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Die Bora hatte den ganzen Tag hindurch geweht mit einer Heftigkeit, die einem Bewohner der Ebene unheilvoll erschienen wäre, hier legte man ihr keine große Bedeutung bei. Auf den Felsenhöhen des Karstes kannte man Sturmwinde, die allem Leben, das sie auf ihrem Wege fanden, Verderben brachten und oft genug Roß und Reiter in den Abgrund stürzten. Wohl fuhr es auch heute sausend über den Boden hin und heulte in den Lüften, aber es war doch möglich, im Freien auszudauern und vorwärts zu kommen. Dabei war die Luft trocken, der Himmel klar, und die Erde erglänzte im hellen Mondlichte.
In einer jener trichterförmigen Schluchten, die den Felsenboden des Karstes nach allen Richtungen hin spalten, lag ein sogenanntes Dorf, eine kleine Anzahl von Hütten, die, roh aus Steinen zusammengefügt, eben nur Schutz vor der Witterung gewährten und kaum menschlichen Wohnungen glichen.
Etwas höher, fast am Rande der Schlucht, aber noch im Schutze der Felsen, erhob sich ein umfangreicheres Gebäude, das allein den Namen eines Hauses verdiente. Es war fest gemauert, hatte regelmäßige Tür- und Fensteröffnungen und verschiedene Innenräume.
Der erste und größte dieser Räume schien den Bewohnern für gewöhnlich zum Aufenthalt zu dienen. Auf der niedrigen Herdstätte brannte ein mächtiges Feuer und beleuchtete die kahlen, rauchgeschwärzten Wände, deren einziger Schmuck, ein Kreuz und ein Heiligenbild, bezeugte, daß die Bewohner dem Christentume angehörten. Der Hausrat, roh und derb zusammengefügt, war gleichwohl reicher, als man es sonst in dieser Gegend fand, und verschiedene hölzerne Truhen in den Ecken, die wohlfüllt zu sein schienen, deuteten gleichfalls darauf hin, daß der Besitzer des Hauses zu den Reichen und Angesehenen seines Stammes gehörte.
Die Waffen freilich, die sich sonst an den Wänden jeder Hütte fanden, fehlten hier, zugleich mit den Armen, die sie führten. Was sich von waffenfähigen Männern sonst im Dorfe befand, das stand jetzt draußen im Kampf und lagerte in den unzugänglichen Schluchten und Engpässen. Nur bisweilen kamen sie heimlich und auf Stunden zu ihren Wohnstätten, die den Truppen offen standen; sie wußten sehr gut, daß die zurückgelassenen Weiber und Kinder nichts von diesen Truppen zu fürchten hatten.
Auf dem hölzernen Tische standen die Reste eines einfachen Mahles, und ein junges Weib war beschäftigt, einen Kessel zu reinigen, in dem sie die Mahlzeit bereitet hatte. Sie tat ihre Arbeit eifrig und schweigend, ohne sich auch nur mit einer Silbe in das Gespräch der beiden Männer zu mischen, die am Herde standen.
Es waren zwei jugendliche Gestalten, echte Söhne ihres Landes, schlank, braun und geschmeidig, aber ihre Kleidung und ihr ganzes Aussehen zeugten von den monatelangen Kämpfen, die sie durchgemacht hatten. Der Ältere, mit scharfen, adlerartigen Zügen und einem Antlitz, das so hart und starr war wie die Felsen seiner Heimat, blickte finster mit zusammengezogenen Brauen in die Flammen. Sein um mehrere Jahre jüngerer Gefährte sah gleichfalls ernst und düster aus, aber seinem Gesichte fehlte jene eiserne Härte. Keiner von beiden hatte die Waffen abgelegt, sie trugen die Handschar an der Seite, das Messer im Gürtel, und die Flinten lehnten dicht neben ihnen an der Wand, so daß sie dieselben mit einem Griffe erreichen konnten.
