Christoph Martin Wieland
Pandora
Christoph Martin Wieland

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Erster Aufzug.


Erste Scene.

Der Schauplatz stellt eine Wildniß vor. Im Hintergrunde erblickt man in einem oberhalb mit Gesträuchen bewachsnen Felsen die Werkstatt des Prometheus, mit verschiedenen Statuen und Bildnerarbeiten ausgeziert, und in noch größerer Entfernung eine ländliche Gegend mit zerstreut liegenden Hütten.

Prometheus tritt auf.

Prometheus.
Es ist nun endlich wieder einmal Zeit,
Zu sehn, was meine guten Menschen machen –
Wie doch aus Scherz so leicht Ernst werden kann!
Da ich mit meinen lieben Vettern im Olymp
Mich länger nicht vertragen konnte, stieg ich
Herab zur Erde, um es bei den Thieren zu
Versuchen, die in jenen Tagen
Die einz'gen Erdbewohner waren. Eine Zeit lang
Ergetzte mich des thierischen Instincts
Manchfalt'ges Spiel; und als ich an Betrachtung dessen,
Was jeder Art natürlich, jeder eigen ist,
Mich lang genug belustigt hatte,
Laß sehen, dacht' ich, ob die Kunst vielleicht
Die engen Schranken der organischen Natur
Erweitern kann? – Ich machte den Versuch
Mit den gelehrigsten. Den Elephanten
Lehrt' ich, des nervenvollen Rüssels sich
Wie einer Hand bedienen, lehrte
Den Hund ins Wasser gehn, den Affen tanzen,
Den Papagei die Göttersprache schwatzen.
Auch dessen ward ich endlich überdrüssig.
Des Elephanten Rüssel war doch keine Hand,
Und meine Affen tanzten just so ungeberdig,
Als meine Papageien albern schwatzten.
Vor lauter langer Weile kam ich endlich auf
Den Einfall, zu versuchen, ob sich nicht aus Lehm
Und Wasser etwas Neues machen ließe.
Nun fing ich an zu kneten, drückte, bildete
Und bildete und drückte, ohne Plan und Absicht,
Bis unversehens ein gabelförmiges
Possirlichs, embryon'sches Ding zum Vorschein kam,
So ungefähr, als wenn ein ungeschickter Bildner
Aus einem feigenbaumnen Klotz'
Euch einen Bacchus oder Hermes schnitzeln wollte.
Denn, wie's auch Einer anfängt, der was machen will,
Am Ende kommt doch immer was heraus,
Das seines Machers Bild und Umschrift trägt.
Und da ich nun mein Händewerk besah,
Auf einmal blitzt mir der Gedanke auf,
Es könnte aus dem absichtlosen Spiel
Der Laune noch was leidlich Gutes werden..
Der Lehmen war so folgsam! – bildete
Mit jedem Druck sich schöner – Kurz, ich brütete
Mit Liebe über dem, was ich aus Grille
Begonnen hatte; formte, leckte, putzte
So lange dran, bis nun das neue Lehmgeschöpf
Dem Ideal in meinem Kopf so ähnlich sah,
Als – Lehm und Wasser es erlauben wollten.
Und wie ich fertig war, da stand's so schön
Vor meinen Vateraugen da,
Daß ich dem Drang nicht widerstehen konnt',
Es zu beseelen, um es glücklich machen
Zu können: und so wurden – Menschen draus,
Ein drollig Mittelding von Thier und Gott;
Und ich, ich hatte meine Lust daran,
Zu wohnen unter ihnen, meines überlästigen
Vorzugs vergessend, Theil an ihren kindlichen
Schuldlosen Freuden nehmend, mit den Menschen
Ein Mensch, mit Kindern Kind zu werden.
Denn, weil ich glücklich, ohne Mischung glücklich
Sie machen wollte, hatt' ich sie so gut gemacht,
Als möglich! aber freilich auch so gut, so gut –
Daß es doch wahrlich in die Länge nicht
Bei ihnen auszudauern war. – Ich zog mich also,
In aller Still', in meine Werkstatt, dort
In jenen Fels, zurück – Schon sechzigmal
Erneuerte den Lauf der Jahreszeiten
Die Sonne, seit ich dort, zu meinen dichtenden
Gedanken eingeschlossen, sinn' und sinne
Und rastlos einen mißgerathenen
Versuch anstelle nach dem andern, wie es wohl
Zu machen wäre, daß die guten Leutchen
Einander nicht – und auch sich selber nicht –
So gar einförmig ähnlich sähen, etwas weniger
Langweilig wären, etwas mehr Gewandtheit
Und Geist und Leben überkämen
Und doch so fromm und bieder blieben wie
Zuvor. Am Ende bin ich nun
Des ewigen Versuchens müde worden
Und wahrlich auch der ew'gen Einsamkeit!
Denn selbst uns andern Göttern taugt es nicht,
Zu lang' allein zu seyn, und auch die frostigste
Gesellschaft ist zuletzt doch immer besser,
Als keine. – Ueberdieß gelüstet's mich, zu sehen,
Was wohl in all der Zeit aus meinen Menschen
Geworden seyn mag? Ob sie immer noch
So gut, so glücklich noch und – immer so
Langweilig sind, als wie ich sie vor sechzig Jahren
Verlassen habe –

