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Wir hörten auf zu spähen. Wir wandten uns einander zu, denselben Gedanken, dieselbe Frage in den Augen. Damit diese Pflanzen wachsen konnten, mußte Luft da sein, wenn auch noch so verdünnte Luft, die auch wir würden atmen können.
»Das Einsteigeloch?« sagte ich.
»Ja!« sagte Cavor, »wenn es Luft ist, was wir sehen!«
»In kurzem«, sagte ich, »werden diese Pflanzen so hoch sein wie wir. Wenn nun – wenn nun schließlich aber – – Ist es sicher? Woher wissen Sie, daß das Zeug Luft ist? Es kann Stickstoff sein – es kann sogar Kohlensäure sein!«
»Das ist leicht,« sagte er und machte Anstalt, es zu beweisen. Er zog ein großes Stück zerknüllten Papiers aus dem Ballen, entzündete es und warf es rasch durch die Ventilklappe hinaus. Ich neigte mich vor und spähte durch das dicke Glas, daß sie draußen erschiene, diese kleine Flamme, von deren Zeugnis soviel abhing.
Ich sah das Papier fallen und leicht auf dem Schnee liegen. Die rosige Flamme des Brennens verschwand. Einen Moment schien sie erloschen zu sein. Und dann sah ich eine kleine blaue Zunge am Rand des Papiers, die zitterte und kroch und sich verbreitete!
Ruhig verkohlte und verschrumpfte der ganze Bogen, außer, wo er in unmittelbarer Berührung mit dem Schnee lag, und er sandte einen zitternden Rauchfaden empor. Mir blieb kein Zweifel; die Atmosphäre des Mondes war entweder reiner Sauerstoff oder Luft und also imstande – wenn nicht die Dichtigkeit zu gering war – unser fremdes Leben zu erhalten. Wir konnten auftauchen – und leben!
Ich setzte mich hin, die Beine auf beiden Seiten des Einsteigeloches, und machte Anstalt, es aufzuschrauben, aber Cavor unterbrach mich. Er machte darauf aufmerksam, wenn draußen auch sicherlich eine sauerstoffhaltige Atmosphäre vorhanden sei, so könne sie doch noch so dünn sein, daß sie uns schwer schädigen müßte. Er erinnerte mich an die Bergkrankheit und an die Blutung, die die Luftschiffer oft befällt, wenn sie zu schnell gestiegen sind, und er brachte einige Zeit damit zu, daß er ein ekelhaft schmeckendes Getränk bereitete, und er bestand darauf, daß ich davon nahm. Ich fühlte mich nachher ein wenig taub, sonst aber hatte es keine Wirkung auf mich. Dann erlaubte er mir, mit dem Aufschrauben zu beginnen.
Bald war der Glasverschluß des Einsteigelochs so weit gelöst, daß die dichtere Luft in unserer Sphäre die Schraubenwindungen entlang auszuströmen begann und sang, wie ein Kessel singt, ehe er kocht. Darauf hieß er mich innehalten. Es wurde bald deutlich, daß der Druck draußen sehr viel geringer war als der drinnen. Wieviel geringer er war, konnten wir nicht sagen.
Ich saß da und hielt den Verschluß mit beiden Händen gepackt, bereit, ihn wieder zu schließen, wenn die Mondatmosphäre sich schließlich, entgegen unserer intensivsten Hoffnung, als zu dünn herausstellen sollte, und Cavor hatte einen Cylinder mit komprimiertem Sauerstoff zur Hand, um unseren Druck zu erneuern. Wir blickten einander schweigend an, und dann auf die phantastische Vegetation, die rings schwankte und sichtlich und geräuschlos wuchs. Und immer noch dauerte das schrille Pfeifen fort.
Mir begannen die Blutgefäße in den Ohren zu pochen, und das Geräusch von Cavors Bewegungen wurde schwächer. Ich bemerkte, wie still durch die Verdünnung der Luft alles geworden war.
Wie unsere Luft aus den Schraubengängen auszischte, kondensierte sich ihre Feuchtigkeit in kleinen Wolken.
Alsbald empfand ich eine eigentümliche Kurzatmigkeit, die auch die ganze Zeit andauerte, während der wir der äußeren Atmosphäre des Mondes ausgesetzt waren; und eine ziemlich unangenehme Empfindung an den Ohren und Fingernägeln und dem Halsrücken drängte sich meiner Aufmerksamkeit auf und verging wieder.
