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Thronsaal.
Erster Bedienter (sich aus dem Fenster beugend). Sie kommen! Das wälzt sich näher und näher, wie das jüngste Gericht!
Zweiter Bedienter (stürzt zur gegenüberliegenden Thüre herein). Weißt du, daß der König gefangen sitzt?!
Erster Bedienter. Unser König gefangen?!
Zweiter Bedienter. Seit gestern früh! Die Hunde haben ihn ins Gefängnis geworfen!
Erster Bedienter. Dann machen wir uns am besten aus dem Staub, sonst verfahren sie mit uns, als wären wir die Betten gewesen, auf denen er ihre Kinder verführt hat!
(Die Bedienten stürzen hinaus. Der Saal füllt sich mit bewaffneten, blutbesudelten, vom Kampf erhitzten Handwerkern aller Gewerbe.)
Pietro Folchi (tritt mitten unter sie). Mitbürger! – Die Gassen von Perugia sind mit den Leichen unserer Kinder und Brüder bedeckt. Manchem von euch ist es heiligster Wunsch, einen teuren Toten zu würdiger Ruhestätte zu geleiten. – Mitbürger! Vorher gilt es noch eine höhere Pflicht zu erfüllen. Laßt uns so rasch als möglich das Unsrige thun, daß die Toten nicht einzig zum Ruhm ihrer Tapferkeit starben, sondern zum dauernden Glück ihres Vaterlandes! Nutzen wir den Augenblick! Geben wir unserem Staat eine Verfassung, die seine Kinder in Zukunft vor der Mordwaffe schützt und seinen Bürgern den gerechten Lohn ihrer Arbeit sichert!
Die Bürger. Es lebe Pietro Folchi!
Andrea Valori. Mitbürger! Wir können diesen teuer erkämpften Platz, eh' wir ihn wieder verlassen, nur dadurch vor unseren Feinden schützen, daß wir uns jetzt schon über die zukünftige Staatsform einigen. Den ehemaligen König halten wir im Gefängnis verwahrt; die Patrizier, die ihr Nichtsthun mit unserem Schweiß bestritten, sind auf der Flucht nach den Nachbarstaaten. Nun frage ich euch, Mitbürger, proklamieren wir, wie es in Florenz, wie es in Parma, in Siena geschehn ist, in unserem Staate die Umbrische Republik?
Die Bürger. Es lebe die Freiheit! Es lebe Perugia! Es lebe die Umbrische Republik!
Pietro Folchi. Schreiten wir ohne Verzug zur Wahl eines Podesta! Hier sind Tafeln und Griffel die Menge! Schreibe jeder den Namen dessen auf, den er für den Fähigsten hält, die Geschicke des Staates zu leiten, und den Besitz der Gewalt gegen unsere Feinde zu verteidigen!
Die Bürger. Es lebe unser Podesta Pietro Folchi! Es lebe die Republik Perugia!
Andrea Valori. Mitbürger! Keine Übereilung in dieser Stunde! Es gilt, die erstrittene Macht derart zu befestigen, daß sie uns, solange wir leben, nicht entrungen werden kann! Gelingt uns das, wenn wir Umbrien zur Republik machen?! Unter dem Schutze republikanischer Freiheit werden die verjagten Herrensöhne sich die Eitelkeit unserer eigenen Töchter zu Nutze machen, um uns unversehens, während des nächtlichen Schlummers wieder in Ketten zu schmieden! Blickt hinüber nach Florenz! Blickt nach Siena! Ist dort nicht die Freiheit nur der Deckmantel wüstester Willkürherrschaft, unter der der Bürger zum Bettler wird? Unter seinen Königen ist Perugia zu Macht und Wohlstand emporgediehen, bis das Scepter einem Dummkopf und Wüstling in die Hände geriet. Erheben wir den Würdigsten unter uns auf seinen Thron! Nur dann werden wir selber, sowie wir vom Kampf ermattet hier stehen, in Zukunft die Aristokraten unserer Stadt und die Herren des Landes sein; nur dann werden wir uns dauernd und in Ruhe unserer heißerrungenen Vorrechte erfreuen können!
