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Wofern ein Maler einen Venuskopf
auf einen Pferdhals setzte, schmückte drauf
den Leib mit Gliedern von verschiednen Tieren
und bunten Federn aus, und ließe (um
aus allen Elementen etwas anzubringen)
das schöne Weib von oben – sich zuletzt
in einen grausenhaften Fisch verlieren,
sich schmeichelnd, nun ein wundervolles Werk
euch aufgestellt zu haben: Freunde, würdet ihr
bei diesem Anblick wohl das Lachen halten?
Und gleichwohl werden Werke dieser Art
in einem andern Fach uns oft genug
zur Schau gebracht. Denn, glaubet mir, Pisonen,
ein Dichterwerk, von schlechtverbundenen
Ideen, die, wie Fieberträume, durch-
einander schwärmen, so daß weder Kopf noch Fuß
zusammenpaßt – und eine Malerei
von jenem Schlag, sind trefflich einerlei.
»Wie? Ist den Malern und Poeten nicht
von jeher freigestanden, alles was sie wollen
zu wagen?« – Freilich! auch Wir machen Anspruch
an diese Freiheit, und verlangen Keinem
sie abzustreiten – Nur nicht, daß man paare,
was unverträglich ist, nicht Schlang' und Vogel,
nicht Lamm und Tiger in einander menge!
Wie häufig sehn wir einem ernsten, viel-
versprechenden Gedichte hier und da
wie einen Purpurlappen angeflickt,
der weithin glänzen soll? Da wird ein Hain
Dianens, nebst Altar, ein Silberbach,
der schlängelnd seine Flut durch anmutsvolle
Gefilde wälzt, ein schöner Regenbogen,
und Vater Rhein auf seiner Urne liegend,
gar prächtig hingepinselt – nur daß hier
der Ort dazu nicht war! – Der Maler ist
vielleicht im Baumschlag stark, kann eine hübsche
Cypresse malen – aber auf dem Täfelchen,
worauf ein armer Mann der Schiffbruch litt,
halbtot ans Ufer treibend, für sein Geld
sich malen läßt, was hilft dein schöner Baum?
Du fingest eine prächtge Vase an
zu drehn, und da die Scheibe abläuft, kömmt
ein halber Topf heraus! – Kurz, mache was du willst,
nur, was du machst, sei mindstens Eins und Ganz!
Wir andern Dichter, meine edeln Freunde,
wir fehlen meistens nur vom Schein des Guten
getäuscht, und oft wenn wirs am besten meinen.
Man gibt sich Mühe kurz zu sein, und wird
darüber dunkel, oder nervenlos
indem man leichte Dinge leicht behandeln will.
Ein andrer strebt nach Größe auf, und schwillt;
dafür kriecht jener dort, aus Furcht des Sturms,
der in der Höhe weht, am Boden hin:
und dieser, um recht unerhört zu sagen,
was nur auf Eine Art sich sagen läßt,
malt euch Delphinen in den Busch, und läßt
die Nereid' auf einem Eber schwimmen.
Die Furcht zu fehlen wird die reichste Quelle
von Fehlern, wenn sie nicht vom Kunstgefühl
geleitet wird. Der letzte unter allen
den Meistern, die wir am Aemilschen Fechtplatz
arbeiten sehen, drückt an seinem Bilde
aufs fleißigste sogar die Nägel aus,
ahmt weicher Locken sanftes Wallen bis
zum Wunder nach, und ist und bleibt doch stets
der Letzte, weil er Alles – nur, zum Unglück,
nichts Ganzes machen kann. Für meinen Teil,
ich wollte gleich so lieb, bei schwarzem Haar
und schönen schwarzen Augen, mich der Welt
mit einer krummen Nase zeigen, als
der Dichter sein, der diesem Künstler gliche.
Ihr, die ihr schreiben wollt, vor allen Dingen
wählt einen Stoff, dem ihr gewachsen seid,
und wäget wohl vorher, was eure Schultern
vermögen oder nicht, eh ihr die Last
zu tragen übernehmt. Wer seinen Stoff
so wählte, dem wirds an Gedanken
und Klarheit nie, auch nie an Ordnung fehlen:
und unter manchem Vorteil, der durch Ordnung
gewonnen wird, ist sicher keiner von
den kleinsten: daß man immer wisse was
zu sagen ist, doch vieles, was sich auch
noch sagen ließe, jetzt zurückbehalte,
und für den Platz, wo mans bedarf, verspare.
Auch Sprach' und Versebau und Rhythmus sei
Dem wohl empfohlen, der ein echtes Werk
zu schaffen wünscht. Er kann nicht leicht zuviel
Bescheidenheit und Vorsicht in der Wahl
der Wörter zeigen. Öfters wird ein Vers
vortrefflich, bloß wenn ein alltäglich Wort
durch eine schlaue Stellung unverhofft
zum Neuen wird. Wo neuentdeckte Dinge
zu sagen sind, da ists mit Recht erlaubt
auch unerhörte Wörter zu erfinden,
wenn diese Freiheit mit Bescheidenheit
genommen wird. Auch können neue Wörter
und Redensarten, die vor kurzem erst
aus griechschem Quell auf unsern Grund und Boden
geleitet worden sind, mit Sparsamkeit
gebraucht, ein Recht an gute Aufnahm fodern.
Was kann der Römer einem Plautus und
Cäcil gestatten, das Virgil und Varius
nicht wagen dürften? Oder soll mir übel
genommen werden, wenn ich etwas Weniges
erwerben kann, da Ennius und Cato
die Sprache mit so vielen neuen Wörtern
bereichern durften? Immer wars und bleibts
erlaubt, ein neugestempelt Wort
von gutem Korn und Schrot in Gang zu bringen.