Aber dann kamen Schwindel und Übelkeit, die meinen Mut sofort änderten. Ich drehte den Verschluß des Einsteigelochs eine halbe Wendung hinein und gab Cavor eine hastige Erklärung; aber jetzt war er der sanguinischere. Er antwortete mir mit einer Stimme, die außerordentlich leise und fern klang, weil die Luft, die den Schall trug, so dünn war. Er empfahl einen Schluck Branntwein und gab mir das Beispiel, und alsbald fühlte ich mich besser. Ich drehte den Verschluß des Loches wieder auf. Das Pochen in meinen Ohren wurde lauter, und dann merkte ich, daß der pfeifende Ton des Ausströmens aufgehört hatte. Eine Zeitlang konnte ich mich nicht vergewissern, daß er aufgehört hatte.
»Nun?« sagte Cavor mit dem Geist einer Stimme.
»Nun?« sagte ich.
»Sollen wir fortfahren?«
Ich dachte. »Ist das alles?«
»Wenn Sie es aushalten können.«
Statt der Antwort fuhr ich mit dem Aufschrauben fort. Ich hob den runden Verschluß von seiner Stelle und legte ihn vorsichtig auf den Ballen. Eine Flocke Schnees wirbelte und verschwand, als diese dünne und ungewohnte Luft unsere Sphäre in Besitz nahm. Ich kniete nieder und setzte mich dann auf den Rand des Einsteigelochs und spähte hinaus. Unten, einen Meter nur von meinem Gesicht entfernt, lag der unbetretene Schnee des Mondes.
Es folgte eine kleine Pause. Unsere Augen trafen sich.
»Es bedrückt Ihre Lungen nicht zu sehr?« sagte Cavor.
»Nein,« sagte ich. »Dies kann ich aushalten.«
Er streckte die Hand nach seiner Decke aus, steckte den Kopf durch das zentrale Loch und wickelte sie um sich. Er setzte sich auf den Rand des Einsteigelochs und ließ die Füße hinab, bis sie dem Mondboden auf sechs Zoll nahe waren. Er zögerte einen Moment, sprang diese paar Zoll hinab und stand auf dem unbetretenen Boden des Mondes.
Als er hinaustrat, wurde er von dem Glasrand grotesk verzerrt. Einen Moment stand er still und blickte hierhin und dorthin. Dann zog er sich zusammen und sprang.
Das Glas verzerrte alles, aber es schien mir sogar ein ganz ungewöhnlich großer Sprung zu sein. Er war mit einem Satz in die Ferne gerückt. Er schien zwanzig oder dreißig Fuß weit fort zu sein. Er stand hoch auf einer Felsenmasse und gestikulierte nach mir zurück. Vielleicht rief er – aber der Klang erreichte mich nicht. Aber wie zum Teufel hatte es das gemacht? Ich kam mir vor wie ein Mann, der gerade einen neuen Beschwörertrick gesehen hat.
In einem verwirrten Geisteszustand sprang auch ich zum Einsteigeloch hinaus. Ich richtete mich auf. Gerade vor mir war die Schneetrift zusammengesunken und hatte eine Art Graben gebildet. Ich machte einen Schritt und sprang.
Ich merkte, daß ich durch die Luft flog, sah den Felsen, auf dem er stand, mir entgegeneilen, packte ihn und klammerte mich in einem Zustand unendlichen Entsetzens an.
Ich keuchte ein mühsames Lachen. Ich war furchtbar verwirrt. Cavor bückte sich und schrie mir in piepsenden Tönen zu, vorsichtig zu sein.
Ich hatte vergessen, daß auf dem Mond, der nur ein Achtel der Masse der Erde hat und ein Viertel ihres Durchmessers, mein Gewicht kaum ein Sechstel dessen war, was es auf der Erde gewesen war. Aber jetzt bestand diese Tatsache darauf, daß man an sie dachte.
»Wir sind nicht mehr am Gängelband der Mutter Erde,« sagte er.
Mit einer vorsichtigen Anstrengung hob ich mich auf die Spitze und mit so sorgfältiger Bewegung, wie ein rheumatischer Patient, richtete ich mich unter dem Sonnenglanz neben ihm auf. Die Sphäre lag hinter uns auf ihrer schwindenden Schneetrift, dreißig Fuß entfernt.