Die Bürger. Es lebe der König! Es lebe Pietro Folchi!
Einige Stimmen. Es lebe die Freiheit!
Die Bürger (lauter). Es lebe unser König Pietro Folchi! Es lebe König Pietro!
Einige Bürger (unwillig den Saal verlassend). Dafür vergossen wir unser Blut nicht! Nieder mit der Knechtschaft! Es lebe die Freiheit!
Die Bürger. Hoch lebe König Pietro!
Pietro Folchi (besteigt den Thron). Durch eure Wahl dazu berufen, besteige ich diesen Thron und nenne mich König von Umbrien! – Die Mißvergnügten, die unter dem Ruf nach Freiheit aus unserer Mitte schieden, sind nicht weniger die Feinde unseres Staates als die adligen Faulenzer, die unseren Mauern den Rücken kehrten. Ich werde ein wachsames Auge auf sie haben, denn sie fochten an unserer Seite nur in der Hoffnung, in den Trümmern unserer teuren Stadt plündern zu können. Wo ist mein Sohn Filipo?
Filipo Folchi (aus der Menge tretend). Was befehlt Ihr, mein Vater?
König Pietro. An den Schrammen, die du über dem Auge trägst, sehe ich, daß du gestern und heute dem Tod nicht aus dem Wege gingst! Ich ernenne dich zum Befehlshaber unserer Kriegsmacht. Verteile die uns ergebenen Söldner auf die zehn Thore der Stadt und laß auf dem Markte die Werbetrommel schlagen! Perugia muß in allerkürzester Frist zu einem Zuge nach den Grenzen gerüstet sein. Du haftest mir für das Leben eines jeden Bürgers und stehst mir gut für die unverbrüchliche Sicherheit allen Eigentums! Nun laß den ehemaligen König von Umbrien aus seiner Gefangenschaft heraufführen; denn es ziemt sich wohl, daß niemand anders als ich ihm sein Urteil verkünde.
Filipo. Eure Befehle sollen pünktlich vollzogen werden. – Hoch lebe König Pietro! (Ab.)
König Pietro. Wo ist mein Schwiegersohn, Andrea Valori?
Andrea Valori (vortretend). Hier, mein König, bin ich zu Eurem Befehl.
König Pietro. Ich ernenne dich zum Schatzmeister des Königreiches Umbrien. Du und mein Vetter Giulio Diaceto, und unser berühmter Rechtsgelehrter Bernardo Ruccellai, dessen beredtes Wort im Auslande unsere Stadt zu wiederholten Malen vor Blutvergießen bewahrt hat –: Ihr drei werdet meine Ratgeber bei der Erledigung der Staatsgeschäfte sein. (Nachdem die Gerufenen vorgetreten) Setzt euch mir zur Seite! (Sie thun es.) Der hohen Pflicht, über Andere zu herrschen, kann ich nur genügen, wenn die verdienstvollsten Männer des Vaterlandes ihr Leben in meinen Dienst stellen. – Und nun geht, ihr Übrigen, um die Opfer des zweitägigen Kampfes zu bestatten. Damit sie nicht umsonst für ihrer Brüder und Kinder Wohl in den Tod gegangen sind, lasset den heutigen Tag einen Tag der Trauer und der ernstesten Wachsamkeit sein.
(Alle verlassen den Saal bis auf König Pietro, den Staatsrat und einige Landsknechte. Hierauf wird der gefangene König von Filipo Folchi und mehreren Bewaffneten hereingeleitet.)
Der König. Wer erdreistet sich, uns durch die Gewalt dieser pflichtvergessenen Schelme hierher führen zu lassen?!
