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Der ruhige Haushalt, den Dorothy Trent mit ihrer Mutter in Newhaven führte, war schon auf die Sensation vorbereitet. Sie wußten, daß ihnen Großvater Trent, obwohl er seine Verwandten zu Lebzeiten nicht gerade verwöhnt hatte, eine große Summe hinterlassen hatte.
Rechtsanwalt Parsons teilte ihnen nun in einem Brief mit, daß jedoch mit der Erbschaft gewisse Bedingungen verknüpft seien.
»Natürlich wirst du tun, was der Großvater in seinem Testament bestimmt«, sagte Mrs. Trent.
»Das hängt ganz davon ab, wie die Bedingungen lauten«, entgegnete die Tochter ruhig. »Wenn sie womöglich besagen, daß ich das Adoptivkind seines Kutschers heiraten soll, dann kannst du dich darauf verlassen, daß ich das Geld nicht annehme. Das Vermögen kann dann meinetwegen irgendeiner Stiftung zufallen.«
»Du kannst sicher sein, daß Großvater so etwas nicht ins Testament geschrieben hat«, sagte die Mutter lächelnd.
Dorothy lachte.
»Ach Mutter, heutzutage kann man sich auf nichts verlassen. Ich warte erst einmal die weiteren Erklärungen des Rechtsanwaltes ab. Inzwischen will ich aber nicht mehr ins Büro gehen, denn mir ist so, als würde etwas aus dieser Erbschaft.«
Die Trents wohnten in einem kleinen Haus am Rand der Stadt. Dorothy hatte eine Stelle als Stenotypistin im größten Geschäft von Newhaven, aber sie hatte den brennenden Wunsch, noch etwas zu lernen – und vor allem mit der großen Welt in Berührung zu kommen. Sie wollte Reisen machen, und wenn die Bedingungen ihres Großvaters nicht zu hart waren, wollte sie sie gern erfüllen.
»Mutter«, sagte sie plötzlich, »wenn wir dieses Geld nun nicht erben, wäre das eine sehr große Enttäuschung für dich?«
Mrs. Trent lächelte. Nach einem kurzen Zögern sagte sie: »Ja, es würde mir sehr viel ausmachen. Man hat doch jetzt immer das Gefühl, ständig sparen zu müssen.«
Dorothy wartete, denn sie wußte, daß ihre Mutter noch etwas sagen wollte.
»Denk auch daran, was für eine große Erleichterung es für dich bedeuten würde! Du brauchst nicht mehr so schwer zu arbeiten und könntest dir dein Leben schön einrichten.«
»Auf mich kommt es dabei nicht an. Ich denke nur an dich. Würde es dir eine große Enttäuschung sein?«
»Ja, das kann ich wohl sagen«, meinte Mrs. Trent. Sie schien selbst überrascht, daß sie eine so entschiedene Meinung äußerte. »Ich wäre enttäuscht. Aber schließlich kommt das doch gar nicht in Frage, daß du die Erbschaft nicht ausgezahlt erhältst!«
»Ich mache mir nur Sorgen wegen der Bedingung, die daran geknüpft ist.«
Das Gartentor fiel ins Schloß. Dorothy drehte sich um und erblickte den Briefträger.
»Ein Eilbrief!« sagte der Mann.
»Scheint von Rechtsanwalt Parsons zu kommen«, meinte Dorothy.
Sie nahm den Brief in Empfang, und ein Blick auf den Absender bestätigte ihre Vermutung. Langsam ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich an den Tisch. Gewissenhaft las sie den ganzen Brief, und als sie damit fertig war, fing sie noch einmal von vorne an.
»Hm, also das ist die Bedingung«, murmelte sie vor sich hin.
»Worum handelt es sich denn, Liebling?« fragte Mrs. Trent.
»Ach, es ist eigentlich gar nicht so schlimm – soll ich dir den Brief vorlesen?«
Mrs. Trent nickte.
»Sehr geehrte Miss Trent«, las Dorothy, »ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, daß Ihr Großvater, James Trent, verstorben ist und in seinem Testament bestimmt hat, daß ich der einzige Testamentsvollstrecker sein soll. Sie erben sein gesamtes Vermögen mit Ausnahme einer kleinen Summe, die er mir, seinem Anwalt, als Zeichen seiner Zuneigung und seines Vertrauens vermacht hat. Ihr Großvater hat sehr spät geheiratet und das nachher bereut. Er wurde deshalb ein Gegner von spätgeschlossenen Ehen, und er wünscht, daß Sie heiraten sollen . . .«
Mrs. Trent richtete sich auf.
»Wen sollst du denn heiraten?«
»Das Testament schreibt mir keinen besonderen Mann vor«, erklärte Dorothy ruhig, ohne aufzuschauen, ». . . und zwar frühzeitig«, las sie weiter. »Ihr Großvater bestimmt, daß Sie ein Zehntel des Vermögens sofort erhalten, die anderen neun Zehntel an ihrem Hochzeitstag. Eine besondere Bedingung ist, daß Sie vor Ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag heiraten müssen, andernfalls fällt der Rest des Vermögens an eine Vereinigung zur Unterstützung begabter, aber mittelloser junger Künstler. Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören, und verbleibe mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung . . .«
Dorothy faltete den Brief zusammen, legte die Hände in den Schoß und sah erwartungsvoll ihre Mutter an. Aber dann brach sie gleich selbst das Schweigen und fuhr fort: »Mit der Bedingung kann man eigentlich einverstanden sein. Das bedeutet noch etwa« – sie rechnete schnell nach –, »etwa ein Jahr persönliche Freiheit.«
»Und während der Zeit findest du hoffentlich jemand, dem du dich anvertrauen kannst und den du lieben lernst.«
»Hoffen wir es«, meinte Dorothy.