Christoph Martin Wieland
Cyrus
Christoph Martin Wieland

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Dritter Gesang

                 

Unterdes stieg der Herold des Tages am dämmernden Himmel
Einsam herauf. Vom Schlummer besiegt lag Cyrus im Haine
An der Seite des göttlichen Greises. Ihm nähert sein Schutzgeist
Sich mit leisem ätherischem Tritt; dann steht er und heftet
Blicke voll Huld, mit Bewundrung gemischt, auf des Schlummernden Antlitz.

»Sei mir gesegnet!« (so dacht er bei sich) »Wie atmet die Ruhe
Deiner Seelen aus dir! Wie sanft ist der Schlaf des Gerechten!
Von Gefahren umringt, am dunkeln Rande des Todes
Schlummert er sicher, im lächelnden Traum! O sei mir gesegnet,
Bester der Menschen! Bald wirst du an Macht, wie an Güte, die Gottheit
Unter den Sterblichen bilden. Wie könnte dich, Cyrus, die Tugend
Schöner belohnen? Dein kühnstes Verlangen erreichte die Höhe
Dieser Seligkeit nicht, die aus den Wolken herab steigt,
Dich zu umfangen. Zwar kennest du noch den hohen Beruf nicht,
Der zum Vollzieher der göttlichen Schlüsse, zum Rächer des Bösen
Und zum Hirten der Völker dich weiht. Du wagst es nur furchtsam
Jener geheimen Ahnung zu trauen, die oftmals mein Anhauch
In dir erweckte. Doch nun (so ist des Ewigen Wille!)
Soll ein Traumgesicht dir der Zukunft Szenen enthüllen.«

Also denkt er und breitet itzt sanft sein goldnes Gefieder
Über den Schlummernden hin. Ambrosische, süße Gerüche,
Süß wie der Rosenatem des himmlischen Frühlings, entfließen
Seinen Schwingen. Mit englischer Kunst bereitet der Schutzgeist
Aus dem ätherischen Duft die hohen prophetischen Träume,
Die er ins Haupt des Schlafenden sendet. Itzt deucht es dem Helden,
Mitten auf einem verbreiteten Feld voll Totengerippe
Einsam zu stehn; zerstreute Gebeine, mit modernden Schädeln
Gräßlich vermengt, bedeckten die blutgeschwärzten Gefilde.
Schauernd ging er hindurch, und siehe, die dürren Gebeine
Leben rings um ihn auf, und sprossen in laubichte Stämme;
Plötzlich umgrünt ihn von Lorbeern ein Hain. Unzählbare Scharen,
Jünglinge, blühende Töchter und freudentränende Greise,
Eilen hervor aus dem Hain, und streuen Blumen und Palmen
Ihm in den Weg, und grüßen ihn Retter; ein freudiges Jauchzen
Füllt triumphierend die Himmel umher. Dann führt ihn die Menge
Segnend, in frohem Gedräng zu einem strahlenden Throne.
Menschen von fremder Gestalt, von fremden Sprachen und Sitten,
Eilen herbei, ein buntes Gewimmel! Vom krummen Euphrates,
Von den Traubengeländern des Margus, vom duftenden Saba
Und aus Libanons zedernen Schatten, vom waldigen Taurus,
Vom Gestade des goldnen Paktols, und den blumigen Auen,
Welche die jonische Welle bespült, vom üppigen Cyprus,
Und vom beperlten Busen des persischen Meeres; unzählbar
Kommen sie, sein Gesetz zu empfangen, und jauchzen ihm Vater.
Um und um scheint die Natur sich ihm zu verschönern; die Ströme
Hören von fern des Gebietenden Ruf, zu sandigen Wüsten
Ihre befeuchtenden Wellen zu tragen. Die friedsamen Meere
Schwellen von wallenden Segeln; der goldne Überfluß strömet
Unerschöpflich umher durch alle Adern des Reiches.
Cyrus sah es, und fühlte die Wonne der Götter im Busen.