König Pietro. Durch die Bestimmung unserer Gesetze war die Königsgewalt in Umbrien dir als dem ältesten Sohne des Königs Giovanni zugefallen. Du hast deine Macht verwandt, um mit Dirnen und Buhlknaben den Namen eines Königs zu entwürdigen. Schwelgereien, Maskenbälle und Jagden, durch die du den Staatsschatz vergeudet und das Land arm und wehrlos gemacht hast, zogst du jeder fürstlichen Beschäftigung vor. Du hast uns unsere Töchter geraubt und dein Treiben war unseren Söhnen das verderblichste Beispiel. Du hast für des Staates Wohlergehen so wenig wie für dein eigenes gelebt. Du schafftest nur an deinem und unseres Vaterlandes Untergang!
Der König. Mit wem redet der Schlächtermeister?
Filipo Folchi. Schweig!
Der König. Gebt mir mein Schwert zurück!!
Andrea Valori. Legt ihm Fesseln an! Er wird rasend!
Der König. Der Schlächtermeister soll weiter sprechen!
König Pietro. Dein Leben ist verwirkt und liegt in meiner Hand. Aber ich lasse das Todesurteil unvollstreckt, wenn du hier in einer staatsrechtlichen Urkunde zu meinen Gunsten und zu Gunsten meiner Erben für dich und deine Anverwandten auf die Königswürde Verzicht leistest und mich als deinen Herrn, als rechtmäßigen Nachfolger und als Herrscher von Umbrien anerkennst.
Der König (lacht laut auf). Hahaha, man verlange von einem Karpfen, der in der Pfanne liegt, er möge darauf verzichten, Fisch zu sein. Daß dieses Gewürm unser Leben in seiner Macht hat, beweist freilich, daß die Fürsten nicht unter die Götter gehören, weil sie wie Menschen sterblich sind. Töten kann auch der Blitzstrahl; aber wer als König geboren ist, stirbt nicht als Mensch! Es lege einer dieser Handwerker Hand an uns, wenn ihm nicht vorher das Blut in den Adern erstarrt! Dann mag er sehen, wie ein König stirbt!
König Pietro. Ihr seid Euch selbst mehr Feind als es Eure Todfeinde sein könnten. Wollt Ihr denn nicht Verzicht leisten, so lassen wir in dankbarem Andenken an die segensreiche Herrschaft des Königs Giovanni, dessen leibliches Kind Ihr seid, Milde walten und verbannen Euch von heute ab auf ewig unter Verhängung der Todesstrafe aus den Grenzen des Umbrischen Staates.
Der König. Verbannen, ha ha ha! Wer in der Welt will den König verbannen! Aus einem Lande, dessen Beherrschung ihm vom Himmel verliehen ist, soll ihn die Todesangst fern halten! Nur ein Handwerker kann sich das Leben so teuer und die Königskrone so wohlfeil ausmalen! – Ha ha ha, diese bedauernswürdigen Thoren scheinen sich einzubilden, wenn man einem Schlächtermeister eine Krone aufsetzt, dann werde ein König daraus. Schau einer hin, wie der Dickwanst bleich und zitternd dort oben klebt, gleich einem an die Wand geschleuderten Käse! – Ha ha ha, wie sie uns anstarren, die blöden Dickköpfe mit ihren feuchten Hundeaugen, als wäre ihnen der Sonnenball vor die Füße gefallen!
Prinzessin Alma (stürzt herein. Fünfzehn Jahre alt, mit wirrem Haar, in reicher aber zerfetzter Kleidung, an der Thüre die Wachen durchbrechend). Laßt mich hindurch! Laßt mich zu meinem Vater! Wo ist mein Vater! (Vor dem König zusammensinkend und seine Kniee umfassend.) Vater! Hab ich Euch wieder! Mein innigstgeliebter Vater!
Der König (zieht sie empor). So halte ich dich unversehrt wieder in meinen Armen, du mein teuerstes Kleinod! Warum mußt du mit deinem herzzerfleischenden Jammer eben in diesem Augenblicke vor mich hintreten, wo ich die blutlechzende Meute schon beinahe wieder unter die Füße gestampft hatte!