(Eine liebliche Musik läßt sich von ferne hören, und Pandora zeigt sich, langsam aus dem Walde hervorkommend.)

                              Wie? was hör' ich? – Was
Erscheint mir dort? – So ähnlich des Olymps
Bewohnerinnen an Gestalt und doch
Mir unbekannt?

Pandora.
Willkommen, ihr liebliche grüne Gefilde,
    Ihr schattende Lauben, so freundlich, so gut!
Geblendet vom Glanze der Himmelsbewohner,
    Verlechzt in der reinen ätherischen Glut,
Wie süß mir in eurer erfrischenden Milde
    Die Brust sich dehnt, das Auge ruht!
Willkommen, ihr liebliche Schattengefilde,
    Ihr duftende Lauben, so freundlich, so gut!

(Sie schaut umher, erblickt den Prometheus, stutzt und tritt ein wenig zurück.)

Prometheus (für sich).
Kein Werk von meinen – und doch keine Göttin!
        (Zu Pandora.)Der folgende Dialog zwischen Prometheus und Pandora muß als obligates Recitativ gesetzt werden.
Sag' an, mit welchem Namen, schöne Nymphe, grüß' ich dich,
Und was ist's, Absicht oder Zufall,
Was dich zur Erde führt?

Pandora.
Pandora nannten mich
Die Götter, als sie mich, ein athemloses Bild
Von Elfenbein, gebildet von Vulcan,
Belebten und mit ihren Gaben in die Wette
Beschenkten – Und du, göttergleicher Mann,
Täuscht mich mein Auge nicht, so bist du der,
Zu dem sie mich gesandt?

Prometheus.
Wie ist sein Name?

Pandora.
Prometheus.

Prometheus.
Und die schöne Büchse da
In deiner Hand ist ohne Zweifel auch
Der Gaben eine, womit die Götter dich
Beschenkten?

Pandora.
Nein, die ist für dich; sie dir
Zu überbringen, komm' ich –

Prometheus.
Mir?

Pandora.
Wenn du Prometheus bist!

Prometheus.
Die Herren des Olympus also senden dich
Zu mir, aus ihrer Hand mir ein Geschenk
Zu bringen?

Pandora.
Und verboten mir mit großem Ernst,
Die Büchse nicht zu öffnen, eh' ich sie
In deine Hand gestellt.

Duett.

Prometheus.
                Geöffnet also soll sie werden?

Pandora.
                Ja freilich! aber nur von dir.

Prometheus.
                Geöffnet, aber nur von mir!
                Und darum sendeten Pandoren
                Die Herren des Olymps zu mir?

Pandora.
                Blos darum sendeten Pandoren
                Die Herren des Olymps zu dir.

Prometheus.
                Sie haben ihre Müh' verloren!
                Ich öffne nicht! Beim Styx, an mir
                Ist diese Hinterlist verloren!

Pandora.
                So sieh doch nur die Arbeit an,
                Die feinste Arbeit von Vulcan!
                Nie sah man eine schönre Büchse.

Prometheus.
                Nie sah ich eine schönre Büchse;
                Doch sie eröffnen? Nein! beim Styxe!
                Eröffne sie, wer will! ich nicht!

Pandora.
                Was hör' ich? Du verschmähst Pandoren?
                Der Götter Gaben?

Prometheuss.
                                                O, nicht dich!
                Für dich, Pandore, leg' ich mich
                Den Herren des Olymps zu Füßen.
                Viel Danks für dich! Zu rechter Zeit
                Erscheinst du, mir die Einsamkeit
                In dieser Wildniß zu versüßen.

Pandora.
                Von Herzen gern! Ich bin bereit.
                Allein zuvor, zuvor gebeut
                Dir Zeus, die Büchse aufzuschließen.

Prometheus.
                Begehre Alles, holdes Kind!
                Nur dieses nicht! Ich hab's verschworen!

Pandora.
                So hab' ich meinen Gang verloren!
                Grausamer! Du verschmähst Pandoren?

