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1 | Kaum fing Aurora an die Schatten zu verjagen, Und schloß dem Tag mit ihrer Rosenhand Die Pforten auf, so hielt der Schwanenwagen, Nicht weit vom seebespülten Strand Von Askalon, im Schirm von hohen Palmenbäumen, Auf einmahl still. Ein sanfter Stoß Weckt unser doppelt Paar, dieß aus des Schlummers Schooß, Und jenes aus der Liebe wachen Träumen. |
2 | In süßem Schrecken bebt die Sultanstochter auf, Indem zum ersten Mahl, vom Morgen angestrahlet, Das Weltmeer grenzenlos sich in ihr Auge mahlet. Voll Wunders schweift in ungehemmtem Lauf Der ausgedehnte Blick auf diesen Wasserhöhen; Die Unermeßlichkeit scheint vor ihr aufgethan: Doch, mitten in der Lust kommt sie ein Schaudern an, Im Unermeßlichen sich selbst so klein zu sehen. |
3 | Ein grauer Flor umnebelt ihren Blick. Wo bin ich? ruft sie. Doch, Herr Hüon, der am Wagen Mit offnen Armen steht ins Grüne sie zu tragen, Bringt den verschwebten Geist schnell zu sich selbst zurück. Sey, spricht er, ohne Furcht, mein Leben, (Indem er seinen Mund von Lieb' und Sehnsucht warm Auf ihren Busen drückt, den stille Seufzer heben) Sey ohne Furcht, du bist in meinem Arm. |
4 | Mit Wonne fühlt sie sich itzt wieder ganz umgeben Von ihrer Liebe, ganz in seinen Arm versenkt, Und junger Efeu kann am Stamm nicht brünst'ger kleben Als sie um seinen Leib die runden Arme schränkt. So eilt er mit der süßen Beute Den Palmen zu; setzt dann auf weiches Moos Sie in den Schatten hin, sich selbst an ihre Seite, Und tauschte seinen Platz um keines Sultans Loos. |
5 | Bald findet auch mit Fatme sich bey ihnen Sein Alter ein, entschlossen, er und sie, Bis auf den letzten Hauch dem lieben Paar zu dienen. Kaum hatte Scherasmin im Grünen Bey seinem Herrn, und Fatme nah am Knie Der jungen Dame Platz genommen, Schnell, wie ein Blitz der Fantasie, Kam durch die Luft der schöne Zwerg geschwommen. |
6 | Aus seinen Augen brach durch sanft bewölkten Gram Der Freundschaft mildes Licht, und als er näher kam, Sahn sie ein Kästchen, dicht besetzt mit Edelsteinen, In seinem linken Arm wie eine Sonne scheinen. Freund Hüon, sprach der Geist, nimm dieß aus meiner Hand, Wiewohl dich Karl dazu ausdrücklich nicht verpflichtet: Wenn du ihn wiedersiehst, so dien' es ihm zum Pfand, Daß du, was er begehrt, buchstäblich ausgerichtet! |
7 | Ihr merkt, (wiewohl in Rezia's Gegenwart Nicht schicklich war es laut zu offenbaren) Daß des Kalifen Zähn' und Bart, In Baumwoll' eingepackt, in diesem Kästchen waren. Es hatte, während daß der Sultan noch erstarrt In seinem Lehnstuhl lag, von Oberons unsichtbaren Trabanten einer sich behend ans Werk gemacht, Und alles, ohne Scher' und Pelikan, vollbracht. |
8 | Eilt nun, so fuhr er fort, bevor euch nachzujagen Der Sultan Zeit gewinnt! Dort auf der Rhede liegt Ein Schiff, das ohne Harm in sechs bis sieben Tagen Mit euch bis nach Lepanto fliegt; Dort findet ihr, so bald ihr angekommen, Ein andres schon bereit, das nach Salern euch bringt; Und dann, so schnell als Lieb' und Sehnsucht euch beschwingt, Geraden Wegs den Lauf nach Rom genommen! |