Alma. Dann laßt mich mit Euch sterben! Den Tod mit Euch zu teilen, ist mir höchste Seligkeit gegen alles, was ich in diesen beiden Tagen in den Straßen von Perugia erlebt habe. Stoßt mich nicht von Euch! Man ließ mich nicht zu Euch ins Gefängnis, aber nun seid Ihr wieder mein! Bedenkt, mein Vater, daß ich keinen anderen Menschen auf dieser weiten Welt habe, als Euch!
Der König. Mein Kind, mein liebes Kind, warum zwingst du mich, vor meinen Mördern zu bekennen, wie schwach ich bin! Geh, ich habe mein Geschick selbst über mich heraufbeschworen; laß es mich allein tragen! Von meinen ärgsten Feinden, das werden dir diese Männer bestätigen, hast du jetzt mehr Gnade und Glück zu hoffen, als wenn du dich an deinen vom Schicksal zerschmetterten Vater klammerst.
Alma (in höchster Leidenschaftlichkeit). Nein, sagt das nicht! Ich beschwöre Euch, sprecht das nicht noch einmal aus! – (Schmeichelnd) Bedenkt doch nur, es ist ja noch gar nicht entschieden, daß sie uns hinmorden. Und wenn wir lieber sterben, als daß wir uns von einander trennen, wer auf dieser Welt kann uns dann etwas anhaben!
König Pietro (der sich während dieser Scene mit dem Staatsrat leise verständigt hat, zum König gewandt). Die Stadt Perugia wird Eurer Tochter bis zu ihrer Mannbarkeit die sorgsamste Erziehung angedeihen lassen und wird sie alsdann mit einem fürstlichen Heiratsgut ausstatten, wenn Eure Tochter das Versprechen ablegt, meinem Sohne Filipo Folchi, der mein Nachfolger auf diesem Throne sein wird, die Hand zum ehelichen Bunde zu reichen.
Der König. Hast du's gehört, mein Kind? Der Thron deines Vaters steht dir offen!
Alma. O mein Gott, wie könnt' Ihr Eures armen Kindes so spotten!
König Pietro (zum König). Was dich betrifft, so werden dich noch in dieser Stunde Bewaffnete unter meines Sohnes Führung bis an die Grenze des Landes bringen. Laß dich's nicht gelüsten, noch je einen Fußbreit unseres Staates zu betreten, wenn dein Haupt nicht auf dem Markt von Perugia unter Henkershand fallen soll!
(Filipo Folchi läßt den König und die Prinzessin, die sich fest an ihren Vater klammert, durch Bewaffnete abführen. Er will ihnen eben folgen, als er von dem atemlos hereinstürzenden Benedetto Nardi in vollster Wut am Arm gepackt wird)
Benedetto Nardi. Hab' ich dich, Schandbube! (Zu König Pietro) Dieser dein Sohn, Pietro Folchi, hetzte gestern abend im Verein mit seinen Zechbrüdern mein wehrloses Kind durch die Gassen der Stadt und stand im Begriff, ihr Gewalt anzuthun, als zwei meiner Gesellen, auf ihr Wehgeschrei herbeigeeilt, die Nichtswürdigen mit Stockhieben in die Flucht jagten. – Da trägt der Bube noch die blutigen Schrammen über dem Auge!
König Pietro (aufbrausend). Verteidige dich, mein Sohn!
Filipo Folchi. Er spricht die Wahrheit.
König Pietro. Zurück in die Werkstatt mit dir! Von meinem eigenen Sohn muß ich meine Herrschaft am ersten Tage in der ruchlosesten Weise geschändet sehen! Dich treffe das Gesetz mit seiner grausamsten Strenge! Und nachher bleib an der Schlachtbank stehen, bis die Bürger Perugias auf den Knieen vor mir liegen, um Gnade für dich zu erflehen! – Legt ihn in Ketten!
