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– – Zuweilen sagt auch ein leichtsinniger Scribent etwas Wahres.
Litterarische Monate.
Wien, bey Johann Thomas Edlen
von Trattnern. 8. December 1776.
Seite 123. Denkw. v. Wien.
Ja, es ist an dem – Linz ist ein allerliebstes munteres Städtchen. Hier ist der Standpunkt, den man sich aussuchen muß, um die Lage Oesterreichs zu betrachten.
Der schöne, reine und lachende Himmel, der sich nach Wien hinab ergeußt, giebt dem Aug Stärke.
So weit sich mein Sehrohr erstreckt, werde ich eine ziemlich fruchtbare Flur gewahr. Wenig Städte und Dörfer – destomehr Klöster und adeliche Häuser. Gesunde und wohlgestaltete Menschen. Jenseits der väterliche Donaustrohm, von dem uns Marsigli eine sehr vollständige und sehr prächtige Beschreibung gegeben.
Dieser Fluß, welcher wechselsweis von dem Blute der Saracenen, der Franzosen, der Engländer und Deutschen gefärbet worden, ziehet dem Haus Oesterreich, in dessen Schoß er fleußt, unendliche Vortheile zu. Sie bestehen in der Erleichterung der Truppentransports, der Munitions- und Lebensmittelzufuhr, und in der Handlung. – Disseits die Safrangärten, welche wegen der Güte ihrer Gattung berühmt sind. Eine gelinde und freundliche Atmosphäre. Wohlthäthige Gesetze. Frugale Sitten. Eine holde Natur.
Dieser glückliche Himmel ists, unter welchem die schönen Linzerinnen wachsen. Zwar scheint es, daß man dieses Kompliment mehr ihrer Kleidertracht gemacht habe, als ihrer Person. Die meisten Mädchens sind klein. Aber ihre Bildung ist von griechischem Profil, und ihre Kleidertracht ist sehr interessant.
Um hievon mit Geschmack zu urtheilen, muß man in das eine halbe Meile vor Linz liegende Frauenzimmerkloster gehen. Hier befindet sich das Bild einer Oberösterreicherin in Lebensgrösse. – Nichts vollkommeners hat man in der weiblichen Schönheit, in der Grazie des Wuchses und der Bildung eines Frauenzimmerkörpers, nichts prächtigeres in der Kleidung gesehen. Die Legende behauptet, weil das ganze Land von der Schönheit dieses Mädchens bezaubert gewesen wäre, so hätte sie ausdrücklich der Mutter Gottes ein Opfer damit machen wollen.
In der That scheint sie diese Höflichkeit mehr dem heiligen Antonius schuldig gewesen zu seyn, welcher der Schutzpatron von Oberösterreich ist.
Dicht an dem alten Städtchen Ips, wohin Herzog Ernst die schöne Magellone flüchtete, ist der berufene Donaustrudel. Man sagt, daß die Kaiserin Königin geruhet hätte, Vorschläge anzunehmen, diesen kritischen Fleck gänzlich wegzuräumen. Vermuthlich würde dieser, der berühmten Neigung jener großmüthigen Prinzessin für die Verbesserung des Wohlstands ihrer Staaten, sehr ähnliche Entwurf in der Geschichte ihrer glänzenden Regierung eine merkwürdige Stelle machen. Aber da die Gefahr nicht im mindesten Verhältnisse mit den Unkosten stehet, so zu dieser Unternehmung gehören, so ist zu vermuthen, daß es die Finanzkammer für keine ihrer convenablesten Operationen halten werde.
Der Strudel bey Ips ist ein unbedeutender Fleck, welcher durch die Schiffer und Bettelleute ins Geschrey gebracht worden. Diese, welche auf kleinen Nachen herbeyrudern, fodern den Reisenden ein Allmosen ab, gegen das Versprechen, bey einem gewissen Heiligen, welcher die dortigen Gewässer beschützt, vorzubitten. Allein, da sie den nämlichen Weg zu betreten haben, und ihre Böte ungleich gebrechlicher sind, als die Marktschiffe, für die sie sich interessiren wollen, so siehet man, daß sie nöthiger hätten, für sich selber besorgt zu seyn. – Bey jenen ist es eine Schifferpolitik, den Strohm an einigen Orten verdächtig zu machen, um die Frachttaxen in ihrer Höhe zu erhalten.