So wie von Jahr zu Jahr mit neuem Laube
der Wald sich schmückt, das alte fallen läßt:
so lässet auch die Sprache unvermerkt
die alten Wörter fallen, und es sprossen neue
ins Leben auf, und füllen ihren Platz.
Wir sind uns selbst und alles Unsrige
dem Tode schuldig. Laß dort einen mit dem Meer
verbundnen Landsee seinen weiten Busen öffnen,
um ganze Flotten vor den Aquilonen
zu schirmen, traun! ein königliches Werk!
Laß jenen schon so lang' unfruchtbarn und des Ruders
gewohnten Sumpf den Pflug erdulden lernen,
und nachbarliche Städte rings umher
mit reichen Ernten nähren – jenen Strom
den Lauf, der unsern Feldern schädlich war,
mit einem neuen bessern Weg vertauschen:
Das Alles, Freunde, wird, als Menschenwerk,
die Zeit zerstören! – Und die Sprache sollte
allein in ewgem Jugendglanze blühen?
Viel abgestorbne Wörter werden wieder
ins Leben kehren, viele andre fallen,
die jetzt in Ehren sind, so wie der Brauch
es fügen wird, bei welchem doch allein
die Macht, hierin Gesetz zu geben, steht.
In welcher Versart Taten edler Helden
und Könige zu singen sich gezieme,
hat uns Homer gezeigt. – In jener, die
den Vers Homers mit einem kürzern wechselt,
verseufzte anfangs nur die Traurigkeit
den sanften Schmerz; allein man fand, daß auch
die Freude, und die ihres süßen Wunsches
gewährte Liebe dieses leichten Ganges
gar schicklich sich bediene: aber wer
Erfinder dessen sei, darüber streiten
die Sprachgelehrten, und der Handel ist
noch unentschieden. Mit dem raschen Jambus
bewaffnete die Wut den zürnenden
Archilochus: doch später wurde dieser Fuß
sowohl der niedern Socke, als dem hohen
Kothurn der Schauspiel-Musen angepaßt.
Man fand, er schicke sich zum Dialog
am besten, sei zur Handlung wie gemacht,
und übertöne leichter als ein andrer
das Volksgetös' im hallenden Theater.
Zur saitenreichen Leier hieß die Muse
die Götter und der Göttersöhne Taten,
die Sieger in den Kämpfen, und das Roß
im Wettlauf siegend, und die Schwärmereien
der feurgen Jugend, Wein und Liebe, singen.
Ein jedes Werk in jedem Dichterfach
hat seinen eignen Farbenton und Stil.
Versteh ich nichts von dieser Farbengebung,
mit welcher Stirne kann ich einen Dichter
mich schelten hören? Oder, warum lieber
aus falscher Scham unwissend sein, als lernen?
Was komisch ist, will nicht im Schwung und Pomp
des Trauerspieles vorgetragen sein;
hingegen ists was unausstehliches,
Thyestens Gastmahl im Gesellschaftston
und Versen, die beinah zur Socke passen,
erzählen hören. Jedes schicke sich
für Ort und Zeit! – Indessen mag zuweilen
auch die Komödie ihre Stimm' erheben,
und einen alten Chremes, dems der Sohn
zu toll gemacht, den Sturm des ersten Zorns
mit Blitz und Donnerschlag vertoben lassen:
so wie Melpomene, sobald sie klagt,
den Ton herabstimmt, und zum simplen Ausdruck
des Volkes sinkt. Wenn Telephus und Peleus
im tiefsten Elend, dürftig und verbannt
aus ihrem Vaterland, des Hörers Herz
mit ihren Klagen rühren wollen, lehrt
sie die Natur ganz einen andern Ton!
Da werfen sie die hohen Stelzen und
die ellenlangen Wörter gerne weg!
Ein Dichterwerk sei schön, sei fehlerfrei,
dies ist sehr viel, allein noch nicht genug;
um zu gefallen, sei es lieblich auch,
und stehle sich ins Herz des Hörers ein,
um, was der Dichter will, aus ihm zu machen.
Ein lachend oder weinend Angesicht
bringt, wie wirs ansehn, augenblicklich auch
ein Lächeln oder einen traurgen Zug
in unsers. Willst du daß dein Unglück mich
zu Tränen rühren soll, mein guter Peleus
und Telephus, so mußt du selber weinen!
Sind deine Reden deiner Lage nicht
gemäß, so werd ich – gähnen oder lachen.
Zu einem traurenden Gesichte ziemen sich
auch traurge Worte. Ruhig, oder zürnend,
mutwillig oder ernsthaft, immer sei die Sprache
der Leidenschaft, der Stimmung angemessen,
die erst aus Miene und Gebärde spricht.
Denn jeder Wechsel unsers Glücks erregt
zuerst im Innern eine Leidenschaft;
Zorn, der zum Widerstand das Blut erhitzt,
die Arme ausstreckt – oder Traurigkeit,
die hoffnungslos zur Erde, wie zum Grabe,
uns niederzieht: und dies, bevor die Zunge
der Seele Dolmetsch wird, und ihre Regung
in Worte ausbricht. Dies ist allezeit
Gang der Natur. Verfehlt der Dichter ihn,
legt seinem Helden in den Mund, was nicht
zu seiner Lage paßt: so darfs ihn nicht befremden,
wenn Ritterschaft und Fußvolk überlaut
ihm, statt zu weinen, an die Nase lachen.
Nicht minder kommt sehr vieles darauf an,
ob die Person, die spricht, der Diener oder
der Herr im Haus, ein reifer Alter, oder
ein junger schwärmerischer Tollkopf ist;
ob eine Fürstin, oder ihre treuergebne
Hofmeisterin; ein Kaufmann, allenthalben
zu Haus und nirgends, oder ob ein Landwirt
der sich von seinem Gütchen nährt; ob er
Assyrer oder Kolcher, ob zu Theben oder
zu Argis auferzogen. Übrigens
soll der Poet entweder an die Sage
sich halten, oder, wenn er dichten will,
das Wahre der Natur zum Muster nehmen.