(Die Söldner, die den König hinausgeführt, kommen mit Alma zurück. Ihr Führer wirft sich, ein Knie beugend, vor dem Throne nieder)
Der Söldner. Laßt, o Herr, Eure Knechte das furchtbare Unglück nicht entgelten! Wie wir den König eben hier vor dem Portal über die Brücke San Margherita führen, kommt uns ein Fähnlein unserer Kameraden entgegen und drängt uns an die Brustwehr. Diese Gelegenheit nutzte der Gefangene, um sich mit gewaltigem Sprung in die vom Regen angeschwollenen Fluten zu stürzen. All unserer Kraft bedurften wir, um diese Jungfrau zu hindern, ein gleiches zu thun; und als ich mich dem Gefangenen nachstürzen wollte, hatten ihn die tosenden Wogen längst unter sich begraben.
König Pietro. Sein Leben ist das bedauernswerteste Opfer nicht in diesen blutigen Tagen! Für ihn sind hundert Bessere gefallen. – (Zu den Staatsräten) Man führe das Kind zu den Ursulinerinnen und halte es in sorglichster Obhut. (Sich erhebend) Die Sitzung des Staatsrates ist geschlossen.
Alle Anwesenden. Heil dem König Pietro!
Heerstraße. Waldsaum.
(Der König und Prinzessin Alma, beide in Bettlerkleidern)
Der König. Wie lange ist es jetzt her, daß ich dich von Ort zu Ort schleppe und du für mich bettelst?
Alma. Ruht Euch aus, Vater; nachher werdet Ihr besserer Laune sein.
Der König (setzt sich am Wege nieder). Warum verschlangen mich an jenem Abend die tobenden Wogen nicht! Dann wäre alles längst vorbei!
Alma. Stürztet Ihr Euch denn aber über den Brückenrand, um Eurem Leben ein Ende zu bereiten? Ich wußte doch, welch eine Kraft in Euren Armen wohnt, und daß Euch das reißende Wasser zur Freiheit verhelfen werde. Wo hätte ich ohne diese Zuversicht den Mut hergenommen, aus dem Kloster und aus der Stadt zu entfliehen!
Der König. Hier unten liegen die reichen Jagdgründe, in denen ich mit der Hofgesellschaft auf die Reiherbeize ritt. Du warst noch zu jung, um uns zu begleiten.
Alma. Daß Ihr dieses kleine Land Umbrien nicht verlassen wollt, mein Vater! Die Welt ist so groß! In Siena, in Modena harren Euer die Anverwandten. Ihr würdet mit Jubel begrüßt und Euer teures Haupt wäre endlich in Sicherheit.
Der König. Du opferst mir viel, mein Kind! Trotzdem bitte ich dich, mir diese eine immer wiederkehrende Frage nicht mehr zu stellen. Darin eben liegt mein Verhängnis: Vermöchte ich dieses Land zu verlassen, dann hätte ich auch seine Krone nicht verloren. Aber meine Seele wird von Wünschen beherrscht, die ich auch um mein Leben nicht unerfüllt lassen kann. Als König glaubte ich mich sicher genug vor der Welt, um ohne Gefahr meinen Träumen leben zu können. Ich vergaß, daß der König wie auch der Bauer und jeder andere Mensch nur der Wahrung seines Standes und der Verteidigung seines Besitzes leben darf, wenn er nicht beides verlieren will.
Alma. Jetzt spottet Ihr Euer selbst, mein Vater!