Das Schrecken, welches sich in die Welt der Handwerkspursche verbreitet hat, hat das Publikum verführt. Man sagt den Schneidergesellen, die zu Regenspurg einschiffen, daß der Strudel ein ungeheurer Schlund sey, welcher die Schiffe, die sich ihm nähern, verschlinge – so wie der Riese Gargantua. – Wenn sie in Wien angelangt sind, so erzählen sie ihren Meistern und deren Frauen, daß sie die Gefahren des Colombs und des Ulysses überstanden hätten.
Diese, welche den Schiffbruch aus der Opera Dido kennen, zittern bey der Erzählung. Sie berichten es dem Autor, der bey ihnen zu Gast zu speisen pflegt. Er ermangelt nicht, es sich zu Nutze zu machen. So sind die Werke der Popowitsche, der Weiskern und anderer entstanden: Werke, die in dieser Art eben so viel werth sind, als die Fabeln des Herodots oder des Gullivers.
Die merkwürdigsten Städte ausser Wien und Linz, sind St. Poelten und Wienerischneustadt. Sie sind die Zufluchtsörter des unvermögenden Adels, und der Pensionisten, welche der Aufwand und die Theurung aus Wien verjagen. Deswegen haben sie eine Art von Hofton an sich. Sie haben ihre Gesellschaften, ihre Bälle und ihre Theater.
Als im Jahr 1761 jemand zu Wien den Satz aufwärmte, daß die Musen die Ruhe liebten, und daß die Zerstreuungen der Stadt der Natur der Studien widersprächen, so brachte man Wienerischneustadt in Vorschlag, um die Universität von Wien zu verlegen.
Man fieng an, im Ernste von diesem Entwurfe zu sprechen, als der Hof einen Vortrag erhielt, worinn ihm vorgestellt wurde, daß nach der Verfassung der Studien und des Geschmacks des heutigen Jahrhunderts, nicht genug wäre, wenn ein junger Gelehrter dasjenige besäße, wozu ihn die Wissenschaften ohnehin beriefen; sondern daß man, zum Beyspiel von einem Schüler der Polizeywissenschaft, des Finanz- und Handlungswesens, fordere, daß er Filet stricken, daß er ein Pas de deux aus dem Ballet Agamemnon tanzen, daß er Eau de la Marschalle ansetzen, und durch die Zähne reden könne. Sachen, die sich nirgends anders, als im Umgange mit der feinen Welt, lernen.
Je mehr sich ein Volk der natürlichen Simplicität nähert, desto leichter ist, dasselbe zu bilden. Diß ist der Zufall des Fohi, des Sesostris, des Con–Fut–Se, Karls des Großen, Muhammeds, Peters I, und anderer Männer, die sich durch die Gesetzgebung, oder durch die Bildung der Nationen berühmt gemacht haben.
In der Geschichte jeden Volks liegt ein Zeitpunkt, wo es zu einer allgemeinen Wirksamkeit erweckt wird.
Dieser Zeitpunkt bestimmt beydes, den Charakter und das Schicksal derselben. Ihn geschickt zu haschen, war das Verdienst jener Männer. Die Grundsätze, welche eine Nation zu dieser Zeit annimmt, haben ewige Eindrücke.
Solon und Brama lebten unter Völkern, wo sich die Gesetze nach den Sitten richten mußten, und nicht die Sitten nach den Gesetzen. Sie herrschten mehr durch Gründe als durch Zwang. Es lag ihnen nicht nur ob, gute Gesetze zu erfinden; sie mußten die Menschen geschickt zu machen suchen, denselben nachzuleben. Bey ihren Nachfolgern hat sich die Maxime geändert. Die Macht giebt Gesetze, und die Sclaverey erzwingt, sie anzunehmen. Wenn die Religion den Nachtheil, welchen dieser Wechsel der Bildung der Sitten zugefügt hat, nicht verbesserte, so wären die Menschen verlohren.
Ists möglich, der Codex austriacus, und der Codex Theresianus, die neuesten Gesetzsammlungen, die man in Oesterreich hat, enthalten nicht eine Zeile, welche würdig wäre, im Gesetzbuche Rußlands oder Sardiniens zu stehen? – Ach, Sterbliche! ein gutes Gesetz ist ein Stück vom Steine der Weisen.
Nichts ist gewisser, als daß die Sitten mehr beytragen, die Denkensart und den Willen einer Nation zu bestimmen, denn die Gesetze selbst. Die Sitten bestimmen den Grad der Vernunft, des Witzes, der Beugsamkeit, der Großmuth, der Mäßigkeit, der Tapferkeit und der Gottesfurcht derselben – Tugenden, wozu man das Gemüth nicht zwingen kan. Die Gesetze kommen erst sehr spät. Sie lehren uns nicht, was wir lieben, sondern was wir hassen sollen. Diß ist ihre Unvollkommenheit.