Führst du Achillen auf, den jeder kennt,
so sei er hitzig, tätig, schnell zum Zorn
und unerbittlich, wolle nichts von Pflichten hören,
und mache alles mit dem Degen aus!
Medee sei trotzig und durch nichts zu schrecken,
die sanfte Ino weich und tränenreich,
Ixion treulos, schwermutsvoll Orest.
Bringst du hingegen etwas auf die Bühne
das nie versucht ward, wagest eine neue
Person zu schaffen – gut! so gib ihr Selbstbestand,
und wie sie sich im ersten Auftritt zeigt,
so führe sie, sich selber ähnlich, bis
zum letzten fort! – Es ist vielleicht nichts schwerers,
als aus der Luft gegriffnen Menschenbildern
das eigne Individuelle geben
was jeden täuscht, und den Erdichteten
uns anverwandt und unsersgleichen macht:
Du wirst daher mit minderer Gefahr
ein Schauspiel aus der Iliade ziehen,
als dich an was ganz neuerfundnes wagen.
Ein Süjet, das der ganzen Welt gehört,
wird wieder Eigentum, wenn du dich weder
auf einem Plan, der zum Gemeinplatz schon
geworden, tummelst, noch, als ein getreuer
demütger Übersetzer, Wort für Wort
dem Griechen nachtrittst; noch, als bloßer
Nachahmer, dich so sehr zusammendrückest,
daß, etwas wegzulassen, dir die Scham,
hinzuzutun, die Regel dir verbietet.
Auch fange dein Gedicht so laut nicht an,
wie jener alte Cyklische Poet:
»Von Priams Schicksal und dem weitberühmten Krieg
begeb ich mich zu singen« – Großgesprochen!
Was kann der Mann uns sagen, das, den Mund
dazu so weit zu öffnen, würdig wäre?
Es kreißte, wie die Fabel sagt, ein Berg,
und er gebar, zu großer Lustbarkeit
der Nachbarschaft, ein kleines kleines Mäuschen.
Um wieviel besser Er, der niemals was
unschicklichs vorgebracht: Erzähle mir,
o Muse, von dem Mann, der nach Eroberung
von Troja vieler Menschen Städt' und Sitten sah –
Er gibt kein Feurwerk das in Rauch sich endet,
erst macht er Rauch, dann folgt ein rein und gleich
fortbrennend Feuer, um die schönen Wunder,
den Lästrigonen-König, und mit Scylla
den Polyphem und die Charybdis uns
darin zu zeigen. Er beginnt die Wiederkehr
des Diomedes nicht von Meleagers Tod,
noch den Trojanschen Krieg von Ledas Eiern.
Stets eilt er, ohne Hast, zum Ende fort,
stürzt seinen Hörer mitten in die Sachen,
als wären sie ihm sein bekannt, hinein,
läßt liegen, was nicht glänzend sich behandeln läßt,
und lügt, mit Einem Wort, so schön, mengt wahr und falsch
so künstlich in einander, daß das Ganze
aus Einem Stücke scheint, und, bis zum Schlusse
sich selber ähnlich, täuscht, gefällt, entzückt.
Nun hör auch du, der auf dem Schauplatz uns
zu unterhalten wünscht, was ich und was
das Publikum mit mir von dir verlangt.
Woferns um Hörer dir zu tun ist, die
des Vorhangs Fall erwarten, und so lange bleiben,
bis uns der Sänger zuruft PLAVDITE!
so mußt du jedes Alter richtig zeichnen,
und jedem den Charakter und die Farbe,
die ihm gebührt, genau zu geben wissen.
Kaum kann der Knabe reden, kaum bezeichnet
sein kleiner Fuß mit sicherm Tritt den Boden,
so spielt er gern mit Kindern seines Alters!
erbost sich leicht um nichts, läßt durch ein Nichts
sich wieder auch besänftgen, und verändert,
wie ein Apriltag, sich von Stund zu Stunde.
Der Jüngling ohne Bart, von seinem Hüter endlich
befreit, hat Lust zu Pferden und zu Hunden,
er liebt im sonnenreichen Campus sich herum-
zutummeln, nimmt wie Wachs des Bösen Eindruck an,
weist guten Rat und Warnung trotzig ab;
denkt immer an das Nützliche zuletzt;
verstreut sein Geld wie Sand, ist stolz und rasch
in seinen Leidenschaften, aber läßt,
was er mit Hitze kaum geliebt, gleich schnell
für etwas Neues, das ihn anlockt, fahren.
Bald ändert sich das alles, und an Jahren
und Denkart nun ein Mann, bewirbt er sich
um Freunde, Rang, Vermögen, Ehrenstellen,
er lebt nach einem Plan, und hütet sich
nichts zu beginnen, das ihn reuen müßte.
Dem Alten kommt viel Not und Ungemachs
unmerklich übern Hals, entweder, weil er immer
zusammenscharrt, und doch, aus Furcht zu darben,
sich den Gebrauch verweigert – oder, weil
er alles kalt und furchtsam treibt, und überall
Bedenklichkeiten sieht. Er zaudert immer,
setzt immer weiter sich sein Ziel hinaus,
verliert den gegenwärtgen Augenblick
und lebt im künftgen; voller Schwierigkeiten,
verdrießlich, übeltrauend, hat er immer was
zu klagen, ist der ewge Leichenredner
der weiland guten Zeiten, da er noch
ein Knabe war, der ewge Censor und
Zuchtmeister aller jüngern, die jetzt sind
was er, zu seiner Zeit, gewesen war.
Viel Gutes bringen uns die Jahre, wenn
sie kommen, mit, viel nehmen sie uns wieder
so wie sie allgemach zurückegehn.
