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Die Kunst zu lieben sangst du uns, Ovid:
Die wahre Art zu lieben sey mein Lied!
Zu lieben ohne Kunst, die schöne Art zu lieben
Der goldnen Zeit, da jedes weiche Herz
Von kindlichen und unverfälschten Trieben
Noch überwallte, Freude, Witz und Scherz,
Wie Schwester-Grazien in Blumenthälern spielten,
Und alle dich, Natur, in erster Unschuld fühlten.
Fleuß, mein Gesang, süß, wie vom Lenz belebt
Aëdons Lied durch junge Zweige bebt,
Sanft wie der Thau aus röthlichen Gewölken
In Rosen fließt und halb enthüllte Nelken,
Und wie um Doris Mund ein leiser Zephyr schwebt:
Nicht üppig, gleich den weichen Tönen
Des schlauen Lehrers schnöder Lust,
Die, an Corinnens glüh'nder Brust
Gegirret, uns zugleich Geschmack und Herz verwöhnen.
Du, die ich oft bewegten Hainen sang,
Wenn mir versteckt die Dryas lauschte,
Der Abendwind gelinder rauschte,
Und aus dem fernen Fels der Nachhall vielfach klang;
Entsteige den verklärten Sphären,
O Liebe, wo du Göttin bist,
Begeistre du mein Lied, die Erde soll es hören;
Und selig ist das Herz, das meinen edlen Lehren,
Und deinem Einfluß offen ist!
Als Gott die Welten schuf, und dich, sein Bild, o Liebe,
Zur Königin der Welten gab,
Kam im Gefolg der reinsten Triebe
Die Seligkeit mit dir von seinem Thron herab.
Da lächelt' aus den jugendlichen Erden,
Voll deiner Bildungen, ein ew'ger Lenz dich an;
Sie schwangen sich in ihre neue Bahn
Mit ihren glücklichen Gefährten,
Und hüpften fröhlich auf, von dir bestrahlt zu werden.
Die Geister, die du dir gezeugt,
Empfanden dich, sie liebten und genossen.
In den entzückten Arm des Sylphen ausgegossen,
Und sanft auf seine Brust die Stirne hingebeugt,
›Fühlt die Sylphid' ihr Herz der neuen Lust zu enge;
›Die Glückliche! Sie fühlte dich!
›Und neidlos fei'rten die Gesänge
›Der niedlichen Gespielen, schwesterlich,
›Der Freundin Glück; die Freuden mischten sich
›Und flogen, tausendfach verschönert durch die Menge
›Der Mitgenießenden – denn alle fühlten dich –
›Von jedem Allen zu, im süßesten Gedränge.‹
Der Gottheit und der Geister Feind,
Der, abgetrennt von ihr, umnebelt und entzieret,
Das lustberaubte Reich der ew'gen Qual regieret,
Sieht zürnend auf das Glück, das allen Welten scheint.
Sieht auch die unsrige umflossen von Vergnügen
Im ersten Schöpfungsglanze liegen.
An tausend Freudenquellen reich,
Und uns den Himmlischen durch dich, o Liebe, gleich,
Des jetz'gen Daseyns froh und höhrer Freuden Erben:
Ergrimmt sieht's Ariman, und sinnt, uns zu verderben.
Er schafft, der Liebe nach, in trüglicher Gestalt
Die Wollust, die er Liebe nennet,
Ein reizendes Gespenst, von dessen Anhauch bald
Manch unbesorgtes Herz entbrennet.
Weh uns! der Dämon siegt! das Feuer schnöder Liebe
Verschlingt Uraniens mildern Glanz!
Es strömen schon die minder edeln Triebe
Wildrauschend durch das Herz, und füllen bald es ganz.
Es dürstet stets nach neuen Freuden,
Berauscht sich im Genuß, und wird nur mehr erhitzt;
Schon fängt man an die Lust, die man allein besitzt,
Von der gemeinsamen zu scheiden.