Sie erleuchten weder den Verstand noch das Herz. Der Codex, welcher mit dem unsterblichen Namen Marie-Theresiens pranget, athmet nicht eine Spur von dem Originalcharakter der Nation, von den Wirkungen des Clima, von dem angebohrnen Hange der Menschen zu Tugend und Laster, von der philosophischen Anschauungskraft eines Verbrechens, von der natürlichen Billigkeit, von dem Rechte der Menschen, welches vor dem Rechte der Gesellschaft hergieng.
Diese Erkenntnisse sinds, welchen man eine der neuesten und interessantesten Erfindungen im Reiche der Sitten schuldig ist. Die Errichtung der Normalschulen, welche in Oesterreich ihren Ursprung hat, ist die wichtigste unter allen Wohlthaten, die wir dem Jahrhunderte Marie-Theresiens schuldig sind; die schimmerndste Katastrophe in der merkwürdigen Geschichte ihrer Staaten.
Es war nicht wohl möglich, zu dieser Unternehmung zu gelangen, bis das Schicksal den Fall der Jesuiten vollführt hatte. Diß ist die Epoche der Nationalbildung Oesterreichs. Der Tag stund hinter den Ruinen der Jesuiterkollegien. Sobald jenes Idol gestürzt lag, und man versichert war, es würde sich von seinem Falle nicht mehr erheben, so ergrif man den Zeitpunkt.
Der erste Leitsatz, welcher dem Staate ins Gesicht fiel, war der Ausspruch des Agesilaus. »Was müssen die Kinder lernen?« fragte man den Weltweisen? – »was sie als Erwachsene thun sollen« antwortete er. – Bisher hatte man gerade das Gegentheil gelernt.
Die Staatsklugheit der vorigen Zeit war diesem Lehrsatze um so viel entgegengesetzt, als die Gesetze mehr auf die Macht und Bequemlichkeit des Staats abzielten, als auf die Bildung der Nation. Die Regierung Marie-Theresiens nähert sich der Weltweisheit der Alten um soviel, als man der Bildung der Nation den Vorzug vor dem ökonomischen Nutzen des Staats gegeben hat.
Wenn man von dem angebohrnen Charakter eines Volks reden will, so sollte man die Urkunden dazu allezeit – nicht vom Lande – noch weniger von der Stadt, sondern – von dem Betragen ihrer Nationalen unter einem fremden Himmelsstriche, nehmen.
Man hat diese Gelegenheit in Ansehen der Oesterreicher selten. Der geringe Mann reist nicht viel aus: und was die Herrengattung betrift, welche man größtentheils zu Wien findet, so sind ihre Sitten so unbestimmt und so zusammengetragen wie ihr Geblüt.
Wenn man ihr Feld betrachtet, so fühlt man sich nicht zu einem günstigen Vorurtheil von ihrem Fleisse geneigt. Allein die Entvölkerung entschuldigt sie. Das junge Volk in Oesterreich läuft, sobald es die Beine tragen können, nach Wien, um die Livree anzuziehen, und in den Ställen, Kucheln und Zimmern zu dienen. Hier verfeinern sie ihre kleine Personen. Wenn sie wieder aufs Land zurückkommen, so haben sie Eckel an der Arbeit.
Die jungen Bauren scheuen sich, einem vornehm gewordenen Mädchen ihr Bett anzutragen. Der Bürgersmann verachtet sie zu sehr, um sie des seinigen zu würdigen. Diese ausgewechselten Nymphen bleiben also ledig sitzen, und opfern ihr zurückgebliebenes Antheil an der Bevölkerung dem heiligen Antonius auf.
Nach dem meisten Theile betrachtet ist der Oesterreicher von einem aufrichtigen, gutthätigen und beugsamen Naturell. Ihre Mädchens sind rund, lebhaft und munter wie die Rehe.
Ich habe mir die Sammlung der seit den letzten Jahren zu Wien in Druck gekommenen Bluturtheln weisen lassen, welche sich ein philosophischer Zuschauer mit ununterbrochener Aufmerksamkeit erworben hat. Aus derselben habe ich mir einen Auszug nach meiner Art gemacht.
Ein Jahr ins andere gerechnet finde ich 6¼ öffentliche Hinrichtungen in der Hauptstadt. Hiebey verhält sich die Nation zu den Ausländern 4¼ = 2.
