Johann Karl Wezel
Satirische Erzählungen
Johann Karl Wezel

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Zweites Bändchen

Obgleich der Titel auf die in diesem Bändchen enthaltnen Stücke wenig oder gar nicht paßt, so hat man ihn doch um der Käufer willen nicht verändern wollen, und der Verfasser wird es seinen Lesern gern vergeben, daß sie sich mit seinem Titel entzweien, wenn sie nur mit ihm und seinem Buche in guter Freundschaft bleiben.

W . . . l

Die unglückliche Schwäche

Eine Geschichte

Bei einem Mittagsessen in dem Hause der Gräfin D. sahe der Herr Leclerc, der für diese Dame verschiedene Wechselgeschäfte besorgte und darum oft bei ihr speiste, die älteste Tochter des H. von F . . ., eines armen Edelmanns, der in dem letzten französischen Kriege geblieben war und seinen Töchtern nichts als den für sie lästigen Vorzug der Geburt hinterlassen hatte; sie sehen und sich verlieben war eins; Herr Leclerc hielt um sie an, und nach einigen Schwierigkeiten war sie ein Vierteljahr darauf mit ihm getraut. Dem Manne schien nunmehr nichts weiter zu fehlen, um so glücklich als beneidenswürdig zu sein. Seine Handlung war in dem herrlichsten Stande, weitläuftig, von dem besten Rufe, und die mannigfaltigen Verbindungen, worinnen er andern mit seinem Gelde oder Kredite nützen konnte, verschafften ihm ein gewisses Ansehn, das ihn in die Gesellschaft der vornehmsten Häuser brachte, wo sich jedermann befleißigte, ihm mit der größten Achtung zu begegnen, weil jedermann sein Schuldner war. Itzt kam zu diesen günstigen Umständen eine Gattin hinzu, die, wenn er auch ihre Geburt von seinem Vermögen aufwägen lassen wollte, ihm doch einen Schatz von persönlichen Vortrefflichkeiten mitbrachte, wofür sie kein Äquivalent von ihm erhielt; er besaß alles, womit ein jeder zu seinem Glücke vorliebnehmen würde, und doch fehlte ihm alles: Der Mann hatte eine zu weite Seele. Sie war ein wirklicher Abgrund, in welchen das Schicksal alle seine Herrlichkeit werfen konnte, ohne ihn jemals zu erfüllen; es blieb beständig ein leerer Raum übrig, und da unglücklicherweise seine Begierden unaufhörlich arbeiteten, die Lücke voll zu machen, und doch, wenn sie voll schien, sich sogleich wieder eine neue öffnete, so bestund sein ganzer Lebenslauf in der immerwährenden Bemühung, ein Herz wie das Sieb der Danaiden auszufüllen. Sein Kopf war daher gleichsam eine Niederlage von Entwürfen und Projekten zu seiner Vergrößerung, die oft so weit hinaussahen, daß ihre Ausführung nach aller Wahrscheinlichkeit zeitlebens verschoben bleiben mußte.

Bei seiner Bewerbung um das Fräulein F . . . machten es ihre Anverwandten, weil sie seinem Vermögen nicht widerstehn konnten, zur vorzüglichsten Bedingung, daß er sich adeln lassen sollte. – Sein übermäßiger Stolz nahm die Bedingung mit Freuden an, allein – wer sollte das vermuten? – das Fräulein setzte sich dawider, und zwar aus einem raffinierten Stolze: Sie wollte sich vermutlich dadurch einen Schein von Vernünftigkeit geben, daß sie einen solchen Vorzug ebenso leicht wegwerfen konnte, als ihn andre gierig zu erhäschen suchten; vielleicht wollte sie auch die Welt dadurch belehren, daß sie sich mit ihrem persönlichen Werte genug zu glänzen getraute, ohne einen fremden zu borgen; genug, auf ihr dringendes Bitten unterließ der Herr Leclerc, sich den Adel zu erkaufen, ob er gleich mit schwerem Herzen darein willigte.

Diese Unterlassung war für ihn die Ursache einer immerwährenden Beunruhigung: Er konnte sich nicht anders als wie einen Schuldner betrachten, dem seine Gemahlin die Ehre angetan habe, ihn zu heiraten, ohne etwas anders dafür zu bekommen als einen Mann ohne Stand, und er wollte doch gern, daß sie ihm schuldig sein sollte. Aus dieser Kränkung seines Stolzes entstund unmittelbar nach seiner Vermählung eine gewisse zurückhaltende komplimentenreiche Kälte, die sich natürlicherweise gar bald auch seiner Gemahlin mitteilen mußte. Wenigstens konnte ihre Liebe, wenn sie auch noch so groß gewesen wäre, sich an seiner steifen Höflichkeit nicht hinlänglich erwärmen, um in Flammen auszubrechen. Sonach verstunden beide einander unrecht: Sie hielt seinen Kaltsinn für Bürgerstolz und er den ihrigen für Ahnenstolz, und diese Voraussetzung äußerte sich auf seiner Seite zuerst durch lautes offenbares Mißvergnügen, wodurch es nach einigen kleinen Verdrießlichkeiten dahin kam, daß beide ganz abgesondert aßen, tranken und schliefen und sich nicht anders sahen, als wenn sie sich im Hause unvermeidlich begegneten, welches noch sehr selten geschah.