Prometheus.
                Da wär' ich fühllos, taub und blind!
                Beim ersten Anblick, holdes Kind,
                Hab' ich zur Braut dich mir erkoren;
                Beim ersten Anblick liebt' ich dich.

Pandora.
                Du liebest mich und kannst es wagen,
                Mir eine solche Kleinigkeit,
                Die erste Bitte! abzuschlagen?

Prometheus.
                Kind, wir verlieren unsre Zeit;
                Wir könnten besser sie vertreiben.
                Sonst Alles soll gewährt dir seyn,
                Begehre, was du willst; allein
                Die Büchse muß verschlossen bleiben!

Pandora.Was nun folgt, wird bloß gesprochen.
                Du fürchtest also, wie es scheint –

Prometheus.
        Ich weiß nicht was;
        Genug, ich traue den Geschenken nicht,
        Die mir von solchen Freunden kommen!
        Auf ein Kamin zu stellen, nun, dazu
        Ist diese Büchse schön genug;
        Gib immer her!

Pandora.
        Mißtrauest du auch mir?

Prometheus.
        Gib nur!

Pandora.
        Du willst sie also öffnen?
        Ich möchte gar zu gerne sehen,
        Was drin ist – ganz gewiß was Schönes!

Prometheus.
        Gewiß nicht, was dich schöner machen kann.

Pandora.
Wer weiß? Auf Juno's Nachttisch sah ich einst
So eine Büchse –

Prometheus.
Still! ich sehe Leute sich uns nahen –
Komm, reizende Pandora, laß in meine Wohnung
Dich führen; komm, wir können dort die Sache
Bequemer überlegen; und, mich däucht,
Nach einer Reise vom Olymp hierher
Wird dir Erfrischung nöthig seyn und Ruhe.

(Sie gehen ab.)


Zweite Scene.

Der Schauplatz verwandelt sich in eine anmuthige Gegend nahe bei den Hütten.

Lalage und Hylas von verschiedenen Seiten.

Lalage (auf ihn zueilend). Ah, da kommst du ja wie gerufen, Hylas! ich suchte dich überall.

Hylas. Wie das zusammentrifft! Ich suchte dich auch allenthalben – Höre, Lalage! ich weiß dir gar nicht mehr, wie mir zu Muth ist. Wenn ich dich nur eine halbe Stunde nicht gesehen habe, so wird's mir gleich so wunderlich ums Herz – es ist, als wenn ich gar nicht mehr Athem holen könne, wenn du nicht bei mir bist.

Lalage. Mir ist's just eben so; ich kann mich nirgends freuen, wo ich dich nicht sehe. Woher das wohl kommen mag?

Hylas. Das macht wohl, weil wir uns lieb haben, Lalage! Ach! wenn ich's dir nur zeigen könnte, wie lieb ich dich habe! Und doch bin ich dein Mann noch nicht.

Lalage. Ha! da erinnerst du mich eben recht! Vor lauter Freude, daß ich dich sah, hätt' ich's schier vergessen. Du wirst heute noch mein Mann werden, heute noch.

Hylas. Heute noch? (Er thut einen Sprung vor Freude.) Heute noch?

Lalage. Meine Mutter, meine Tante, meine Base Chloe, Alle werden gleich hier seyn und die Sache vollends richtig machen.

Hylas. O! das ist ja herrlich! Für die gute Nachricht muß ich dir auch gleich im Gebüsche dort die schönste Rose pflücken.

(Sie hüpfen mit einander weg.)


Dritte Scene.

Mercur allein. Jupiter schickt mich herab, zu sehen, wie Pandora ihren Auftrag ausrichten wird, und ein wenig nachzuhelfen, falls es nöthig seyn sollte. Wenn Prometheus, wie nicht zu zweifeln ist, sich weigert, die Büchse zu öffnen, so soll ich Pandorens Neugier reizen, es selbst zu thun. Die Olympier wollen sich die Kurzweil machen, zu sehen, was die Leidenschaften unter der feinen Töpferarbeit, womit Prometheus die Erde ausmeublirt hat, für einen Spuk anrichten werden. Ein bißchen Schadenfreude mag wohl auch dabei seyn. – Weil sie aber doch nicht für die Urheber des Bösen angesehen seyn möchten, so soll Alles so eingeleitet werden, daß Prometheus oder Pandora am Ende sich selbst die Schuld geben müssen. – Aber wo ist mir Pandora schon hingeschlüpft? – Daß man doch ein hübsches Mädchen keinen Augenblick aus dem Gesicht verlieren darf!


Vierte Scene.

Hylas und Lalage, zurückkommend, werden den Mercur gewahr.

Hylas. Ei sieh doch Lalage, was für ein seltsames Geschöpf das ist – Es hat Flügel an den Ohren und an den Fersen.