Unter diesen 4 Subjekten, welche das Innland beyträgt, sind
Vergiftung, Meuchelmord, Rache, Mordbrennerey und andere Laster der höchsten und ausgesonnenen Bosheit | 0. |
Sodomie | 0. |
Kindsmord | 1. |
Diebsgriffe, Intriguen, umschweifendes Leben, und dergleichen Wirkungen des Elends und der Armuth | 3. |
Was die Kultur des Verstands unter den Oesterreichern anbetrift, so höre man einen ihrer Chronicker:
»Unser Verstand ist immer übel geleitet
»worden. Einst krochen wir unter der Tyran-
»ney der Jesuiten. Als diese fort waren, so
»kam zum Unglück die Schöngeisterey – statt
»der Philosophie. Wir hatten noch gar nichts
»im Reiche der Wissenschaften gethan. Die
»Nation besaß nicht Eine eigene Erfindung.
»Wir kannten weder den Gebrauch der Mecha-
»nick, noch der Sittenlehre aus Grundsätzen.
»Die Naturkunde und die ausübende Geome-
»trie lagen noch im Traume.
»Einige unserer vaterländischen Genies
»wollten von der Geschichte, und endlich
Sonnenfels. von
»der Handlung reden. Sie wurden von einer
»Reihe junger Leute unterbrochen, welche an-
»fiengen, Eklogen und Oden auf Flöten zu
»spielen. Der Haufe hieng sich an diese junge
»Spielleute. Man verließ die Weltweisheit.
»Es schlugen sich zwo leichtsinnige Schwe-
»stern
Melpomene und Thalie. zu den Spielleuten: ihr Gefolge ist
»die Schaubühne. Nun ließ man die Nation
»tanzen, bis sie in Schweiß gerieth. – –
»– – – – – – – – –
»Der Tanz würde nicht aufgehört haben, wenn
»die Spielleute nicht von einer Furie gestöhrt
»worden wären, welche das Reich der Musen
»ausgespien hat.
Kritik ist ihr Name. Ihre
»schmetternde Stimme unterbrach die Lust.
»Die Wissenschaften schöpften wieder einige
»Hofnung. – Ach! sie waren noch zu jung,
»um zu wissen, daß diese Fremde von einem
»unverträglichern Naturell ist, als die Scherze
»und die Flöten.«
Das, was in dieser Allegorie Wahres liegt, ist, daß die schönen Künste und die Kunstrichterschaft für das Alter der Litteratur in Oesterreich zu frühe affigirt worden sind.
Vermuthlich sind es die heutigen Journale nicht, auf welche der Staat Aussichten macht. Die Policey zu Wien betrachtet ihre Verfassere, so wie man in Westphalen Schweinschauer hält, um das Vieh so zu Markt gebracht wird, zu examiniren, ob es gesund oder krank sey? Sie geben die Woche hindurch ein bis zweymal Nachricht von den wirklich grassirenden Krankheiten, von dem neuen Triebe, der angekommen ist, von der schlechten Waare, die auf dem Markte geht.
Die Policey – in sofern ihr Grundsatz die innere Sicherheit des Staats ist – eilt demselben in Oesterreich mit großen Schritten entgegen.
Unstreitig gründet sich die innere Staatssicherheit auf das Ansehen der obersten Gewalt, welches in der Güte der Gesetze und in dem Verhältnisse der Stände gesucht werden muß. In der That, der Hof hat eine der sichersten Maasregeln ergriffen, um die Reichthümer des Adels und der Klöster zu verflößen, die sich durch die Regierungen der Leopolde und Ferdinande anhäuften. Wo sind die Nachkommen des mächtigen Herzogs von Friedland? Im Spital. Der reiche Erbe des Grafen Czobor ladet sich, nach dem Beyspiele Henrich des Großen, bey seinen Freunden zu Gast. Die Klöster zu Mölck, zu Neuburg, zu Mariataferl dienen zu keinen Mastungsställen mehr.
Nirgendswo trift man vollkommenere Anstalten zu Begünstigung der Landökonomie an. Die Einschränkung der Geistlichkeit, die Abstellung der Frohndienste und die Verminderung der Feyertäge; die bey der Armee eingeführten Kapitulationen; die abgeschafte Jagdlust; die Errichtung der Ackerbaugesellschaften, und endlich das auf den möglichst mittlern Ertrag eingerichtete Steuerregulativ, sind so viel Linien, die sich in der Aufnahme des Ackerbaues, als einem Mittelpunkte, vereinigen.
