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Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab.
Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. – Brangäne, einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord –.
Stimme eines jungen Semannes aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar.
Westwärts
schweift der Blick;
ostwärts
streicht das Schiff.
Frisch weht der Wind
der Heimat zu:
mein irisch Kind,
wo weilest du?
Sind's deiner Seufzer Wehen,
die mir die Segel blähen?
Wehe, wehe, du Wind!
Weh, ach wehe, mein Kind!
Irische Maid,
du wilde, minnige Maid!
Isolde
jäh auffahrend.
Wer wagt mich zu höhnen?
Sie blickt verstört um sich.
Brangäne, du?
Sag – wo sind wir?
Brangäne
an der Öffnung.
Blaue Streifen
stiegen im Westen auf;
sanft und schnell
segelt das Schiff:
auf ruhiger See vor Abend
erreichen wir sicher das Land.
Isolde.
Welches Land?
Brangäne.
Kornwalls grünen Strand.
Isolde.
Nimmermehr!
Nicht heut noch morgen!
Brangäne
läßt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde.
Was hör ich! Herrin! Ha!
Isolde
wild vor sich hin.
Entartet Geschlecht!
Unwert der Ahnen!
Wohin, Mutter,
vergabst du die Macht
über Meer und Sturm zu gebieten?
O zahme Kunst
der Zauberin,
die nur Balsamtränke noch braut!
Erwache mir wieder,
kühne Gewalt;
herauf aus dem Busen,
wo du dich bargst!
Hört meinen Willen,
zagende Winde!
Heran zu Kampf
und Wettergetös!
Zu tobender Stürme
wütendem Wirbel!
Treibt aus dem Schlaf
dies träumende Meer,
weckt aus dem Grund
seine grollende Gier!
Zeigt ihm die Beute,
die ich ihm biete!
Zerschlag es, dies trotzige Schiff,
des zerschellten Trümmer verschling's!
Und was auf ihm lebt,
den wehenden Atem,
den laß ich euch Winden zum Lohn!
Brangäne
im äußersten Schreck um Isolde sich bemühend.
O weh!
Ach! Ach
des Übels, das ich geahnt!
Isolde Herrin!
Teures Herz!
Was bargst du mir so lang?
Nicht eine Träne
weintest du Vater und Mutter;
kaum einen Gruß
den Bleibenden botest du.
Von der Heimat scheidend
kalt und stumm,
bleich und schweigend
auf der Fahrt;
ohne Nahrung,
ohne Schlaf;
starr und elend,
wild verstört:
wie ertrug ich,
so dich sehend,
nichts dir mehr zu sein,
fremd vor dir zu stehn?
O, nun melde,
was dich müht!
Sage, künde,
was dich quält!
Herrin Isolde!
trauteste Holde!
Soll sie wert sich dir wähnen,
vertraue nun Brangänen!
Isolde.
Luft! Luft!
Mir erstickt das Herz!
Öffne! Öffne dort weit!
Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte auseinander.
Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert, von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal. Vom Maste her, aus der Höhe, vernimmt man wieder die Stimme des jungen Seemanns.
Der junge Seemann
auf dem Maste, unsichtbar.
Frisch weht der Wind
der Heimat zu: –
Mein irisch Kind,
wo weilest du?
Sind's deiner Seufzer Wehen,
die mir die Segel blähen?
Wehe, wehe du Wind!
Weh, ach wehe, mein Kind!
Isolde deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich.
Mir erkoren, –
mir verloren, –
hehr und heil –
kühn und feig!
Tod geweihtes Haupt!
Tod geweihtes Herz! –
Zu Brangäne, unheimlich lachend.
Was hältst du von dem Knechte?
Brangäne
ihrem Blicke folgend.
Wen meinst du?
Isolde.
Dort den Helden,
der meinem Blick
den seinen birgt,
in Scham und Scheue
abwärts schaut?
Sag, wie dünkt er dich?
Brangäne.
Frägst du nach Tristan,
teure Frau?
Dem Wunder aller Reiche,
dem hochgepries'nen Mann?
Dem Helden ohne Gleiche,
des Ruhmes Hort und Bann?
Isolde
sie verhöhnend.
Der zagend vor dem Streiche
sich flüchtet, wo er kann,
weil eine Braut er als Leiche
für seinen Herrn gewann!