So ruhig während dieser Zeit die Frau Leclerc ihre Stunden mit Lesen und weiblichen Arbeiten zubrachte, so unruhig war jeder Augenblick für ihren Mann. Er liebte sie wahrhaftig, und wenn nicht der Stolz seine Zärtlichkeit daniedergedrückt hätte, so würde er nie den mißlichen Schritt getan haben, sie seine Unzufriedenheit so deutlich fühlen zu lassen. Allein der Stolz hatte den Schaden angerichtet; er mußte ihn also wiedergutmachen. Seine Zärtlichkeit arbeitete sich während jener Absonderung wieder empor; er wünschte wieder mit ihr zu leben, und da dieses nicht geschehen konnte, wenn er sich nicht die Grille aus dem Kopfe schaffte, daß sein Stand ihn in ihren Augen verächtlich mache, so beschloß er ohne ihr Vorwissen sich den gräflichen Titel zu kaufen, um damit ihren vermeintlichen Stolz auf ihren Adel gleichsam zu überbieten und zum Stillschweigen zu bringen.

Zur Ausführung seines Projektes bediente er sich eines Abenteurers, der sich während jener Uneinigkeit unter dem Namen eines Grafen von Z. in sein Haus eingeschlichen hatte. Ein Mann war es, der mit allen Großen und Vornehmen in der Welt die genauste Verbindung zu haben vorgab und, wo er sie nicht hatte, sie doch durch seine Dreistigkeit und Zudringlichkeit sehr leicht erlangte. Durch keine andern Mittel hatte er sich in die Bekanntschaft des Herrn Leclerc gebracht, dem er sogleich seine Dienstleistungen bei allen Potentaten unter der Sonne anbot, und der leichtgläubige Mann, der seinen Eigendünkel durch diese Freundschaft mit den herrlichsten Aussichten geschmeichelt sah, ließ sich alles von ihm bereden und würde ihm Glauben beigemessen haben, wenn er ihm gleich einen Platz auf dem chinesischen Throne versprochen hätte. Indessen daß er so den Mann mit goldnen Vorstellungen von künftiger Größe hinterging und keinen geringen Vorteil aus seiner freigebigen Leichtgläubigkeit zog, so machte er unterderhand Anstalt, einen heimlichen Roman mit der Frau anzufangen, welches die einzige Absicht war, warum er sich in das Haus einzuführen gesucht hatte. Obgleich die Natur für gut befunden hatte, ihn mit einer Gestalt zu begaben, die auch die schwachherzigsten Frauenzimmer vor dem Unglück, sich in ihn zu verlieben, bewahren konnte, so trug er doch zu der Stärke seines Witzes und seinen rednerischen Talenten das feste Vertrauen, daß sie ihn bei allen möglichen Liebesoperationen hinlänglich unterstützen und zum Sieger machen würden, und da ihm etlichemal ich weiß nicht welches günstige Ohngefähr seine Absichten hatte gelingen lassen – was er nicht seinem guten Glücke, sondern seiner großen Geschicklichkeit zuschrieb –, so hoffte er dreist, daß sie ihm nie fehlschlagen könnten, und unternahm deswegen die größten Wagestücke in der Liebe, woran sich auch ein Mann mit allen Vorteilen der Figur nicht anders als behutsam gewagt hätte. Ein solches Wagestück war auch der vorhabende Versuch bei der Frau Leclerc, und er durfte sich nicht wundern, daß er nur sehr langsam darinne fortschreiten konnte.

Die Frau Leclerc – um bei dieser Gelegenheit den vornehmsten Zug ihres Porträts zu geben – war im Grunde weder untüchtig noch ungeneigt zu solchen verliebten Unternehmungen, denn lieben mußte sie; ihr Herz war von Natur zur beständigen Empfindung gestimmt, und sie befand sich also gegenwärtig, da sie ihren Mann nicht lieben konnte, in einem wirklichen Bedürfnisse nach einem Gegenstande, dem sie ihr vakantes Herz zuwenden konnte. Aber weit gefehlt, daß ihre Liebe von einer Stärke des Gefühls, einer zu hoch gespannten Empfindungskraft herrührte! Nein, es war vielmehr eine übertriebne Weichheit des Herzens, das keinem einzigen Eindrucke widerstehn konnte und jederzeit dahin gerissen wurde, wohin es der gegenwärtige Stoß trieb, und ebenso leicht sich den Augenblick darauf wieder auf die entgegengesetzte Seite hinziehen ließ. Diese unglückliche Schwäche allein machte die vielen und großen Vergehungen möglich, die sie bei aller Güte des Charakters in der Folge beging, und versprach auch itzt dem Grafen Z. einen glücklichen Erfolg und würde ihm doppelten Mut gegeben haben, wenn ihn seine Liebe etwas mehr gelehrt hätte, als daß die Frau Leclerc anbetenswürdig war.