So weit das Auge über den ungeheuren Felsenwirrwarr, der den Kraterboden ausmachte, blicken konnte, sprang dasselbe stachlige Buschwerk, das uns umgab, ins Leben, hier und dort variiert durch bauchige Massen einer Kaktusform und scharlachne und purpurne Flechten, die so rasch wuchsen, daß sie über die Felsen zu kriechen schienen. Die ganze Fläche des Kraters schien mir bis hin zum Fuß der umgebenden Klippe eine einzige gleiche Wildnis zu sein.
Diese Klippe entbehrte offenbar außer an ihrer Basis der Vegetation, und sie zeigte Pfeiler und Terrassen und Tribünen, die unsere Aufmerksamkeit vorläufig nicht sehr in Anspruch nahmen. Sie stand in jeder Richtung viele Meilen weit von uns entfernt, wir schienen fast im Zentrum des Kraters zu stehen, und wir sahen sie durch einen gewissen Dunst, der vor dem Winde trieb. Denn jetzt war in der dünnen Luft sogar ein Wind vorhanden, ein schneller aber schwacher Wind, der außerordentlich kältete, aber nur geringen Druck ausübte. Er blies um den Krater herum, wie es schien, von dem nebligen Dunkel unter der Wand sonnenwärts, nach der heißen, erleuchteten Seite. In jenen östlichen Nebel zu blicken, war schwer; wir mußten mit halb geschlossenen Augen unter dem Schatten unserer Hände hervorspähen, weil die regungslose Sonne eine wilde Intensität entfaltete.
»Es scheint verlassen zu sein,« sagte Cavor, »absolut öde.«
Ich blickte von neuem um mich. Ich bewahrte noch jetzt eine hastende Hoffnung auf irgendein quasi menschliches Zeugnis, auf eine Gebäudezinne, ein Haus oder ein Werkzeug, aber wohin man auch blickte, dehnten sich die krausen Felsen in Spitzen und Kämmen, und das strahlenartige Gestrüpp und jene bauchigen Kakti, die schwollen und schwollen – eine glatte Verneinung, wie es schien, jeder solchen Hoffnung.
»Es sieht aus, als hätten diese Pflanzen alles für sich,« sagte ich. »Ich sehe keine Spur von irgendwelchem anderen Geschöpf.«
»Keine Insekten – keine Vögel – nein! Keine Spur, kein Brocken, kein Partikelchen tierischen Lebens. Gäbe es sie – was wollten sie in der Nacht beginnen? ... Nein, es sind nur gerade diese Pflanzen vorhanden.«
Ich beschattete die Augen mit der Hand. »Es ist wie die Landschaft eines Traums. Diese Dinge sind weniger wie irdische Landpflanzen als wie das, was man sich zwischen den Felsen auf dem Meeresboden vorstellt. Sehn Sie das dahinten an! Man könnte es für eine Eidechse halten, die in eine Pflanze verwandelt wäre. Und der Glanz!«
»Dies ist nur erst der frische Morgen,« sagte Cavor.
Er seufzte und blickte um sich. »Dies ist keine Welt für Menschen,« sagte er. »Und doch, gewissermaßen – es ruft danach.«
Er verstummte eine Weile, dann begann er sein nachdenkliches Summen.
Ich fuhr unter einer leichten Berührung zusammen und sah, wie mir ein dünnes Blatt fahler Flechten über den Schuh schlug. Ich trat danach und es zerfiel zu Pulver, und jedes Fleckchen begann zu wachsen.
Ich hörte Cavor scharf aufschreien und sah, daß ihn eines der festgewachsenen Bajonette des Strauchwerks gestochen hatte.
Er zögerte, feine Augen suchten unter den Felsen um uns. Ein plötzlicher rosiger Schein war einen rauhen Felspfeiler emporgekrochen. Es war ein ganz merkwürdiges Rosa, ein fahles Magenta.
»Sehn Sie!« sagte ich und drehte mich um, aber siehe, Cavor war verschwunden.