Dünkt es dich dunkel,
mein Gedicht?
Frag ihn denn selbst,
den freien Mann,
ob mir zu nah'n er wagt?
Der Ehren Gruß
und zücht'ge Acht
vergißt der Herrin
der zage Held,
daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche,
den Helden ohne Gleiche!
Oh, er weiß
wohl, warum!
Zu dem Stolzen geh,
meld ihm der Herrin Wort!
Meinem Dienst bereit,
schleunig soll er mir nah'n.
Brangäne.
Soll ich ihn bitten,
dich zu grüßen?
Isolde.
Befehlen ließ
dem Eigenholde
Furcht der Herrin
ich, Isolde!
Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet.
Kurwenal
der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande.
Hab acht, Tristan!
Botschaft von Isolde.
Tristan
auffahrend.
Was ist? – Isolde? –
Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt.
Von meiner Herrin? –
Ihr gehorsam
was zu hören
meldet höfisch
mir die traute Magd?
Brangäne.
Mein Herre Tristan,
dich zu sehen
wünscht Isolde,
meine Frau.
Tristan.
Grämt sie die lange Fahrt –,
die geht zu End;
eh noch die Sonne sinkt,
sind wir am Land.
Was meine Frau mir befehle,
treulich sei's erfüllt.
Brangäne.
So mög' Herr Tristan
zu ihr gehn:
das ist der Herrin Will'.
Tristan.
Wo dort die grünen Fluren
dem Blick noch blau sich färben,
harrt mein König
meiner Frau:
zu ihm sie zu geleiten,
bald nah ich mich der Lichten;
keinem gönnt ich
diese Gunst.
Brangäne.
Mein Herre Tristan,
höre wohl:
deine Dienste
will die Frau,
daß du zur Stell ihr nahtest,
dort, wo sie deiner harrt.
Tristan.
Auf jeder Stelle
wo ich steh,
getreulich dien ich ihr,
der Frauen höchster Ehr;
ließ ich das Steuer
jetzt zur Stund,
wie lenkt' ich sicher den Kiel
zu König Markes Land?
Brangäne.
Tristan, mein Herre!
Was höhnst du mich?
Dünkt dich nicht deutlich
die tör'ge Magd,
hör meiner Herrin Wort!
So hieß sie, sollt ich sagen: –
befehlen ließ
dem Eigenholde
Furcht der Herrin
sie, Isolde.
Kurwenal
aufspringend.
Darf ich die Antwort sagen?
Tristan
ruhig.
Was wohl erwidertest du?
Kurwenal.
Das sage sie
der Frau Isold!
Wer Kornwalls Kron
und Englands Erb
an Irlands Maid vermacht,
der kann der Magd
nicht eigen sein,
die selbst dem Ohm er schenkt.
Ein Herr der Welt
Tristan der Held!
Ich ruf's: du sag's, und grollten
mir tausend Frau Isolden!
Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:
»Herr Morold zog
zu Meere her,
in Kornwall Zins zu haben;
ein Eiland schwimmt
auf ödem Meer,
da liegt er nun begraben!
Sein Haupt doch hängt
im Irenland,
als Zins gezahlt
von Engeland:
hei! unser Held Tristan,
wie der Zins zahlen kann!«
Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den Schiffsraum hinabgestiegen; Brangäne, in Bestürzung zu Isolde zurückgekehrt, schließt hinter sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft außen sich hören läßt.
Alle Männer.
Sein Haupt doch hängt
im Irenland,
als Zins gezahlt
von Engeland:
hei! unser Held Tristan,
wie der Zins zahlen kann!
Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. – Isolde erhebt sich mit verzweiflungsvoller Wutgebärde, Brangäne stürzt ihr zu Füßen.
Brangäne.
Weh, ach wehe!
dies zu dulden!
Isolde
dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend.
Doch nun von Tristan!
Genau will ich's vernehmen.
Brangäne.
Ach, frage nicht!
Isolde.
Frei sag's ohne Furcht!
Brangäne.
Mit höf'schen Worten
wich er aus.
Isolde.
Doch als du deutlich mahntest?
Brangäne.
Da ich zur Stell
ihn zu dir rief –:
wo er auch steh –
so sagte er –,
getreulich dien' er ihr,
der Frauen höchster Ehr';
ließ' er das Steuer
jetzt zur Stund,
wie lenkt' er sicher den Kiel
zu König Markes Land?