Kaum hatte der Liebesritter in Erfahrung gebracht, daß ihr Mann entschlossen sei, sich und seine liebe Ehefrau mit einem höhern Stande zu beschenken, als er vor Freuden die Hände zusammenschlug, daß ihm eine so günstige Gelegenheit zur Ausführung seines Plans aufstieß, und der Gang seiner vorhabenden Unternehmung war ihm von den Umständen selbst gleichsam vorgeschrieben. Er mußte dem ehrgeizigen Manne in seinem Verlangen nach der Standeserhöhung behülflich sein, um sich auf immer in seiner Gunst zu befestigen und zu gleicher Zeit allen künftigen eifersüchtigen Argwohn dadurch unkräftig zu machen; alsdann, wenn der Wille des Mannes befriedigt war, mußte der glimmende Unwille der Frau angefacht, zur Flamme gebracht und alle Rückkehr zur Versöhnung mit dem Manne unmöglich gemacht werden; da man ihr Herz durch jeden Eindruck leicht formen konnte, wie man beliebte, so mußte er es zum voraus wider das Geschenk eines höhern Standes einnehmen, wodurch sie ihr Mann wiedergewinnen wollte, ihr die Handlung ihres Mannes als eine Torheit und wohl gar als eine Beleidigung vorstellen, daß er zu ihrer Vernünftigkeit, worauf sie sich ungemein viel zugute tat, nicht Zutrauen genug habe, um ihre Liebe zu erwarten, ohne seine Zuflucht zu einem so elenden Hülfsmittel zu nehmen; ihr Mann mußte ihr durch eine solche Vorstellung wirklich verächtlich und womöglich verhaßt werden – ein guter Grund, worauf sich leicht weiter bauen ließ! Und um seine öftern Besuche desto ungehinderter und ohne Verdacht fortzusetzen, mußte er sich bei dem Manne das Ansehn einer Mittelsperson zu ihrer Aussöhnung geben. – So mußte er natürlicherweise verfahren, und kaum hatte er dies Ganze bei sich überdacht, als er ohne Verzug Hand an das Werk legte.

Der erste Schritt, den er tat, ging dahin, daß er die Frau Leclerc von dem Vorsatze ihres Mannes unterrichtete und ihn in dem widrigsten Lichte vorstellte. – »Madam«, sprach er eines Abends, als er bei ihr auf dem Sofa saß, »Sie werden in wenig Wochen eine Gräfin sein. Ihr Mann glaubt Ihren Stolz beleidigt zu haben, daß er Ihnen statt eines Namens, den so viele edle Vorfahren führten, nur einen kahlen bürgerlichen gab; er will ihren Verlust ersetzen und ist itzt im Begriffe, sich selbst einen Titel zu verschaffen, der Sie zu seiner Schuldnerin machen soll. Sie opferten ihm Ihren Adel auf, und er will Ihnen nicht allein diesen, sondern auch noch einen Überschuß hinzugeben, um mehr gegeben als empfangen zu haben. Ihnen, die Sie aus Vernunft und Überlegung einen Rang aufgaben, den Sie mit leichter Mühe erhalten konnten, muß nach Ihrer bekannten Delikatesse in dem Punkte der Ehre ein so toller Ersatz höchst verächtlich scheinen, zumal da er aus einer für Sie so entehrenden Voraussetzung herfließt, die sich nicht mit der mindesten guten Meinung von ihrer persönlichen Vortrefflichkeit verträgt. Was für einen niedrigen Begriff muß man von Ihrer Vernunft und Ihrer Ehrliebe haben, wenn man Ihnen Liebe und Versöhnung um einen so elenden Preis abkaufen will? Mir würde ein solches Verfahren entweder ein Versuch scheinen, meine Grundsätze der Ehre, meine Vernunft auf die Probe zu stellen, oder ein Scheinvergleich, den man mir nur anböte, um ihn angeboten zu haben und mir alle Gelegenheit zur Rechtfertigung zu benehmen und mich in den Ohren der Welt als eine Eigensinnige, Hartnäckige zu verschreien, die die Urheberin der Uneinigkeit sein muß, weil sie alle Vermittelung von sich weist. – Kurz, dieser vorgebliche Ersatz Ihres Verlustes ist ein listiger Anschlag, Sie in Ihren Augen, in den Augen Ihres Mannes und der ganzen Welt zu erniedrigen unter dem Scheine, Sie zu erhöhen.« –

Die Rede, die er unter verschiedenen ähnlichen Wendungen noch länger ausdehnte, tat ihre gewünschte Wirkung; je gewisser Herr Leclerc das Mittel ausgefunden zu haben glaubte, sich mit sich selbst und mit seiner Gemahlin wieder einig zu machen, je gewisser war es nunmehr nach jener falschen Eingebung, daß er das Mittel gewählt hatte, alle Einigkeit auf immer aus ihrer Ehe auszuschließen.