Der König. Das ist der Gang der Welt! – Du findest, daß ich meiner spotte? – Das wäre schon wenigstens etwas, wofür die Menschen vielleicht unseren Unterhalt bestreiten möchten. So wie ich mich ihnen jetzt darbiete, bin ich nicht zu verwenden. Entweder verletze ich sie durch Anmaßung und Stolz, zu denen mein Bettlergewand im lächerlichsten Gegensatz steht; oder mein höfliches Benehmen macht sie mißtrauisch, da bei ihnen mit schlichter Bescheidenheit niemand auf einen grünen Zweig gelangt. Wie zerquälte ich meinen Geist schon in diesen sechs Monaten, um mich in ihr Wesen und Treiben zu finden. Aber von allem, was ich einst als Erbprinz von Umbrien lernte, läßt sich in ihrer Welt nichts verwerten; und von allem, was sich in ihrer Welt verwerten läßt, habe ich als Prinz nichts gelernt. – Gelänge es mir aber, meiner Vergangenheit zu spotten, wer weiß, mein Kind, ob wir dann nicht noch einmal an reich gedeckter Tafel Platz finden! Denn wenn der Schweineschlächter auf den Thron erhoben wird, dann bleibt für den König schlechterdings keine andere Lebensstellung im Staate mehr übrig, als die eines Hofnarren.
Alma. Entrüstet Euch in Eurer Müdigkeit nicht so, mein. Vater. Seht, daß Ihr ein wenig schlummert! Ich schaue nach frischem Wasser aus, um Euren Durst zu löschen und Eure glühende Stirne zu kühlen.
Der König (sein Haupt zurücklehnend). Dank dir, mein Kind!
Alma (ihn küssend). Geliebter Vater! (Ab)
Der König (erhebt sich). Wie ich jetzt erst dieses schöne Land lieben lerne, seit ich unter steter Lebensgefahr darin umherschweife! – Auch das schlimmste Unheil führt doch immer sein Gutes mit: hätte ich mich um mein braves Volk von Perugia und Umbrien nicht so blutwenig geschert, hätte es mich nicht je nur im Karneval im Maskenflitter zu sehen bekommen, Gott weiß, ob ich dann nicht schon längst erkannt worden wäre! – Da kommt wieder einer von der Sorte!
(Ein Gutsbesitzer kommt des Weges daher)
Der König. Gott zum Gruß, Herr! Habt Ihr nicht Arbeit für mich auf Eurem Gute?
Der Gutsbesitzer. Für dich möchte sich lohnende Arbeit auf meinem Gute wohl finden, aber gottlob wird mein Haus von kräftigen Wolfshunden bewacht. Und hier, siehst du, trage ich ein Weidmesser, das ich so gut zu handhaben verstehe, daß ich dir nicht raten möchte, mir noch einen Schritt näher zu kommen!
Der König. Herr, Ihr habt es auch nicht vom Himmel verbrieft, daß Ihr nicht noch einmal, um nicht zu hungern, um Arbeit bitten müßt!
Der Gutsbesitzer. Ha, ha, ha! Wer arbeiten will, um nicht zu hungern, der ist mir schon gerade der rechte Arbeiter! Erst kommt die Arbeit und dann der Hunger! Wer ohne Arbeit leben kann, der verhungere lieber heute als morgen!
Der König. Herr, Ihr hattet wohl klügere Lehrmeister als ich!
Der Gutsbesitzer. Das will ich wohl hoffen! – Was hast du gelernt?
Der König. Das Kriegshandwerk.
Der Gutsbesitzer. Damit ist Gott sei Dank unter der Herrschaft König Pietros, den uns der Himmel noch lange erhalten möge, in Umbrien wenig mehr zu verdienen. Stadt und Land genießen der Ruhe und mit den Nachbarstaaten leben wir endlich in Eintracht.
Der König. Herr, Ihr werdet mich für jede Arbeit auf Eurem Gute brauchbar finden.