Isolde
schmerzlich bitter.
»Wie lenkt'er sicher den Kiel
zu König Markes Land« –
Grell und heftig.
Den Zins ihm auszuzahlen,
den er aus Irland zog!
Brangäne.
Auf deine eig'nen Worte,
als ich ihm die entbot,
ließ seinen Diener Kurwenal –
Isolde.
Den hab ich wohl vernommen,
kein Wort das mir entging. –
Erfuhrest du meine Schmach,
nun höre, was sie mir schuf.
Wie lachend sie
mir Lieder singen,
wohl könnt auch ich erwidern!
Von einem Kahn,
der klein und arm
an Irlands Küsten schwamm,
darinnen krank
ein siecher Mann
elend im Sterben lag.
Isoldes Kunst
ward ihm bekannt;
mit Heil-Salben
und Balsam-Saft
der Wunde, die ihn plagte,
getreulich pflag sie da. –
Der »Tantris«
mit sorgender List sich nannte,
als Tristan
Isold' ihn bald erkannte,
da in des Müß'gen Schwerte
eine Scharte sie gewahrte,
darin genau
sich fügt ein Splitter,
den einst im Haupt
des Iren-Ritter,
zum Hohn ihr heimgesandt,
mit kund'ger Hand sie fand.
Da schrie's mir auf
aus tiefstem Grund!
Mit dem hellen Schwert
ich vor ihm stund,
an ihm dem Überfrechen
Herrn Morolds Tod zu rächen. –
Von seinem Lager
blickt' er her, –
nicht auf das Schwert,
nicht auf die Hand, –
er sah mir in die Augen.
Seines Elendes
jammerte mich; –
das Schwert – ich ließ es fallen!
Die Morold schlug, die Wunde,
sie heilt' ich, daß er gesunde,
und heim nach Hause kehre –,
mit dem Blick mich nicht mehr beschwere!
Brangäne.
O Wunder! Wo hatt ich die Augen?
Der Gast, den einst
ich pflegen half?
Isolde.
Sein Lob hörtest du eben: –
»Hei! unser Held Tristan« –,
der war jener traur'ge Mann!
Er schwur mit tausend Eiden
mir ew'gen Dank und Treue!
Nun hör wie ein Held
Eide hält!
Den als Tantris
unerkannt ich entlassen,
als Tristan
kehrt er kühn zurück;
auf stolzem Schiff,
von hohem Bord,
Irlands Erbin
begehrt er zur Eh'
für Kornwalls müden König,
für Marke, seinen Ohm. –
Da Morold lebte,
wer hätt es gewagt
uns je solche Schmach zu bieten?
Für der zinspflicht'gen
Kornen Fürsten
um Irlands Krone zu werben!
Ach, wehe mir!
Ich ja war's,
die heimlich selbst
die Schmach sich schuf!
Das rächende Schwert,
statt es zu schwingen,
machtlos ließ ich's fallen!
Nun dien ich dem Vasallen!
Brangäne.
Da Friede, Sühn und Freundschaft
von Allen ward beschworen
wir freuten uns all des Tags;
wie ahnte mir da,
daß dir es Kummer schüf'?
Isolde.
O blinde Augen!
Blöde Herzen!
Zahmer Mut,
verzagtes Schweigen!
Wie anders prahlte
Tristan aus,
was ich verschlossen hielt!
Die schweigend ihm
das Leben gab,
vor Feindes Rache
ihn schweigend barg;
was stumm ihr Schutz
zum Heil ihm schuf, –
mit ihr gab er es preis!
Wie Sieg-prangend
heil und hehr,
laut und hell
wies er auf mich.
»Das wär' ein Schatz,
mein Herr und Ohm;
wie dünkt euch die zur Eh'?
Die schmucke Irin
hol ich her;
mit Steg und Wegen
wohlbekannt,
ein Wink, ich flieg
nach Irenland;
Isolde, die ist euer! –
mir lacht das Abenteuer!«
Fluch dir Verruchter!
Fluch deinem Haupt!
Rache! Tod!
Tod uns Beiden!
Brangäne
mit ungestümer Zärtlichkeit sich auf Isolde stürzend.
O Süße! Traute!
Teure! Holde!
Gold'ne Herrin!
Lieb' Isolde!
Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett.
Hör mich! Komme!
Setz dich her!