Der Graf Z. trat unmittelbar darauf seine Reise an, die verlangte Standeserhöhung zu bewerkstelligen. – Herr Leclerc wurde baronisiert, und nicht lange darauf sahe er sich durch die Vermittelung seines Freundes und ansehnliche Aufopferungen von einem gewissen Hofe zum Grafen erhoben. Kaum hatte er das Diplom erhalten, als er zu seiner Gemahlin flog, die der Graf Z. schon zu diesem Auftritte vorbereitet hatte, und es ihr mit Ehrerbietung überreichte, und zwar mit dem Zusatze, daß er ihr hier einen Titel schenke, um ihm durch die persönlichen Vortrefflichkeiten seiner künftigen Besitzerin einen Wert mitteilen zu lassen. »Wir wollen wieder ganz Mann und Frau sein«, fügte er hinzu; »Sie sollen der Unrecht leidende Teil sein, und ich will Sie beleidigt haben, ich will es Ihnen abbitten, und Sie sollen mir vergeben. Mag doch unser Mißverständnis entstanden sein, woher es will, es soll auf immer vergessen sein, und nie möge ein neues unsre Einigkeit trennen! Ohne Sie zu lieben, hätte ich einen solchen Schritt zur Aussöhnung nicht getan, und ich beschwöre Sie bei dem Reste Ihrer Liebe, daß Sie den Titel, den dieses Papier auch Ihnen erteilt, bloß als ein Denkmal unsrer Versöhnung annehmen; der Anfang unsers gräflichen Standes soll mir das Datum sein, mit welchem die glückselige Periode unsrer erneuerten Liebe anfängt, und nur der Tod soll das Datum sein, wo sie schließt.« – Mit diesen Worten verband er eine feurige Umarmung, die die verwirrte Ehefrau aus aller Fassung brachte; ihr weiches Herz vermochte einer so sichtbaren Zärtlichkeit nicht zu widerstehen, seine Liebkosungen überwältigten sie, sie erwiderte seine Umarmung und setzte, um ihm nicht in der Großmut zu weichen, hinzu: »Ich will unrecht haben, ich will Beleidigerin heißen, und unsre Versöhnung soll mit diesen Worten unterzeichnet sein, ob ich gleich tausend Ursachen hätte, Sie wegen eines Geschenkes zu hassen, das ich verachten gelernt habe.« – Er beschwor sie; seine Umarmung wurde feuriger, seine Zärtlichkeit aufwallender und der ganze Mann ein so lebhaftes Bild der Reue und verliebter Demütigung, daß ein minder weiches Herz hätte augenblicklich gewonnen werden müssen; um soviel mehr mußte ein solcher Anblick seine Gemahlin überwältigen; sie fiel ihm um den Hals und weinte – eine Szene, wobei der Graf nichts tun konnte als vor Ärger an den Fingern nagen, die Lippen einbeißen und mit höchst alberner Miene zur Wiederversöhnung Glück wünschen!

Der Plan des Grafen war nicht vereitelt, sondern nur weiter hinausgeschoben; sosehr sich auch die beiden Eheleute zu lieben schienen, weil der beruhigte Stolz des Herrn Leclerc ihn itzt den gefälligsten, zufriedensten Manne sein ließ, so versprach doch seine Veränderlichkeit und die üble Laune seiner unersättlichen, immer höher strebenden Begierden dem lauschenden Hinterlistigen tausend Gelegenheiten, wo es leicht werden konnte, die anscheinende Stille in lauten Sturm zu verwandeln; er betrog sich nicht

Der Ehrgeiz des neuen Grafen empfand bald, daß die gehofften Glückseligkeiten seines angenommnen Standes in dem Genüsse minder groß waren als in der Erwartung; seine Mitbürger verachteten aus Neid einen Mann, der sich seiner Gleichheit mit ihnen geschämt hatte, und versagten ihm desto mehr die Ehrerbietung, welche er verlangte, je mehr er zu erkennen gab, daß er sie vermißte; auch war es wirklich unmöglich, sie ihm in einem noch so großen Maße zu geben und nicht immer nach seiner Rechnung ihm ebensoviel schuldig zu bleiben. Was war natürlicher, als daß die Ehrsucht des Mannes, der in seiner stolzen Hoffnung so außerordentlich betrogen wurde, die ganze Stadt mit allen ihren Einwohnern hassen mußte, wo jedermann zu dumm oder zu plump, ungeschliffen und ohne alle Lebensart war, um das erkaufte Verdienst seiner neuen Größe gehörig zu ehren. Eine so hintergangne Erwartung konnte nichts anders als Unzufriedenheit, Verdrüßlichkeit, Unwillen erzeugen, und bei ihm war sie hinreichend, seinen ganzen Mut niederzuschlagen, ihm das Leben zu verfinstern, keine Freude fühlen zu lassen und ihn selbst gegen diejenigen, die er liebte, gegen Gemahlin, Kinder und Freunde unleidlich, mürrisch und unverträglich zu machen, oder vielmehr der Unwille und Verdruß bemeisterte sich seiner so sehr, daß er gar nichts mehr lieben konnte. Seine Freude war jederzeit nur ein starker, aber schnell vorübergehender Sonnenblick, den ihm eine Befriedigung seines Stolzes ablockte, den die Unterbrechung solcher Befriedigungen schon verdunkelte, und itzt, da sein Ehrgeiz eine so heftige Drangseligkeit ausstehen mußte, wurde der ganze Horizont seiner Seele völlig in schwarze Donnerwolken eingehüllt; er wurde wieder der nämliche harte, ungefällige Ehemann, der er vor der Erlangung des Grafenstandes gewesen war.

Welche günstige Umstände für den Grafen Z.! – Hurtig! Der Gräfin dies wunderliche Betragen von der schwarzen Seite vorgestellt! Für sie angreifende Ursachen dazu erdichtet! – Ursachen, die sie aufbringen, die sie überreden müssen, daß sie gekränkt wird, daß sie Unrecht leidet! und die Sache ist zur Hälfte getan, die Uneinigkeit wiederhergestellt. – So machte es der Graf Z., und so gelang's ihm.