Der Dichter nehme also wohl in acht,
was jedem Alter zukömmt, daß er nicht
dem Alten eine Jünglings-Rolle, noch
dem Knaben gebe was des Mannes ist!
Die Handlung wird entweder vor den Augen
der Gegenwärtgen abgehandelt, oder bloß
erzählt. Hier sehe sich der Dichter vor!
Was durch die Ohren in die Seele geht
rührt immer schwächer, langsamer, als was
die Augen sehen, deren Zeugnis uns
ganz anders überzeugt, als fremder Mund.
Doch darf darum nicht alles auf die Szene
gebracht sein, sondern manches muß den Augen
entzogen werden, was viel schicklicher,
von einem andern, der als Augenzeuge spricht,
mit Feuer und Begeistrung des Moments
erzählt, auch uns vergegenwärtigt wird.
Medea soll nicht vor dem Chor und Uns
die Kinder würgen, noch der Unmensch Atreus
der Neffen Fleisch vor unsern Augen kochen;
noch wandle Progne auf der Bühne sich
in eine Schwalb' und Kadmus in den Drachen.
Ein Stück, das oft begehrt zu werden und
zu bleiben wünscht, soll weder weiter als
zum fünften Akt gedehnt, noch kürzer sein.
Auch soll kein Gott sich in die Handlung mischen,
wofern der Knoten seine Zwischenkunft
nicht unvermeidlich macht und – ihrer würdig ist:
noch soll der Dichter seine Szene (gegen
der großen Meister Beispiel) mit der vierten
Person beladen. Ihre Stelle mag
der Chor vertreten, der von Anfang bis
zu Ende seinen Anteil an der Handlung
behaupten muß: so, daß er niemals zwischen
den Akten etwas singe, das zum Zwecke
nichts taugt und sich auf das, was vorgeht, nicht
genau beziehet. Seine Rolle ist,
den Guten hold zu sein, sie zu beraten,
im Zorne sie zurückzuhalten, und
im Kampf der Leidenschaft und Pflicht zu unterstützen.
Er preise uns die leicht besetzte Tafel
der Mäßigkeit, die heilsame Justiz,
das Glück des Ruhestands bei offnen Toren.
Was ihm vertraut wird, wiss' er zu verschweigen;
auch wend er öfters an die Götter sich
mit feirlichem Gebet, und fleh um Rettung
der unterdrückten Unschuld, und des Stolzen Fall!
Die Flöte, die den Chorgesang begleitet,
war anfangs nicht, wie jetzt, mit Erzt verbunden;
sie war noch dünn, und hatte wenig Löcher,
und einen schwachen Ton, der damals doch
den Chorgesang hinlänglich unterstützte,
weils überflüssig war, mit stärkerm Laut
die noch nicht dichten Sitze anzufüllen,
worin ein leicht zu zählend Volk, das noch
bescheiden war und fromm, in großer Zucht
beisammen saß. Allein, nachdem durch Siege
der Staat erweitert, und die alten Mauern
zu enge worden, und nun auch an Festen
den ganzen langen Tag den Genius
mit Wein zu regalieren, Sitte ward:
da mußte wohl auch der Musik, wie allem,
mehr Luft und Spielraum zugestanden werden.
Ein Volk von ungebildetem Geschmack,
das seiner Sorgen sich entladen hatte,
und nun, nach seiner Weise, sich was Rechtes
zugut tun wollte, Bauer, Städter, Pöbel
und Adel, alles durcheinander
gemengt, – war, wenn es nur belustigt wurde,
gleichgültig wie? Und also nahm sich auch
der Flötenspieler mehr heraus, und füllte
im schleppenden Talar, mit seinem üppigern
Getön und freiern Tanz, die ganze Szene.
Gleichmäßig ließ, des alten Ernsts entbunden,
die Leier sich mit neuen Saiten hören.
Natürlich wollte dann der Dichter, der den Chor
regierte, nicht allein zurückebleiben.
Sein Chorgesang nahm einen höhern Schwung,
in einer unerhörten Art von Sprache stürzte
sich seine schwärmende Beredsamkeit
daher, und seine tiefer Weisheit vollen
und Zukunft ahnenden Sentenzen glichen oft
an Dunkelheit den Delphischen Orakeln.
Noch mehr. Der Sänger, der am Bacchusfeste,
um einen schlechten Bock, mit Heldenspielen
zu streiten pflegte, kam bald auf den Einfall,
das ernste Stück mit etwas abzuwechseln,
das, ohne völlig aus dem vorgen Ton
zu kommen, muntern Scherz mit Ernst vermählte;
und so entstand ein neues Spiel, worin
halb nackte Satyrn, vom Silen geführt,
den Chor vertraten. Denn es war dem Dichter bloß
darum zu tun, ein rohes trunknes Volk,
das, nach vollbrachtem Gottesdienst, den Rest
des Feiertages sich erlustgen wollte,
durch etwas Neues, seinen bäurischen
Geschmack piquierendes, zu seiner Bude
herbei zu locken. Doch, auch diese Art
von freier Dichterei hat ihre Regeln;
und, ob der Laune des geschwätzigen
und immer lachenden Silenen-Chors
schon viel erlaubt ist, soll der Übergang
vom Ernst zum Spaß sich doch mit Anstand machen;
und wenn ein Heros, oder Gott, der kaum
in königlichem Gold und Purpur sich
gezeigt, hernach im Satyrspiel von neuem
zum Vorschein kommt: soll seine Sprache weder
zum Staub und Schmutz der pöbelhaften Posse
heruntersinken, noch, aus Furcht am Boden
zu kriechen, steigen und in Wolken taumeln.