Welcher Wahn!
Welch eitles Zürnen!
Wie magst du dich betören,
nicht hell zu seh'n noch hören?
Was je Herr Tristan
dir verdankte,
sag, konnt er's höher lohnen,
als mit der herrlichsten der Kronen?
So dient' er treu
dem edlen Ohm;
dir gab er der Welt
begehrlichsten Lohn:
dem eig'nen Erbe,
ächt und edel,
entsagt er zu deinen Füßen,
als Königin dich zu grüßen!
Isolde wendet sich ab.
Und warb er Marke
dir zum Gemahl,
wie wolltest du die Wahl doch schelten,
muß er nicht wert dir gelten?
Von edler Art
und mildem Mut,
wer gliche dem Mann
an Macht und Glanz?
Dem ein hehrster Held
so treulich dient,
wer möchte sein Glück nicht teilen,
als Gattin bei ihm weilen?
Isolde
starr vor sich hinblickend.
Ungeminnt
den hehrsten Mann
stets mir nah zu sehen –!
wie könnt' ich die Qual bestehen?
Brangäne.
Was meinst du, Arge?
Ungeminnt? –
Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolden.
Wo lebte der Mann,
der dich nicht liebte?
Der Isolden säh,
und in Isolden
selig nicht ganz verging?
Doch, der dir erkoren,
wär er so kalt,
zög ihn von dir
ein Zauber ab:
den bösen wüßt ich
bald zu binden,
ihn bannte der Minne Macht.
Mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz nah zu Isolden.
Kennst du der Mutter
Künste nicht?
Wähnst du, die Alles
klug erwägt,
ohne Rat in fremdes Land
hätt sie mit dir mich entsandt?
Isolde düster.
Der Mutter Rat
gemahnt mich recht;
willkommen preis ich
ihre Kunst: –
Rache für den Verrat, –
Ruh in der Not dem Herzen! –
Den Schrein dort bring mir her!
Brangäne.
Er birgt, was Heil dir frommt.
Sie holt eine kleine gold'ne Truhe herbei, öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt.
So reihte sie die Mutter,
die mächt'gen Zaubertränke.
Für Weh und Wunden
Balsam hier;
für böse Gifte
Gegen-Gift.
Sie zieht ein Fläschchen hervor.
Den hehrsten Trank,
ich halt ihn hier.
Isolde.
Du irrst, ich kenn ihn besser;
ein starkes Zeichen
schnitt ich ihm ein.
Sie ergreift ein Fläschchen und zeigt es.
Der Trank ist's, der mir frommt.
Sie hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffsvolkes.
Brangäne.
Der Todestrank!
Sie weicht entsetzt zurück.
Schiffsvolk
außen.
Ho! he! ha! he!
Am Untermast
die Segel ein!
Ho! he! ha! he!
Isolde.
Das deutet schnelle Fahrt!
Weh mir! Nahe das Land!
Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal herein.
Kurwenal.
Auf! Auf! Ihr Frauen!
Frisch und froh!
Rasch gerüstet!
Fertig nun, hurtig und flink!
Gemessener.
Und Frau Isolden
sollt ich sagen
von Held Tristan,
meinem Herrn:
Vom Mast der Freude Flagge,
sie wehe lustig ins Land;
in Markes Königschlosse
mach' sie ihr Nah'n bekannt.
Drum Frau Isolde
bät' er eilen,
fürs Land sich zu bereiten,
daß er sie könnt geleiten.
Isolde nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer zusammengefahren, gefaßt und mit Würde.
Herrn Tristan bringe
meinen Gruß,
und meld ihm, was ich sage.
Sollt ich zur Seit ihm gehen,
vor König Marke zu stehen,
nicht möcht es nach Zucht
und Fug geschehn,
empfing ich Sühne
nicht zuvor
für ungesühnte Schuld: –
drum such er meine Huld.
Kurwenal macht eine trotzige Gebärde. Mit Steigerung.
Du merke wohl,
und meld es gut!
Nicht wollt ich mich bereiten,
ans Land ihn zu begleiten;
nicht werd ich zur Seit ihm gehen,
vor König Marke zu stehen;
begehrte Vergessen
und Vergeben
nach Zucht und Fug
er nicht zuvor –
für ungebüßte Schuld: –
die böt ihm meine Huld.
Kurwenal.
