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Casti Piani (aus seinem Versteck hervorstürzend, vergeistert): Was war das?!
Elfriede (stürzt aus ihrem Versteck hervor, leidenschaftlich): Was war das?! Was habe ich nichtswürdige Schmarotzerin mir in meinem vertrockneten Hirn unter Sinnengenuß vorgestellt?! – Selbstaufopferung, glühendes Märtyrertum ist das Leben in diesem Hause. Ich, in verlogener Aufgeblasenheit, in meinem fadenscheinigen Tugendstolz hielt dieses Haus für die Brutstätte der Verworfenheit!
Casti Piani: Ich bin zerschmettert!!
Elfriede: Meine ganze Jugend, so überreich an Liebesdurst, an Liebesmacht sie mir der gütige Himmel geschenkt hatte, ich habe sie freventlich durch den grauen seelenerstickenden Straßenschmutz geschleift! Die Heiligkeit sinnlicher Leidenschaft galt mir feigen Memme als niedrigste Gemeinheit!
Casti Piani (vergeistert): Das war die tageshelle Erleuchtung, die unversehens dem, der auf dem Dachfirst nachtwandelt, das Genick bricht!
Elfriede (leidenschaftlich): Das war die tageshelle Erleuchtung!
Casti Piani: Was tu' ich noch auf der Welt, wenn auch der Sinnengenuß nichts als höllische Menschenschlächterei, wenn auch der Sinnengenuß nichts als satanische Menschenschlächterei ist, wie das ganze übrige Erdendasein! So also nimmt sich der einzige göttliche Lichtstrahl aus, der die schauerliche Nacht unseres martervollen Lebens durchdringt! Hätte ich mir doch vor einem halben Jahrhundert eine Kugel durch den Kopf gejagt! Dann wäre mir dieser jämmerliche Bankrott meines hochstaplerisch zusammengestohlenen Seelenreichtums erspart geblieben!
Elfriede: Was Sie noch auf dieser Welt zu tun haben? Das kann ich Ihnen sagen! Sie sind Mädchenhändler! Sie rühmen sich, es zu sein! Jedenfalls haben Sie die besten Verbindungen mit allen bedeutenden Plätzen, die für den Mädchenhandel in Betracht kommen. Verkaufen Sie mich! Ich beschwöre Sie, verkaufen Sie mich an solch ein Haus! Sie können ein ganz einträgliches Geschäft mit mir machen! Ich habe noch nie geliebt, das setzt meinen Wert jedenfalls nicht herab! Dafür, daß ich Ihnen keine Schande mache, daß Sie bei Ihren Abnehmern Ehre mit mir einlegen, verbürge ich mich Ihnen mit jedem Schwur, den Sie von mir verlangen!
Casti Piani (halb im Wahnsinn): Was rettet mich vor dem Genickbruch? Welches Mittel hilft mir über die eisigen Todesschauer hinweg?!
Elfriede: Ich helfe Ihnen darüber hinweg! Ich! Verkaufen Sie mich! Dann sind Sie gerettet!
Casti Piani: Wer sind Sie denn?!
Elfriede: Ich will im Sinnengenuß meinen Tod finden! Ich will mich auf dem Blutaltar sinnlicher Liebe schlachten lassen!
Casti Piani: Sie – Sie soll ich verkaufen?!
Elfriede: Ich will den Märtyrertod sterben, den dieses Mädchen, das eben hier war, stirbt! Habe ich denn nicht die gleichen Menschenrechte wie andere?!
Casti Piani: Behüte mich der Himmel davor!! (Mit steigendem Ausdruck): Das – das – das ist das höllische Hohngelächter, das über meinem Todessturz erschallt!
Elfriede (sinkt ihm zu Füßen): Verkaufen Sie mich! Verkaufen Sie mich!
Casti Piani: Die grauenvollsten Zeiten meines Lebens steigen vor mir auf! Einmal schon habe ich ein Geschöpf, das von der Natur nicht dazu geschaffen war, auf dem Liebesmarkte verschachert! Für dieses Verbrechen gegen die Natur habe ich sechs volle Jahre hinter schwedischen Gardinen zugebracht! Natürlich war es auch eines jener charakterlosen Geschöpfe, denen die großen Füße im Gesicht geschrieben stehen!