Itzo deucht ihn, er eile mit schlüpfendem Gang, die Provinzen
Seines Reiches zu schaun; der Traum beflügelt die Reise.
Tausend wechselnde Szenen ergetzen mit ändernder Schönheit
Seinen forschenden Blick – bebaute Felder und Anger,
Weiß von wolligen Herden, und stille elysische Haine,
Wo sich die Unschuld in Hütten gefällt; dann marmorne Städte,
Die sich am Ufer der Ström und spiegelnder Seen verbreiten,
Mütter der Künste, vom Witze belebt, der, kühn und erfindsam,
Eifert mit der Natur. Hier sah er des Elfenbeins Weiße
Unter der bildenden Hand in Heldengestalten erwachsen;
Dort auf Reihen kolossischer Säulen unsterbliche Tempel,
Und Obelisken von grauem Porphyr, mit redenden Bildern
Seiner Taten bedeckt, sich in den Wolken verlieren;
Dort Myriaden geschäftiger Hände, den silbernen Kotton
Oder des Seidenwurms zähes Gespinst in bunte Tapeten
Künstlich zu weben, und Byssus im Blute der Purpurschnecke
Zweimal zu tränken. Die Wissenschaft öffnet dem rastlosen Fleiße
Neue Pfade; umsonst verhüllt vor den Blicken der Weisen
Sich die Natur, sie dringen in ihre geheimste Werkstatt.
Auch den Musen gefällt's, den Schwestern der Freiheit, im Schatten
Seines beschirmenden Throns. In ihrem sanften Gefolge
Kommen die Grazien alle, die feinern sittlichen Freuden,
Und der zarte Geschmack, der Prüfer des Schönen und Edeln.
Was das gesellige Leben beglückt, die Künste, die Freuden
Zirkeln von Land zu Land. Die milde Seele des Friedens
Atmet in allen, und schmelzt unzählbare Völker in eines,
Ein harmonisches Volk, durch Sitten, weise Gesetze,
Und das stärkste Gesetz, das Beispiel des Fürsten, gebildet.

Alles das schildert der Traum vor seinen bezauberten Augen.
Flüchtig, wie sich am Halse der Tauben die Farben verwechseln,
Ändern die lieblichen Szenen sich ab, in bunter Verwirrung,
Doch in den hellesten Farben des Lebens. Die Seele des Helden
Schwimmt in frohen Gesichten, und staunt, ob's etwann ein Traum sei,
Was sie entzückt. Indem er noch staunt, umleuchtet sein Antlitz
Plötzlich ein himmlischer Glanz; die Gestalt des göttlichen Engels
Schwebt ihm entgegen, und spricht mit mächtig begeisternder Stimme:

»Cyrus, du siehest das Reich, zu dessen unsterblichem Stifter
Dich Oromasdes erwählt: so werden die glücklichen Länder
Unter dir blühn, so wird der Friede die Völker umfassen,
So wird Ordnung und Freiheit und willige Tugend, die Tochter
Deiner Gesetze, die Menschen zu ihrer ursprünglichen Güte
Leiten; so wird die Liebe der Völker, der reizende Anblick
Ihres Glückes, dein Herz mit Götterfreuden belohnen!
Laß den hohen Gedanken dich stärken! Dich führet, o Cyrus,
Unsichtbar, aus den Wolken gestreckt, des Allmächtigen Rechte!«

Da er dies sprach, entschlüpft er dem Auge des Sterblichen wieder,
Und die Bilder des Traums zerflossen in Düfte des Morgens.

Wie die Seele des Frommen, der itzt, vom letzten der Kämpfe
Mit dem Tod ermüdet, in sanftem Schlummer sein Haupt neigt;
Unterdes windet, von Schauern des neuen Lebens ergriffen,
Sich in süßer Betäubung sein Geist vom sterblichen Leibe;
Wenn er dann, plötzlich erweckt, sich im Arm der Unsterblichen findet,
Die mit zärtlichem Blick ihm lächeln und Bruder ihn nennen;
Um und um schimmert von Engelsgestalten der Äther, sein Auge
Schaut ins Unendliche hin, sein Ohr hört himmlische Töne,
Hört aus tiefer Entfernung die Harmonien der Sphären;
Wie er sich da in Entzückung erhebt, und seiner Empfindung
Kaum die Wirklichkeit zutraut, und zweifelt, ob's nicht ein Traum war
Als er zu leben vermeinte: so hob von seinen Gesichten
Cyrus sich auf, und schaut voll Wunder dem fliehenden Traum nach.
Noch erschüttern ihn heilige Schauer, noch schimmern die Bilder
Um sein Auge, noch rührt ein Nachklang der englischen Lippen
Säuselnd sein Ohr. Erstaunen und süße Bestürzung und Freude
Fesseln auf Augenblicke die mächtige Seele des Helden.