9 | Und tief, o Hüon, sey's in deinen Sinn geprägt: So lange bis der fromme Papst Sylvester Auf eurer Herzen Bund des Himmels Weihung legt, Betrachtet euch als Bruder und als Schwester. Daß der verbotnen süßen Frucht Euch ja nicht vor der Zeit gelüste! Denn wisset, daß im Nu, da ihr davon versucht, Sich Oberon von euch auf ewig trennen müßte. |
10 | Er sagt's, und seufzt, und stiller Kummer schwillt In seinem Aug'; er heißet sie ihm nahen, Und küßt sie auf die Stirn; und als sie aufwärts sahen, Zerfloß er wie ein Wolkenbild Aus ihrem Blick. Der goldne Tag verhüllt Sein Antlitz; traurig rauscht's, wie Seufzer, durch die Palmen, Und Land und Meer scheint, dumpf und tief erstillt, In trübem Duft gestaltlos zu verqualmen. |
11 | Ein seltsam Weh, ein stilles Bangen drückt Das holde Paar; sie sehn mit blassen Wangen Einander an; im offnen Mund erstickt Was jedes sprechen will; sie wollen sich umfangene Und ein geheimes Grau'n hält ihren Arm. Allein In einem Pulsschlag stürzt der dumpfe Nebel nieder, Lacht alles wie zuvor in goldnem Sonnenschein, Und Muth und Freude kehrt in ihre Herzen wieder. |
12 | Sie eilen nach dem Schiff, und finden's, hoch erfreut, Zur Reise schon versehn und zierlich eingerichtet Durch ihres Schützers Gütigkeit. Ein frischer Landwind weht, der Anker wird gelichtet, Das Seevolk jauchzt. Die Barke, vogelschnell, Durchschneidet schon mit ausgespannten Flügeln Die blaue Flut; die Luft ist rein und hell, Und glatt das Meer um sich darin zu spiegeln. |
13 | Sanft wiegend schwimmt, gleich einem stolzen Schwan, Das Schiff dahin, zum Wunder aller Söhne Des Oceans, auf kaum gefurchter Bahn. So eine Fahrt hat noch kein Mensch gethan, Rief jeder aus. Der Ritter und die Schöne Stehn, Arm in Arm geschlungen, Stunden lang Auf dem Verdeck, und schau'n; und jede neue Scene Ist Opium für ihren Liebesdrang. |
14 | Und wenn sie in die unabsehbarn Flächen Hinaus sehn, wo in Luft der Wellen Blau zerrinnt, Fängt Hüon an von seinem Land zu sprechen, Wie schön es ist, wie froh darin die Leute sind, Und wie von Ost zum West die Sonne Doch auf nichts holders scheinen kann Als auf die Ufer der Garonne; Und alles dieß beschwört sein alter Lehensmann. |
15 | Dem hüpft das Herz, so oft er seinem lieben Gaskogne Hymnen singen kann! Die schöne Rezia, wiewohl ihr dann und wann Viel Worte unverständlich blieben, Horcht unverwandt; denn das, wovon ihr nichts entgeht, Was mit unsäglichem Behagen, So neu ihr's ist, ihr Herz unendlich leicht versteht, Ist – was ihr Hüons Augen sagen. |
16 | Ein sanfter Druck der warmen Hand, Ein Seufzer, der das volle Herz entladet, Ein leiser Kuß, der Rosenwang' entwandt, Und, o ein Blick, in Amors Thau gebadet, Was überzeugt, gewinnt und rührt wie dieß? Was geht so schnell, trotz dem behendsten Pfeile, Von Herz zu Herz, trifft so gewiß Den Zweck, und macht so wenig lange Weile? |
17 | In Seelgesprächen dieser Art Verlor das Wortgespräch sich stets bey unsern beiden. Oft schlichen sie, um Zeugen zu vermeiden, In ihr Gemach, und standen da gepaart Am offnen Fenster, oder saßen Auf ihrem Sofa. Doch, auch dann nicht ganz allein; Die Amme wenigstens muß stets zugegen seyn; Denn Hüon selber bat ihn nie allein zu lassen. |