Kurz, nie vergesse die Tragödie, was für sie
sich schickt; und, wenn sie auch bei losen Satyrn
sich blicken läßt, so zeig uns ihr Erröten
die züchtige Verwirrung einer ehrbarn Frau,
die öffentlich am Festtag tanzen muß!
Ich, wenn ich Satyrn schreiben sollte, würde mich
nicht bloß an Wörter des gemeinen Lebens halten;
und, ohne drum dem Ton des Heldenspiels
zu nah zu kommen, würd ich Mittel-Tinten
zu finden wissen, daß der Unterschied
von einem Davus, einer frechen Pythias,
die ihren alten Herrn um tausend Taler schneuzt,
und von dem Pflegevater eines Gottes,
auch in der Art zu reden merklich würde.
Aus lauter jedermann bekannten Wörtern
wollt ich mir eine neue Sprache bilden, so,
daß jeder dächt er könnt es auch, und doch,
wenn ers versucht' und viel geschwitzt und lange
sich dran zermartert hätte, doch zuletzt
es bleiben lassen müßte! – Lieben Freunde,
so viel kommt auf die Kunst des Mischens an!
So viel kann dem Gemeinsten bloß die Stellung
und Nüancierung Glanz und Würde geben!
Auch dafür wollt ich, im Vorbeigehn, noch
die Faunen, die man uns aus ihren Wäldern
so häufig auf die Bühne bringt, wohlmeinend
gewarnet haben: weder in so niedlichen
und schmucken Versen ihre Artigkeit
zu zeigen, daß man junge, mitten
in Rom erzogne Herrn zu hören glaubt,
noch zu Vermeidung dieses Übelstandes
mit Schmutz und groben Zoten um sich her
zu werfen. Denn die Leute, die ein Pferd
und einen Vater und was Eignes haben,
erbauen sich an dieser Art von Witz
nicht sonderlich; und wenn den Käufern dürrer Erbsen
und Nüsse etwas wohlbehagt, so folgt
nicht, daß auch jene dran Belieben finden, und
den Kranz dem Dichter zuerkennen werden.
Ein Silbenfuß, wo eine lange Silbe
auf eine kurze folget, wird ein Jambus
genannt. Ein schneller Fuß! Daher vermutlich,
daß Verse von sechs Jamben Trimeter
zu heißen pflegen. Anfangs wurden sie
ganz rein gemacht, und einer wie der andre.
Allein schon lange nahm der Jamben-Vers,
um etwas langsamer und feierlicher
zu gehn, den ruhigern Spondeus
gefällig auf; doch, daß er aus der zweiten
und vierten Stelle nie verdrängt zu werden
sich vorbehielt. So findet man ihn auch,
doch selten, in den hochberühmten Trimetern
des alten Accius: allein die zentnerschweren Verse,
die Vater Ennius auf unsre Bühne schleudert,
beschuldigen ihn entweder, sichs zu leicht gemacht
und sehr geeilt zu haben, oder einer
nicht rühmlichen Unwissenheit der Kunst.
Zwar freilich hat nicht jeder Richter Ohren
für übel modulierte Verse, und man hat
den römischen Dichtern über diesen Punkt
mehr nachgesehen als uns Ehre macht.
Und soll ich nun, so milder Ohren wegen,
mich aller Regel quitt und ledig glauben?
Doch, wenn ich auch – als ob die ganze Welt,
sobald ich fehle, mich befreien würde –
vor Fehlern mich gehütet habe, – gut!
so hab ich immer nur gerechten Tadel
vermieden, lange noch kein Lob verdient.
Dies zu begreifen, Freunde, leset, leset
bei Tag und Nacht der Griechen Meisterstücke!
Indessen haben eure Ahnen doch
die schönen Verse und die feinen Scherze
des Plautus hoch erhoben; gar zu duldsam
in beidem, um nicht etwas härters noch
zu sagen! Wenn wir anders, Ihr und ich,
ein frostiges Bon-Mot von einem guten
zu unterscheiden, und, wie Verse klingen müssen,
durchs Ohr zu prüfen, oder wenigstens
doch an den Fingern abzuzählen wissen.
Für den Erfinder der Tragödie
wird Thespis angesehn, der seine Stücke
auf Bauerkarren durch die Dörfer führte,
und von Personen, die mit Hefen sich
geschminkt, absingen und agieren ließ.
Nach ihm war Aeschylus der zweite, oder
vielmehr der wahre Vater dessen, was
den edeln Namen eines Heldenspiels
mit Recht verdiente. Er erfand die Maske
und den Kothurn, erweiterte den Schauplatz,
veredelte die Kleidung, und (was mehr ist)
den wahren Ton der tragischen Camöne,
die Er zuerst erhaben sprechen lehrte.
Ein wenig später tat sich auch die Alte
Komödie hervor, nicht ohne vielen Beifall;
allein die Freiheit, die man zu Athen
ihr zugestanden, artete zuletzt
in eine Frechheit aus, die nicht zu dulden war,
so daß die Polizei ins Mittel treten mußte.
Des Lustspiels Chor, sobald der Stachel ihm
benommen war, verstummte – und verschwand.
Von diesem allen haben unsre Dichter
nichts unversucht gelassen; und gewiß
verdienten jene nicht das kleinste Lob,
die sich getrauten aus der Griechen Fußtritt
herauszutreten, vaterländ'sche Taten
zu singen, und im Lust- und Trauerspiel
uns römische Personen vorzuführen.
Auch würde Latium gewiß durch seine Sprache
nicht weniger, als durch die Kunst zu siegen
und zu regieren, über Griechenland
den Rang behaupten, wenn nicht unsre Dichter
der Feile Arbeit haßten, und die Zeit,
die drüber hingeht, für verloren hielten.
Ihr, Numas edle Sprossen, lasset kein
Gedicht vor euern Augen Gnade finden,
das nicht durch viel Lituren zur Korrektheit
gebracht, und, bis das leiseste Gefühl
nichts mehr von Fugen spürt, geglättet worden.