Einen Moment stand ich gebannt. Dann tat ich einen hastigen Schritt, um über den Rand des Felsens zu blicken. Aber in meiner Überraschung über sein Verschwinden vergaß ich von neuem, daß wir auf dem Monde waren. Der Druck meines Fußes, den ich zum Schritt ausübte, hätte mich auf der Erde einen Meter weit getragen, auf dem Monde trug er mich sechs – gute fünf Meter über den Rand hinaus. Im Moment hatte das etwa die Wirkung jenes Albs, in dem man fällt und fällt. Denn während man auf der Erde in der ersten Sekunde eines Falls sechzehn Fuß fällt, fällt man auf dem Monde zwei, und mit nur einem Sechstel seines Gewichts. Ich fiel, oder ich sprang vielmehr zehn Meter hinab, denke ich. Es schien eine ganze Zeit zu dauern, fünf oder sechs Sekunden, sollte ich meinen. Ich schwebte durch die Luft und fiel wie eine Feder, knietief in eine Schneetrift auf dem Boden einer Rinne aus blaugrauem, weißgeädertem Fels hinein.
Ich blickte mich um. »Cavor!« rief ich; aber kein Cavor war zu sehen.
»Cavor!« rief ich lauter, und die Felsen warfen mir ihr Echo zurück.
Ich wandte mich wild zu den Felsen und kletterte auf ihre Gipfel. »Cavor!« rief ich. Meine Stimme klang wie die Stimme eines verlorenen Lammes.
Auch die Sphäre war außer Sicht, und einen Moment bedrückte mir ein furchtbares Gefühl der Verlassenheit das Herz.
Dann sah ich ihn. Er lachte und gestikulierte, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er stand auf einem nackten Felsstück zwanzig oder dreißig Meter entfernt. Seine Stimme konnte ich nicht hören, aber seine Gesten sagten: »Springen Sie!« Ich zögerte; die Entfernung schien enorm. Aber ich überlegte mir, ich müsse doch sicher imstande sein, eine größere Entfernung zu nehmen als Cavor.
Ich tat einen Schritt zurück, nahm mich zusammen und sprang mit aller Macht. Ich schien geradewegs in die Luft emporzuschießen, als sollte ich nie wieder herunterkommen ...
Es war furchtbar und reizvoll, und so wild wie ein Alb, auf diese Art davonzufliegen. Ich sah gleich, daß mein Sprung viel zu heftig gewesen war. Ich flog glatt über Cavors Kopf weg, und sah eine stachlige Wirrnis in einem Spalt meinem Fall entgegenstarren. Ich stieß einen Schreckensschrei aus. Ich streckte die Hände vor mich hin und spannte meine Beine.
Ich schlug auf eine pilzartige Masse, die rings um mich aufspritzte und nach allen Richtungen hin eine Masse orangefarbener Sporen fortschleuderte und mich mit orangegelben Pulver bedeckte. Ich überschlug mich sprudelnd und kam, von atemlosem Lachen geschüttet, zur Ruhe.
Ich sah Cavors kleines, rundes Gesicht über eine borstige Hecke spähen. Er rief eine matte Frage. »Eh?« versuchte ich zu rufen, konnte es aber vor Atemmangel nicht. Er arbeitete sich zu mir hin, indem er vorsichtig durch die Büsche kam.
»Wir müssen uns in acht nehmen,« sagte er. »Dieser Mond hat keine Zucht. Er wird uns noch zerschmettern lassen.«
Er half mir auf die Füße. »Sie haben sich zu sehr angestrengt,« sagte er, indem er mit der Hand auf das gelbe Zeug klopfte, um es von meinem Anzug zu entfernen.
Ich stand passiv und keuchend da und ließ ihn mir die Gallerte von Knien und Ellbogen schlagen und über mein Mißgeschick predigen. »Wir berücksichtigen die Gravitation nicht genug. Unsere Muskeln sind noch kaum erzogen. Wir müssen ein wenig üben, wenn Sie wieder zu Atem gekommen sind.«
Ich zog mir zwei oder drei kleine Dornen aus der Hand und blieb eine Zeitlang auf einem Felsblock sitzen. Mir bebten die Muskeln, und ich hatte jenes Gefühl der persönlichen Enttäuschung, das auf der Erde den befällt, der beim Erlernen des Radfahrens den ersten Fall tut.
Plötzlich fiel es Cavor ein, die kalte Luft in dem Spalt könne mir nach dem Sonnenglanz ein Fieber geben. So kletterten wir in den Sonnenschein zurück. Wir fanden, daß ich von meinem Sturz außer ein paar Abschürfungen keinerlei ernste Beschädigung davongetragen hatte, und auf Cavors Vorschlag blickten wir uns dann nach einem sicheren und leichten Landeplatz für meinen nächsten Sprung um. Wir wählten eine Felsenplatte in etwa zehn Meter Entfernung, die durch ein kleines Dickicht von olivengrünen Dornen von uns getrennt war.