Jetzt ist's nicht mehr die Unschuld, die entzückt
Wenn sie verschämt aus keuschen Augen blickt;
Kein Seufzer schwingt sich mehr bei unentweihten Küssen
Zum Himmel auf, das zärtliche Gefühl
Der Tugend wird erstickt; was sie jetzt Liebe nennen,
Ist eine Glut, von der allein die Adern brennen,
Der Seele Gift, der Leidenschaften Spiel.
Der Wankelmuth, der Triebe innrer Streit,
Der Ueberdruß, die Eifersucht, der Neid,
Verjagt die Ruh' und die zufriedne Lust,
Des Wechsels Feindin, aus der Brust.
Schon mancher Paris find't jetzt seine Helena,
Wiewohl noch keinen Barden ihn zu singen.
Bald ziehst du Dichter auf, die dir, Idalia,
Und deinem Knaben Opfer bringen.
Ihr mildes Lied räumt dir den Myrtenhain,
Der Paphos ziert, und goldne Tempel ein.
Jetzt singt Anakreon in loser Nymphen Reihen,
Berauscht vom Mädchen und vom Wein,
Die Lieb' in junge Busen ein;
Sie wallen lüstern auf und öffnen sich dem Maien,
Und eifern, auch sein Lied zu seyn.
»Genießt und liebt, weil euch die Jugend winkt,
»Sie wird verblühn, genießt und liebt, und trinkt,
»Und taumelt, in der Reben Schatten,
»An Phyllis Brust auf rosenvollen Matten.
»Der Tod (wer weiß, wie bald kommt er?)
»O! möcht er euch betrunken finden!
»Der raubt uns alle Lust; in Plutons finstern Gründen
»Winkt euch kein Cypernwein, küßt keine Phyllis mehr.«
Verführerische Sittenlehre,
O hätt'st du, unsrer Kunst zur Ehre,
Von keiner Leyer nie getönt!
O hätte, voll von dir, nach untersagten Freuden,
Der Sinne Lust, des Geistes Leiden,
Kein irrend Herz sich je gesehnt.
Zum Ueberfluß erscheint der Meister loser Künste,
Ovid, und lehrt! – Cytherens blinder Knab',
›Entlassen seiner alten Dienste,
›Schnallt froh den goldnen Köcher ab,‹
Und jenem wird Corinne zum Gewinnste,
Für Lieder, die Corinnen machen.
Ihr Mütter der erhabnen Gracchen,
Ihr Frauen, groß an Geist und Heldensinn,
Wo find' ich jetzt die Römerin,
Die nicht beschämt wär', euch zu gleichen?
›Die Porcien müssen jetzt den Messalinen weichen;
›Die halbe Welt ist jetzt der Quadrantarien Lohn,
›Den Preis der Schönsten trägt die Schändlichste davon,
›Und in Quartillens Bild bestrebt sogar Petron
›Vergebens sich, sein Urbild zu erreichen.‹
Die ihr ein täuschend Glück so oft zu hoch bezahlt,
Ihr Liebe athmenden, noch unerfahrnen Herzen,
Was man so zauberisch euch malt,
Sind nur in Lust verlarvte Schmerzen!
O glaubet nicht den lockenden Properzen!
Die Wollust, die aus ihren Liedern lacht,
Ist jene nicht, für die euch die Natur geschaffen;
Nie fühlten sie der wahren Liebe Macht,
Und ihre Freuden sind nur ächter Freuden Affen.
Zwar süß ist ihr Gesang und schmeichelt unsern Trieben,
Wie leicht wird's uns, die Weisheit auszuüben,
Die uns der Freund Bathyllens singt,
Und Aristipp in Lehrgebäude bringt!
Sich uns gefälliger zu schmücken
Borgt sie die Farbe der Natur,
Verbirgt, was sie entehrt, den aufgehaltnen Blicken,
Und zeigt uns schlau die schöne Seite nur.