Weil Demokrit dem glücklichen Genie
den Vorzug vor der armen Kunst gegeben,
und schlechterdings die Dichter, die nicht rasen,
vom Pindus ausgeschlossen haben will:
so treibts ein guter Teil der unsrigen
so weit, sich weder Bart noch Nägel stutzen
zu lassen, weder Kamm noch Schwamm
zu dulden, Bäder wie verdächtge Häuser
zu fliehen, und, Gespenstern gleich, in öden
von Menschen unbetretnen Gegenden
herumzuirren; fest beglaubt, ein Kopf,
der dem barbierenden Senator Licinus
sich nie vertraut, und mit drei Anticyren
nicht heilbar wäre, sei zum Dichterkopf
allein gemacht, und würdig von den Musen
bewohnt zu werden. Was ich für ein Tor bin,
an jedem Frühling mir die Galle auszufegen!
Kein andrer sollte beßre Verse machen!
Doch, sei es drum! Wofern ich selber auch
nichts schreibe, kann ich doch, dem Schleifstein gleich,
der selber zwar nicht schneidet, aber doch
das Eisen schneidend macht, die Andern lehren
was einen Dichter bilde, was ihn nähre,
was ihm gezieme oder nicht, und welche Wege
zum Nachruhms-Tempel führen, oder in die Sümpfe,
wo Aganippens Quelle sich verliert?
Um gut zu schreiben, muß ein Autor erst
Verstand und Sinn – um gut zu denken, haben.
An Stoff wirds die Sokrat'sche Schule euch
nicht fehlen lassen, und dem wohldurchdachten Stoffe
schmiegt sich von selbst der gute Ausdruck an.
Wer recht gelernt hat, was er seinen Freunden,
was seinem Vaterlande schuldig sei,
mit welcher Lieb ein Vater, Bruder, Gastfreund
zu lieben? was des Staatsmanns, Richters, was
des Feldherrn Amt und Pflicht erfodre? – Der
wird, was in jedem Falle jeder Rolle
geziemt, unfehlbar stets zu treffen wissen.
Doch nie vergesse der gelehrte Zögling
der dichterischen Bildnerkunst, auch auf
die Sittenschule und die lebenden
Modelle um ihn her die Augen stets
zu heften, und daraus die wahre Sprache
des Lebens und des Umgangs herzuholen.
Nicht selten sieht man daß ein wohlgezeichnetes
Charakterstück, wiewohl sonst ohne Reiz
und Stil und Kunst, beim Volke mehr gewinnt,
und besser unterhält, als schöne Verse,
an Schall und Wohlklang reich, an Sachen leer.
Den Griechen, Freunde! (immer komm ich wieder
auf dies zurück) den Griechen gab die Muse
zugleich Genie und feines Kunstgefühl,
die Gabe der Empfindung und des schönen
und runden Ausdrucks: aber ihre Seelen kannten
auch keinen andern Geiz als den nach Ruhm.
Der Römer lernt von Kindesbeinen an
das As in hundert Teile teilen. Ruft,
zur Probe, nur den kleinen Sohn des Wechslers
Albinus her, und fragt ihn aus. – »Die Hälfte
von einem halben Gulden abgezogen,
was bleibt?« – »Ei«, spricht er lachend, »was wird bleiben?
Vier Groschen.« – »Braver Junge! Der
wird sein Vermögen nicht vergeuden! – Und
zum halben Gulden noch die vier
hinzugetan, macht –?« – »Einen halben Taler.«
Wie? Und von Seelen, die mit diesem Rost
von Habsucht einmal überzogen sind,
erwarten wir Gedichte, die vor Motten
verwahrt zu werden je verdienen könnten?
Des Dichters Zweck ist zu belustgen, oder
zu unterrichten, oder beides zu verbinden,
und unter einer angenehmen Hülle
uns Dinge, die im Leben brauchbar sind, zu sagen.
Lehrt er, so sei er kurz! Was schnell gesagt wird, faßt
der lehrbegierge Geist geschwinder auf
und hält es fester. Wie die Seele voll ist, läuft
das überflüßge ab.
Was bloß zur Lust
erdichtet wird, sei stets der Wahrheit ähnlich,
und um je weiter sich die Phantasie
von ihr entfernt, je stärker sei die Täuschung!
Ein Märchen soll nicht fodern, daß ihm Alles
geglaubet werd, und nicht den Knaben, den
die Lamia aufgegessen, wieder frisch
und ganz aus ihrem Leibe ziehen!
Der graue Teil des Publikums verdammt
was ohne Nutzen ist; hingegen steigt
die junge Mannschaft stolz bei einem ernsten
Gedicht vorbei. Der aber, der das Nützliche
so mit dem Angenehmen zu verbinden weiß,
daß er den Leser im Ergötzen bessert,
vereinigt alle Stimmen. Solch ein Werk
verdient den Sosiern Geld, geht übers Meer,
macht seiner Meister Namen allen Zungen
geläufig und der späten Nachwelt wert!
Indessen sind auch Fehler, denen man
Verzeihung schuldig ist: denn immer gibt die Saite
den Ton nicht an, den Seel und Hand verlangte,
und auch der beste Bogen trifft nicht immer.
Doch, glänzt das Meiste nur in einem Werke,
so sollen wenig Flecken mich nicht ärgern, die
des Dichters Fleiß entwischt sind, oder, weil er doch
nur Mensch ist, nicht von ihm verhütet werden konnten.