Lalage. Seltsam! Und doch läßt's ihm gut. – Ein hübscher Mann, gar ein hübscher Mann, nicht wahr, Hylas?

Hylas. Gefällt er dir? So wollen wir näher zu ihm gehen.

Lalage. Das wollen wir. (Sie hüpfen zu ihm hin.)

Mercur (für sich). Die guten Geschöpfe! – Ich will mich an sie machen, Sie können mir vielleicht auf Pandorens Spur helfen. (Zu Hylas und Lalage.) Guten Tag, Kinder! Wünsche viel Glück! Ihr sollt ja heute Mann und Frau werden?

Hylas. Und das weiß Er schon?

Mercur. Ich weiß Alles.

Lalage. Ist's möglich? So weiß Er wohl auch, warum mir gleich das Herz so schlägt, wenn ich den Hylas kommen sehe, und mir doch so wohl dabei ist?

Hylas. Und warum ich die Lalage so lieb habe, da sie doch meine Frau noch nicht ist?

Mercur. Allerdings. Ich weiß auch, daß der alte Glaukon, der die großen Heerden und die vielen Kornfelder hat, die schöne Lalage gern zur Frau haben möchte.

Hylas. Das glaub' ich! Aber er kommt zu spät. Nu, nu! er wird sich schon ein andres hübsches Mädchen zur Frau aussuchen.

Mercur. Habt ihr einander denn im Ernst so lieb, Kinder?

Hylas. O! ich habe meine eigne Mutter nicht lieber als sie. (Auf Lalagen weisend.)

Lalage. Ich kann die Stunde kaum erwarten, bis er mein Mann wird.

Mercur (für sich). Was das unschuldig ist! (Zu Hylas und Lalage.) Ihr werdet also ein gar gutes Ehepaar abgeben?

Duett.

Hylas und Lalage.

Hylas.
                Das glaub' Er mir, das beste Paar,

Lalage.
                Das glaub' Er mir, das beste Paar,

Beide.
                Das je im Dorf gesehen war.

Hylas.
                Von der Früh bis in die Nacht,
                Bei der Arbeit, auf der Weide,
                Will ich auf nichts Anders sinnen,
                Als was Lal'gen Freude macht.

Lalage zu Hylas (gleichzeitig).
                Von der Früh bis in die Nacht
                Soll dein Weibchen nichts beginnen,
                Nichts beginnen, als was Freude
                Ihrem lieben Hylas macht.

Hylas zu Mercur.
                Ob wir ein gutes Ehpaar geben?

Lalage.
                Was das für eine Frage war!

Beide.
                Kein solches Paar
                Sah er fürwahr
                    In seinem Leben!

Mercur (für sich). Das ist was anders als unsre Ehen im Olymp! – Die guten Kinder! Schade drum, daß sie aus einer Dumpfheit gezogen werden sollen, durch die sie so glücklich sind.


Fünfte Scene.

Myra und Koronis zu den Vorigen.

(Mercur tritt auf die Seite.)

Lalage. Ah, da kommen sie, da kommen sie!

Myra (zu Hylas). Ei, mein künftiger Schwiegersohn! mich freut ja recht, daß ich Ihn so allein bei meiner Tochter antreffe.

Mercur (bei Seite). Das gute Mamachen!

Koronis (zu Lalage). Nichte, du hast da eine recht gute Wahl an dem jungen Hylas getroffen! und ich freue mich, daß du so glücklich mit ihm seyn wirst. Ich hatte zwar selbst Willens, seine Frau zu werden; aber ich habe mich bedacht, daß du dich besser für ihn schickst, als ich.

Lalage (mit einem Knicks). Danke schönstens, liebe Tante; ich habe das auch gedacht.

Hylas. Ihr habt recht wohl daran gethan, Koronis; denn ich habe Lalagen lieber als Euch.

Koronis. Da hast du recht; sie ist auch viel liebenswürdiger als ich.

Mercur. Das nenn' ich eine Tante!

Myra. Nun, Kinder, schüttet euer Herz frei vor eurer Mutter aus! Hylas, was soll ich meiner Tochter zur Mitgift geben?

Hylas. Ich verlange nichts als Lalagen.

Lalage. Wenn ich nur meinen Hylas habe; das Uebrige kümmert mich nichts.

Myra. Hört nur! Ich gebe meinem Mädchen zum Brautschatz mein großes Feld dort am Hügel mit allen Früchten darauf.

Hylas. Nein, nein, liebe Mutter! Behaltet Ihr Euer Feld für Euch! Haben wir nicht meinen Garten und Lalagens Heerden? Davon wollen wir unsre Haushaltung schon bestreiten.