Sie ladet die Begier in holde Zauberauen;
Was uns entzünden kann, was uns zum Wechsel reizt,
Ist hier im Ueberfluß zu schauen.
Die Luft scheint hier, wie in Armidens Schloß,
Die Weichlichkeit in uns zu flößen;
Der Weisheit Ruf, die Zukunft wird vergessen,
Man denkt hier nicht, man fühlet bloß.
Vielleicht beglückt, wenn auf die süßen Stunden,
Die man so thierisch durchempfunden,
Ein sanfter Tod, wie der den einst Ovid begehrt,
(Wie sehr war er des Wunsches werth!)
Den Geist, dem an so wenig gnügte,
Mit seinem Leib in ew'gen Schlummer wiegte.
Doch nein! Ich irre mich! – Und wär' es ein Gedicht,
Was Sokrates von einem bessern Leben,
Den Giftkelch in der Hand, sich hoffnungsvoll verspricht,
Auch dann ist der ein Thor, und mitten im Bestreben
Nach steter Lust, kennt er den Werth des Daseyns nicht,
Der nur den Sinnen lebt und jeder edlern Pflicht
Verhaßtes Joch mit kühner Faust zerbricht.
Die Hälfte von ihm selbst die tugendhafte Liebe,
Zum allgemeinen Wohl des Wohlthuns süße Triebe
Raubt der Betrogne sich! – – Die Freuden bess'rer Art,
Wodurch der Mensch an höhre Wesen reichet,
Gibt er für eine Lust, die ihn den Thieren gleichet,
Und küßt dafür, und trinkt und salbet seinen Bart!
Du, die der Thoren Angedenken
Verewigt auf die Nachwelt bringt,
Die du geschickter bist, der Menschen Stolz zu kränken,
Als was selbst Juvenal zur Schmach der Menschheit singt;
Geschichte, sprich, wie viele Heldenseelen
Entzog die Wollust nicht dem Ruhm der Ewigkeit?
Wie mancher übertraf den Sieger bei Arbelen,
Und hat in ihrem Arm der Tugend Glanz entweiht?
Wie sammelt die Natur nicht alle ihre Kräfte,
Wenn sie Alcibiaden bild't?
Sie schuf sie, würd' ihr Zweck erfüllt,
Zum Glück der Welt, zum göttlichsten Geschäfte.
Dieß war's, was Sokrates der Welt von ihm verhieß,
Sein Freund, sein Lehrer, sein Gefährte,
Der schon in ihm den künft'gen Helden ehrte,
Und dieses einz'gemal vom Schein sich täuschen ließ.
Ihm, den Athen den Schönsten hieß,
Ihm, den ein Sokrates zum Besten auszubilden
So eifrig war, – was raubt' ihm seinen Ruhm, verstieß
Den Liebling seiner Zeit zu Thraciens rohen Wilden?
Die Ueppigkeit, der zügellose Sinn,
Der Leichtsinn, der den Staat und eine Buhlerin
Gleich feurig liebt, gleich flatterhaft behandelt,
Der seinen Scherz mit beiden treibt,
Sich jeden Augenblick verwandelt,
Und nur im Uebermuth sich immer ähnlich bleibt.
Und soll ich von den stolzen Höhn,
Wo rühmlich aufgestellt der Helden Bilder stehn,
An denen unserm Blick sich diese Flecken zeigen,
In deinen Staub heruntersteigen,
O Pöbel! der du nie gedacht,
Wie ein Perikles denkt, wenn die Begierden schweigen,
Und das Gefühl der innern Würd' erwacht?
Hier Venus, oder, Thorheit, du,
Hier ist der Kern von euern Unterthanen;
Hier führet euern bunten Fahnen
Die Leidenschaft ein Heer von Narren zu,
Hier tändelt ein Tibull zu seines Mädchens Füßen
Sein kurzes Sperlingsleben weg;
Geschieden von der Welt, in heiligen Finsternissen,
Lehrt Rustig dort die junge Alibeg
Die fromme Kunst den Teufel einzuschließen.