Aber bald reißt sie sich los, versammelt ihre Gedanken
Alle zu sich, und prüft die Wunder des göttlichen Traumes.
Dann erhebt er sein Auge gen Himmel, und heil'ges Entzücken
Breitet sich über sein Angesicht aus. »Hier bin ich«, so ruft er,
»Wer du auch bist, gewiß der Diener des Ewigen einer,
Der du vor meinem Geist der Zukunft Heiligtum auftatst!
Welch ein Gesicht! Welch himmlisches Feuer durchglüht mich! Wer hauchet
Diese Seele mir ein? Ja, Vater der Geister, du selber
Hauchst sie in mich! Du bist's! Ich fühle deiner Umschattung
Unaussprechliche Ruh, ich hör im innersten Busen
Deine Stimme! Sie weihet mich ein zum heil'gen Geschäfte,
Unter den Menschen dein Engel zu sein, dein Werkzeug, der Erde
Gutes zu tun. – Wo ist, wo ist von allen Erschaffnen
Einer glücklich wie ich? Zu welcher Tugend, zu welchen
Göttlichen Pflichten, zu welchem Bestreben, dir selber von ferne
Ähnlich zu werden, berufest du mich! Mit frohem Gehorsam
Eil ich die Wege zu gehn, wo deine Rechte mich leitet.«

Also wallet sein Herz, von seiner erhabnen Bestimmung
Mächtig entzückt, in Empfindungen auf; unsterblicher Mut schwellt
Seine Adern; sein Angesicht glänzt wie die herrschende Stirne
Eines Engels. So geht er hervor, die Befehle zu geben,
Daß sich das Heer, und mitten im Heer die Führer versammeln.

Unterdes ruht noch furchtsam Stille mit bleiernen Flügeln
Über dem feindlichen Lager. So sinken des Ozeans Wogen
Vor dem nahen Orkan in stumme tödliche Stille;
Ängstlich sehen die Schiffer am äußersten Kreise des Himmels
Sich das schwarze Gewölk mit Untergang schwanger herauf ziehn;
Eilend fleucht es, von Stürmen gejagt, schon donnert das Rauschen
Ihrer Flügel von fern, den Schiffern erstarrt vor Entsetzen
In den Adern das Blut, die Kniee schwanken, der Busen
Keicht vor Angst, die Ruder entsinken den bebenden Händen:
Also bebten vor banger Erwartung die Sklaven von Assur.

Auch du bebest, Tyrann! und todweissagende Schrecken
Stören, die Nacht hindurch, auf dem weichen seidenen Lager
Deinen wollüstigen Schlaf. Vergebens umduften dein Antlitz
Nardus und Ambra, vergeblich erschallen aus lydischen Flöten
Schmelzende Töne, dein Herz in süßen Schlummer zu wiegen.
Innerlich nagt in der Brust des Ungerechten die Unruh;
Kein Sirenengesang besänftigt die stürmische Zwietracht
Seiner mißhelligen Triebe; kein Lob, von sklavischen Lippen
Zugejauchzet, betäubt die innerlich strafende Stimme.
Bis ins Lager auf Rosen, in wollustatmender Weiber
Üppigen Arm, verfolgt die unerbittliche Sorge
Seine Seele. Dann bebt sein Gebein, und dunkle Gesichte,
Bilder der angstvollen Zukunft, umflattern die starrende Stirne.
Aber itzt naht im Dunkel der Nacht sein böser Dämon
Sich dem Verbrecher, und haucht ihm ins Herz betrügliche Ruhe.
Mächtig erwacht sein Stolz, und seiner gefürchteten Größe
Süßes Bewußtsein – »Ich winke, so waffnen sich Welten voll Sklaven,
Zürnt mein drohender Blick, so werden sie vor mir zu Staube« –
Diese Gedanken erheitern ihn wieder. Sein schwellender Unsinn
Spottet der Toren, die ihm in seinem Grimm zu begegnen
Kühn genug sind. Schon sieht er sie blutend am Boden sich wälzen;
Schon zermalmet im hohen Triumph sein goldener Wagen
Ihre Häupter, schon bebt vor seinem Namen der Erdkreis;
Schon erhebt sich der Thron des Königs der Könige furchtbar
Auf den Trümmern der Welt, und wirft den entsetzlichen Schatten
Über die Himmel umher. – In solche Träume gewieget
Überrascht ihn der Tag. Er rafft sich vom schlaflosen Lager
Ungestüm auf, und winkt aus tausend bepurpurten Sklaven,
Welche der Morgen im Vorgezelt sammelt, dem hohen Gadates,
Der die Assyrer führt, dem größten unter den Fürsten,
Die mit entlehntem Glanze den Thron des Tyrannen umgaben.