Lalage. Hylas ist gar ein guter Gärtner; er wird mir's an nichts fehlen lassen.

Myra (indem sie Mercur gewahr wird). Was habt ihr da für einen Fremden bei euch?

Hylas. Es ist ein guter Freund von uns; er kennt uns Alle, wenn schon wir ihn nicht kennen.

Mercur. Ich bin ein Diener von beiden Familien; ich will einer von den Brautführern seyn, wenn's euch nicht entgegen ist.

Myra, Hylas. und Lalage (zugleich). Soll uns sehr angenehm seyn.


Sechste Scene.

Glaukon und Chloe zu den Vorigen.

Glaukon. Guten Tag, Lalage! Guten Tag. Myra! Guten Tag, Koronis! Guten Tag, Hylas!

Chloe. Guten Tag der ganzen Gesellschaft!

Myra. Ihr allein fehltet uns, um unsre Freude ganz zu machen.

Hylas. Willkommen, Glaukon! Ich besorgte schier, Ihr würdet nicht kommen.

Glaukon. Warum das?

Hylas. Weil ich Lalagen heirathe, die Ihr auch zur Frau haben wolltet, da dacht' ich, Ihr würdet vielleicht nicht gerne bei meiner Hochzeit seyn wollen.

Glaukon. Wer? ich? Ich wünsche ja nichts, als daß sie recht glücklich sey. Weil sie mit dir glücklicher seyn wird als mit mir, so verdreußt mich's gar nicht, daß du den Vorzug bekommen hast.

Mercur (zu Glaukon). Ihr seyd ein sehr gefälliger Nebenbuhler.

Glaukon. Ich habe Heerden in Menge, und meine Scheunen und Kornböden sind voll bis oben an. Das Alles steht dem jungen Hylas zu Diensten, weil ihn Lalage liebt.

Hylas (umarmt ihn). Ihr seyd auch gar zu gut, Vater Glaukon. Gebt mir einen Kuß; ich versprech's Euch, ich will ihn Lalagen in Eurem Namen wiedergeben.

Glaukon. Ich verlange nichts von ihr, als daß ich euch zuweilen besuchen darf. Wenn ich sie nur sehe, so bin ich schon zufrieden.

Mercur. Ein genügsamer Mann!

Chloe (zu Lalage). Base, mich freut recht herzlich, daß Ihr den Hylas heirathet. Es ist ein hübscher Junge, ich bin ihm immer gut gewesen. Wenn er nicht Euer Mann würde, so hätt' ich wünschen mögen, daß er der meinige geworden wäre.

Myra. Nun, Kinder, wozu all das Gerede? Die Hauptsache wär' also richtig! Geht, ihr Mädchen, und holt eure Blumenkränze. Die ganze Gesellschaft ist hiemit in meine Hütte zur Hochzeit eingeladen! Du, – (zu Lalagen) – komm', und hilf mir Alles vollends zum Empfang unsrer Gäste anordnen.

(Myra, Chloe und Koronis gehen ab.)

Lalage (zu Hylas im Weggehen). Komm bald nach, Hylas!

(Glaukon und Hylas gehen auf einer andern Seite ab.)


Siebente Scene.

Mercur für sich. Auf meine Ehre, es ist Jammerschade um die guten Leutchen, wenn Pandora ihre Büchse öffnet. Was das für eine Hochzeit gewesen wäre! Eine Mutter, die nicht eigennützig ist! Eine Tante, die sich nicht ziert, um ihre Nichte zu verdunkeln! Braut und Bräutigam, beide unschuldig, wie die Kinder! Ein reicher Alter, der so billig ist, einem jungen Nebenbuhler freiwillig zu weichen, und sein Vermögen aus purer Gutherzigkeit mit ihm theilen will!

        Verliebte ohne Eifersucht,
        Und Mädchen ohne Neid!
        Verwandte ohne Hader,
        Nicht eine böse Ader
        Im ganzen Völkchen, weit und breit,
        Und lauter gute Ehen!
        Das nenn' ich eine goldne Zeit!
        Das wird nur hier gesehen!
        Die Liebe ohne Eifersucht,
        Nicht eine böse Ader
        Im ganzen Volke, ohne Neid
        Die Mädchen, ohne Hader
        Verwandte, nichts als Freundlichkeit
        Und guter Wille weit und breit,
        Und lauter gute Ehen!
        Nein, niemals wird die Folgezeit
        Dieß Wunder wieder sehen!


Achte Scene.

Hylas, Glaukon, zurückkommend.

Hylas. Ei, ei, schier hätten wir unsern guten Freund, den Fremden, vergessen; und er könnte uns doch nöthig haben.