Gar selten braucht Cupido sein Geschoß,
So schwache Herzen zu bekriegen;
Aus langer Weil sinkt Mops in Chloens Schooß;
Aus Trägheit läßt Nerine sich besiegen,
Der Vorwitz macht Vanessen unterliegen,
Was kein Adon erhielt, gelinget unverhofft
Dem rauhsten zottigsten Satyren;
Und Herzen, deren Stolz zu rühren
Sonst alles fruchtlos ist, besiegt der Schneider oft.
Seht die Erobrerin Finette,
In jenem Kranz, den Amor um sie flicht!
Welch einen Hof ihr herrschendes Gesicht
Um sich erblickt! Hier buhlen in die Wette
Um ihre Gunst, um einen armen Blick,
Das Kind, der Greis, der Philosoph, der Dichter,
Der Höfling, der Abbé, der Hauptmann und der Richter;
Mit einem Wink theilt sie, die Göttin, Glück
Und Elend aus, und aus denselben Augen
Muß Hoffnung Seladon, und Fop Verzweiflung saugen.
In sehr verschiednem Licht zeigt hier die Liebe sich;
Burlesk bei dem, bei jenem weinerlich;
Sie zaubert hier nicht bloß figürlich,
Sie wirkt Verwandlungen – Nur einen Fächerschlag,
Und plötzlich wird der Platonist natürlich,
Der Graubart bunt als wie ein Sommertag,
Der Held ein Lamm, und der Magister zierlich.
Wie lange soll der launische Affect,
Den Ueppigkeit und Langeweile heckt,
Der von Begierden wächs't, und stirbet von Entzücken,
O Liebe, sich mit deinem Namen schmücken?
Und du, zweideutiges Geschlecht,
Du Räthsel der Natur, wer kann dich mir erklären?
Dich haßt Euripides und mußte dich verehren;
Der dich erhebt bis an die Sphären,
Der dich zur Hölle stößt – sie haben beide Recht.
Und doch, mit allen den Gebrechen,
Die Juvenal und Pop' und wer ihr Nachhall ist,
Euch vorgerückt, wer lebt, der nicht bei euch vergißt,
Was gegen ihr Gefühl die Misogynen sprechen?
Bedarf es mehr um euch zu rächen
Als daß sogar ein Swift – Vanessen dienstbar ist?
Und o! wie ungerecht, euch Fehler aufzubürden,
Die unsrer Arbeit Früchte sind!
Was für ein Dämon macht die Herrn der Schöpfung blind?
Als ob wir das an Lust verlieren würden,
Was ihr an innerm Werth gewinnt!
Nicht für ein flüchtiges Entzücken,
Nicht unser Puppenspiel zu seyn,
Nein, unser Leben zu verschönern, zu beglücken,
Goß Amor euch so schöne Seelen ein;
Mit Reizungen, die nie veralten,
Befruchtet, würden sie, bloß durch der Grazien Gunst,
Von selbst sich ohne Müh' viel reizender entfalten,
Als unser Witz durch alle Macht der Kunst.
Was zwingt sie denn, im Keime zu ersticken?
Ist's Vorurtheil, ist's Neid? Besorgen wir vielleicht,
Durch Tugend möchten sie den Scepter uns entrücken? –
Als ob es uns zu vielem Ruhm gereicht,
Wenn sich vor einem Ding, das einer Puppe gleicht,
Die Helden selbst nur desto tiefer bücken?
Ihr Schönen, neigt zu meinem Lied
Gelehrig euer Ohr! Es soll die Kunst euch lehren,
Durch Schönheit, die im Schnee des Alters nicht verblüht,
Durch Reize, die die Macht der schönsten Augen mehren,
Den alten Wahn der Männer zu bekehren! |