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Anfang seiner seemännischen Laufbahn. – Er übernimmt das Commando über die »Aventure«. – Feuerland. – Entdeckung einiger Inseln des Pomotu-Archipels. – Ankunft in Tahiti. – Sitten und Gebräuche der Einwohner. – Auffindung anderer Inseln der Gesellschaftsgruppe. – Ankunft in Neu-Seeland. – Zusammentreffen mit den Ureinwohnern. – Entdeckung der Cooks-Meerenge. – Umschiffung der beiden großen Inseln. – Sitten und Erzeugnisse des Landes.
Bei der Schilderung des Lebenslaufes eines berühmten Mannes wird man immer gut daran thun, auch die unscheinbarsten Züge nicht zu übergehen, welche bei jedem Anderen vielleicht ganz ohne Interesse wären. Sie erhalten nicht selten eine besondere Bedeutung, denn man erkennt in denselben die Spuren eines unbewußten Triebes, und häufig werfen sie ein helles Licht auf den Charakter des Helden, dessen Bild man zeichnet. So verweilen wir also auch ein wenig bei den unbedeutenden Anfängen eines der größten Seeleute, deren sich England rühmen kann.
James Cook wurde am 27. October 1728 zu Morton, in Yorkshire, geboren. Er war der neunte Sohn des Dienstknechtes einer Bäuerin, namens Grace. Kaum acht Jahr alt, half der kleine James schon seinem Vater bei den schweren Landarbeiten auf dem Gute Airy-Holme, in der Nähe von Ayton. Seine Gewandtheit und Arbeitslust erregten die Theilnahme des Besitzers, der ihn lesen lernen ließ. Mit dem 13. Lebensjahre kam er in die Lehre zu einem gewissen William Sanderson, einem Krämer in Staith, wo sich ein kleiner, aber nicht unwichtiger Hafen befand. Dem jungen Cook wollte es jedoch nicht im mindesten gefallen, in einem Comptoir zu sitzen, und er benutzte jede freie Stunde, um mit den Seeleuten am Hafen zu plaudern.
Mit Zustimmung seiner Eltern verließ er denn auch bald den Laden des Krämers wieder, um sich als Schiffsjunge bei den Rhedern Jean und Henri Walker zu verdingen, deren Schiffe an den Küsten Englands und Irlands Kohlen beförderten. Als Leichtmatrose, später als Matrose und Befehlshaber machte sich Cook bald mit seinem neuen Berufe vollständig vertraut.
Im Frühjahr 1755, als zwischen Frankreich und England die ersten Feindseligkeiten ausbrachen, lag das Schiff, auf welchem Cook diente, eben in der Themse vor Anker. Die Kriegsmarine recrutirte ihre Mannschaft damals mittelst des »Pressens« der Matrosen. Cook suchte sich zuerst zu verbergen; bald aber trat er, von einer dunklen Ahnung getrieben, auf der »Aigle«, einer Fregatte von sechzig Kanonen, ein, welche damals unter dem Befehl des Kapitäns Sir Hugues Pallifer stand.
Intelligent, thätig und mit allen vorkommenden Arbeiten wohl vertraut, zog Cook bald die Aufmerksamkeit der Officiere auf sich, die ihn auch dem Befehlshaber empfahlen. Gleichzeitig erhielt der Letztere ein Schreiben des Parlamentsmitgliedes für Scarborough, der ihm den jungen Cook, auf die dringendsten Vorstellungen der Bewohner des Dorfes Ayton hin, warm empfahl, worauf dieser ihm denn auch bald die Stelle des Hochbootsmannes anvertraute. Am 15. Mai 1759 schiffte er sich auf der »Mercure« mit der Bestimmung nach Kanada ein, wo diese sich dem Geschwader Sir Charles Sunder's anschloß, das in Verbindung mit General Wolf Quebeck belagerte.