Glaukon. I, da ist er ja schon.

Mercur. Hört einmal, gute Freunde, ist euch diesen Morgen keine fremde Jungfrau in diesem Walde vorgekommen?

Hylas. Eine fremde Jungfrau? Mir nicht, daß ich wüßte.

Glaukon. Mir auch nicht. Wie sah sie denn aus?

Mercur. Ihr würdet ihr's gleich angesehen haben, daß sie eine Ausländerin ist – Sie kann nicht weit seyn. Wollt ihr mir sie ein wenig suchen helfen?

Glaukon und Hylas. Von Herzen gern.

(Sie gehen ab.)


Neunte Scene.

Pandora kommt bald darauf aus einer andern Gegend des Waldes hervor.

Pandora (sich schüchtern umsehend). Er folgt mir doch nicht nach? – Und doch – wofür fürcht' ich mich? – Ich sah wohl, daß ich ihm nicht gleichgültig war. Beinah' hätt' ich ihn überwältigt. Zaubrerin, rief er, wer kann deinen Blicken, deinen Liebkosungen widerstehen?– O, wenn das wahr wäre, sagt' ich, du würdest mir so eine Kleinigkeit nicht abschlagen. Wenn du mich nur ein wenig lieb hättest – »Wollte der Himmel, daß ich dich weniger liebte! rief er; warum haben die Olympier dich zu mir geschickt? Konnten sie mir nicht einmal den Augenblick von Ruhe gönnen, den ich auf der Erde fand?« – Wie? du wolltest mich lieber gar nicht gesehen haben? und du nennst das Liebe? – »Ach, Pandora, was kann mir Liebe ohne Gegenliebe helfen?« – O, sagt' ich, ist's nur das? Ich will dich gewiß recht sehr lieb haben, wenn du die Büchse öffnest – Du? sprach er, und sah mir scharf in die Augen; du willst mich lieben? Du, lieben? Die Olympier haben dich zu reichlich begabt – du kannst nichts lieben, als dich selbst. – Nun merkt' ich, daß ich Alles über ihn erhalten könnte. – Ich verdoppelte meine Bitten, meine Liebkosungen. Er wußte sich gar nicht mehr zu helfen. Laß mich, rief er zuletzt – ich will gehen – aber versprich mir bei deiner Hand, daß du die Büchse indeß nicht öffnen willst – ich will gehn und das Schicksal fragen – Ich begreife nicht, was er damit sagen wollte. Es war wohl nur eine Ausrede, denk' ich – Genug, ich versprach ihm Alles. Ich bin bald wieder bei dir, sagt' er und ging tief in seine Felsenwohnung hinein. Aber ich wartete seine Zurückkunft nicht ab. Ich weiß nicht, was für ein Grauen mich ankam, da ich mich in seiner Werkstatt mitten unter all den wunderbaren Göttergestalten allein sah – Es war wohl auch Neugier dabei, was er anfangen würde, wenn er mich nicht mehr fände. Kurz, ich lief davon – und da bin ich nun mit meiner Büchse – und möchte für mein Leben gerne wissen, was drin wäre, und – getraue mir doch nicht, sie aufzumachen! – Wenn er nur bald käme! Er soll sie mir ganz gewiß aufmachen, da bin ich gut dafür!


Zehnte Scene.

Chloe, mit Blumenkränzen geputzt. Pandora.

Pandora. Ei! Was kommt da für ein Mädchen gegangen? Eines von Prometheus Geschöpfen ohne Zweifel. Sie gefällt mir. Ich will sie anreden. (Zu Chloe.) Wohin, schönes Mädchen?

Chloe (stutzt bei Pandorens Anblick). Wer bist du, Schöne – weiß nicht, wie ich dich nennen soll? Keine von den unsrigen, das seh' ich wohl – und doch lieb' ich dich, als ob du schon lange meine Gespielin gewesen wärst. Wie nennst du dich?

Pandora. Pandora.

Chloe. O des schönen Namens! Und wo kommst du her?

Pandora. Vom Olymp.

Chloe. Vom Olymp? Was ist das für ein Ort?

Pandora. Die Götter wohnen da, deren Werk ich bin.

Chloe. Die Götter wohnen da? Was nennst du Götter?

Pandora. Wie? kennt man bei euch die Götter nicht?

Chloe. Nicht daß ich wüßte; ich habe nie von ihnen reden hören.

Pandora. Kennst du auch den Prometheus nicht?