Die beständig nagende Unruhe, Verdruß, Unzufriedenheit wurden dem Grafen von Longueville – diesen Namen hatte der Herr Leclerc angenommen – endlich so lästig und sein Verlangen nach Ruhe, das heißt bei ihm, nach Nahrung für den Stolz, so überwältigend heftig, daß er beschloß, seinen Aufenthalt zu verändern und sich mit seinem Vermögen an einen Ort zu wenden, wo man ihn nur als Grafen und nicht als geadelten Kaufmann kannte und ihm darum ohne Neid, ohne Mißgunst die gebührende Ehre in dem Grade, wie er sie wünschte, erzeigen würde. Der Entschluß war gefaßt, und ohne seiner Gemahlin oder dem Grafen Z. seine Absicht zu entdecken, reiste er ab, einen solchen Ort zu suchen.

Dieser Mangel an Zutrauen war für den letztern schon ein hinlänglicher Bewegungsgrund, ihn wider den Grafen von Longueville zu reizen, besonders da er vorher der unumschränkteste Vertraute desselben gewesen war und also itzt bei einer so plötzlichen Änderung der Freundschaft besorgen mußte, daß sein Freund auf die Spur seines Anschlages auf die Gräfin gekommen sei, welches ihm das Bewußtsein seiner Absichten höchstwahrscheinlich machte. Er mußte eilen, die Abreise des Grafen auf alle Weise zu nützen, seine Verschwiegenheit gegen seine Gemahlin als die häßlichste Treulosigkeit abzumalen, den ganzen Rest von Liebe in ihr niederzustürzen und sich in ihrem Herze festzusetzen. Das Spiel wurde also sehr ernsthaft: Es war nicht mehr eine verliebte Komödie, ein Roman, sondern das hitzigste Schauspiel, worinne Rache, Eigennutz, List auf seiten des Grafen die obersten Rollen hatten; er wollte durch alle Künste die Gräfin zu einer Untreue gegen die Gesetze des Ehestandes bewegen, zwingen oder, wie es sonst tunlich wäre, nicht aus Wollüstigkeit sie zu genießen, sondern aus List sie durch eine solche Handlung fest an sich zu knüpfen und ihre beiderseitige Sache zu einer und derselben wider ihren Gemahl zu machen, den er nunmehr haßte. Allein dieser Haß war nicht bloß die Folge von dem Unwillen über das Mißtrauen des Grafen gegen ihn, sondern eine Gärung, die der Eigennutz schon lange in ihm unterhalten hatte. Der Graf von Longueville war in seiner unmutigen Laune weniger freigebig, schlug seinem Freunde jede Bitte und oft mit Härte ab, begegnete ihm mit stolzer Kälte und ließ es ihn überhaupt fühlen, daß er ihm Verbindlichkeiten auferlegt zu haben glaubte. So lag der Haß als Embryo seit langer Zeit in dem Herze des Grafen Z. und brach itzt als eine reife Geburt hervor, und wie der Gräfin eigner Bericht an eine ihrer Freundinnen beweist, so erlag ihre Tugend in dieser Periode unter den Nachstellungen des listigen Mannes. Wie es geschah, soll uns ihre eigne Aussage belehren, die sie als Matrone in einem Briefe an jene Freundin tat. Hier ist er:

»Wenn ich sagte, daß ich meine Tugend als ein unschuldiges, reines Mädchen in ein Alter von fünfzig Jahren mitgebracht habe, so wäre ich Ihrer Offenherzigkeit nicht wert, und Zunge und Feder würden sich widersetzen, eine solche Unwahrheit auszubreiten. Sie ist nur einmal gefallen, gefallen unter den Händen des listigsten Nachstellers, aber zu meinem Unglücke war dies einmal genug. Dies Vergehen war von einer Kette, die bis zu meinen gegenwärtigen Tagen der Ruhe reicht, das erste Glied, das der Verbrecher ergriff, um mich durch unzählbare Martern, neue Vergehungen und neue Unglückseligkeiten hindurchzuschleppen, und wenn ich überlege, wie ihm dies gelang – Gott! denke ich alsdann, welch ein verächtliches, elendes Ding ist menschliche, besonders weibliche Tugend! Eine Feder, die von tausend Winden nach tausend Richtungen hingetrieben wird, von jeder Luft einen Stoß empfängt und durch ein kleines Windchen niedergeblasen wird! Bei dem Nachdenken über meinen Fall schäme ich mich vor mir selbst, daß so nichtsbedeutende Ursachen ihn bewirken konnten, so nichtsbedeutende, daß sie mir oft ganz verschwinden und ich gefallen zu sein scheine, ohne sagen zu können, wodurch. Der Mann hatte nicht das mindeste Einnehmende, das mich entschuldigen könnte und das oft unser Herz schon weggerissen hat, ehe die Vernunft mit ihrem Rate dazwischenkommen kann; er war ungestaltet – Sie haben ihn ja gesehn, den Grafen Z., und das ist mehr als mein Gemälde; aber der Schlaue hatte eine Gabe, ein feines, einschleichendes Talent, die Augen gegen alle seine Häßlichkeiten zu blenden, sich mit seiner Zunge, seiner Dienstfertigkeit und seiner unermüdlichen Aufmerksamkeit auf alle meine Verlangen, ja auf die kleinsten Wünsche in das Herz hineinzuschwatzen und dann trotzig mich herauszufodern: Vertreibe mich! Ich vergaß allmählich, daß der Mann nicht schön war, meine Sinne verschlossen sich vor allen widrigen Eindrücken, und ich würde gezürnt haben, wenn ihn jemand häßlich genannt hätte, ob ich ihn gleich nicht widerlegen konnte. Bei dieser Verfassung meiner selbst verreiste mein Gemahl, ohne mir die Ursache seiner Reise zu entdecken. Ich war schon wider ihn aufgebracht, und er hatte sich mir durch die Ungleichheit seiner Laune, durch seine bald übertrieben freundliche, bald ebenso kaltsinnige Begegnung beschwerlich und vielleicht gar verächtlich gemacht; ich setzte wenigstens keinen Wert mehr in seine Hochachtung, bestrebte mich nicht darnach, weil ich wußte, daß seine Güte und seine Unfreundlichkeit nicht aus seinem Herzen herfloß, sondern vielleicht eine Wirkung von Wind und Wetter war.Hier irrt sich die Gräfin: Seine bösen Launen waren allem Anschein nach allemal Wirkungen eines innerlichen Sturms, den der Stolz in ihm erregt hatte. Der Graf unterhielt und stärkte von Zeit zu Zeit meinen Widerwillen, gab jeder bösen Laune meines Mannes durch Übertreibungen und Vergrößerungen ein auffallendes Licht, schob ihr beleidigende Bewegungsgründe unter, machte mir seine Liebe verdächtig, welches nicht schwerfiel, drehte mir jede, auch die gleichgültigste seiner Handlungen auf der schlimmen Seite zu und machte besonders die Heimlichkeit, womit er seine Reise unter so großen Zurüstungen veranstaltete, zu einem Hauptverbrechen, das mich nicht bloß abgeneigt gegen ihn – das ihn mir verhaßt machen mußte. Mein Herz war lange leer gewesen – und ein leeres Herz, welch ein elender Zustand für ein Frauenzimmer! In unserm Herze muß Liebe sein! Ohne sie leiden wir wie bei einem ausgefasteten Magen. Gleichwohl hatte ich diesen traurigen, öden Zustand lange ertragen müssen; für meinen Mann schlug keine Fiber am ganzen Leibe mehr von Liebe; ich fühlte ein Bedürfnis in mir, das kein Gegenstand in der Nähe befriedigen wollte, der Graf hatte schon längst meine Sympathie erregt, er bot sich mir itzt an und – beste Freundin, soll ich ausreden? – Aber die Geschichte des grausamen Augenblicks selbst will ich Ihnen nicht vorenthalten. Wir saßen eines Vormittags nebeneinander und tranken Schokolade; ich zeichnete mit Rötel nach verschiedenen Kupferstichen, die vor mir ausgebreitet lagen; der Listige machte selbst von Zeit zu Zeit einige Züge, zog endlich sein Taschenbuch hervor und zeigte mir eine Zeichnung nach einem Tizianischen Gemälde – eine Leda, welcher Jupiter als Schwan in der wollüstigsten Stellung der Liebe auf dem Schoße sitzt, die – ich kann es Ihnen nicht ausdrücken, welche Empfindungen der erste Anblick des verhaßten Gemäldes in mir sogleich aufwiegelte; mein Herz klopfte wie von einer geheimen Ahndung; ich gebot ihm errötend, es wegzutun, allein der Bösewicht trotzte meinem Geheiße, er ließ es vor meinen Augen, er sprach – aber was? – Worte, wovon jedes eine vergiftete Spitze in mein Herz drückte! Er merkte meine wachsende Verwirrung, ich glühte, ich stritt, ich kämpfte, meine Sinne waren benebelt und – der Verbrecher! wehe ihm und wehe dem Maler, der ihm so gefährliche Waffen verfertigte! Wehe mir und der Natur, die weibliche Herzen aus so geschmeidigem, nachgebendem Tone bildete!

Seitdem hat mich der Unwürdige so fest an sich gefesselt gehalten, daß sein Interesse mit dem meinigen zusammenschmolz; ich war die Marionette, die er an dem Drahte der Liebe nach Willkür regierte: Jede seiner Handlungen mußte ich billigen, und der mindeste Tadel wider ihn schien mir ein Verbrechen und ein Wort, wider ihn gesprochen – eine Missetat. Er geriet um meinetwillen in eine Lebensgefahr, die das Band unsrer gegenseitigen Liebe unzertrennlich zusammenknüpfte. – Allein der Mann war ein Niederträchtiger: Nicht die heilige Flamme der Liebe, nein, der schändlichste Eigennutz hatte seine Wollust entzündet. Doch – etc. etc.«