»Ich dachte, Besseres von dir zu hören,« sagte der Ältere in grollendem Tone. »Wieder eine Niederlage! Wart ihr denn nicht in der Überzahl?«
»Nur im Anfange; der Feind erhielt Verstärkung und meine Schar ist längst entmutigt. Du willst es nicht sehen, Marco, daß wir immer mehr zurückgedrängt, immer enger umschlossen werden. Wir sind die einzigen, die noch standhalten – auf wie lange!«
»Willst du um Gnade betteln?« fuhr Marco auf. »Willst du denen die Hand reichen, die dir wie mir den Vater erschlugen? Wenn du es vergessen kannst, daß du der Sohn des Hersovac bist – ich heiße Obrevic! Und noch geht der eine frei herum, an dem ich meine Kerkerzeit und meinen Vater zu rächen habe.«
»Er war es, der heute dem Feinde die Hilfe brachte,« sagte der junge Hersovac. »Ich erkannte ihn im Gefecht. Den wirst du nicht erreichen, der hat sich fest gemacht mit Zauberkunst.«
»Man sollte es glauben!« grollte Marco. »Feig ist er nicht, er ist immer voran im Kampfe. Wie oft habe ich ihn dort schon gesucht, wie oft sollte er mit List in meine Hand gebracht werden. Es traf immer die andern, die falschen, und er ging frei aus. Aber noch ist er in unseren Grenzen, und ich habe ihm auf jedem Fußbreit Schlingen gelegt. Wenn er sich nur einmal von den Seinigen entfernt, dann ist er mein!«
Er ergriff eines der Holzscheite und stieß damit in das Feuer, daß die Funken nach allen Richtungen hin umhersprühten: es war eine Bewegung verhaltenen Grimmes; dann auf einmal fragte er kurz und scharf:
»Wo ist Danira? Weiß sie es nicht, daß ich hier bin?«
»Ja, aber sie weigert sich, zu kommen.«
»So zwinge sie!« sagte Marco rauh.
»Danira zwingen? Du kennst meine Schwester nicht.«
»Ich wollte sie zwingen, und ich werde es, sobald sie erst mein ist, verlaß dich darauf. Rufe sie herbei!«
Die Weisung klang sehr herrisch, dennoch gehorchte Stephan Hersovac. Er war noch sehr jung und augenscheinlich nicht der Stellung gewachsen, welche die Verhältnisse ihm aufzwangen.
Von den Söhnen der beiden gefallenen Führer schien nur der ältere befähigt, die Rolle des Vaters aufzunehmen, und doch waren sie wie Brüder aufgewachsen im Hause des Joan Obrevic, als dieser den Sohn seines verstorbenen Blutsfreundes in die Heimat zurückgeführt hatte. Aber schon damals hatte der energische Marco eine Herrschaft über seinen jüngeren und lenksameren Freund ausgeübt; Stephan war es gewohnt, sich ihm unterzuordnen, vollends jetzt, wo jener an der Spitze des Stammes stand.
Nach Verlauf von einigen Minuten erschien Danira. Sie trug jetzt auch die Landestracht, und dennoch war und blieb etwas Fremdartiges in ihrer Erscheinung, selbst hier in der Heimat. Sie hatte so gar nichts gemein mit den Frauen ihres Volkes, mit diesen scheuen, demütigen Geschöpfen, die zur Unterwerfung geboren und erzogen wurden. Es war ein kalter Stolz in ihrer Haltung, als sie sich Marco näherte und das Haupt gegen ihn neigte, als sei sein herrischer Ruf eine Bitte gewesen, und als sei sie die Gewährende.
Auch Obrevic mußte diesen Eindruck empfangen, denn in seinem Auge glühte es auf wie heiße, leidenschaftliche Bewunderung; aber seine Stimme blieb hart und rauh, als er fragte:
»Kannst du nicht einmal den Gast begrüßen, der zum Herde deines Bruders kommt, oder willst du es nicht?«
»Hast du meinen Gruß vermißt?« lautete die kühle Gegenfrage. »Du kamst ja nur, um mit Stephan Beratung zu halten, und für eure Mahlzeit war bereits gesorgt.«
»Gleichviel! Es ziemt sich, daß du dem Manne entgegenkommst, dem dein Bruder dich zum Weibe versprochen hat. Du weißt das längst.«
»Und du weißt, daß ich dies Versprechen nicht anerkenne. Ich habe es dir nicht gegeben.«
»Bei uns hat das Weib keinen Willen,« sagte Marco herrisch. »Dein Bruder ist jetzt das Haupt des Hauses, er hat über dich zu beschließen und wird dich zwingen, zu gehorchen – er oder ich!«
»Versucht es!«
Die beiden Worte wurden mit vollkommener Ruhe, aber mit einer so unbeugsamen Energie gesprochen, daß Marco wütend mit dem Fuße stampfte.