Welch ein blühendes Feld eröffnete sie nicht der Handlung. Sie hat, wo möglich, noch übertreffendere Beförderungsmittel. Nichts ist vollkommener als die Landstrassen in den österreichischen Staaten. Sie verdienen mit Recht den Namen, so sie führen, Kayserstrassen. Das Monopol ist abgeschaft. Die Zünfte werden von dem Unsinne, der sie in ganz Europa drückt, gereinigt. Der Hof giebt jährlich einen baaren Beytrag zur Emporbringung des einheimischen Handels von 1,650000 Gulden.
Im Jahre 1775 ließ die Kayserin Königin, um den Fleiß und die Wandlung zu ermuntern, dem ganzen Kaufmannsstande zu Wien den Adel anbiethen. Es ist wahr, Alles lief herbey, Gewürzkrämer und Buchdrucker. Aber sie konnte nur Einen Baron Fries machen. Die Provinz war unendlich glücklicher. Böhmen, Tyrol, Steyermark, Kärnthen weisen einige Männer auf, deren Genie dem Staate Nutzen, und deren Reichthümer dem Vaterlande Ehre machen. Man kennt den Herrn von Strolendorf zu Klagenfurt. Er ist einer der nützlichsten und reichsten Bürgere der Monarchie. Seinem Fleisse hat man eine berühmte Stahlfaktorey, und einige andere wichtige Etablissements zu danken. Er hat dem Staate drey Enkel geschenkt, deren Erziehung den Ansprüchen des Vaterlandes entsprechen.
Die großen Hülfsquellen der österreichischen Monarchie bestehen im Staatskredit, im Kreislaufe des Geldes, und in der Geschicklichkeit der Finanzoperationen des gegenwärtigen Ministerii.
Wer sollte glauben, daß die Staatseinkünfte des Hauses Oesterreich heute zu Tag um 18¼ Millionen größer sind, als zu den Zeiten, wo der Hof noch die Kronen Spanien und Neapel, und die Goldgruben von Peru und Mexico mit seinen Ländern vereinigte? So wahr ist die Maxime, daß das Uebermaas der Kräfte nicht das Glück eines Staats macht, sondern der gute Gebrauch derselben.
Der unermeßliche Staatskredit, welchen der Wiener Hof hat, ist aus der Sicherheit seiner Operationen, und aus jener Redlichkeit entsprungen, welche zu allen Zeiten ein unterscheidender Charakter seiner Politik war. Die Verfeinerung der Bank, und die Abschaffung der Pachter hat ihn vermehrt; aber die Kriegsmacht und die Bildung der Armee in den heutigen Zeiten hat ihn über sich selbst erhoben.
Diejenigen, welche die österreichische Armeen noch unter dem Prinzen Eugen, unter dem Feldmarschall Khevenhüller, und selbst unter dem Feldmarschall Daun gekannt haben, sagen, daß nicht ein Schattenbild mehr von jenen Verfassungen vorhanden wäre. Sie erstaunen über den Anblick der Artillerie und der Bewegung der Truppen. Der Grad, worauf die Oekonomie gebracht worden, die Arsenale, die Manipulation der Kriegskanzley sind Erscheinungen, welche ihren Zeiten unbekannt waren.
Sie sind das Werk eines der größten Ministere, welche die österreichische Monarchie jemals gehabt hat. Die gegenwärtige Verfassung der Armee macht in der Staatsgeschichte dieses Hauses einen unterscheidenden Zeitpunkt, den man dem Feldmarschall Lacy schuldig ist. Diese Verbesserung, welche in die Operationen des Kabinets, und in die Wagschale der Unterhandlungen so viel Gewicht legt, wurde mit einem eben so großen Muthe ausgeführt, als sie entworfen war.
Vermöge des heutigen Zustandes der Armee und des Staatskredits ist Oesterreich, welches einst unter die Mächte vom zweyten Range gezählt wurde, auf die Stufe der ersten gestiegen.
