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Edme sah ihn, während er so sprach, mit verglasten Augen an. Er war ihr ganz unverständlich. Nur in dem einen begriff sie seine Meinung, daß ihr am Ende nichts übrigbleiben werde, als Petrusch zu heiraten. Sie schüttelte sich bei dem Gedanken. Aber sollte sie ihm lieber das Grundstück lassen?
Nach einer Minute sagte sie: »Wie komme ich auf den Weg?«
»Warte noch«, antwortete Mare. »Die Kartoffeln kochen schon. Du bist unser Gast. Im Keller liegt auch noch ein Stück Speck, das teilen wir. Du kannst es holen gehen, Jurrey, und zugleich auch die Schüssel und die Blechbüchse mit dem Salz mitbringen.«
Edme setzte sich, ohne etwas zu erwidern, auf den nächsten Stein. Sie war hungrig und fragte nicht danach, wer ihr zu essen anbot.
Mare riß indessen zwei Stücke Rasen aus der Erde, faßte damit den glühenden Kochtopf, zog ihn vom Feuer fort und goß das Wasser ab; es floß zischend und dampfend ins Feuer. Den vom Haken befreiten Topf stellte sie dann auf einen platten Stein, der auch weiter als Tisch dienen konnte, zum Auslüften, bis Jurrey die irdene Schüssel brachte. Ein Messer hatte jeder in der Tasche. Der Speck wurde in Streifen geschnitten und leicht auf den Kohlen geröstet. Die ihr zugeteilten Kartoffeln nahm Edme in den Schoß, die Hände daran zu wärmen.
Das Salz war feucht und zerfloß in dem Blechlöffel, in den es aus der Büchse geschüttet wurde, bei der nebligen Luft bald vollständig.
Während des Essens wurde das Gespräch nur in abgerissenen Sätzen fortgeführt. Jurrey erkundigte sich nach den Kindern, nach den Pferden, nach den Kühen und Schweinen, nach dem Hunde, der gerade von einem Nachbarköter gebissen war, als er wegging. »Ich hatte geglaubt,« sagte er, »der käme mit mir, da wir immer gute Freunde gewesen sind. Aber er begleitete mich nur bis zur Grenze, blieb da stehen und bellte mir zum Abschiede nach. Er war mir gut, aber vom Grundstücke konnt' er sich nicht trennen.«
Dann ging eine Branntweinflasche rundum, und selbst Edme nahm einen tiefen Zug, da der naßkalte Nebel sie durch und durch erkältet hatte. Er strich noch immer in dichten und breiten Schleiern vorüber, im Augenblick selbst die nächsten Gegenstände weißgrau umhüllend, und ebenso rasch wieder forteilend über die Steine, Wacholdergesträuche und Mooskampe der Heide. Mitunter wurde die Mondsichel bemerkbar; es war, als ob der Nebel an den Spitzen hängenblieb und in Fetzen abriß, bis immer dichtere Massen das Licht bewältigten.
Mare trank wiederholt. Sie wurde lustig und sang Schelmenlieder, die in keinem Buche hätten gedruckt werden können. Jurrey unterhielt sich gut dabei und lachte viel. Auch Edme spürte die Wirkung des scharfen Getränks und lachte mit, ohne doch so recht zuzuhören. Es kam ihr so vor, als ob zehn Schritte von der Feuerstelle, auf der jetzt die Kohlen erloschen, etwas Schwarzes in sonderbar wechselnder Gestalt um die großen Steine herumsprang oder über sie hinweghüpfte. Mehrmals sagte sie: »Da – da!« und zeigte mit dem Finger darauf. Und dann war es wieder fort. Einmal fragte sie, sich zu Jurrey kehrend: »Meinst du, daß man den Teufel heiraten kann?«
»Ich glaube nicht, daß er in die Kirche geht,« antwortete er, »aber mit Liebschaften soll er sich gern befassen, und es kann ja sein, daß er auch einmal einen Dummen findet, der für ihn den Segen holt.«
Edme stand auf und sagte, sie müsse jetzt gehen. »Es ist besser, du bleibst hier zur Nacht,« meinte Mare, »den Weg wirst du doch nicht finden. Unsere Kammer ist zwar enge, aber für drei wird Platz sein, wenn sie sich dicht aneinanderhalten. Morgen früh begleite ich dich ein Stück über die Heide.« Sie kicherte schelmisch und küßte Jurrey. »Ich bin nicht eifersüchtig.«
»Der Schwarze wird mich auch nicht vorbeilassen«, sagte Edme halblaut. »Gut – ich will bleiben.«
»So bücke dich und krieche hinein.«
Es geschah. Jurrey folgte und dann Mare. Sie schob sich an seine andere Seite.