Chloe. Dem Namen nach wohl; gesehen hat ihn Niemand von den Meinigen. Aber wir lieben und ehren ihn dennoch unbekannter Weise. Denn man sagt, er habe unsern Voreltern das Leben gegeben, und Alles, was wir haben, all unser Glück sey sein Geschenk! Es muß ein gar guter Herr seyn! Aber er hat sich schon lange dort in die schrecklichen Felsen zurückgezogen; und Niemand getraut sich, ihn da zu suchen. Die Leute sagen, man verirre sich darin, wenn man ihn suchen wolle, und es sey nicht möglich, sich wieder herauszufinden. Man kann ihn nur sehen, wenn er sich einem von selbst sehen lassen will. Er soll Verschiednen aus den Unsrigen schon begegnet seyn. Sie können nicht genug rühmen, was es für ein liebenswürdiger, gütiger Herr sey. Wir haben ihm Feste und Opfer anstellen wollen, aber er verbat sich's; er brauchte das nicht, sagte er; wenn wir nur immer gut und glücklich blieben, so wär' er schon zufrieden. – Aber was hast du da für ein schönes, glänzendes Gefäß
im Arme?

Pandora. Es ist eine goldne Büchse, die mir die Götter zum Geschenk mitgegeben haben. – Es sind gar schöne, gar gute Sachen drin, das bin ich versichert; aber ich darf sie nicht öffnen.

Chloe. Und warum nicht?

Pandora. Die Götter haben mir's verboten. Prometheus soll sie öffnen, sagten sie; aber der weigert sich's; er meint, man könne nicht wissen – es möchte was Böses drin stecken.

Chloe. Zeig doch her! Ich möchte sie selbst in Händen haben.

Pandora (gibt ihr die Büchse). Da!

Chloe. O, wie schön das ist! Wie zierlich! So was hab' ich mein Lebtage nicht gesehen! Was da erst für schöne Dinge drin seyn mögen!

Pandora. Das denk' ich auch.

Chloe. Ich hätte große Lust, den Deckel ganz sachte, ganz sachte ein wenig aufzuheben.

Pandora. Was du verwegen bist! Gib her! – (Sie nimmt ihr die Büchse.) – Es muß doch seine Ursache haben, daß Prometheus so hartnäckig darauf besteht, die Büchse nicht aufzumachen.

Chloe. Aber was könnt' es denn seyn?

Pandora. Das begreif' ich nicht.

Chloe. In einer so schönen Büchse wird man doch gewiß nichts Garstiges verschließen! – Und – sagtest du nicht, sie sey ein Geschenk von den Göttern, und die Götter wollen, daß sie geöffnet werde?

Pandora. Ja, aber nur von Prometheus.

Chloe. Nun, wenn Prometheus sie aufmachen darf, warum solltest du's nicht auch dürfen?

Pandora. Mir däucht, da hast du Recht.

Chloe. Du hebst den Deckel nur ein wenig, ein klein wenig auf und guckst hinein – Du kannst ihn ja geschwinde wieder zumachen, wenn's nöthig seyn sollte.

Pandora. Gut, willst du's wagen? Da hast du die Büchse – probir's!

Chloe (verschüttelt sich). Nein, nein! Behalte nur, Pandora; du kannst's eher wagen als ich.

Pandora. Aber was wird da auch am Ende viel zu wagen seyn? In einem so kleinen Gefässe kann doch wahrlich kein Ungeheuer stecken!

Chloe. Mir ist's gar nicht ums Aufmachen; wenn ich nur wüßte, was drin wäre.

Pandora. Das ist es eben. Weißt du was, Mädchen? Ich will den Deckel aufheben, so sind wir auf einmal aus dem Wunder –

(Sie versucht's, wiewohl furchtsam, den Deckel aufzurücken, und zieht die Hand immer wieder zurück.)


Eilfte Scene.

Mercur und Hylas zu den Vorigen.

Mercur (für sich). Wie ich sehe, hätten mir die Götter eine Müh' ersparen können. Pandora ist ein Mädchen und sollte nicht vorwitzig seyn?

Hylas (auf Chloen zueilend). He, Chloe! bist du da? Wo hast du meine Lalage?

Mercur (zu Pandora, die, sobald sie ihn erblickt, die Hand vom Deckel zurück zieht). Pandora!

Pandora. Ah! Mercur! Wie kommst du hierher?

Mercur. Als die Zephyrn dich auf die Erde herabtrugen, befahl mir Jupiter, dir nachzueilen und ein wenig Acht auf dich zu haben. Beinah' wär' ich, wie ich sehe, zu spät gekommen.

Pandora. Wie so?

Mercur. Warst du nicht im Begriff, die Büchse zu öffnen?

Pandora. Und was wär' es denn, wenn ich sie auch geöffnet hätte? Was kann denn drin seyn, das man nicht sollte sehen dürfen?

Mercur. Hast du sie dem Prometheus schon gebracht?