Der Gutsbesitzer. Ich werde mir das Geschäft überlegen. Du scheinst mir ein harmloser Bursche zu sein. Ich bin auf dem Wege zu meinem Neffen, der in Todi ein großes Haus und Familie hat. Nach Mittag komme ich zurück. Erwarte mich hier an dieser Stelle. – Vielleicht nehme ich dich dann mit. – (Ab)
Der König (allein). Wer ohne Arbeit leben kann, der verhungere! – Welche Weißtümer dieses Geschmeiß hegt, um sich sein kümmerliches Dasein zu ermöglichen! – Und ich? – Nicht einmal meinem Kinde kann ich zu essen geben! Mir ward vom Himmel eine Herrlichkeit überantwortet, wie sie unter Millionen Menschen nur Einem zu teil wird! Und ich kann nicht einmal meinem Kinde zu essen geben! – Mir gestaltete mein gütiger Vater jede Stunde des Tages durch fröhliche Spielgefährten, durch die weisesten Lehrer, durch den ehrerbietigsten Dienertroß zum Freudenfeste; und mein Kind muß zitternd vor Kälte am Heerweg unter dem Zaun schlafen! – Erbarm' dich ihrer, o Gott, und tilg' die Liebe zu mir Elendem aus ihrem Herzen! Mir soll dann begegnen, was will – ich trag' es leicht!
Alma (stürzt mit aufgelöstem Haar aus dem Gebüsch). Vater! Jesus Maria! Mein Vater! Steht mir bei!
Der König (sie in die Arme schließend). Was ist dir, Kind?
Ein Landstreicher (der das Mädchen verfolgt hat, tritt vor und stutzt). Ah!? – – Wie kann ich wissen, daß ein Anderer sie hat!
Der König (stürzt mit erhobenem Stock auf ihn los). Von hinnen, du Hundeseele!
Der Landstreicher. Ich Hundeseele? – Was bist denn du??
Der König (schlägt ihn). Das bin ich! – Und das! – Und das!
(Der Landstreicher sucht das Weite)
Alma (sich bebend an ihren Vater schmiegend). O mein Vater! Ich beuge mich über die Quelle, da stürzt sich der Mensch auf mich!
Der König (schwer atmend). Beruhige dich, mein Kind . . .
Alma. Mein armer Vater! Daß ich, statt Euch helfen zu können, noch Eurer Hilfe bedarf!
Der König. Ich bringe dich heute noch nach Perugia. Wirf dich dem König Pietro zu Füßen . . .
Alma. O laßt mich das nicht immer wieder hören! Ich Euch verlassen, wo Euch täglich der Tod bedroht!
Der König. – Es wird in Zukunft wohl besser sein, wenn du statt in Frauentracht in Männerkleidern gehst. Wunder genug, daß dich die Vorsehung bis heute vor den Schrecknissen bewahrt hat, die dich bei unserem Umherirren bedrohen! In Männerkleidern wirst du sicherer sein. – Ein Bauer kam eben des Weges. Wenn er zurückkehrt, will er mich mitnehmen und mir Arbeit auf seinem Gute geben.
Alma. Wollt Ihr wirklich den Versuch noch einmal unternehmen, Euch in die Knechtschaft von Leuten zu verdingen, die so abgrundtief unter Euch stehen?
Der König. Das sagst du, mein Kind! Warum stehen sie unter mir? – Übrigens ist es noch gar nicht sicher, daß er mich seiner Arbeit für würdig findet. – Heißt er mich aber mitgehen, dann folge uns, auf daß ich dir zur Nacht meinen Platz unter seinem Dache überlassen kann.
Alma. Nein, nein, meinetwegen dürft Ihr Euch kein Ungemach bereiten. Wie hätte ich das um Euch verdient!
Der König. Weißt du auch, mein Kind, daß ich heute wahrscheinlich längst wegen gemeinen Straßenraubes am lichten Galgen hinge, wenn ich dich, mein Kleinod, nicht als Schutzengel bei mir hätte?! – (Er läßt sich am Wege nieder) Nun laß uns hier in geduldiger Ergebung des allgewaltigen Mannes harren, dessen Rückkunft über unser Sehnen und Hoffen, mit Menschen in Gemeinschaft leben zu dürfen, entscheiden wird.