Hier war es, wo Cook zum ersten Male Gelegenheit fand, sich auszuzeichnen. Mit der Sondirung des St. Lorenzo zwischen der Insel Orleans und dem nördlichen Ufer des Stromes betraut, führte er diese Sendung mit großem Geschick aus und konnte trotz der Schwierigkeiten und Gefahren der Unternehmung sogar eine recht gute Karte des Kanals entwerfen. Seine hydrographischen Aufnahmen erwiesen sich so genau und vollständig, daß er den Befehl erhielt, die fahrbaren Stellen des Stromes unterhalb Quebeck aufzusuchen. Er unterzog sich dieser Untersuchung mit so viel Sorgfalt und Einsicht, daß seine Karte auf Veranlassung der englischen Admiralität herausgegeben wurde.
Nach der Einnahme von Quebeck ging Cook an Bord der »Northumberland«, unter dem Befehle des Lord Colville, und er benutzte seinen Aufenthalt an der Küste von Neu-Fundland dazu, sich dem Studium der Astronomie zu widmen. Bald übertrug man ihm die wichtigsten Arbeiten. Er entwarf den Plan von Placentia und nahm die Küste von St. Pierre und Miquelon auf. Im Jahre 1764 zum Marine-Ingenieur für Neu-Fundland und Labrador ernannt, wurde er drei Jahre hintereinander mit hydrographischen Untersuchungen beschäftigt, die ihm die Aufmerksamkeit des Ministeriums zuzogen und zur Beseitigung vieler Irrthümer auf den Karten von Amerika Veranlassung gaben. Gleichzeitig reichte er bei der Königlichen Gesellschaft zu London eine Denkschrift über die Sonnenfinsterniß ein, welche er 1766 in Neu-Fundland beobachtet hatte, ein Schriftchen, das später in den Philosophical Transactions im Druck erschien. Cook sollte bald die Belohnung erhalten für so viele verdienstvolle Arbeiten, seine mühsamen und desto anerkennenswertheren Studien, als ihm der elementare Unterricht dazu gänzlich gefehlt und er sich ohne Hilfe eines Lehrers allein hatte vorbilden müssen.
Eine wissenschaftliche Frage von hoher Bedeutung, der 1769 vorhergesagte Vorübergang der Venus vor der Sonnenscheibe, erregte damals das Interesse der gesammten gelehrten Welt. In der Ueberzeugung, daß diese Erscheinung nur in der Südsee werde mit Erfolg zu beobachten sein, hatte die englische Regierung beschlossen, eine wissenschaftliche Expedition dahin abzusenden. Die Leitung derselben wurde dem berühmten Hydrographen A. Dalrymple angeboten, der ebenso bekannt war wegen seiner gründlichen astronomischen Kenntnisse, wie wegen seiner geographischen Untersuchungen in den südlichen Meeren. Seine Anforderungen aber, sein Verlangen, das Kapitänspatent zu erhalten, was ihm Eduard Hawker hartnäckig verweigerte, bestimmten den Secretär der Admiralität für die beabsichtigte Expedition einen anderen Befehlshaber in Vorschlag zu bringen. Seine Wahl fiel auf James Cook, für den auch Hugues Palliser mit Wärme eintrat, und welcher dann mit dem Range eines Schiffslieutenants das Commando der »Endeavour« erhielt.
Cook zählte damals vierzig Jahre. Es war das sein erstes Kommando in der königlichen Flotte. Die ihm anvertraute Mission verlangte sehr verschiedenartige Eigenschaften, die man nur selten in einem Seemanne vereinigt antraf. Wenn die Beobachtung des Venus-Durchganges auch der Hauptzweck der Reise war, so bildete diese doch nicht den einzigen, denn Cook sollte gleichzeitig eine Entdeckungs- und Erforschungsreise im Pacifischen Ocean unternehmen. Das arme Kind aus Yorkshire sollte sich dieser schwierigen Aufgabe denn auch vollkommen gewachsen zeigen.
