er nach einer Weile zögernd wieder an, stockte und verstummte. Es war ihm, als hörte er noch einmal Onegins Worte von vorhin; als hörte er sie wirklich und deutlich. Es war zwar nur eine Sinnestäuschung, vielleicht dadurch hervorgerufen, daß er sich gewöhnt hatte, bei allem Onegin zu fragen und auf ihn zu hören. »Onegin hat recht,« dachte er, leichtfertig lächelnd. »Er hat immer recht. Ich sollte mich zusammennehmen, sollte es versuchen!«
»Nun?« fragte Raffaela harmlos. »Warum sprichst du nicht aus?«
»Pardon!« sagte er. »Ich zauderte, noch einmal davon zu sprechen ... Nur in einem Punkt, wie gesagt, steht es leider anders! Wir sprachen vom ›Familienwillen‹, liebe Raffaela ... Auch dein drittes Witwenjahr ist nun bald zu Ende – –«
Sie machte eine unwillkürlich zuckende Bewegung mit der Hand; doch sie sagte nichts.
»Verzeih ... Kurz, mein Wunsch, der auch der Wunsch meines Bruders war – auf dem Sterbebette hat er dir's bewiesen – findet in dir noch immer kein Echo, wie es scheint. Er ist auch meiner Mutter Wunsch, so gut wie der meine. Daß wir glücklich sein würden, daß wir dich mit treuer Liebe umgeben würden, das weißt du. Ich mit besonderer, natürlich; mit der wärmsten Liebe ... Du stehst nun aber wieder wie eine Statue da.« Er lächelte etwas beleidigt. »Du hörst mich sehr tolerant, sehr geduldig an, aber du sprichst kein Wort!«
»Ich wartete,« sagte sie.
»Auf was?«
»Auf was? Das ist schwer zu sagen. Auf – irgend ein besonderes Wort ... Gut gesagt war ja alles, was du eben sagtest; es fehlte nur – – Lassen wir es gut sein, ich glaube, du verstündest mich doch nicht. Es ist noch irgend ein Wunsch, ein Bedürfnis, ein Verlangen in mir, das wahrscheinlich thöricht ist, das Herr Onegin vom Standpunkte der Philosophie widerlegen würde; aber es ist da – – und diese eine, letzte Thorheit möcht' ich noch behalten.«
Sie suchte zu lächeln, während sie das sagte, aber unbewußt legte sie eine Hand ans Herz. Der Fürst bemerkte es und erwiderte gezwungen: »Ich bin dir nicht warm genug –«
»Bitte, laß mich jetzt,« unterbrach sie ihn, liebenswürdig wie immer. »Ich habe dich ja ›geduldig angehört,‹ wie du selber sagst – mehr könnt' ich nicht thun. Lassen wir's beim Alten, Alexander – und laß mich ins Haus gehen –«
»Nein,« sagte er plötzlich und trat ihr in den Weg.
»Nein?«
»Nein,« wiederholte er. Es war, als sei eine jähe Erregung über ihn gekommen; seine kleinen Hände zogen sich zusammen und das Blut schoß ihm sehr natürlich ins Gesicht. Er rief ihren Namen so leidenschaftlich aus, daß sie erschrak und zurücktrat. »Nein,« setzte er hinzu, »so gehst du nicht fort!«
»Bist du von Sinnen?« fragte sie. »Was ist dir?«
»Du kennst mich nicht, Raffaela,« sagte er, die Stimme wieder dämpfend, doch mit dem Ton der Entschlossenheit. »Du weißt offenbar noch immer nicht, wie es in mir aussieht. Phrasen kann ich nicht machen, in Illusionen leben und Illusionen erregen, wie die Herren Poeten, kann ich ebensowenig – aber ich kann und will nicht ohne dich leben ... Auf mein Wort, so steht es. Ich hab' mich entschlossen, jetzt ein Ende zu machen ...« Er zog den Revolver hervor, während seine halbgedeckten Augen sich so weit öffneten, daß sie geängstigt wie in einen Abgrund hineinsah. »Ich werbe jetzt zum letztenmal; sag ›Nein‹ und die Kugel sitzt in meiner Brust!«
»Du bist wahrhaftig toll,« stammelte sie. »Oder scherzest du?«
Doch da er sich nun den Revolver wirklich auf die Brust setzte, stieß sie einen Schrei aus. »Alexander!« rief sie. »Heiliger Gott! Was machst du!«
»Ich kann nicht anders; diesen Zustand ertrage ich nicht länger. Wochenlang trag' ich es schon in mir herum ... Wozu noch länger leben, wenn du mich verachtest. Sag ja oder nein!«
»Thu den Revolver weg!« rief sie und wiederholte es; sie war fast von Sinnen. »Weg von deiner Brust! Ich beschwöre dich!«
»Nein, nein, nein!« sagte er, immer entschlossener, »länger wart' ich nicht. Sag nein, wenn du kannst!«
»Ich sage ja nicht nein!« rief sie ganz verwirrt. »Ich verachte dich ja nicht, ich verschmähe dich ja nicht ...« Sie wußte nicht mehr, was sie sagte, es wurde ihr dunkel und schwindlig, wie wenn sie hinfallen müßte. »Unglücklicher Mensch – Alexander – – weg von der Brust! Ich sage ja nicht nein!«
Er ließ die Mündung der Waffe nach unten sinken und schien aufzuatmen. »Wie du grausam bist,« seufzte sie. »Ich zittere. Ich kann das nicht mehr in deiner Hand sehen ...«
Sie trat hinzu und entriß ihm den Revolver.
