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O meine Freunde! (läßt Diderot seinen schwärmerischen Philosophen Dorval ausrufen) wenn wir jemals nach Lampeduse gehen, um dort, fern von der übrigen Welt, mitten unter den Wellen des Oceans ein kleines Volk von Glücklichen zu pflanzen – –
Das hat die Natur schon lange gethan, lieber Dorval! Warum nach Lampeduse? – An die Gambia, zu diesem liebenswürdigen Volke wollen wir ziehen; dem einzigen in der Welt, bei welchem gute Menschen außer Gefahr sind, unglücklich zu werden; dem einzigen in der Welt, welches seines Daseyns froh wird, welches durch eine zum Naturtrieb gewordene Fertigkeit jede Tugend ausübt, welches Niemanden beleidiget und Allen, die es erreichen kann, Gutes thut!
Glückliches, ehrwürdiges Volk! Volk von Menschen, die diesem Namen Ehre machen! Bei dir bringt die Güte der 307 Sitten ganz allein zuwege, was Gesetze und Strafen, was Erziehung, Philosophie und Religion bei dem policirtesten Volke des Erdbodens bis auf diesen Tag nicht zu bewirken vermocht haben! Keine Vorurtheile benebeln deinen Verstand und verhindern ihn, wie in einem reinen Spiegel die unverfälschten Eindrücke der Natur aufzufassen! Du verfolgest, du verdammest Niemand; keine blinde und grausame Parteisucht verschließt dein Herz der rührenden Stimme der Menschlichkeit! Kein sinnloser Schwätzer, kein Sophist, der den Unrath seines Gehirns in subtile Gewebe spinnt, um die sorglos flatternde Einfalt darin zu verstricken, kein heuchlerischer MarabuMarabu (Marabut, Marbuth.) – Eine Art von muhamedanischen Heiligen, denen man alle Schandthaten nachsieht, weil man glaubt, daß sie auf besondern Antrieb Gottes handeln. Ursprünglich führte diesen Namen ein arabischer Stamm, der zur Zeit des ersten Kalifen Abu-Bekr's sich in Syrien festsetzte, von da nach Aegypten zog und bis an das westliche Ende von Africa ausbreitete., kein feiler Kadi, kein raubgieriger Bassa haben sich wider deine Wohlfahrt zusammen verschworen! – Glückliches, dreimal glückliches Völkchen! wer sollte nicht in Versuchung gerathen, dich zu beneiden?
Was für eine feine Satire ließe sich bei dieser Gelegenheit über alle die Nationen machen, welche von der Weisheit ihrer Verfassungen, von der Vortrefflichkeit ihrer Polizei, von ihrem großen Fortgang in den Künsten und in den Wissenschaften so aufgeblasen sind!
Was für eine demüthigende Vergleichung ließe sich zwischen uns Europäern und diesen ehrlichen schwarzbraunen Foleys anstellen, welche, allen unsern bewunderungswürdigen Vorzügen zu Trotz, das sind, was wir gerne seyn möchten; und die es blos deßwegen sind, weil sie keine so mühsame Anstalten machen, keine so verwickelte, aus so unzähligen Triebrädern so gekünstelt und so zerbrechlich zusammen gesetzte Maschinen spielen lassen, um zu werden, was man so leicht seyn kann, wenn man die Natur zur Führerin nimmt!
Welch ein reicher Stoff! welche Gelegenheit zu schimmernden Gedanken und seinen Sprüchen! Aber, wie gesagt, 308 wir haben keine Lust, uns auf Gemeinplätzen herumzutummeln, und so schöne Sachen sich auch immer über diesen Gegenstand sagen ließen, so möchte doch wohl schwerlich eine darunter seyn, die nicht in den unzähligen Utopien und SeverambenländernUnter dem Titel Utopia gab der berühmte Thomas Morus, Staatstcanzler von England unter Heinrich VIII., sein Ideal einer Republik heraus. Zu Anfange des vorigen Jahrhunderts erschien ein ähnliches Werk unter dem Titel Severambien, wovon Müller in Itzehoe eine neue Uebersetzung gab. Beider Namen bedienen sich seitdem öfters diejenigen, welche die Annäherung der Wirklichkeit an solch ein Ideal für unmöglich halten, wenn sie höflich sind, gleichbedeutend mit platonischer Republik und, wenn sie unhöflich sind, gleichbedeutend mit Schlaraffenland., womit wir seit mehr als zweihundert Jahren so reichlich beschenkt worden sind, schon mehr als einmal gesagt und vielleicht schon so abgenutzt worden wäre, daß sie zu weiterm Gebrauch nicht mehr tauglich ist.
Eine Mischung von Wahrheit ist freilich immer in dergleichen Declarationen; aber was nützen schielende Wahrheiten?
Die Natur zur Führerin nehmen! Nichts ist leichter gesagt. – Aber wie dann, wenn ein Volk sich durch eine lange Reihe von Jahrhunderten in einer immer fortlaufenden Linie – von der Natur entfernt hat?
Das Beste ist, daß dieses Volk, so gut als ein Komet, der sich einmal von seiner Sonne verlaufen hat (wofern ihm nicht unterwegs ein außerordentliches Unglück zustößt), unfehlbar einmal wieder zu ihr zurückkommen wird.
Aber wird es nicht wenigstens eben so viele Jahrhunderte zum Rückweg nöthig haben?
Vermuthlich! – Und, diese Wiederkehr zu befördern, sie zu beschleunigen und neue Ausschweifungen zu verhindern, dazu werden wohl ganz andere moralische Kräfte als frostige oder warme Declamationen erfordert werden.