18 | Noch immer wiederhallt der schreckenvolle Ton Des strengen »laßt euch nicht gelüsten« In seinem Ohr; denn wißt, sprach Oberon, Daß wir uns sonst auf ewig trennen müßten. Wie meinte das der Geist? Es war ein tiefer Sinn In seinem Blick, der immer ernster, immer Bewölkter ward; ach! Thränen schwammen drin, Und sein Gesicht verlor den sonst gewohnten Schimmer. |
19 | Dieß schwellt mit Ahnungen des guten Ritters Herz. Er traut sich selbst nicht mehr; der Liebe leichtster Scherz Erweckt die Furcht, ob Oberon ihn verdamme. Indessen frißt die eingeschloßne Flamme Sich immer tiefer ein. Die Luft, worin er lebt, Ist Zauberluft, weil Rezia sie theilet; Ihr Athem weht darin, ihr holder Schatten schwebt Um jeden Gegenstand, auf dem sein Auge weilet. |
20 | Und, o Sie selbst glänzt ihn im Morgenlicht, Im Abendroth, im sanften Schattentage Des Mondes an. In welcher schönen Lage, In welcher Stellung reitzt ihr Nymfenwuchs ihn nicht? Der Schleier, der vor allen fremden Augen Sie dicht umhüllt, fällt im Gemach zurück, Erlaubt sogar dem furchtsam kühnen Blick Sich, Bienen gleich, in Hals und Busen einzusaugen. |
21 | Er fühlt die süße Gefahr. O, soll es möglich seyn, Du Schönste, ruft er oft, bis Rom es auszuhalten, So wickle dich in sieben Schleier ein! Verstecke jeden Reitz in tausend kleine Falten; Laß über dieses Arms lebend'ges Elfenbein Die weiten Ärmel bis zur Fingerspitze fallen, Und ach! Freund Oberon, vor allen Verwandle bis dahin mein Herz in kalten Stein! |
22 | Es war, wiewohl ihm oft die Kräfte schier versagen, Des Ritters ganzer Ernst, den Sieg davon zu tragen In diesem Kampf. Es däucht' ihn groß und schön Das schwerste Abenteu'r der Tugend anzugehn, Schon groß und schön, es nur zu wagen, Und zehnfach schön und groß, es rühmlich zu bestehn. Allein, die Möglichkeit so einen Feind zu dämpfen, Der immer stärker wird, je mehr wir mit ihm kämpfen? |
23 | Nichts ist, was diesem Feind so bald gewonnen giebt, Als bey der Schönen, die man liebt, Sich dem Gefühl stillschweigend überlassen. Zum Glück erinnert sich Herr Hüon seiner Pflicht, Nach ritterlichem Brauch, sich mit dem Unterricht Der Sultanstochter zu befassen. Denn ach! das arme Kind lag noch im Heidenthum, Und glaubt' an Mahomed, unwissend zwar warum. |
24 | Der Ritter, sie von dieser Pest zu heilen, Eilt was er kann, (die Liebe hieß ihn eilen) Sein Bißchen Christenthum der Holden mitzutheilen. An Eifer gab er keinem Märt'rer nach; Er war an Glauben stark, wiewohl an Kenntniß schwach, Und die Theologie war keineswegs sein Fach; Sein Pater und sein Credo, ohne Glossen, In diesen Kreis war all sein Wissen eingeschlossen. |
25 | Doch was vielleicht an Licht und Gründlichkeit Der Lehre fehlt, ersetzt des Lehrers Feuer: Herr Hüon, standsgemäß ein Feind von Wörterstreit, Handhabt das Werk gleich einem Abenteuer, Und was er glaubt, beschwört er hoch und theuer, Erbötig, dessen Richtigkeit Dem ganzen Heidenthum mit seinem blanken Eisen Zu Wasser und zu Land handgreiflich zu erweisen. |
26 | Groß ist in des Geliebten Mund Der Wahrheit Kraft; das Herz, voraus mit ihm in Bund, Horcht ihm mit Lust und lehrbegier'gem Schweigen. Was ist so leicht zu überzeugen Als Liebe? Ein Blick, ein Kuß ist ihr ein Glaubensgrund. Die Schöne, ohne sich in Fragen zu versteigen, Glaubt ihrem Hüon nach, und macht in kurzer Zeit Ihr Kreuz an Stirn und Brust mit vieler Fertigkeit. |