»Hast du den Trotz gelernt bei denen da unten? Jetzt bist du zu uns zurückgekehrt, und hier taugt nichts von all den Torheiten, die sie dich dort gelehrt haben.«
»Du bist im Irrtum. Ich habe alles dort zurückgelassen.« – Die Stimme des Mädchens bebte einen Moment lang, dann aber wiederholte sie mit leidenschaftlichem, beinahe zornigem Nachdruck: »Alles! Frage meinen Bruder, ob ich die Arbeit scheue, die mir fremd war, ob ich mich weigere, zu tun, was mir auferlegt wird. Ich verlange nur eins – frei zu sein! Und das bin ich nicht, wenn ich einem Manne angehöre. Ich bin nicht der Gefangenschaft entflohen, um in die Sklaverei zu gehen, und bei euch ist das Weib eine Sklavin.«
Ihr Auge streifte mit einem halb mitleidigen, halb verächtlichen Blicke die Frau ihres Bruders, die, noch mit ihrer Arbeit beschäftigt, am Boden kauerte, und der trotz Jugend und Schönheit doch der Stempel der Dienstbarkeit deutlich aufgedrückt war. Sie konnte kaum so alt sein wie Danira und war doch schon gebeugt von der schweren Arbeit, die auf ihren Schultern allein ruhte. Sie hatte die Mahlzeit bereitet und die Männer bedient, ohne von ihnen weiter beachtet worden zu sein; selbst in Gegenwart ihres Gatten hatte sie nur scheue Furchtsamkeit und Unterwürfigkeit verraten, und jetzt blickte sie mit einem wahren Entsetzen auf das Mädchen, das es wagte, einem Manne solche Dinge zu sagen. Sie war in ihrer ganzen Haltung und Erscheinung ein überzeugender Beweis für jene Worte, und das gerade erbitterte den wilden Obrevic.
»Willst du uns fremde Sitten lehren?« brauste er auf. »Bei uns gilt nur der Mann, und was unsere Weiber bisher gewesen sind, das werden sie bleiben.«
Danira richtete sich hoch auf, und ihre Augen flammten, als sie ihm mit leidenschaftlichem Stolze die Antwort zuschleuderte:
»Ich bin aber nicht wie eure Weiber, will es nicht sein, und eben darum will ich keinem von euch angehören!«
Der Trotz reizte Marco, aber er imponierte ihm zugleich, denn es lag etwas von seiner eigenen unbändigen Kraft darin, die sich keinem beugte; seine Hand war noch drohend geballt, aber sein Auge hing an dem schönen, glühend erregten Antlitz, und halblaut murmelte er:
»Nein, du bist anders – darum eben kann ich nicht von dir lassen!«
Es trat eine Pause ein; Danira beugte sich nieder und begann neue Holzscheite in das schon sinkende Feuer zu legen. Ihre Hände gaben Zeugnis davon, daß sie die Arbeit kennen gelernt und sich nicht dabei geschont hatte; aber jede Bewegung war voll Kraft und Anmut. Marco folgte stumm diesen Bewegungen; er wandte den Blick nicht ab, und plötzlich trat er einen Schritt näher und ergriff den Arm des Mädchens, indem er jäh und heftig fragte:
»Weshalb verschmähst du meine Werbung? Ich bin der Erste, Reichste meines Stammes, reicher als selbst dein Bruder. Du brauchst nicht zu arbeiten wie die andern Weiber, du sollst keine Sklavin sein in meinem Hause – du nicht, Danira – ich verspreche es dir!«
Es lag ein seltsames Gemisch von finsterer Drohung und glühender Leidenschaft in diesen Worten, und es klang sogar ein Ton der Bitte durch bei jenem Versprechen. Man sah es, der rauhe Gebirgssohn war gänzlich im Banne des Gefühls, das er zum erstenmal kennen lernte, und das sogar seinen Mannestrotz beugte. Er bat, wo er seiner Meinung nach zu fordern berechtigt war. Aber Danira machte mit ruhiger Entschiedenheit ihren Arm frei.