Während man mit der Ausrüstung der »Endeavour« beschäftigt war, achtzig Mann Besatzung für dieselbe auserwählte, für achtzehn Monat Proviant und zehn Kanonen nebst zwölf Steinböllern einnahm, kehrte Kapitän Wallis eben von seiner Reise um die Erde nach England zurück. Ueber die günstigste Oertlichkeit für die Beobachtung des Venus-Durchganges befragt, bezeichnete letzterer eine von ihm entdeckte Insel, die er Georg III. Insel getauft hatte und welche, wie man seitdem wußte, von den Eingebornen Tahiti genannt wurde.
Hier sollte Cook also seine Beobachtungen anstellen.
Mit ihm schifften sich ein Charles Green, der Assistent des Doctor Bradley von der Sternwarte in Greenwich, dem der astronomische Theil der Arbeit zufiel, Doctor Solander, ein schwedischer Arzt und Schüler Linné's, auch Professor im British Museum, für das Fach der Botanik, und endlich Sir Joseph Blanks, der mit ähnlichen Reisen nur seine Thatenlust befriedigen und seinen Reichthum ehrenhaft verwenden wollte. Als er die Universität Oxford verließ, hatte dieser Weltmann Neu-Fundland und Labrador besucht und bei dieser Reise viel Interesse an der Botanik gewonnen. Dieser nahm auch noch zwei Maler mit, den einen für die Landschaften und Porträts, den anderen für naturgeschichtliche Gegenstände, ferner einen Secretär und vier Diener, darunter zwei Neger.
Am 26. August 1769 verließ die »Endeavour« Plymouth und ankerte am 13. September vor Funchal auf der Insel Madeira, um frische Lebensmittel einzunehmen und einige Untersuchungen anzustellen. Die Expedition fand eine sehr ehrenvolle Aufnahme. Bei einem Besuche, den der Stab der »Endeavour« dem Kloster der heiligen Clarissinnen abstattete, baten diese armen und unwissenden Klausnerinnen dringend, ihnen zu sagen, wann es donnern würde und wo sich auf dem Gebiete des Klosters eine gute Trinkquelle, welche sie nöthig brauchten, vorfinden möchte. So kenntnißreich sie auch waren, so konnten doch weder Banks, Solander oder Cook auf solche naive Fragen Antwort geben.
Von Madeira bis Rio de Janeiro, wo die Expedition am 13. November ankam, verlief die Reise ohne jeden Unfall; der Empfang, den Cook bei den Portugiesen fand, entsprach aber keineswegs seinen Erwartungen. Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes hatte er mit den ewigen Nörgeleien des Vicekönigs zu kämpfen, der ziemlich unwissend und jedenfalls nicht im Stande war, die hohe wissenschaftliche Bedeutung der Expedition zu begreifen. Doch konnte er den Engländern wenigstens frische Nahrungsmittel, die sie nothwendig brauchten, nicht verweigern. Als Cook jedoch am 5. December am Fort Santa Cruz vorüberfuhr, um die Bai zu verlassen, sendete man ihm zwei scharfe Kanonenschüsse nach, was ihn veranlaßte, sofort vor Anker zu gehen und nach der Ursache dieser Beleidigung zu fragen. Der Vicekönig antwortete, der Commandant des Fort habe Befehl, kein Schiff passiren zu lassen, das nicht vorher gemeldet sei, und obwohl der Vicekönig von Cook's Abreise rechtzeitig unterrichtet worden war, hatte man doch aus reiner Nachlässigkeit unterlassen, auch dem Commandanten des Forts diese Mittheilung zu machen. Sollte man dieses Verfahren nun als eine bloße Unart des Vicekönigs betrachten, oder war es wirklich reine Sorglosigkeit? Wenn der Beamte überhaupt seine Functionen so unaufmerksam erfüllte, dann mochte die portugiesische Colonie wahrlich gut verwaltet sein!
Am 14. Januar 1769 drang Cook in die Lemaire-Straße ein.