»Stellen Sie sich vor, es wäre da!« sagte Cavor, der die Miene eines Trainers annahm, und er zeigte auf eine Stelle, die von meinen Zehen etwa vier Fuß entfernt war. Diesen Sprung brachte ich ohne Schwierigkeit fertig, und ich muß gestehen, ich fand eine gewisse Befriedigung darin, daß Cavor um einen Fuß oder so zu kurz sprang und die Dornen des Gestrüpps zu kosten bekam. »Man muß sich in acht nehmen, sehen Sie!« sagte er und zog sich die Dornen heraus, und damit hörte er auf, mein Mentor zu sein und wurde mein Mitlehrling in der Kunst der Bewegung auf dem Monde.
Wir wählten einen noch leichteren Sprung und taten ihn ohne Schwierigkeit; dann sprangen wir wieder zurück, und so mehrmals hin und her, indem wir unsere Muskeln an den neuen Maßstab gewöhnten. Ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht ausprobiert hätte, wie schnell diese Anpassung vor sich gehen würde. In ganz kurzer Zeit, sicher nach weniger als dreißig Sprüngen, konnten wir die für eine Entfernung nötige Anstrengung mit fast irdischer Sicherheit beurteilen.
Und noch während all der Zeit wuchsen die Mondpflanzen um uns, immer höher und dichter und wirrer, jeden Augenblick dicker und größer, dornige Pflanzen, grüne Kaktusmassen, Pilze, fleischige und flechtenartige Dinge, die seltsamsten strahligen und gewundenen Gestalten. Aber wir waren so mit unserm Springen beschäftigt, daß wir eine Zeitlang nicht auf ihre unentwegte Entfaltung achteten.
Eine außerordentliche Gehobenheit hatte uns ergriffen. Zum Teil glaube ich, war es das Gefühl der Befreiung aus dem Gefängnis der Sphäre. Hauptsächlich aber war es die dünne Frische der Luft, die, wie ich sicher glaube, einen viel höheren Bruchteil Sauerstoff enthielt als unsere irdische Atmosphäre. Trotz der Fremdartigkeit unserer ganzen Umgebung fühlte ich mich so abenteuerlich und experimentell, wie sich ein Cockney fühlen würde, den man zum erstenmal unter die Berge stellte; und ich glaube nicht, daß es einem von uns einfiel, obgleich wir dem Unbekannten von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen, uns sehr zu fürchten.
Wir waren von einem Unternehmungsgeist gebissen. Wir wählten eine flechtenbedeckte Kopje in etwa fünfzehn Meter Entfernung und landeten glatt einer nach dem andern auf seinem Gipfel. »Gut!« riefen wir einander zu; »gut!« und Cavor machte drei Schritte und sprang zu einem verlockenden Schneehang, reichliche zwanzig Meter und mehr entfernt, davon. Einen Moment blieb ich von der grotesken Wirkung seiner auffliegenden Gestalt – seiner schmutzigen Kricketmütze und des borstigen Haars, seines kleinen, runden Rumpfes, seiner Arme und seiner in Kniehosen eng eingeknöpften Beine – vor der magischen Geräumigkeit der Mondszenerie – gebannt stehen. Mich faßte ein plötzliches Lachen, und dann sprang ich ab, ihm zu folgen. Plumps! fiel ich neben ihm nieder.
Wir machten ein paar gargantuanische Schritte, sprangen noch drei oder viermal und setzten uns schließlich in einer flechtenbedeckten Höhlung nieder. Unsere Lungen schmerzten. Wir saßen da und hielten uns die Seiten und suchten wieder zu Atem zu kommen, indem wir einander Beifall zublickten. Cavor keuchte etwas von »erstaunlichen Empfindungen«. Und dann kam mir ein Gedanke in den Kopf. Im Moment erschien er nicht als ein besonders erschreckender Gedanke, nur als eine natürliche Frage, die sich aus der Situation ergab.
»Nebenbei,« sagte ich, »wo mag die Sphäre des Genaueren liegen?«
Cavor blickte mich an. »Eh?«
Die volle Bedeutung dessen, was wir sagten, blitzte mir scharf auf.
»Cavor!« rief ich und legte ihm eine Hand auf den Arm, »wo ist die Sphäre?«