»Du kannst nicht wider deine Natur, Marco, selbst wenn du wolltest. Du mußt herrschen und unterdrücken, und im Zorn kennst du keine Grenzen. Selbst meinen Bruder beugst du unbedingt unter deinen Willen, was würde da das Los deines Weibes sein? – Und ist denn jetzt überhaupt Zeit an Hochzeit zu denken? Stephan hat dir doch berichtet, was geschehen ist: er ist unterlegen.«
»Zum drittenmal! Ich hätte mich nicht werfen lassen, bei allen Heiligen, aber Stephan ist kein Führer, ist es nie gewesen!«
»Mein Bruder ist noch sehr jung,« verteidigte Danira. »Ihm fehlt die Erfahrung, nicht der Mut, und auf einem verlorenen Posten vermag er nichts; denn – ob du es nun zugestehst oder nicht – unsere Sache ist verloren. Du allein hältst noch stand, aber du allein kannst auch nicht das Unmögliche erzwingen.«
»Schweig!« rief Obrevic mit wild ausbrechendem Zorn. »Was weißt du davon? Hat dich Stephan schon angesteckt mit seiner Feigheit? Er spricht bereits von Ergebung, und du? –«
»Ich nicht!« unterbrach ihn Danira. »Ich kann es begreifen, daß ihr siegen oder fallen müßt. Ich wollte, ich könnte mit euch sterben, wenn es soweit ist. Der Untergang ist keine Schmach – nur die Unterwerfung!«
Die Worte hatten einen Klang eiserner Entschlossenheit. Man hörte es ihnen an, daß das Mädchen imstande war, sie wahr zu machen, wenn es zum Äußersten kam. Das fühlte auch Marco; denn, ohne den Blick von ihrem Antlitz abzuwenden, sagte er langsam:
»Du solltest der Mann sein, und Stephan das Weib. Du hast das Blut deines Vaters geerbt – er nicht.«
Er streckte ihr die Hand hin und umschloß die ihrige mit festem Drucke, wie er hier nur unter Männern üblich war. Danira hatte ihn gezwungen, sie als ebenbürtig anzuerkennen. Das bezeugte dieser Händedruck.
»Im Grunde hast du recht,« fuhr er fort. »Es ist jetzt nicht Zeit, an Hochzeit zu denken, wir haben Besseres zu tun. Kommt die Zeit aber – und sie wird kommen – dann wirst du mein, Danira, das habe ich mir geschworen, und ich halte Wort.«
Der Strahl der Leidenschaft brach wieder heiß und verzehrend aus seinem Auge, aber die Antwort blieb dem Mädchen erspart, denn jetzt trat Stephan ein, und die Männer begannen sich zum Aufbruche zu rüsten. Der Abschied war kurz und wortkarg. Diese rohen Gebirgssöhne kannten wohl Leidenschaften, aber bloße Gefühlsregungen waren ihnen fremd. Selbst Stephan dachte nicht daran, irgendeinen wärmeren Abschied von seinem jungen Weibe zu nehmen, das herbeikam, um ihm die Flinte zu reichen, und doch war er erst seit wenigen Monaten vermählt, und die beiden Männer mußten da draußen jede Stunde auf den Tod gefaßt sein. Nur Marco wandte sich, im Begriff zu gehen, noch einmal zu Danira mit der Frage:
»Es waren heute morgen Soldaten im Dorfe?«
»Ja, aber sie hielten nur kurze Rast und zogen nach kaum einer Stunde weiter.«
»Vermutlich kommen noch andere, heute nacht oder morgen früh. Sie suchen uns wie so oft schon und werden uns auch diesmal nicht finden, wenn wir uns nicht finden lassen wollen. Sobald sie fragen weisest du sie auf die falsche Fährte.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht lügen, du weißt es! Und sie fragen niemals, denn sie wissen, daß wir die Unsrigen nicht verraten. – Stephan wird mit seiner Schar zu dir stoßen?«
»Ja, sofort, damit wir vereinigt sind beim nächsten Angriff. Lebe wohl!«
Die beiden Männer traten in das Freie und erstiegen den Rand der Schlucht. Man sah noch eine Weile die zwei dunklen Gestalten, die sich kräftig gegen den Sturm stemmten und dann verschwanden. Das Dorf lag still und öde wie vorhin, anscheinend im tiefsten Schlafe.
Auch in dem Hause des Stephan Hersovac war es still geworden; nur Danira saß noch am Herd und legte immer neue Scheite in das sinkende Feuer, als habe sie Furcht vor der Dunkelheit und vor dem Schlafe. Ihre Schwägerin hatte sich bereits niedergelegt. Sie begriff es nicht, wie man sich die einzige Erholung des mühevollen Daseins, den Schlaf, verkürzen oder ihn gar entbehren könne, und zu denken hatte sie nichts; sie schlief tief und fest in dem dunklen Nebenraume, wo sich die Schlafstätten befanden.
Das junge Mädchen hatte die Tür geschlossen, die dorthin führte, um ganz allein zu sein, und blickte jetzt starr und regungslos in die Flammen. Draußen tobte der Sturm, und drinnen flackerte und knisterte das Feuer, aber Danira hörte und sah nichts davon. Sie träumte, träumte mit heißen, offenen Augen, und aus dem wallenden Rauch tauchten Bilder empor, die fernab lagen von der Nacht und Einsamkeit dieser Stunde: eine weite, weite Landschaft, von goldenem Sonnenschein überflutet, von einem tiefblauen Himmel überwölbt, ragende Bergesgipfel und schimmernde Fluten und in der Ferne das blaue, wogende Meer, umschleiert vom Morgenduft!