Die Folgsamkeit gegen den Grafen, deren sie zu Ende des Briefs gedenkt, äußerte sich mehr als zu sehr, da ihr Gemahl zurückkam und ihr ankündigte, daß er sich mit seinem ganzen Vermögen nach G. wenden werde, wo er schon einige Besitzungen angekauft habe, und nunmehr erwarte, die Vorteile und die Annehmlichkeiten derselben mit ihr zu genießen; er bat sie zugleich sehr gütig, sich zu der Abreise so hurtig als möglich in Bereitschaft zu setzen, deren eigentlichen Zeitpunkte er übrigens ihrer eignen Bestimmung überlasse. Der Graf Z. hatte dies Geheimnis gleich bei seiner Ankunft aus ihm zu locken gewußt und die Gräfin auf die Bitte ihres Gemahls vorbereitet, die sie auf seine Eingebung geradezu abschlagen mußte. Vielleicht war es nur ein eigensinniger Widerwille, der den Grafen Z. zu diesem Widerstande antrieb – denn sichtbaren Nutzen hatte er nicht davon – und vielleicht auch Begierde, seine Gewalt über die Gräfin zu gebrauchen und ihren Gehorsam auf die Probe zu stellen – genug, sie versicherte ihn mit einem etwas pikanten Tone, daß sie sich an Ort und Stelle recht wohl befinde und nicht unruhiges Blut genug besitze, ihren Aufenthalt so oft zu verändern. Ihr Gemahl setzte in sie, tat ihr Vorstellungen, ersuchte den Grafen Z., sie von ihrer Hartnäckigkeit zurückzubringen; er versprach's und tat gerade das Gegenteil. Der Graf von Longueville war in der schrecklichsten Unruhe; solange sein Stolz nicht in ihm stürmte, stürmte die Liebe; er war alsdann, wie bereits angemerkt worden ist, so feurig verliebt, daß ihm das geringste Mißfallen seiner Gemahlin Pein verursachte. Der Termin seiner Abreise war seiner Anordnung gemäß so nahe als möglich, die Gräfin war unerbittlich, er mußte nach G., wenn er nicht einen beträchtlichen Teil seines Vermögens einbüßen wollte, er konnte nicht fort ohne seine Gemahlin, weil es seinem Stolze wehe tat, so viele Herrlichkeiten für sie angeschafft zu haben und die Verbindlichkeit ihr nicht auferlegen zu können, die er ihr dadurch auferlegen wollte – weil er ohne Verlust sie nicht zurücklassen, weil er sein Haus nicht verkaufen konnte, das sie schlechterdings bewohnen wollte, weil er sich schämte, das Mißvergnügen seiner Ehe durch eine solche Trennung allgemein bekannt werden zu lassen – alles hielt ihn zurück, und alles zwang ihn zu reisen; was konnte er tun? – Er reiste ohne seine Gemahlin und glaubte, sie durch schriftliche Bitten dahin zu vermögen, daß sie ihm nachfolgte. An Bitten ließ er es nicht ermangeln, aber die Gräfin desto mehr an Gehorsam; er besuchte sie, so weit auch die Reise war, aber sie empfing ihn kaltsinnig und ließ ihn ebenso wieder von sich. Kurz darauf änderte sich die ganze Lage der Umstände; der Vorteil des Grafen Z. verlangte, daß er bei dem Gemahl der Gräfin in G. war; er wollte, daß die Gräfin zu ihm reisen sollte, und sie reiste.

Der Graf von Longueville war abermals unglücklich; er war wohl an dem Orte, den er nach langer Überlegung zu seinem Aufenthalte ausgesucht hatte, der Reichste, der Vornehmste, er hatte die schönsten Möbeln und gab der kleinstädtischen Neubegierde ungemein viel Beschäftigung, wenn er ausfuhr, und reichen Stoff zum Gespräche, allein die Leute waren ihm alle zu ungleich, sie hatten vielen Respekt vor seinem Gelde und seinem Stande, aber sie gingen ihm aus dem Wege; an die vornehme abgemeßne Lebensart war niemand gewöhnt, der gute Ton seines Hauses war für alle Zwang; niemand erschien auf seine Einladungen, und wer erschien, aß und trank verdrossen, stumm und voll ängstlichen Zwanges und eilte, aus dem vermeinten Joche wieder herauszukommen. Sonach saß er einsam, unbewundert, ungeehrt da, weil ihn jedermann zu sehr ehrte; sein Aufenthalt wurde ihm lästig, er sann auf eine Veränderung. Die Ankunft seiner Gemahlin gab ihm noch eine vorübergehende Aufheiterung: Er hatte doch jemanden, vor dem er prangen und sich selbst bewundern konnte, ob die Gräfin gleich alle Geschenke ziemlich kalt annahm und alle Schönheiten seines Hauses und seiner Landsitze bloß ansah.

Er hatte dem Grafen Z. gemeldet, daß er eine Veränderung seines Aufenthaltes wünschte, und ihn, seinen alten dienstfertigen Freund, der durch seine wichtigen Bekanntschaften ungemein viel für ihn vermögen würde, ersucht, einen Plan zustande zu bringen, dessen Ausführung ihn nach seiner Einbildung überglücklich machen sollte. Seiner Größe fehlte noch ein ansehnlicher Titel an einem ansehnlichen Hofe; er hatte diesen Mangel kaum gefühlt, als er ihn zu heben wünschte; sein Wunsch wurde durch die Unannehmlichkeiten seines gegenwärtigen Aufenthaltes dringender gemacht; er bat also den Grafen inständigst, unter Versprechung wichtiger Belohnungen, für ihn einen solchen Titel auszuwirken und Güter in S. anzukaufen, um sich dadurch die Erlangung des Titels zu erleichtern. Der Graf Z. sah ein weites Feld für seinen Vorteil vor sich, eilte deswegen, wie bereits gesagt worden ist, nach G., und die Gräfin mußte mit ihm, ohne daß er ihr die Veranlassung seiner Reise entdeckte.