Nur, daß die Herren diese Klausel sich
nicht gleich zunutze machen! Denn, wie ein Kopist,
der, aller Warnung ungeachtet, immer
am gleichen Worte sich verschriebe, keine
Entschuldigung verdiente; wie ein Geiger
verspottet würde, der die gleiche Note,
so oft sie käme, falsch gegriffen hätte:
so heißt ein Dichter, der sich oft verschreibt,
bei mir ein Chörilus; und wenn ers gleich
auch zwei- bis dreimal gut gemacht, bewundre
ich ihn mit Lachen: wie es mich verdreußt,
wenn auch Homer sogar zuweilen – nickt;
wiewohl man doch in einem großen Werke
vom Schlaf ja wohl einmal beschlichen werden kann!
Gedichte sind darin den Malereien gleich,
daß manche desto mehr die Augen fesseln,
je näher man hinzutritt; andre, wenn man weiter
zurücktritt, erst die rechte Wirkung tun.
Dies liebt ein schwaches, jenes, das sich nicht
vorm schärfsten Auge scheut, ein helles Licht,
und wenn das erste einmal uns gefällt,
wird dieses zehnmal wiederholt gefallen.
Du, ältester der edlen Jünglinge,
wiewohl die Vaterstimme, und dein eignes
Gefühl dich schon zum Wahren bilden, präge doch
was ich jetzt sage fest in deinen Sinn.
Es gibt der Dinge viel, worin
die Mittelmäßigkeit mit gutem Fug
gestattet wird. Ein Rechtsgelehrter oder
ein Redner vor Gericht kann minder wissen
als ein Cascellius, an Beredsamkeit
weit unter dem Messala stehn, und hat
doch seinen Wert: den mittelmäßgen Dichter
schützen weder Götter, Menschen, noch
Verleger vor dem Untergang! Warum? –
ist leicht zu sehn. So wie ein übelstimmendes
Konzert bei einer guten Tafel, oder
zu dickes Salböl, oder Mohn mit Sard'schem Honig
bloß darum uns beleid'gen, weil die Mahlzeit
auch ohne sie recht wohl bestehen konnte;
just so verhält es sich mit einem Dichterwerke.
Denn da es bloß der Seele gütlich
zu tun erfunden ist, so senkt es sich,
wie's nur ein wenig vom Vollkommnen abweicht,
zum Schlechtesten. Wer mit den Waffen, die
im Campus üblich sind, nicht umzugehn
versteht, der bleibt davon; wer mit dem Ball,
dem Diskus, oder Reif zu spielen nicht
gelernt hat, gibt sich auch damit nicht ab,
um nicht dem Volk, das zusieht, zum Gelächter
zu werden – Wie? und wer die Dichtkunst nie
gelernt hat, untersteht sich Verse
zu machen? – »Und warum denn nicht? Er ist
ja wohl von gutem Hause gnug dazu!
Ein freigeborner, biedrer, unbescholtner Mann,
von rittermäßgen Renten! und er sollte
nicht, wenns ihn ankömmt, Verse machen dürfen?«
Ich lasse mirs gefallen – Aber du,
mein Piso – dies verspricht uns dein Verstand
und guter Sinn – du wirst, in deinem Leben, mit
Minervens Widerwillen nichts beginnen.
Doch wenn du jemals etwas schreiben solltest,
laß Tarpas Ohr, und deines edeln Vaters
und meines Richter sein; verschließ es dann
in deinen Pult und halts ins neunte Jahr zurück,
so bleibst du Meister wieder auszulöschen
was nicht ediert ist. Ein entflognes Wort
ist nun aus unserm Recht, und kommt nicht wieder.
Indessen, daß du über deine Liebe
zur Muse mit der goldnen Leier nicht errötest,
so denke, was von ihrem Ursprung an
die Kunst der Dichter war. Ward nicht von Orpheus,
dem heiligen Seher, dem die Götter ihre
Mysterien offenbarten, weil er Thracens
halbtierische Bewohner aus dem Wust
der Wildheit zog und menschlich leben lernte,
gesagt, er habe Tiger zähmen, wütge Löwen
durch seiner Lieder Reiz besänftgen können?
Ward von Amphion, des Thebanschen Schlosses
Erbauer, nicht gesagt, er habe Felsen
und Wälder seiner Leier süßen Tönen,
wohin er wollte, folgsam nachgezogen?
Im Heldenalter wars der Weisen Amt,
ein rohes Waldgeschlecht aus ihren Grüften
zu ziehn, und an Geselligkeit, und Furcht
der Götter, Zucht und Ordnung, zu gewöhnen.
Sie stiftete der Ehe keuschen Bund,
sie legte Städte an und gab Gesetze:
und weil die Zauberkräfte des Gesangs
zu allem diesem ihr behülflich waren,
so stieg des Sängers Ansehn in den Augen
des Volkes, und ein Glaube, daß er näher
den Göttern wäre, goß was Göttliches
um seinen Mund, und seine Lieder wurden
Orakel des Vergangnen und der Zukunft.
Nun kam Homer, der über alle ragt,
und bald nach ihm Tyrtäus, dessen Lieder
den schönen Tod fürs väterliche Land
im Vorderreihn der Schlacht mit Eifersucht
zu suchen, Spartas Männerseelen spornte.
In Versen gab den Fragenden der Gott
zu Delphi Antwort; in der Musensprache
wies uns Pythagoras des Lebens Weg.
Zu ihren süßen Weisen neigte sich
das Ohr der Könige, und endlich schloß
des Jahres Arbeit sich mit ihren Spielen.
Den Göttern angenehm, den Menschen hold,
und mit des Krieges und des Friedens Künsten
gleich freundlich sich verschwisternd, ist fürwahr
die Kunst der Musen edler Schüler wert!
Man pflegt zu streiten, ob Naturkraft, oder
ob Kunst ein Dichterwerk vortrefflich mache?
Mir meines Orts scheint ohne reiche Ader
das strengste Studium, und ohne Kunst
das beste Naturell gleich unzulänglich:
Keins kann des andern mangeln: aber, freundlich
vereinigt, glänzen beide desto mehr.