Ehrfurchtsvoll naht sich Gadates, so wie sich heuchelnde Priester
Einem vergötterten Bilde, dem heiligen Schrecken des Pöbels,
Feierlich nahn. Die edlere Seele des fürstlichen Mannes
Sträubt sich in seiner Brust der Unterwerfung entgegen,
Welche sein Angesicht lügt. Itzt hört er die herrschende Stimme:

»Hast du, Gadates, die Feinde bemerkt, wie schüchtern die Kühnen
Hinter die Schatten des Hains sich verbergen? Der Anblick des Lagers
Kühlte den feurigen Mut. Sie hatt ihr zürnendes Schicksal
Ihrem Verderben entgegen geführt. Heut sollen sie bluten.
Rüste das Heer, Gadates, und bring den Fürsten der Völker
Meinen Befehl. So bald der Sonnenwagen den Gipfel
Jenes Hügels ersteigt, eröffnet das Lager, und führet
Eure Scharen hervor. Ich will den trotzenden Anblick
Länger nicht dulden! – Doch ist mein ernster Wille, Gadates,
Daß ihr des Persers schont, des Jünglings, der sich erkühnt hat,
Mir in Waffen entgegen zu gehn. Mit Fesseln belastet,
Soll er meinen Triumph durch Babylons Straßen begleiten!«

Also sagt er, von Stolze berauscht. Zu den Füßen des Herrschers
Ausgestreckt, und sein Antlitz mit beiden Händen verhüllend,
Gibt der Satrap ihm die Antwort: »Dein Wink, o Abglanz der Gottheit,
Ist mein Gesetz. Befiehl, so soll der Erdkreis in Waffen
Mich nicht schrecken. Mein feurigster Stolz, was kann er sich wünschen,
Als die Ehre, vor deinen umschauenden Blicken zu siegen,
Oder zu sterben? – Doch, zürne nicht, Herr, der bebenden Kühnheit
Deines Sklaven! – Die Feinde, die deinem erhabenen Auge
Nur wie ein Schwarm von Gewürmen erscheinen, sie sind in den Augen
Deiner Völker Unsterblichen gleich. Der Name des Cyrus
Macht sie zittern, der Schatten der Perser erschreckt sie von ferne.
Diese Perser, auf die nicht umsonst ihr Führer so kühn ist,
Sind Vertraute des Kriegs; sie spotten der Arbeit, der Wunden,
Spotten des Todes; der blutige Krieg ist ihnen ein Lustspiel.
Ihre Seelen, von Stolz und schwärmender Liebe des Traumes,
Den sie Tugend nennen, geschwellt, sie kennen die Furcht nicht:
Für ihr väterlich Land, für Ehre und Freiheit ihr Leben
Auszuatmen, scheint den Unbezwingbaren Süßer,
Als in üppiger Ruh Unsterblicher Tage zu pflegen.
Laß nicht Wolken des Grimms auf deiner Stirne mich schrecken,
Wenn ich es sag, o Herr, was deine schüchternen Sklaven
Alle verschweigen. Mir öffnet mein feuriger Eifer die Lippen.
Fordre mein Blut, es fleußt! Nicht ungerochen, nicht ruhmlos
Soll es fließen! – Doch, Herr, ich traue dem Glücke nicht alles,
Hat es dich gleich noch niemals getäuscht. Was haben wir nötig
Einem einzigen Tage den Ruhm so vieler Triumphe
Anzuvertrauen? Was zwingt uns im offnen Felde zu kämpfen?
Laß den persischen Mut an diesen Wällen sich brechen!
Schwächer an Anzahl, werden sie über dem Angriff des Lagers
Wie der Schnee vor der Sonne zerschmelzen. Der zögernde Aufschub
Ist uns Sieg, dem Feind ein unvermeidlich Verderben.«

Hier unterbricht ihn mit flammendem Blick Neriglissor: »Verzagter,
Bist du gekommen mich beben zu lehren? Wen fürchtest du, Sklave?
Sind sie Götter, vor denen du mich ins Lager verschließest?
Schleudern sie Blitz' in der furchtbaren Hand, und tötet ihr Auge?
Fleußt aus ihren Wunden kein Blut? – Und wären sie Götter,
Donnerten Blitz' in den furchtbaren Händen, so sollen sie dennoch
Meine Triumphe vermehren! – Was konnten die Götter der Syrer
Wider mich? Wer vermochte vor mir die Araber zu schützen?
Wer die Hyrkaner? Was half es dem wilden, unbändigen Sazer,
Daß er in seiner nervigen Faust entwurzelte Tannen
Gegen uns schwang? Sie fielen, und ihre gigantische Stärke
Schützte sie nicht! Wer soll denn von mir die Perser erretten?
Ist nicht das Schnauben der Rosse, die mich unzählbar umgeben,
Sie zu verwehen genug? Die Kleinheit des schimpflichen Feindes
Kränkt mich allein! Der Ruhm, sie überwunden zu haben,
Macht den Bezwinger der Völker erröten. – Hinweg denn, Gadates!
Fleug, den Befehl zu vollziehn, der meinen Lippen entflohn ist;
Laß die goldne Trompet ihn durch die Heere verbreiten.«

Also sprach er, und wandte sein Antlitz. Mit stummer Verachtung
Eilt der fürstliche Sklave den stolzen Befehl zu vollziehen.