Sicher wißt,
das sag ich ihm;
nun harrt, wie er mich hört!
Er geht schnell zurück. Isolde eilt auf Brangäne zu und umarmt sie heftig.
Isolde.
Nun leb wohl, Brangäne!
Grüß mir die Welt,
grüße mir Vater und Mutter!
Brangäne.
Was ist? Was sinnst du?
Wolltest du fliehn?
Wohin soll ich dir folgen?
Isolde faßt sich schnell.
Hörtest du nicht?
Hier bleib ich,
Tristan will ich erwarten.
Getreu befolg,
was ich befehl,
den Sühnetrank
rüste schnell;
du weißt, den ich dich wies?
Sie entnimmt dem Schrein das Fläschchen.
Brangäne.
Und welchen Trank?
Isolde.
Diesen Trank!
In die gold'ne Schale
gieß ihn aus;
gefüllt faßt sie ihn ganz.
Brangäne
voll Grausen das Fläschchen empfangend.
Trau ich dem Sinn?
Isolde.
Sei du mir treu!
Brangäne.
Der Trank – für wen?
Isolde.
Wer mich betrog.
Brangäne.
Tristan?
Isolde.
Trinke mir Sühne!
Brangäne
zu Isoldes Füßen stürzend.
Entsetzen! Schone mich Arme!
Isolde
sehr heftig.
Schone du mich,
untreue Magd!
Kennst du der Mutter
Künste nicht?
Wähnst du, die Alles
klug erwägt, –
ohne Rat in fremdes Land
hätt sie mit dir mich entsandt?
Für Weh und Wunden
gab sie Balsam,
für böse Gifte
Gegen-Gift: –
für tiefstes Weh, –
für höchstes Leid –
gab sie den Todestrank. –
Der Tod nun sag ihr Dank!
Brangäne
kaum ihrer mächtig.
O tiefstes Weh!
Isolde.
Gehorchst du mir nun?
Brangäne.
O höchstes Leid!
Isolde.
Bist du mir treu?
Brangäne.
Der Trank? –
Kurwenal eintretend.
Herr Tristan!
Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt. Isolde sucht mit furchtbarer Anstrengung sich zu fassen.
Isolde
zu Kurwenal.
Herr Tristan trete nah.
Kurwenal geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund. Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich stützend, sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. –
Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingang stehen. – Isolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick versunken.
Tristan.
Begehrt, Herrin,
was Ihr wünscht.
Isolde.
Wüßtest du nicht,
was ich begehre,
da doch die Furcht,
mir's zu erfüllen,
fern meinem Blick dich hielt?
Tristan.
Ehrfurcht
hielt mich in Acht.
Isolde.
Der Ehre wenig
botest du mir;
mit offnem Hohn
verwehrtest du
Gehorsam meinem Gebot.
Tristan.
Gehorsam einzig
hielt mich in Bann.
Isolde.
So dankt ich Geringes
deinem Herrn,
riet dir sein Dienst
Unsitte
gegen sein eigen Gemahl?
Tristan.
Sitte lehrt,
wo ich gelebt:
zur Brautfahrt
der Brautwerber
meide fern die Braut.
Isolde.
Aus welcher Sorg?
Tristan.
Fragt die Sitte!
Isolde.
Da du so sittsam,
mein Herr Tristan,
auch einer Sitte
sei nun gemahnt:
den Feind dir zu sühnen,
soll er als Freund dich rühmen.
Tristan.
Und welchen Feind?
Isolde.
Frag deine Furcht!
Blutschuld
schwebt zwischen uns.
Tristan.
Die ward gesühnt.
Isolde.
Nicht zwischen uns!
Tristan.
Im offnen Feld
von allem Volk
ward Urfehde geschworen.
Isolde.
Nicht da war's,
wo ich Tantris barg,
wo Tristan mir verfiel.
Da stand er herrlich,
hehr und heil;
doch was er schwur,
das schwur ich nicht: –
zu schweigen hatt' ich gelernt.
Da in stiller Kammer
krank er lag,
mit dem Schwerte stumm
ich vor ihm stund:
schwieg da mein Mund,
bannt ich meine Hand, –
doch was einst mit Hand
und Mund ich gelobt,
das schwur ich schweigend zu halten.
Nun will ich des Eides walten.
Tristan.
Was schwurt Ihr, Frau?
Isolde.