»Die Fluth war hier so stark,« sagt Kippis in seinem »Leben des Kapitän Cook«, »daß das Wasser bis über das Cap San-Diego hinauf schäumte und das heftig umhergeworfene Schiff oft lange Zeit mit dem Bugsprit unter den Wellen versteckt blieb. Am nächsten Tage warf man in einem kleinen Hafen Anker, in dem man Port Maurice erkannte, und bald legte man in der Bai des Guten Fortgangs an. Als die »Endeavour« hier vor Anker lag, traf die Herren Banks, Solander und Doctor Green und Herrn Monkhouse, den Schiffschirurgen und ihre Begleiter ein recht bedauerlicher Unfall. Sie befanden sich auf dem Wege nach einem Berge, um daselbst Pflanzen zu suchen, und klommen diesen eben hinan, als sie von einer so strengen und unerwarteten Kälte überrascht wurden, daß Alle Gefahr liefen, dabei umzukommen, Doctor Solander ward vollständig gelähmt. Zwei schwarze Diener starben auf der Stelle; die Herren selbst konnten das Schiff erst nach zwei Tagen wieder erreichen. Sie beglückwünschten sich wegen ihrer Rettung mit einer Freude, die nur Der zu begreifen vermag, der selbst in ähnlicher Gefahr geschwebt hat, während Cook ihnen seine Befriedigung bezeigte, von der Unruhe befreit zu sein, welche ihre lange Abwesenheit ihm verursacht hatte. Dieser Vorfall lieferte eine Probe für die Strenge des Klimas. Für dieses Land war es jetzt Mitte Sommers und der Morgen des Tages, wo jene die furchtbare Kälte überfiel, eben so warm gewesen, wie etwa der Monat Mai in England.
James Cook konnte auch einige merkwürdige Beobachtungen über die wilden Bewohner dieser einsamen Gegenden machen. Aller Bequemlichkeiten des Lebens gänzlich beraubt, ohne Kleidung, ohne Schutz gegen die Unbeständigkeit des eisigen Klimas, ohne Waffen oder Industrie, die es ihnen ermöglichte, sich auch nur die notwendigsten Geräthschaften herzustellen, führen sie ein höchst elendes Dasein und vermögen sie kaum das Leben zu fristen. Von allen Tauschobjecten, die man ihnen anbot, zogen sie aber doch gerade diejenigen vor, die ihnen am wenigsten nützen konnten. So nahmen sie mit Vorliebe Armspangen und Halsbänder an, ließen aber Aexte, Messer und Angeln beiseite liegen. Unempfänglich für das behagliche Wohlbefinden, das uns so unentbehrlich ist, erschien ihnen vielmehr das Ueberflüssige nothwendiger.
Cook durfte sich übrigens beglückwünschen, diesen Weg gewählt zu haben, denn er brauchte nur dreißig Tage, um Feuerland von der Lemaire-Straße bis drei Grad nördlich von der Magelhaens-Straße zu umschiffen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß er einer weit beträchtlicheren Zeit bedurft hätte, um die vielfach gewundene Magelhaens-Straße zu passiren. Die sehr genauen astronomischen Beobachtungen, die er in Verbindung mit Green anstellte, die Vorschriften, welche er über diese gefährliche Meeresgegend ausarbeitete, haben seinen Nachfolgern mannigfache Erleichterung gewährt und viel dazu beigetragen, die Karten Hermite's, Lemaire's und Schouten's zu verbessern.
Vom 21. Januar, dem Tage, wo er das Cap Horn umschiffte, bis zum 1. März beobachtete Cook auf einer Strecke von 660 Seemeilen keine bemerkbare Strömung. Er entdeckte inzwischen mehrere, zum Gefährlichen Archipel gehörige Inseln, denen er die Namen »Lagon«, »Bonnet«, »Are«, »Groupes« und »Insel der Vögel«, sowie »Ketten-Insel« beilegte. Die meisten waren bewohnt und mit Pflanzenwuchs bedeckt, der Seeleuten, welche seit drei Monaten nichts als Himmel und Wasser und höchstens die übereisten Felsen von Feuerland gesehen hatten, leicht als recht üppig erscheinen konnte. Später gelangte man nach der Insel Maitea, von Wallis Osnabrugh genannt, und bekam am Morgen des 11. Juni endlich Tahiti in Sicht.