Unterdes hatten die Edeln, die Führer der Perser und Meder,
Mitten im Heer sich versammelt. Da trat in glänzender Rüstung
Cyrus unter sie hin, und sprach mit erhabener Stimme:

»Freunde, der Tag, auf den ihr so lange mit Ungeduld harrtet,
Strahlt itzt herauf. Ein himmlischer Traum befiehlt mir den Angriff,
Und verspricht uns den Sieg. Ihr wißt es, der Himmel begünstigt
Nur den Gerechten und Tapfern. So hab ich in Jahren voll Proben
Euch bewähret. Ihr seid's, und unsre vom Himmel beschützte
Redliche Sache, was mir an diesem entscheidenden Tage
Diese Sicherheit gibt, die euch mein Anblick verkündigt.
Möcht, ihr Brüder, der große Gedanke mit göttlicher Allmacht
Eure Seelen ergreifen: Er selbst, der Schöpfer des Guten,
Streitet mit uns! Wir sind zu seinen Engeln geweihet.
Er errettet durch uns die Völker, die itzt ihr Leben
Unsrer Tugend vertraun, zerbricht durch uns der Tyrannen
Eisernes Joch, und sendet durch uns den himmlischen Frieden,
Daß er auf tausend Geschlechter, durch Längen von goldenen Zeiten,
Segnend die ganze Fülle der irdischen Seligkeit gieße!
Glückliche Tage, mit Freuden, die niemals welken, umkränzet,
Warten auf uns! – O dann, dann, meine Brüder, wird's süß sein,
Sich der vergangnen Arbeit, der durchgekämpften Gefahren,
Wieder von fern zu erinnern, und sich am innern Bewußtsein
Seiner Taten zu weiden! Die schöne Tugend bedarf nicht
Fremder Reize, die Seelen mit unaussprechlicher Liebe
Zu entzünden; ihr fühlt es, wie ich, sie belohnet sich selber.
Dennoch ergetzt sie sich auch am Beifall der Edeln und Guten.
Lieblich schallet das Lob, das schöne Taten begleitet,
In die Seele, die sich des Lobes wert zu sein zeuget;
Dann erhebt sie, von ihrer gefühlten Würde beflügelt,
Über die ersten Versuche sich weg, und ringet wetteifernd
Mit sich selber, und steigt von einer Größe zur andern.
O was fühl ich in mir, da mein befriedigtes Auge
Euch überschaut, euch alle von Einer Seele begeistert,
Freunde der Tugend, in dieser weit glänzenden großen Versammlung
Keinen, dem nicht im glühenden Busen ein männliches Herz schlägt!
Ja, ich bin stolz, euch Freunde zu nennen, Gehülfen des großen
Ehrenvollen Entwurfs, den mir ein göttlicher Engel
In die Seele gelegt. Doch diese glorreiche Aussicht
Liegt noch dämmernd vor euch, mit Ungewißheit umnebelt,
Wie sich Gebirge von fern im blauen Dufte verlieren.
Der die Schickungen lenkt, hat weislich die Szenen der Zukunft
Vor uns verhüllt. Sie würden uns, zög er den Vorhang zurücke,
Bald mit Übermut schwellen, und bald zu Zagheit entnerven.
Uns ist im engen Kreise der gegenwärtigen Stunde
Unsre Arbeit vom Himmel bestimmt. Uns, Freunde, gebührt es,
Daß wir, für den Erfolg (das Werk unsichtbarer Hände)
Unbesorgt, selbst den Weg zur bessern Zukunft uns öffnen.«

Also sagt er, und schaut mit triumphierenden Blicken
Über sie hin. So sieht ein grauer würdiger Alter
Über ein edles Geschlecht, das mit dem zärtlichen Namen,
Vater, ihn grüßt, und itzt zu seinem Segen sich dränget;
Söhne mit Ruhm und Verdiensten umkränzt, die Erben der Lorbeern,
Die sein Vaterland einst um seine Scheitel gewunden;
Sittsame Töchter, geschmückt mit jeder weiblichen Tugend,
Und ein blühendes Volk von Enkeln, die Hoffnung der Nachwelt;
Lächelnd, mit unverdunkeltem Auge, mit segnenden Blicken
Ruht er auf ihnen, dann hüpft ihm sein Herz im Busen voll Freude
Jugendlich auf, und hält sich an Glück den Unsterblichen ähnlich.