Rache für Morold!
Tristan.
Müht Euch die?
Isolde.
Wagst du zu höhnen?
Angelobt war er mir,
der hehre Irenheld;
seine Waffen hatt ich geweiht;
für mich zog er zum Streit.
Da er gefallen,
fiel meine Ehr: –
in des Herzens Schwere
schwur ich den Eid,
würd ein Mann den Mord nicht sühnen,
wollt ich Magd mich des erkühnen.
Siech und matt
in meiner Macht, –
warum ich dich da nicht schlug?
Das sag dir selbst mit leichtem Fug.
Ich pflag des Wunden,
daß den Heilgesunden
rächend schlüge der Mann,
der Isolden ihm abgewann.
Dein Los nun selber
magst du dir sagen!
Da die Männer sich all ihm vertragen,
wer muß nun Tristan schlagen?
Tristan bleich und düster.
War Morold dir so wert,
nun wieder nimm das Schwert,
und führ es sicher und fest, –
daß du nicht dir's entfallen läßt!
Er reicht ihr sein Schwert dar.
Isolde.
Wie sorgt' ich schlecht
um deinen Herren;
was würde König
Marke sagen,
erschlüg ich ihm
den besten Knecht,
der Kron und Land ihm gewann,
den allertreusten Mann?
Dünkt dich so wenig,
was er dir dankt,
bringst du die Irin
ihm als Braut,
daß er nicht schölte,
schlüg ich den Werber,
der Urfehde-Pfand
so treu ihm liefert zur Hand?
Wahre dein Schwert!
Da einst ich's schwang,
als mir die Rache
im Busen rang: –
als dein messender Blick
mein Bild sich stahl,
ob ich Herrn Marke
taug als Gemahl: –
das Schwert – da ließ ich's sinken.
Nun laß uns Sühne trinken!
Sie winkt Brangänen. Diese schaudert zusammen, schwankt und zögert in ihrer Bewegung. Isolde treibt sie mit gesteigerter Gebärde an. Brangäne läßt sich zur Bereitung des Trankes an.
Stimmen des Schiffsvolks
außen.
Ho – he – ha – he!
Am Obermast
die Segel ein!
Ho – ha – ha – he!
Tristan
aus düstrem Brüten auffahrend.
Wo sind wir?
Isolde.
Hart am Ziel!
Tristan, gewinn ich Sühne?
Was hast du mir zu sagen?
Tristan
finster.
Des Schweigens Herrin
heißt mich schweigen: –
faß ich, was sie verschwieg,
verschweig ich, was sie nicht faßt.
Isolde.
Dein Schweigen faß ich,
weichst du mir aus.
Weigerst du die Sühne mir?
Schiffsvolk
außen.
Ho – he – ha – he!
Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht Brangäne ihr die gefüllte Trinkschale.
Isolde
mit dem Becher zu Tristan tretend, der ihr starr in die Augen blickt.
Du hörst den Ruf?
Wir sind am Ziel: –
in kurzer Frist
Mit leisem Hohne.
stehn wir – vor König Marke.
Geleitest du mich,
dünkt dich's nicht lieb,
darfst du so ihm sagen? –
»Mein Herr und Ohm,
sieh die dir an:
ein sanftres Weib
gewännst du nie.
Ihren Angelobten
erschlug ich ihr einst,
sein Haupt sandt ich ihr heim;
die Wunde, die
seine Wehr mir schuf,
die hat sie hold geheilt;
mein Leben lag
in ihrer Macht –:
das schenkte mir
die milde Magd,
und ihres Landes
Schand und Schmach,
die gab sie mir darein, –
dein Eh'gemahl zu sein.
So guter Gaben
holden Dank
schuf mir ein süßer
Sühnetrank;
den bot mir ihre Huld,
zu sühnen alle Schuld.«
Schiffsvolk
außen.
Auf das Tau!
Anker los!
Tristan
wild auffahrend.
Los den Anker!
Das Steuer dem Strom!
Den Winden Segel und Mast! –
Er entreißt ihr die Trinkschale.
Wohl kenn ich Irlands
Königin
und ihrer Künste
Wunderkraft.
Den Balsam nützt ich,
den sie bot:
den Becher nehm ich nun,
daß ganz ich heut genese.
Und achte auch
des Sühne-Eids,
den ich zum Dank dir sage –!