Pandora. Er will nichts damit zu thun haben. Er traut den Göttern nicht.

Mercur. Da hat er Unrecht.

Pandora. Das denk' ich auch. Ich wollte um meine Augen wetten, daß die schönsten Sachen von der Welt drin sind.

Mercur. Deine Augen? – Das wollt' ich dir doch nicht rathen.

Pandora. Mercur, laß mich nicht so lang am Messer – Sag' mir, was in der Büchse ist; du weißt es ganz gewiß.

Mercur. Sagen kann ich dir's leicht – Die Büchse ist bis oben an mit Leidenschaften angefüllt.

Pandora und Chloe. Mit Leidenschaften?

Hylas. Mit Leidenschaften? Was sind das für Thierchen?

Mercur. Zum Theil gar artige. Sie schlüpfen dir ins Herz, wie die Regenwürmer in einen lockern Boden, und dann wird dir so warm, so wohl, so –

Chloe. O, das müssen ja allerliebste Geschöpfe seyn!

Mercur. Das will ich eben nicht sagen. Es ist mit den Leidenschaften, wie – mit Allem in der Welt – Wenig schadt wenig – Zuviel ist immer ungesund; und Wasser, das gut zum Trinken ist, taugt nichts in den Schuhen.

Pandora. Ich verstehe nicht recht, was du damit sagen willst.

Mercur. Ich will damit sagen, es kommt bei den Leidenschaften Alles auf Maß und Ziel, Zeit und Ort an. Sie können gut oder böse seyn, jenachdem man sie zu behandeln weiß.

Pandora. Sie sind also nicht an sich selbst schlimm?

Mercur. Das eben nicht! Im Gegentheil! Es kann unendlich viel Gutes und Schönes aus ihnen entstehen. Aber –

Pandora. Was aber?

Mercur. Auch unendlich viel Böses.

Pandora. O, vor dem Bösen wollen wir uns schon in Acht nehmen.

Mercur. Da werdet ihr wohl dran thun. Aber –

Chloe. Schon wieder ein Aber?

Mercur. Sie werden euch viel zu schaffen machen; viel Unruhe, viel Schmerzen, viel –

Chloe und Hylas. Schmerzen?

Pandora. Wie so, Schmerzen?

Mercur. Die Leidenschaften machen Schmerzen oder Unruhe, wenigstens ehe sie befriedigt sind.

Pandora. Aber wenn sie befriedigt werden?

Mercur. Dann machen sie auch großes Vergnügen, das muß ich gestehen.

Hylas. I, so ist's ja damit, wie mit Hunger und Durst? Oder, wie wenn ich meine Lalage einen Tag nicht gesehen habe?

Mercur. So ungefähr.

Pandora. Ich will dir was sagen, Mercur – ich mache den Deckel auf.

Mercur. Du hast deinen freien Willen, Pandora! Gerathen will ich dir's nicht haben!

Pandora. Ich darf also, wenn ich will?

Mercur. Wenn du willst, so kannst du. Der Deckel ist leicht aufzuheben. Aber überlege wohl, was du thust!

Pandora. Ich hab' Alles überlegt. Ich mache den Deckel auf.

Chloe. O ja, Pandora! das thu' doch!

Mercur (für sich). O Prometheus! du hättest deine Geschöpfe an der blinden Seite besser verwahren sollen!

Pandora (indem sie den Deckel aufheben will). Das ist wunderlich! – es fährt mir ganz kalt über den Rücken hin, da ich den Deckel aufheben will –

Mercur (sehr ernsthaft). Es ist vielleicht eine geheime Warnung der Götter, Pandora.

Pandora. Ah! du willst mich wieder abschrecken?

Mercur. Es würde nicht viel helfen.

Pandora. Nein, wahrhaftig nicht!

Mercur. Es ist deine Sache! mich geht's nichts an.

Pandora. Herzhaft!

(Sie macht die Büchse auf. Auf einmal fällt eine dieser Scene angemessene und den ganzen Rest derselben begleitende Instrumental-Musik ein. Der Schauplatz verfinstert sich, und verschiedene kleine geflügelte Ungeheuer steigen in einem dicken Dampf, unter Blitz und Donner, aus der Büchse auf und verbreiten sich zu beiden Seiten. Hylas und Chloe rennen mit Angstgeschrei davon. Pandora, die Büchse noch immer erschrocken in der Hand haltend, bleibt allein auf dem Schauplatz. Indem erscheint Prometheus. Pandora erblickt ihn, läßt die Büchse vor Schrecken fallen und flieht.)

Prometheus (ruft ihr nach). O, was hast du gethan? Unglückliche!

(Er geht ab.)

 


 


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