Wer auf der Rennbahn siegen will, der muß
als Knabe schon viel tun und leiden, Frost
und Hitze dulden, und von Wein und Werken
der Venus sich enthalten. Lange hat zuvor
der Flötenspieler, der den Pythischen Preis
verdienen will, sich üben und die Strenge
des Meisters fürchten müssen. Nur mit unsern Dichtern
ists anders; zuversichtlich gibt sich jeder
wofür er will, schimpft tapfer auf die Pfuscher,
und will aufs mindste nicht der Letzte sein;
als ob es Schande wäre einem andern
in dieser einzgen Kunst was einzuräumen,
und nicht zu können, was man nie gelernt.
Ein Dichter, der an Renten reicher als
an Witz ist, ruft die Schmeichler zum Gewinn
herbei: mir ists, ich höre einen Mäkler
zu einer Auktion die Leute rufen.
Und ist er gar der Mann, bei dem die Herren
auf eine gute Tafel rechnen können,
der willig ist, für einen armen Schelm
sich zu verbürgen, und Kredit hat, einem
aus einem schlimmen Handel auszuhelfen;
so wärs ein Wunder, wenn er von den vielen Freunden,
die ihm dies Alles macht, den Wahren aus den Falschen
zu kennen wüßte.
Du, mein Piso, wenn
Du einem was geschenkt hast, oder schenken willst,
nimm dich in acht, ihm in der ersten Wallung
der Freude deine Verse vorzulesen;
dann da versteht sichs, daß er alle Augenblicke
o! schön! vortrefflich! herrlich! rufen wird.
Bei jener Stelle wird er ordentlich erblassen,
ja wohl aus seinen treuergebnen Augen
dankbare Tränen tröpfeln: wird bei dieser
aufspringen und den Boden vor Entzücken stampfen.
So wie die Weiber, die bei einer Leiche
zum Weinen sich verdingen, ärger schrein
als jene denen es von Herzen geht:
so macht ein Schalk von Schmeichler allemal
mehr Lärmens, als wer aus Gefühl dich lobt.
Die Fürsten, sagt man, sollen große Humpen
als eine Art von Folter brauchen, wenn sie jemand
probieren wollen, ob er ihrer Freundschaft wert sei:
Um einen Freund im Fuchsbalg auszufinden
mach einer Verse! – Wenn man dem Quintil
was las, so hieß er euch bald dies bald das
verbessern. Sagte man: es gehe nicht,
man hab es schon vergebens zwei- bis dreimal
versucht: so hieß er euch die ganze Stelle
durchstreichen, und die schlecht geprägten Verse
noch einmal auf den Amboß legen. Wenn
nun aber jemand seine Fehler lieber
behaupten als verbessern wollte, so
verlor er auch kein Wörtchen mehr, und konnt
es wohl geschehen lassen, daß der Mann
sich und sein Werkchen ohne Nebenbuhler liebte.
Ein Freund, ders redlich meint und richtig denkt,
wird keine Härte, wird nichts mattes dulden;
die üppgen Ranken schneidt er frisch hinweg,
dem was nicht klar genug ist zwingt er euch
mehr Licht zu geben, läßt nichts doppelsinnigs,
nichts schielends, oder was am rechten Ort nicht steht,
unangezeichnet, kurz, er wird ein Aristarch,
und denkt nicht: ei, was soll ich meinem Freunde
Verdruß mit solchen Kleinigkeiten machen?
O! solche Kleinigkeiten können für den Freund,
der gleich aufs erstemal sich lächerlich
gemacht und schlecht vom Publikum
empfangen wird, sehr große Folgen haben.
Denn kluge Leute gehen einem abgeschmackten
Poeten überall behutsam aus dem Wege,
und scheuen sich so sehr ihn anzurühren,
als einen den ein böser Aussatz oder
der Zorn Dianens plagt; nur Kinder, der Gefahr
unkundig, laufen schreiend hinter drein.
Wenn so ein Mensch in seinem Aberwitz,
unwissend wo, die Nase in der Luft,
durch alle Gassen läuft und Verse – rülpst
und drüber, wie ein Vogler, der aufs Amselfangen
zu sehr erpicht ist, plump! in eine Grube fällt:
so zieh ihn ja, wie laut er schreien mag,
kein Mensch heraus! Denn wenn du ihm
mit einem Seil zu Hülfe springen wolltest,
was weißt du, ob er nicht mit Vorsatz sich
hineingestürzt? wie einst Empedokles
die kühle Tat beging, und in den Feuerschlund
des Aetna sprang, damit die Leute dächten
er sei ein Gott geworden. Frei
und unbenommen seis den Verslern, nach Belieben
den Hals zu brechen! Jemand wider Willen
zum Leben zwingen, ist im Grunde nicht
viel besser als ihn morden. Laßt ihn springen
wohin er will; dadurch, daß man heraus
ihn ziehet, wirds nicht besser mit ihm werden.
Die Wut, mit einer Art die Aufsehns macht
zu sterben, wird darum ihn nicht verlassen.
Warum er Verse macht, ist ohnehin
nicht sehr begreiflich, wenns nicht Strafe ist,
weil er die Asche seines Vaters einst
besudelt, oder sonst an heilger Stätte
was Greuliches begangen; immer ist gewiß,
er raset, und verjagt, sobald man ihn
mit seinem Heft in Händen kommen sieht,
Gelehrt' und Ungelehrte, wie ein Bär,
der durch die Latten seines Käfigs durchgebrochen.
Weh aber dem, den er ergriffen hat!
Er hält ihn fest, und – gleich dem Egel, der
nicht abläßt bis er voll ist – wird er ihn
mit Lesen quälen, bis der arme Patient
den Geist, vor Gähnen, aufgegeben hat. |