Tristans Ehre –
höchste Treu'!
Tristans Elend –
kühnster Trotz!
Trug des Herzens!
Traum der Ahnung!
Ew'ger Trauer
einz'ger Trost:
Vergessens güt'ger Trank, –
dich trink ich sonder Wank!
Er setzt an und trinkt.
Isolde.
Betrug auch hier?
Mein die Hälfte!
Sie entwindet ihm den Becher.
Verräter! Ich trink sie dir!
Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. – Beide, von Schauer erfaßt, blicken sich mit höchster Aufregung, doch mit starrer Haltung unverwandt in die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz bald der Liebesglut weicht. – Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhaft an das Herz – und führen die Hand wieder an die Stirn. – Dann suchen sie sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander.
Isolde
mit bebender Stimme.
Tristan!
Tristan
überströmend.
Isolde!
Isolde
an seine Brust sinkend.
Treuloser Holder!
Tristan
er umfaßt sie mit Glut.
Seligste Frau!
Sie verbleiben in stummer Umarmung. Aus der Ferne vernimmt man Trompeten.
Ruf der Männer
von außen auf dem Schiffe.
Heil! König Marke Heil!
Brangäne die, mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung versunkenen Paares zu und stürzt händeringend voll Verzweiflung in den Vordergrund.
Wehe! Weh!
Unabwendbar
ew'ge Not
für kurzen Tod!
Tör'ger Treue
trugvolles Werk
blüht nun jammernd empor!
Beide fahren verwirrt aus der Umarmung auf.
Tristan.
Was träumte mir
von Tristans Ehre?
Isolde.
Was träumte mir
von Isoldes Schmach?
Tristan.
Du mir verloren?
Isolde.
Du mich verstoßen?
Tristan.
Trügenden Zaubers
tückische List!
Isolde.
Törigen Zürnens
eitles Dräu'n!
Tristan.
Isolde!
Isolde.
Tristan!
Tristan.
Süßeste Maid!
Isolde.
Trautester Mann!
Beide.
Wie sich die Herzen
wogend erheben,
wie alle Sinne
wonnig erbeben!
Sehnender Minne
schwellendes Blühen,
schmachtender Liebe
seliges Glühen!
Jach in der Brust
jauchzende Lust!
Isolde! Tristan!
Welten-entronnen,
du mir gewonnen!
Du mir einzig bewußt,
höchste Liebeslust!
Die Vorhänge werden weit auseinander gerissen; das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk bedeckt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt. – Tristan und Isolde bleiben, in ihren gegenseitigen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie Vorgehenden.
Brangäne
zu den Frauen, die auf ihren Wink aus dem Schiffsraum heraufsteigen.
Schnell, den Mantel,
den Königsschmuck!
Zwischen Tristan und Isolde stürzend.
Unsel'ge! Auf!
Hört, wo wir sind!
Sie legt Isolden, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an.
Alle Männer
auf dem Schiff.
Heil! Heil! Heil!
König Marke Heil!
Heil dem König!
Kurwenal
lebhaft herantretend.
Heil Tristan!
Glücklicher Held!
Mit reichem Hofgesinde
dort auf Nachen
naht Herr Marke.
Hei! wie die Fahrt ihn freut,
daß er die Braut sich freit!
Tristan
in Verwirrung aufblickend.
Wer naht?
Kurwenal.
Der König!
Tristan.
Welcher König?
Kurwenal deutet über Bord.
Alle Männer
die Hüte schwenkend.
Heil! König Marke
Heil!
Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande.
Isolde
in Verwirrung.
Was ist, Brangäne?
Welcher Ruf?
Brangäne.
Isolde! Herrin!
Fassung nur heut!
Isolde.
Wo bin ich? Leb ich?
Ha! welcher Trank?
Brangäne
verzweiflungsvoll.
Der Liebestrank!
Isolde
starrt entsetzt auf Tristan.
Tristan!
Tristan.
Isolde!
Isolde.
Muß ich leben?
Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust.
Brangäne
zu den Frauen.
Helft der Herrin!
Tristan.
O Wonne voller Tücke!
O Trug – geweihtes Glücke!
Alle Männer
Ausbruch allgemeinen Jauchzens.
Kornwall Heil!
Trompeten vom Lande her.
Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Brücke ausgelegt, und die Haltung Aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten. Der Vorhang fällt schnell.