»Was heißt das?« fragte er unsicher. »Du wirst nicht zurücknehmen, denk' ich, was du eben sagtest –«
»Was hab' ich gesagt?« Sie legte sich eine Hand an den Kopf. »Ich habe noch nichts gesagt.«
»So gib ihn mir wieder, daß ich ein Ende mache!« rief er wie verzweifelnd aus und trat auf sie zu. Sie wich erschrocken zurück und hielt die Waffe hinter ihren Rücken. »Nein, nein, nein!« sagte sie fassungslos. »Nie geb' ich dir das wieder ... Bleib' stehen, komm' nicht näher – ich sage ja nicht nein! – Ach, mein Gott, wie du mich bedrängst. Ich will Zeit haben, Ruhe, Ueberlegung ... Aber es wird ja sein,« setzte sie rasch hinzu, da er wieder herantrat und die Hand ausstreckte. Ihre Kraft, ihr Wille waren wie erloschen. »Ja, ja – ja, ja – du sollst hoffen – glauben. Alles was du willst. Nur in diesem Augenblick verlange noch kein Ja, nur noch ein einzigmal hab mit mir Geduld!«
»Ich soll hoffen, glauben?« wiederholte er.
»Ja, ja,« flüsterte sie und schloß die Augen.
Vom Hause her kam der alte Grabow; sie sah ihn nicht, aber Fürst Alexander bemerkte ihn und trat langsam, sich fassend, als wäre nichts geschehen, ein paar Schritte zurück. »So solltest du hineingehen, liebe Raffaela,« sagte er mit seiner Alltagsstimme, »wenn dein Kopf so schlecht ist ... Grabow ist da,« setzte er leise hinzu.
Raffaela fuhr auf und suchte sich zu sammeln. Ihr Blick war noch leer, ihr fehlte das Blut im Kopfe. Sie nickte nur, wie zu Alexanders Worten. Dann verbarg sie den Revolver so gut es ging in der kleinen Hand und wendete sich in mechanischer Bewegung ihrem Hause zu. Der Fürst murmelte noch ein Abschiedswort, das sie nicht verstand, und entfernte sich mit gedämpften Schritten nach der anderen Seite.
»Was hab' ich gesagt? Was hab' ich gethan?« dachte Raffaela. Plötzlich zitterte sie und blieb wieder stehen.
»Nun?« fragte Grabow, nachdem er eine Weile stumm ihr Gesicht befragt hatte. »Wird ein Ausflug gemacht, Donna Raffaela?«
»Wohin?« murmelte sie, wie abwesend.
»Sie wollten ja – – irgendwohin –«
Raffaela blickte ihn an. Als sie sein treuherziges Gesicht sah, kam ihr alles wieder, und ohne zu wissen, was sie that, machte sie jene neapolitanische Gebärde, die vorhin Grabow gemacht hatte, die sagen will: »Es ist nichts damit.« Grabow ließ die Schultern und die Hände sinken.
»Also wieder nichts?« seufzte er.
»Heute nicht,« sagte sie mit noch schwacher Stimme. »Fragen Sie nicht mehr. Gehen Sie. Gehen Sie, Grabow.«
Der Alte neigte seinen Kopf und ging nach der Linde zu.
»Fürstin Alexander?« dachte sie und schloß wieder die Augen, wie vor einem Abgrund. »Ach,« sagte sie dann leise vor sich hin, »was liegt daran, was mit mir geschieht. Das Leben ist ja doch nur ein Ding, das wir verneinen sollen, das mehr Leid als Freude ist, ob nun so oder so! Einmal wird alles aus – und dann war es nichts. So mit geschlossenen Augen will ich in mein Zimmer hinaufgehen – und so weiter und weiter – bis es endlich aus ist. Bis ich sie ›los bin‹, die ›Fatigue‹, und man mir ›gratuliert‹!«
Sie hielt die Augen geschlossen und tastete sich in das Haus hinein und die Treppe hinauf.
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