Zwei Tage nachher warf die »Endeavour« in dem von Wallis Port-Royal getauften Hafen von Matavai Anker, wo jener Kapitän einen Kampf mit den Eingebornen zu bestehen hatte, die er leicht genug besiegte. Unterrichtet von den Ereignissen während des Aufenthaltes seines Vorgängers, suchte Cook die Wiederholung ähnlicher Auftritte um jeden Preis zu vermeiden. Das glückliche Gelingen seiner beabsichtigten Beobachtungen hing ja sehr wesentlich davon ab, daß er durch nichts gestört und durch keine Sorge beunruhigt würde. Er verkündigte seiner Mannschaft also gleich zu Anfang gewisse Verhaltungs-Maßregeln, deren Uebertretung mit den strengsten Strafen bedroht wurde.
Cook erklärte darin, daß er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Freundschaft der Eingebornen zu erwerben wünsche; dann bezeichnete er ausdrücklich Diejenigen, welche den notwendigen Proviant einkaufen sollten, und verbot jedem Anderen, ohne seine specielle Erlaubniß einen Tauschhandel zu beginnen. Die an's Land gesendeten Leute sollten ihren Posten unter keinerlei Vorwand verlassen, und wenn sich ein Arbeiter oder Soldat Werkzeuge oder Waffen entwenden ließe, sollte ihm der Werth derselben nicht nur an der Löhnung gekürzt, sondern der Betreffende je nach der Bedeutung des Falles auch noch besonders gestraft werden.
Zum Schutze der beobachtenden Gelehrten gegen jedweden Angriff beschloß Cook auch noch eine Art Fort zu errichten, in dem sich jene im Schußbereiche der Geschütze der »Endeavour« aufhalten könnten. Er ging also mit den Herren Banks, Solander und Green an's Land, fand bald eine geeignete Stelle und begrenzte sofort und vor den Augen der Eingebornen das Terrain, welches er in Anspruch zu nehmen gedachte. Ein gewisser Owhaw, der auch zu Wallis in guten Beziehungen gestanden hatte, überbot sich förmlich in Freundschafts-Bezeugungen. Nach vollendetem Entwurfe zu dem Plane des Forts ließ Cook dreizehn Mann nebst einem Officier zurück, um die aufgeschlagenen Zelte zu bewachen, und begab sich mit seinen Begleitern in das Innere der Insel, Da rief ihn das Knattern von Flintenschüssen plötzlich zurück.
Es war ein peinlicher Zwischenfall eingetreten, der leicht hätte die ernsthaftesten Folgen haben können.
Einer der um die Zelte herumlungernden Eingebornen hatte einen Wachtposten überrascht und sich dessen Gewehres bemächtigt. Sofort feuerten die Anderen eine Salve auf die ganz unschuldige, entferntere Menschenmenge ab, welche zum Glück Niemanden verletzte. Der Dieb dagegen wurde verfolgt, eingefangen und mußte mit dem Leben büßen.
Die hierdurch entstehende Aufregung kann man sich wohl unschwer vorstellen. Cook mußte alle Künste aufwenden, um die Eingebornen zu besänftigen. Er bezahlte ihnen Alles, was er zur Errichtung des Forts bedurfte, und erlaubte nicht, einen Baum ohne deren Zustimmung anzutasten. Endlich ließ er auch den Fleischer der »Endeavour«, der die Frau eines hervorragenden Häuptlings mit dem Tode bedroht hatte, an den Mast binden und mit Tauenden auspeitschen. Diese Maßregeln trugen dazu bei, den peinlichen Eindruck jenes traurigen Vorfalles zu verwischen, so daß die freundschaftlichen Beziehungen keine weitere Störung erlitten.