Ach! welch ein Unglück! Man siehet keine unerschöpflichen Kriegskommissare mehr; man siehet nicht mehr aus Fleischhackern und Proviantbeckern gnädige Herren werden; man siehet keinen Liefranten mehr in einem sechsspännigen Postwagen fahren, und seine Tochter an einen Fürsten ausheyrathen. Diese Leute sinds, welche mit Beyhülfe eines Haufen Blechschmiede, Riemer, Büchsenschifter, Schneider und andere niederträchtige Geschöpfe eine große Masse Fluch zusammengetragen haben, so sie auf die Kriegsökonomien des Feldmarschall Lacy wälzen. Man lacht über die Unmacht dieser Elenden: unterdessen ergiebt sich, wie vielfältig die Schwürigkeiten waren, welche sich dem Feldmarschall in Weg stellten. In der That seine Unternehmung war keine gemeine Unternehmung. Der Feldmarschall wollte nicht nur neue Begriffe einführen, sondern, was noch ein kühnerer Entwurf ist, alte Vorurtheile abschaffen. –
Wie schwer mußte es nicht halten, Leuten, die aus den Zeiten der Menzel und der Trenk vorhanden waren, beyzubringen, der Vorzug eines Officiers bestehe nicht in dem, daß er den Ermel zurückstreife, und der vorderste beym Einhauen sey; daß dieses höchstens das Verdienst eines Wachtmeisters oder Sergeanten wäre. Wie unbegreiflich mußten diesen Leuten nicht einige andere Lehrsätze der neuen Disciplin seyn: z. B. daß Gehorsam eine eben so militarische Tugend sey, als Tapferkeit; daß man, um Muth zu bekommen, nicht nöthig habe, eine Bouteille Tockayer zu trinken; daß ein Officier mit der Feder eben so gut umzugehen wissen müsse, als mit dem Degen; daß man als ein würdiger Officier bey einem Regiment eintreten und dienen könne, ohne sich mit den Kamraden zu schlagen; daß man aus der Gottesfurcht eines Officiers den Grad seiner Tapferkeit beurtheilen könne?
Ich würde noch sehr viel in dieser Materie anzuführen haben, wenn es erlaubt wäre, von einem Metier zu reden, wozu man nicht gehöret. Man hat zu eben der Zeit, wo der tollkühne und undankbare Pöbel zu Wien ihn verspottete, das Bildniß des Feldmarschall Lacy im Kabinette Friederichs III aufhängen sehen.
Von den Unterhandlungen zu Münster an bis auf die wegen Schlesien, und von dieser an bis auf die heutigen, klaget man über den Stolz der österreichischen Ministere. Sollte er eine Folge des Systems seyn? Vielleicht war er bey Einigen ein Fehler der Erziehung. Die Erziehung des wienerischen Adels war einst unter den Händen der Jesuiten. Sie war mehr pedantisch, als menschlich. Der Hof fügte noch eine Maxime hinzu, welche der Verfeinerung der Sitten beym Adel sehr widerstrebte, das Verbot ausser Lands zu reisen.
Nichts destoweniger ist dieser vorgeworfene Stolz ein Gebrechen, welches seine Periode hatte. Es ist heut zu Tag nicht zu vermuthen, daß ein österreichischer Minister noch ein Schlesien wagen wird, um ein Bonmot anzubringen.
Man muß wünschen, daß ein anderer Vorwurf, den man den Ministern zu Wien macht, weniger wesentlich wäre. »Wollen sie die
»Langsamkeit unserer Expeditionen kennen ler-
»nen« sagte der verstorbene Reichshofrathspräsident, Graf Windischgräz, zum Preußischen Gesandten, »so lassen sie sich eine An-
»weisung auf fünfzig ... prügel geben, und
»sehen sie zu, wers ihnen unter einem Vier-
»teljahre auszahlt.« Dieser Einfall erschöpft alles, was man von der Verzögerung der Angelegenheiten zu Wien sagen kan.
Die Langsamkeit ist ein Stück vom deutschen Nationalgenie. »Sie wirkt, so sagt ein be-
»rühmter Schriftsteller, eben die Tugenden,
»deren Fehler die Flüchtigkeit der Behandlun-
»gen bey andern Staatsverwaltungen einge-
»führt hat: eine hinlängliche Ausreifung der
»Materie und Festigkeit im Urtheile.«
Ich gebe es zu. Diesem Charakter der Verzögerung hat man es vielleicht beyzumessen, daß unendlich verdrüßlichere Laster, die die Regierung anderer Staaten drücken, z. B. die Gewaltthätigung, die Erschleichung, die Zweydeutigkeit, der Widerruf von der österreichischen Magistratur entfernt geblieben.
Unterdessen glaube ich, daß noch ein anderes Mittel vorhanden ist, den Ruhm des Ministerii zu retten. Die Manipulation der Geschäfte ist größtentheils in den Händen einer Gattung Geschöpfe, die man Dikasterianten nennt. – Diese Dikasterianten sind Wesen, welche in den öffentlichen Aemtern dienen, und deren Beschäftigung im Detail, im Protokolliren, Registermachen, Dekretiren bestehet. – Ihre Fatuität ist ohnausstehlich. Die ansehnlichsten unter ihnen cultiviren einige Wissenschaften, wozu mehr Aufmerksamkeit als Genie erfodert wird. Die übrigen legen sich darauf, Maccaroni, Kupidons und liebenswürdige Pflastertreter zu machen. Man siehet, daß unter den Händen solcher Leute der Gang eines Geschäfts nicht gewinnen kan.