Elfriede (seine Knie umklammernd): Bei meinem Herzschlag beschwöre ich Sie, verkaufen Sie mich! Sie hatten recht! Meine Betätigung zur Bekämpfung des Mädchenhandels war unbefriedigte Sinnlichkeit! Aber meine Sinnlichkeit ist nicht schwach! Fordern Sie Beweise! Soll ich Sie wie wahnsinnig küssen?!
Casti Piani (in höchster Verzweiflung): Und dieses ohrzerreißende Jammergeheul zu meinen Füßen?! Was ist das?! Dieses gellende Zetergeschrei aus Geburtswehen, Daseinsschmerzen und Todesqualen ertrag' ich nicht länger! Ich halte dieses irdische Wehgekreisch nicht mehr aus!
Elfriede (die Hände ringend): Ihnen selbst, wenn Sie wollen, bringe ich meine Unschuld zum Opfer! Ihnen selbst, wenn Sie wollen, schenke ich meine erste Liebesnacht!
Casti Piani (aufschreiend): Das hatte gefehlt!
(Es kracht ein Schuß. Elfriede stößt einen markerschütternden Schrei aus. Casti Piani wankt, in der Rechten den rauchenden Revolver, die Linke krampfhaft auf die Brust gepreßt, zu einem der Polstersessel, in dem er zusammenbricht.)
Casti Piani: – Ver–zeihen Sie – Baroneß – ich – ich habe mir – weh getan – das – das war nicht – nicht galant von mir –
Elfriede (ist aufgesprungen und beugt sich über ihn): Sie werden sich doch um Gottes Barmherzigkeit willen nicht getroffen haben?!
Casti Piani: – schrei–schreien Sie mir die – die Ohren nicht – nicht voll – seien Sie – lieb – lieb – lieb – wenn – wenn Sie können –
Elfriede (entsetzt zurückweichend, beide Hände in ihren Haaren, auf Casti Piani starrend, mit einem Aufschrei): Nein! Nein! Nein! Ich kann bei diesem Anblick nicht lieb sein! Ich kann nicht lieb sein!
Auf den Schuß hin sind drei schlanke junge Mädchen, ebenso wie Lisiska gekleidet, eine nach der andern neugierig aus den drei Türen des Zimmers getreten. Sie haben sich zögernd Casti Piani genähert und suchen ihm, stumme Gebärden untereinander austauschend, mit äußerster Zurückhaltung den Todeskampf zu erleichtern.
Casti Piani (die Mädchen erblickend): – und das – und das – Ra – Rachegeister? – Rachegeister?? – – Nein, nein! – das – das ist – ist Maruschka! – Ich sehe dich genau. – Das ist – Euphemia! – das Theophila. – – Ma–Ma–Maruschka! Küsse mich, Maruschka!
(Das schlankste der drei Mädchen beugt sich über Casti Piani und küßt ihn auf den Mund.)
Casti Piani (angstvoll): – Nein, nein, nein! Das war nichts! – Küsse – küsse mich anders!
(Das Mädchen küßt ihn wieder.)
Casti Piani: – So! – So, so, so! – Ich – ich habe euch – betrogen – (sich an Maruschka langsam aufrichtend): – euch alle – betrogen! – Der Sinnengenuß – Menschenquälerei – Menschenschinderei – – – – endlich – endlich – Erlösung! (Er steht, steif emporgereckt, wie vom Starrkrampf erfaßt, die Augen weit aufreißend): Wir – wir müssen – den – den hohen Herrn – doch wohl stehend – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – empfangen . . .
(Er bricht tot zusammen.)
Elfriede (in Tränen aufgelöst zu den drei Mädchen): Nun? – Hat denn keine von euch Mädchen den Mut dazu? Ihr ward diesem Manne doch mehr, als ich ihm sein durfte!
(Die drei Mädchen weichen kopfschüttelnd, mit eisigen Mienen, scheu und angstvoll zurück.)
Elfriede (schluchzend, zur Leiche Casti Pianis gewandt): Dann verzeih' mir, der Elenden! Du hast mich im Leben aus tiefster Seele verabscheut! Verzeih' mir, daß ich mich dir noch nahe! (Sie küßt ihn inbrünstig auf den Mund. In einen Strom von Tränen ausbrechend): Diese letzte Enttäuschung hast du dir doch wohl in deinem furchtbarsten Weltschmerz nicht träumen lassen, daß dir eine Jungfrau die Augen zudrückt! – (Darauf drückt sie ihm die Augen zu und sinkt jammervoll weinend zu seinen Füßen.)