Jetzt näherte sich nun der Zeitpunkt zur Ausführung des vornehmsten Zweckes der Reise. Cook traf sofort seine Maßnahmen in Uebereinstimmung mit den empfangenen Instructionen. So sandte er einen Theil der Beobachter mit Josef Banks nach Eimeo, einer Insel in der Nachbarschaft. Vier Andere suchten sich einen geeigneten, von dem Fort hinreichend entfernten Standpunkt aus, während Cook in dem letzteren selbst, das auch den Namen »Venusspitze« behalten hat, den Vorübergang des Planeten abzuwarten beschloß. Die dem Beobachtungstage vorhergehende Nacht verlief in der Befürchtung, daß die Witterung sich ungünstig gestalten könne, am 3. Juli leuchtete aber die Sonne vom Morgen ab in hellstem Glänze, und während des ganzen Tages hinderte kein Wölkchen die Wahrnehmung der seltenen Himmelserscheinung.
»Die Beobachtung war für die Astronomen im höchsten Grade anstrengend,« sagt W. de Fonveille in einem Artikel der »Natur« vom 28. März 1874, »denn sie begann um 9 Uhr 21 Minuten des Morgens und dauerte bis 3 Uhr 10 Minuten Nachmittags, fiel also in die Tageszeit der drückendsten Hitze. Das Thermometer zeigte bis 120° Fahrenheit (fast gleich 49° Celsius!). Cook berichtet, und das erscheint sehr glaublich, daß er sich selbst über das Ende seiner Beobachtung nicht mehr recht klar gewesen sei. Unter derartigen thermometrischen Verhältnissen büßt eben der Menschenorganismus, diese bewundernswerthe Maschine, seine Leistungsfähigkeit gar zu leicht ein.«
Bei der Berührung des äußeren Sonnenrandes verlängerte sich scheinbar die Scheibe der Venus, so als würde diese von dem mächtigen Gestirne angezogen; es bildete sich ein dunkler Punkt oder ein nur etwas helleres Ligament als der Kern des Planeten. »Alles in Allem« sagt Cook, »gelang die Lösung unserer Aufgabe gleich gut im Fort wie im Osten der Insel. Vom Aufgange der Sonne bis zu deren Untergange schwebte nicht ein einziges Wölkchen am Himmel, und wir Alle, Green, Dr. Solander und ich beobachteten den ganzen Venus-Durchgang unbehindert. Green's Teleskop war ebenso stark wie das meinige, das des Dr. Solander noch etwas größer. Wir Alle bemerkten rings um den Planeten eine Atmosphäre oder leuchtende Nebelhülle, welche die Bestimmung der genauen Berührungszeit schon am äußeren, vorzüglich aber am inneren Rande etwas beeinträchtigte, wodurch unsere Beobachtungen mehr, als man erwarten sollte, von einander abweichen.«
Während sich nun Officiere und Gelehrte mit dieser hochwichtigen Aufgabe beschäftigten, drangen einige Leute der Besatzung in das Waarenmagazin ein und stahlen daraus etwa einen Centner Nägel, Sie begingen damit eine sträfliche Unbedachtsamkeit, welche für die ganze Expedition von den schlimmsten Folgen sein konnte. Gerade diesen, von den Eingebornen fast am lebhaftesten begehrten Tauschartikel gab es am Markte nun plötzlich in so großer Menge, daß jene dadurch leicht zu weit höheren Forderungen verleitet werden konnten. Einer der Diebe, bei dem man freilich nur noch siebenzig Stück Nägel vorfand, ward zwar entdeckt, aber trotz der ihm zudictirten vierundzwanzig Hiebe wollte er seine Mitschuldigen nicht verrathen.
Aehnliche Fälle ereigneten sich noch mehrfach, das gute Einvernehmen erlitt indessen keine besondere Einbuße. Die Officiere konnten unbehelligt wiederholte Ausflüge nach dem Innern der Insel unternehmen, um sich über die Sitten der Bewohner zu unterrichten und wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen.