Unstreitig ist der deutsche Reichshofrath die vollkommenste Ministerschule in Europa. Auch weiß sich der Hof zu Wien dieses Vortheils sattsam zu bedienen. Das österreichische Staatssystem wird von einer Reihe Ministere in Bewegung erhalten, die aus dieser vortreflichen Pflanzschule herkommen, und an deren Spitze der Fürst Kaunitz, und die Grafen Lacy und Hatzfeld stehen.
»Als man nach dem Tode des 1770 zu
»Wien verstorbenen königlich Sardinischen be-
»vollmächtigten Ministers, Grafen Canalis,
»seine Brieftasche eröffnete, so fand man fol-
»gende Schilderung der österreichischen Regie-
»rung, in französischer Sprache, von des Grafen
»eigener Hand.«
Eine Gewalt, die auf Ueberzeugung und Liebe gegründet ist – nicht auf Macht und Furcht. Gesetze, die in bekannten und auf das allgemeine Beste zielenden Endzwecken ihren Grund haben – aber doch mehr Verordnungen, als Gesetze. Eine edelmüthige Bemühung auf Seiten derjenigen, welche unser äusserliches Schicksal zu bestimmen haben, das natürliche und geoffenbarte Licht in seiner Klarheit zu erhalten. Viel Policey auf dem Papiere, aber nicht im Publikum. Versuche durch Ausbreitung der Wissenschaften und Beförderung der Nahrungsmittel dem Laster vorzubeugen, um es nicht bestrafen zu dürfen – ein Regent, welcher sich der Gewalt, so er über das Gesetz hat, nur bedient, um dasselbe zu mildern und Gnade zu erzeigen. Delikatesse im peinlichen Verfahren – zum Beweise der Unvollkommenheit der peinlichen Gesetze. Sicherheit des Eigenthums. Mehr Routine als Studium. Eine Beamtenlogik, worinn der Eigennutz das Augenmerk, und die Pflichten Mittel sind, diesen Zweck zu erreichen.
Die guten Tage sind selten bey einem Volke, welches größtentheils entweder unter Pfaffen oder Edelleuten lebt. Wenn sich der Oesterreicher einen guten Tag machen will, so geht er wallfahrten. Er versiehet sich mit seinem übrigen Geld, und geht nach Mariataferl, oder nach Mariazell, oder nach Marialanzendorf. Wenn er gebeichtet und seine Seele ausgesöhnet hat; so spricht er im Ruckwege von der Kirch im Wirthshause ein, und schwelgt, bis er nicht mehr kan. Es scheint, daß die Vorsicht selbst dafür sorge, einen Gebrauch, den man zur Last der Menschen erfunden hat, in ihr Vergnügen zu verkehren.
So lang noch die ordentlichen Caravanen an gewissen Festtägen auszogen, so schlug sich das Frauenzimmer sehr häufig hinzu. Es war eine Art von Lustparthie. Man unterhielt sich, man belustigte sich, man stiftete Bekanntschaft, und kehrte des Nachts zusamm im Wirthshaus ein – – – –
Eine Kirchfahrtbekanntschaft war eine so gesetzmäßige Sache, daß sich der Ehemann nicht darüber aufhalten konnte, ohne den Wohlstand der Kirchfahrt und die geheiligten Rechte derselben zu beleidigen.
Seitdem die Regierung diese Caravanen verbothen – oder wenigstens eingeschränkt hat, so haben die Kirchfahrten viel an ihrer Annehmlichkeit verlohren. Es ist jetzt mehr nicht erlaubt, als für sich selbst zu wallfahrten. Die Heiligen befinden sich hiebey etwas in Verlegenheit. Ihre Sachwalter, die Mönche und die Gastwirthe, haben nicht ermangelt, nachdrückliche Vorstellungen zu machen. Allein man hat sie abgewiesen, weil in den Processen zwischen der Menschheit und den Heiligen die Verhandlungen peremtorisch sind.