Und über dem allen schwebte ein Antlitz, das mit strengem Ernst, mit herbem Vorwurf niederblickte wie in jener Stunde auf der Felsenhöhe, und doch hatte gerade diese Stunde über das Schicksal von zwei Menschen entschieden.
Sie hatten sich seitdem nicht wiedergesehen, und zu der Trennung gesellte sich die Feindschaft; denn die beiden Parteien, denen sie angehörten, standen jetzt gegeneinander in einem Kampfe auf Leben und Tod. Und doch – jenes Traumantlitz verlor immer mehr den herben Zug, allmählich begann es zu zerfließen, und endlich blickten aus dem wallenden Rauch nur noch zwei Augen, die hellen, klaren Augen Geralds von Steinach, und sie sprachen nicht mehr von Haß und Feindschaft, sondern nur von dem einen, was in jener Stunde aufgewacht war, um nie wieder zu ersterben.
Da brach eins der glühenden Scheite zusammen, die andern stürzten nach, daß die Funken hell aufsprühten; Danira fuhr zusammen und blickte verstört auf. Der Traum hielt sie so fest umstrickt, daß sie einiger Sekunden bedurfte, um sich zu erinnern, wo sie war; aber die Umgebung rief ihr bald genug die Wirklichkeit zurück. Jawohl, dieser enge, düstere Raum mit den nackten Wänden und dem elenden Hausrat, mit der raucherfüllten, erstickenden Luft – das war die Heimat, die sie seit ihren Kinderjahren ersehnt hatte, und dies Dasein, das Tag für Tag in schwerer, niederer Arbeit dahinfloß, dem jedes geistige Element fremd blieb – das war die Freiheit, von der sie geträumt.
Die Pflegetochter des Kommandanten, die in seinem Hause von allen Bedürfnissen des Reichtums und der Bildung umgeben war, lernte jetzt kennen, was sie aufgegeben, und was sie dafür eingetauscht hatte. Obrevic sprach wahr: hier galt nur der Mann allein, und nur für ihn existierte der Begriff der Freiheit, so wild und zügellos sie auch sein mochte; die Frau war nur die erste Sache in seinem Hause, nur das Lasttier, das die Mühen des Haushaltes trug und dabei ewig in sklavischer Furcht vor dem strengen Gebieter zitterte. So forderte es nun einmal die Sitte des Volkes, und wer zu ihm gehörte, mußte sich dem beugen.
Gleichviel, es war ein selbstgewähltes Los, und die energische Willenskraft Daniras zwang den Abscheu nieder, den sie vor dieser Umgebung und dieser Behandlung empfand; sie trug es ohne Klage. Aber jetzt kam das Schlimmere. Sie wurde zur Ehe begehrt von einem Manne, dessen Roheit und Wildheit sie hinlänglich kannte, und damit ging der letzte Rest von Selbständigkeit verloren. Noch gab ihr Marcos glühende Leidenschaft Macht über ihn, noch beugte er sich dem Einflusse einer höheren Natur, und das Versagte reizte und lockte ihn, aber eben nur so lange, als es versagt blieb. Wenn sie erst sein Eigentum war, dann trat die alte Tyrannei wieder in ihre Rechte, und sein Weib hatte kein besseres Los als die andern. Früher oder später wurde sie doch vor die Wahl gestellt, entweder ihm anzugehören oder das Haus ihres Bruders zu verlassen, der, gereizt und gestachelt von dem Freunde, sicher dies Mittel versuchte, um sie zu zwingen. Dann war sie ausgestoßen von den Ihrigen, denen sie alles geopfert, heimatlos hier wie dort!
Danira war aufgesprungen und schritt in dem engen Raume auf und nieder, wie gejagt von ihren quälenden Gedanken. Ihr Schritt wurde immer stürmischer, die Brust hob sich immer angstvoller, und plötzlich sank sie nieder vor dem Kreuz, das von der Wand herabblickte, und preßte die glühende Stirn gegen die kalte Mauer. Es war ein wortloses, aber heißes und verzweiflungsvolles Gebet, das zum Himmel emporstieg, ein Gebet um Errettung, um Erlösung aus den Banden, die sie immer enger umstrickten. Sie mußte ihnen erliegen, wenn die Erlösung nicht kam.
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