Er erhielt also von dem Grafen von Longueville seinen vollständigen Auftrag, wurde mit Wechseln und Gelde versehen und reiste aufsein Geschäft aus. Da er aber die Schwäche der Gräfin kannte und sie nicht gern auf die Seite ihres Gemahls in seiner Abwesenheit ziehen lassen wollte, welches doch bei ihr möglich gewesen wäre, sosehr sie auch itzt von ihm abgeneigt schien, so beredete er sie, daß sie unterdessen an den vorigen Ort ihres Aufenthalts zurückgehn mußte, und er begleitete sie selbst dahin.

Er war in seiner Verrichtung überaus glücklich; er hatte seinen Mann gefunden, dessen Privatvorteile er mit der Erlangung seines Gesuchs so zu verflechten wußte, daß er unermüdet am Hofe selbst arbeitete und seine Freunde dazu aufbot, als zu einer Sache, die die Wohlfahrt des Landes so sehr beförderte, daß es dadurch ich weiß nicht um wie große Summen reicher würde. In kurzem war der Wunsch des Grafen von Longueville gewährt, und sein Bevollmächtigter eilte mit der Hoffnung zu ihm zurück, die reichlichsten Belohnungen für die geleisteten Dienste einzuernten.

Warum werde ich so frostig mit einer so wichtigen Zeitung aufgenommen? – dachte der Graf Z. verwundernd, als er seinem Freunde zum ersten Male wieder in die Arme eilte und die freudigste Bewillkommung erwartete. Der Graf von Longueville dankte ihm zwar auf das verbindlichste mit angenommner Freundlichkeit, aber der Schleier war zu dünne, um nicht ein geheimes Mißvergnügen durchscheinen zu lassen; da der Graf Z. alle Ursache hatte, nicht viel Gutes für sich aus solchen Aspekten zu argwohnen, so argwohnte er eine Entdeckung seiner Angelegenheiten mit der Gräfin, worinne er sich nicht im mindesten betrog. Der Graf von Longueville hatte in seiner Abwesenheit einen Brief von ihm an die Gräfin gefunden, der zwar schon alt und auf einer Reise geschrieben war, die er ebenfalls in seinen Geschäften hatte unternehmen müssen – einen Brief, voll der anzüglichsten Spöttereien wider den Grafen von Longueville, mit einer Schilderung von ihm, worinne ihn jeder Zug zum Narren und zum Dummkopfe machte, mit etlichen Anspielungen, die der Eifersucht eines Mannes Materie genug zum Nachdenken geben konnten. Ein Mann von so brennendem Blute wie der Graf würde in der ersten Aufwallung alles zu seiner Rache gewagt haben, wenn der Verfasser dieses so beißenden Briefs zugegen gewesen wäre, doch itzt hatte ihn die Zeit ziemlich abgekühlt, um auf listige Rache zu sinnen. Eine Frau, schloß er zu gleicher Zeit sehr richtig, der man ein solches Gemälde von ihrem Manne vorlegen darf, muß selbst keine bessere Idee von ihm haben und auch geneigt sein, ein gleiches zu machen; seine Eifersucht brauste auf, und alles an seiner Gemahlin und an dem Grafen Z. wurde ihm verdächtig, widrig, verhaßt. Bei solchen innerlichen Empfindungen fiel es ihm ungemein schwer, die Belohnung seines Bevollmächtigten so groß zu machen, als er ohnedies getan haben würde. Dieser war einmal argwöhnisch und wider seinen Freund eingenommen, sahe also sein Geschenk nicht für halb so beträchtlich an, als es wirklich war, die Besorgnis einer Entdeckung hetzte ihn auf, er dachte deswegen auf Rache, ehe er die Beleidigung gewiß kannte, weil für ihn, nach der Lage der Umstände, Rache und Verwahrungsmittel eins war: Er reiste zur Gräfin.

Der Graf von Longueville befahl in seiner eifersüchtigen Laune seiner Gemahlin etwas auffallend gebieterisch, an einem bestimmten Tage abzureisen und an einem bestimmten Tage bei ihm einzutreffen, um mit ihm auf seine neuangekauften Güter nach S. zu gehn; der Termin verfloß, und weder Antwort noch die Gräfin erschien. Er brannte vor Zorn, er reiste zu ihr, erlangte aber nichts als einen heftigen Wortwechsel und einen heftigen Ärger, der ihn so stark überwältigte, daß er in eine hitzige Krankheit verfiel. Den Grafen Z. traf er bei der Gräfin an und ließ etliche Sticheleien auf ihn fliegen, die jenem die Ursache seines Grolles völlig aufklärten; er nahm sich der Gräfin bei dem darauffolgenden Zanke an, mißhandelte ihren Gemahl und wollte sogar den Degen für sie gegen ihn ziehen, allein ihre Bitte verhütete das Duell, doch grub diese Handlung ihre gute Meinung von dem Grafen Z. noch einmal so tief in ihr Herz: Sie machte nunmehr völlig offenbare Partie mit ihm wider ihren Gemahl.


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