Itzt trat aus der Versammlung der erste der persischen Edeln,
Artabanus, hervor. »O Cyrus«, so ruft er, »wie stolz macht
Deine Perser die Ehre, vor andern, du größter der Helden,
Näher verwandt dir zu sein! Das Vaterland, welches sich deiner
Rühmet, ist unser; die Schule, die dich zur Tugend gebildet,
Bildet' auch uns; wir liefen mit dir die Rennbahn der Ehre,
Eiferten deinem geflügelten Lauf mit kürzeren Schritten
Unverwandt nach, und jeder entbrannte von kühnem Verlangen,
Dir der nächste zu sein. Du kennest uns, Feldherr! Wir wurden
Frühe gelehrt, durch Handeln zu reden. Vom Morgen der Jahre
Wurden wir, früh der Wollust entwöhnt, durch stehlende Übung,
Durch Enthaltung und Zucht zur männlichen Stärke der Seelen
Und des Leibes geformt. Das Ziel, nach welchem wir ringen,
Ist, die Kürze des Lebens mit unvergänglichen Taten,
Und mit dem schönsten Tod ein schönes Leben zu krönen.
Führ uns, wohin Oromasdes dich führt, o Cyrus, wir folgen!«

Also sagt er. Dann spricht Teribazus, der Führer der Meder:
»Laß den heutigen Tag vor deinen Augen uns richten,
Ob wir es würdig sind, in dieser Gesellschaft von Helden
Dich zu begleiten? Auch wir gehören dem Cyrus; die Liebe,
Deine Verdienste, drei Jahr in deiner Aufsicht verlebet,
Machten dich längst zum ersten, zum unbeschränkten Beherrscher
Unsrer Herzen. Auch uns erhebt dein glänzendes Beispiel
Über uns selbst. Hier, Cyrus, auf diesem Schauplatz der Ehre
Alle begeistert ein gleicher Entschluß! – hier wollen wir siegen,
Oder in Wunden für dich die dankbare Seele verhauchen.«

Unter Armeniens Jugend an Mut und Würde der erste,
Eilt itzt der schöne Tigranes hervor. Sein Auge voll Seele
Hängt an Cyrus, schon streckt er, entzückt von Liebe, den Arm aus,
Ihn zu umfangen; doch plötzlich enthält er aus Ehrfurcht sich wieder,
Und ein glühendes Rot färbt seine sittsamen Wangen.
Itzt ergeußt sich sein Herz in diese feurigen Worte:

»Göttlicher Freund, wie wallt mir mein Herz von erhabenem Stolze,
Mich vor dieser erhabnen Versammlung der Ehre zu rühmen,
Daß du mich liebst – der größern Ehre (ist anders noch eine
Größer), daß die Natur mein Herz so fühlend erschaffen,
Dich zu bewundern! O Cyrus, seitdem mein seliges Schicksal
Dir zum Gefährten mich gab, seitdem erst fühl ich mich selber.
Ohne dich wäre mein Leben in trägen weiblichen Freuden
Ruhmlos vorüber gewelkt. Du lehrtest die Gottheit mich ehren,
Die im Busen uns schlägt, und, üppiger Ruhe gehässig,
Sich durch edle Versuche das Land der Götter eröffnet.
O wie entzückt mich der süße Gedanke, wie reißt er allmächtig
Meine Begierden dahin, mit Dir unsterblich zu werden!
Cyrus, mit dir auf den Lippen der späten Nachwelt zu schweben!
Dann, wenn andre wie Träum in dunkles Vergessen zerfließen,
Durch mein Beispiel die Sterblichen noch zur Tugend zu reizen!
Blendende Aussicht, vor dir, der Hoffnungen schönste, verlischet
Jeder schwächere Reiz! Du hast dem Schoße der Wollust
Mich entrissen, der süßen Umarmung der liebenden Gattin
Die mein Leben beglückte, dem Anblick des lächelnden Säuglings,
Der noch mit zarten Lippen, wie junge Zephyrn um Rosen,
Ihren Busen umscherzt; du hast mich dem besten der Väter,
Allem, was mir am teuersten war, der Liebe, der Freude
Willig entrissen! – Denn itzt hat eine stärkere Liebe
Meine Seele bezwungen; ein reineres Feuer durchwallet
Meine Adern: mit Dir, du göttlichster unter den Helden,
Taten zu tun, den Tod in schönen Gefahren zu suchen,
Durch dein Lächeln belohnt, das nennt Tigranes itzt Wonne.«