Die Oesterreicher lieben zuweilen die gute Gesellschaft. Sie lassen keine feyerliche Gelegenheit vorbeygehen, ohne sich zu versammlen, und Gastmale zu geben. Bey diesen Gastmalen ist es eine festgesetzte Regel, daß allezeit ein Lustigmacher zugegen seyn muß. Hiezu wählt man gemeiniglich einen Franziskaner. Diese sind die geselligsten und witzigsten Geschöpfe in Oesterreich. Es wäre des Pinsels eines Petron würdig, ein Gastmal zu beschreiben, so wie es seyn solle, welches aus einem halben Dutzend Verwaltern und ihren Frauen, aus einem Dutzend Pflegern, Bräumeistern und Pachtbeständern, und einem Franziskaner, bestünde.
Nach der Regel setzt man den Franziskaner allemal zwischen die zwey furchtsamsten Frauenzimmer. Diese neckt er, zu ungemeiner Belustigung der ganzen Tafelgesellschaft, unaufhörlich mit Zweydeutigkeiten und verblümten Einfällen. Manchmal treibt man noch einen zweyten lustigen Kopf auf, den man dem ersten gegenüber setzt, um seinen Witz zu balanciren; alsdenn übertrift die Lustbarkeit sich selbst.
Alle Bemühungen zu Erweckung des Nationalgenies würden ohne Beyhülfe der Litteratur vergebens seyn.
Ich bediene mich meiner Gewohnheit, den Ausdruck der Nation selbst anzuführen, wenn sie ein Urtheil über sich fällt, indem ich einen ihrer vornehmsten Schriftsteller reden lasse.
»Das Verzeichniß der Schriften (Grund-
»sätze der P. H. und F. Wissenschaft. IIter Theil.
»Vorrede.) auf die wir als ein National-
»eigenthum Anspruch machen können, ist mit
»Einem Blicke überschauet. – – – –
»– – – – – – – – –
»Vier Bücher also sind Alles, was wir in
»dieser Gattung aufweisen können, indessen an-
»dere Nationen in allen Theilen durch die vor-
»treflichsten Schriften belehret sind.
»Dieser Mangel hat vielleicht seine Ursache
»hauptsächlich in den Schwürigkeiten, zu den-
»jenigen Hülfsmitteln zu gelangen, welche die
»Speculationen der Schriftsteller veranlassen,
»leiten, und ihnen zum Grunde dienen müssen,
»wofern sie nicht bloß schwankende, und mei-
»stens unanwendbare Entwürfe bleiben sollen.
»Die Stärke der Bevölkerung, der Zustand
»der Handlung, des Manufakturwesens, der
»öffentlichen Einkünfte, die Nerven des Na-
»tionalkredits: alles diß ist in andern Staaten
»umständlich, entweder aus öffentlichen Regi-
»stern oder Tabellen bekannt, oder wird den-
»jenigen, die sich darüber unterrichten wollen,
»sehr gern mitgetheilt. Fähige Männer sehen
»es denn für ihre Pflicht an, dem Staate dar-
ȟber ihre Anmerkungen, ihre Erinnerungen
»nicht zu versagen. Auf diese Weise vereinba-
»ret gleichsam eine ganze Nation ihre Einsicht.
»Die Zahl ihrer Räthe ist gewissermaßen nicht
»kleiner, als die Zahl ihrer denkenden Pa-
»trioten.«
Man kan nicht vortreflicher reden. Vor einigen Jahren entwarf ein junger Gelehrter zu Wien ein periodisches Blatt, wodurch er dem Publico die vaterländischen Gesetze, in ihrer natürlichen Filiation, nach und nach bekannt machen wollte. Das Blatt schien nützlich zu werden. Allein der Edle von Trattner, ein Buchdrucker zu Wien, setzte sich dagegen. Er führte an, daß er ein persönliches Privilegium habe, die Sottisen der Nation zu verewigen. Man schlug das Blatt ab.
Warum bemühet man sich um den Einfluß der Philosophie und der Wissenschaften in den Geist der Nation? Die Schaubühne hat seine Bildung auf sich genommen. Sie ists, die allein herrschen will, die den Ton giebt, für welche Staatsmänner und Komödianten arbeiten.
Sie drängte sich dicht an das Verbesserungssystem, als die Güte Marie-Theresiens die Bildung der Nation beschlossen hatte; ich will nicht untersuchen, mit wie viel Verdienst. So viel ist gewiß, daß es zu Presburg, zu Prag, zu Ollmütz, zu Brünn, zu Gräz, zu St. Poelten, zu Linz, Schaubühnen giebt. Die Pensionisten, die bemittelten Inwohner besuchen diese Theater mit Vergnügen, und die Allmanachs von Gotha und Leipzig sprechen mit Nachsicht davon.