Bald schliefen diese drei Menschen, die einander soviel Leid zugefügt hatten, friedlich unter dem Strauchdach.
Am andern Morgen hielt Mare ihr Versprechen. »Wirst du den Davids heiraten?« fragte sie unterwegs.
»Ich muß«, antwortete die Frau. »Der Teufel läßt mir keine Ruhe. Und das Grundstück muß ich doch für meine Kinder zurückhaben.«
»Du denkst nur immer an das Grundstück.«
»Ja.«
Mare zeigte geradeaus auf einen schmalen Plan, zu dessen beiden Seiten die Erde mit der Pflugschar aufgerissen war. »Dort ist die Viehtrift. Gehst du auf der weiter, so kommst du auf den Weg.«
Nach einigen Schritten blieb sie stehen. »Der Petrusch kann noch lange leben,« sagte sie, »du wirst viel Ärger mit ihm haben – das tut mir leid.«
Edme drückte ihr die Hand und biß die Zähne zusammen.
»Wenn es dir zu lange dauern sollte ...« fuhr Mare fort, indem sie in die Tasche griff. »Hier hast du etwas, woran auch der Teufel glauben muß.« Sie schob ihr ein Papiersäckchen in die Hand.
Edme hob den Kopf und sah sie prüfend an. Plötzlich blitzte es in ihren grauen Augen auf. »Ich danke dir«, rief sie, nahm ihr hastig die Gabe ab, ließ sie hinter den rasch aufgerissenen Haken ihrer Weste verschwinden und eilte fort.
Zu Hause angelangt, sagte sie zu Petrusch, der sie spöttisch fragte, ob sie sich nachts auf dem Kreuzwege guten Rat erholt habe, mit einem Blicke des tödlichen Hasses: »Du kannst das Aufgebot bestellen, nachdem du Testament gemacht hast, wie du versprochen.«
»Fahren wir gleich morgen aufs Gericht,« antwortete er erfreut, »du sollst zuhören, was ich verschreiben lasse. Ei, ei, ei! Die Leute werden mich beneiden um so eine Frau. Gleich morgen, mein Täubchen.«
Sie weiß nicht, daß so ein Testament jederzeit zurückgenommen werden kann, grinste er in sich hinein.
Vier Wochen darauf war die Hochzeit »des Lahmen mit der Geschiedenen«, wie es in der Nachbarschaft hieß. Der Hochzeitsbitter mußte auch zu Jurrey Szelags und Mare Admoneit reiten, aber er fand sie in der Strauchhütte auf der Heide nicht. Im Grenzdorfe hieß es, sie seien eine Nacht mit Seidenzeugen nach Rußland gegangen und nicht wiedergekommen. »Von denen erfährt kein Mensch mehr etwas, sie mögen tot oder gefangen sein.« Vierzehn Tage nach der lustigen Hochzeit war die Edme Petruschene zum zweitenmal Witwe.
Die Leute flüsterten sich dies und das ins Ohr, was nicht laut gesagt werden durfte. Man zuckte die Achseln: »Die Frau ist ja nicht richtig im Kopfe – laßt sie in Ruhe.«
Man wollte sie nachts, mit einer langen Stange bewaffnet, um das Haus gehen gesehen haben. Sie müsse den Teufel von ihrem Grundstücke fortjagen, hatte sie geheimnisvoll versichert. »Da, da –! Hinter den Steinen am Graben sitzt er – aber er kann nicht hinüber. Das Grundstück gehört mir.« Und sie hatte mit der Stange zugeschlagen und hellauf gelacht.
»Sie ist nicht richtig im Kopfe – laßt sie in Ruhe!«