Also ergoß sich sein feuriger Geist, von der Schönheit der Tugend
Mächtig entzückt. Mit brüderlich zärtlichen Blicken voll Liebe
Geht ihm Cyrus entgegen, umarmt ihn, und nennt ihn vor allen
Seinen Bruder und Freund; dann ruft er voll freudiger Ahnung:

»Heil mir! Ich sehe den Sieg in euerm Anblick, ihr Helden!
Ja, so waren sie einst, die itzt in den himmlischen Sphären
Bei den Unsterblichen sind; sie, deren göttliche Taten
In den Gesängen der Weisen uns reizen, die Helden der Vorwelt!
So schlug Großmut, und feurige Tugend, und Liebe zum Nachruhm,
Und die erhabnere Liebe, die alle Menschen umfasset,
Mächtig in ihrer Brust! Itzt leben sie unter den Göttern,
Und bei den Sterblichen wird ihr frommes Gedächtnis nie sterben.«

Also sagt er, und geht, an Würde den Himmlischen ähnlich,
Durch die Versammlung umher; er ruft die einen beim Namen,
Nimmt von andern die Hand, und spricht vertraulich mit allen,
Reizt sie durch Lob noch mehr zu verdienen. Wohin er sich wendet,
Hört er lispelnde Stimmen der Lieb und der leisen Bewundrung
Segnend ihm folgen. Und nun entläßt er die Führer. Sie eilen
Jeder zu seiner Schar, und hauchen die Seele des Krieges
Unter die Männer; sie blitzt aus einem Auge zum andern
Sympathetisch! Itzt deucht es sie schön fürs Vaterland sterben;
Schön, mit Staub und Blut und rühmlichen Wunden bedecket,
Hohe Trophäen von feindlicher Beute dem Siegesgott weihen!
Also beseelt erwarten sie sehnlich das Zeichen zum Aufbruch.

Unterdes hatten beim Aufgang des Lichts die persischen Weisen
Einen Altar aus Rasen von pyramidischer Bildung
Aufgetürmet, und hoch mit Reisern von Laurus und Myrten
Und mit sabäischem Weihrauch bedeckt, das heilige Feuer
Anzuzünden, und mit dem Geruch des festlichen Opfers
Ihre Gebete gen Himmel zu senden. Der göttliche Zerdust
Hatte noch nicht aus seiner prophetischen einsamen Grotte
Ihnen Gesetze gegeben; das mystische Feuer des Mithras
Brannte noch nicht auf dem ewigen Herde des magischen Tempels
In der geheiligten Stadt. Noch kannten sie keine Gesetze
Als die festlichen Sitten, von ihren Vätern geerbet,
Daß sie die Sonne, das sichtbare Bild der unsichtbaren Gottheit,
Jeden Morgen mit Hymnen und Wolken von Weihrauch verehrten.

Alles erwartet das Opfer. Die Helme mit Laurus umkränzet,
Stand das gerüstete Heer (so hatt es Cyrus befohlen)
Und umschloß den Altar. In der Mitte des feiernden Kreises
Stand der Altar, von Priestern umringt, bei ihnen der Feldherr
Und die nächsten nach ihm. Itzt brannte das Opfer. Laut schallend
Stieg mit dem süßen Geruch der Gesang der Weisen gen Himmel:

»Sei uns gegrüßt, unsterbliche Quelle des goldenen Lichtes,
Göttlicher Mithras! Und ihr, die flammend vor ihm einherziehn,
Engel des Todes, ihr strengen Vollzieher des hohen Gerichtes,
Eilet herauf, zur Rache gesandt! Hier stehn wir und weihen
Feirlich vor deinem Antlitz, o Mithras, der Sache der Tugend
Unser Leben! O schau mit milden freundlichen Blicken
Auf uns herab, vom ätherischen Thron, ein heiliger Zeuge,
Daß wir für unser väterlich Land, für Freiheit und Ehre
Unsre Seelen nicht sparen. Geuß sanfte balsamische Strahlen
Auf die Wunden der Männer, die rühmlich ihr Leben verschwenden!
Aber den Feinden des Rechts, den Unterdrückern der Menschen,
Zeige dich ihnen mit Schrecken umhüllt! Dein Sonnenglanz werde
Siebenfältige Nacht um ihre Augen, und jeder
Deiner Strahlen zum Blitz, der ihre Häupter zerschmettre!
Und Du, dessen verborgenen Namen kein Endlicher nennet,
Den kein Engel je sah, den deine Geschaffnen von ferne
Schauernd nur ahnen, mit heiligen Schauern der ernsten Entzückung;
Ja! wir fühlen dich, Schöpfer des Guten. Allgegenwärtig
Gießest du Schönheit und Wonn und Licht und lächelnde Freude
Durchs Unendliche aus. Du hauchtest die Geister ins Leben
Glücklich zu sein! Du schufst die Welten zu heiligen Tempeln,
Die du mit deinen Wundern erfüllst. Den reineren Wesen
Gabst du die Sterne, dem Menschen die Erde. Nur Gutes, nur Wonne
Fließet aus dir. O gib den goldnen seligen Tagen
Flügel der Engel, den Tagen, wornach die Erde sich sehnet,
Die den unsterblichen Frieden, den Sohn der Liebe, vom Himmel
Zu uns herab, begleitet von jeder Seligkeit, bringen!
Laß sie eilen, die Zeit, da deine Schöpfung, der Spiegel
Deiner Güte, durchs Feuer von allen Flecken gereinigt,
Neu erschaffen, unsterblich, in göttlicher Schönheit hervorgeht.
Da der unbändige Krieg, in diamantene Ketten
Ewig verstrickt, mit knirschendem Zahn und flammenden Augen,
Ewig umsonst, die selige Ruh der Schöpfung bedräuet.
Dann, o Ewiger, dann wird aus den unendlichen Räumen,
Die du mit Seligkeit füllst, aus tausend harmonischen Welten,
Und von allen Geschlechtern der Geister, von allem was lebet,
Dank und Jubel dein göttliches Ohr unaufhörlich umschallen.«

Also ertönte der Weisen Gesang, von Andacht beflügelt,
Durch die azurne Luft. Und Mithras (so schien es den Männern)
Bückte sich über den Wagen, von flammenden Rossen gezogen,
Lächelnd herab, und strahlt' in siegweissagender Klarheit
Ihnen entgegen. Ein Schauer des gegenwärtigen Gottes
Faßt sie; ihr Herz, von heiliger Furcht der Gottheit durchdrungen,
Fürchtet sonst nichts, und schwillt von nie gefühlten Gedanken.

Nun erlosch allmählich die heilige Flamme. Die Weisen
Traten zurück. Sogleich, vom Winke des Feldherrn beherrschet,
Fügen die Scharen sich wieder in kriegrische Ordnung zusammen.
Und ein glänzender Schwarm der edelsten Jünglinge sammelt
Sich um Cyrus. Er hebt sich in majestätischer Schönheit
Über sie alle. So glänzet der Mond am nächtlichten Himmel
Unter den Sternen. Ein Kranz von Lorbeern, mit Rosen durchflochten,
Schlingt sich um seinen ehernen Helm. Sein feuriges Schlachtroß
Freut sich der edeln Last; es wirft den Schwanenhals schüttelnd
Hoch in die Luft, und schießt aus feurig rollenden Augen
Adlersblicke, und stampft mit tanzenden Füßen den Boden.
Fliegend trägt es den Fürsten, von seinen Edeln begleitet,
An die Spitze des Heers. Armeniens flüchtige Rosse
Eilen voran; dann folgen, zu beiden Seiten geordnet,
Mediens Flügel, und zwischen den Flügeln der persische Phalanx,
Von den chaldäischen Scharen bedeckt. Mit freudigen Schritten
Ziehn sie daher. So eilet ein Trupp von blühenden Hirten
Hüpfend zum festlichen Tanz, wenn auf den Auen der Frühling
Jugendlich scherzt, von Freuden und Liebesgöttern umflattert,
Alle rosenbekränzt; sie fliegen mit schlüpfenden Tritten
Über die Blumen, es winkt ein Chor von lieblichen Mädchen
Gegen über, den Grazien gleich mit den Armen verschlungen.
Also eilen sie freudig einher. Ein lautes Gemurmel
Rauschet durchs Heer, wie wenn mit sausenden Schwingen ein Südwind
Über den Tannenwald rauscht. Sie rufen einer dem andern
Laut Ermuntrungen zu, und scherzen, des Sieges versichert,
Über den Feind, der fern, durchs weite Gefilde verbreitet,
Ihnen entgegen glänzt, und bebend den Angriff erwartet.


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