Bei Gelegenheit einer solchen Excursion begegnete Banks einer Gesellschaft wandernder Musikanten und improvisirender Sänger. Er bemerkte voll Verwunderung, daß der Inhalt ihrer Lieder sich auf die Ankunft der Engländer und auf einige Ereignisse während des Aufenthaltes derselben bezog. Banks folgte dem Flusse, der bei Matavai in's Meer einmündete, möglichst weit stromaufwärts und entdeckte dabei mehrfache Spuren eines längst erloschenen Vulkans. Er verstreute und vertheilte an die Eingebornen eine Menge Samen von Küchengewächsen, z. B. von Wassermelonen, Orangen, Limonen u. s. w., und ließ außerdem auch in der Nähe des Forts einen Garten anlegen, in dem er eine große Menge von Rio de Janeiro mitgenommener Samenkerne steckte.
Bevor sie die Anker lichteten, wollten Cook und seine Hauptmitarbeiter noch den Gesammtumfang der Insel bestimmen, den sie auf etwa dreißig Meilen schätzten. Bei Gelegenheit der deshalb vorgenommenen Reise machten sie mit den Häuptlingen der verschiedenen Districte Bekanntschaft und sammelten reiche Erfahrungen über die Sitten und Gebräuche der Eingebornen.
Eine der auffallendsten Gewohnheiten z. B. bestand darin, die Zersetzung der Leichen in der freien Luft vor sich gehen zu lassen und nur deren trockene Gebeine zu beerdigen. Der Cadaver liegt dabei etwas erhöht unter einer fünfzehn Fuß langen und elf Fuß breiten Hängematte in einer Art Schuppen; nur eine Seite desselben steht offen, die drei anderen sind durch Weidenflechtwerk geschlossen. Das Brett, auf dem der todte Körper ruht, befindet sich etwa fünf Fuß über dem Erdboden. Hier liegt der Leichnam ausgestreckt und mit Stoffen umhüllt, die Keule und seine Steinaxt an der Seite. An der offenen Seite des Raumes hängen einige, rosenkranzartig verbundene Cocosnüsse; eine im Innern desselben stehende, halbgetheilte Cocosnuß enthält Trinkwasser und an einem Pfeiler hängt ein Sack mit stark gerösteten Brotbaumfrüchten. Ein solches Grabdenkmal heißt »Toupapow«. Man weiß nicht, wie sich dieser seltsame Brauch, die Todten bis zur Verwesung aller Weichtheile über der Erde aufzubewahren, einst eingebürgert haben mag, Cook überzeugte sich nur, daß die Eingebornen den Friedhöfen, in der Landessprache »Morai«, eine Art religiösen Cultus weihen und das Annähern der Fremden stets mit großer Unruhe zu betrachten schienen.
Eine Speise, die für besonders vorzüglich gehalten wird, liefert das Fleisch der Hunde. Die zum Verzehren Aufgezogenen erhalten niemals selbst Fleisch, sondern nur Brotfrüchte, Cocosnüsse, Yamswurzeln und andere Vegetabilien. Sie werden geschlachtet in ein Loch auf erhitzte Steine gelegt, mit frischen Blättern und erwärmten Steinen zugedeckt und dann mit Erde überschüttet. Nach vier Stunden ist dann der Schmorbraten gar, und Cook, der selbst davon gegessen hat, erklärt ihn ebenfalls für einen Leckerbissen.
Vom 11. Juli ab bereitete man sich zur Weiterreise. Bald waren die Thüren und Pallisaden des Forts entfernt und dessen Mauern niedergelegt.
Da kam einer der Eingebornen, der mit den Europäern immer auf bestem Fuße gestanden hatte, mit seinem Diener, einem Knaben von dreizehn Jahren, an Bord der »Endeavour«. Er hieß Tupia. Früher erster Minister der Königin Oberea, gehörte er jetzt zu den vornehmsten Priestern von Tahiti. Er verlangte, mit nach England gehen zu dürfen. Verschiedene Gründe bestimmten Cook, ihn mit an Bord zu nehmen. In Folge der vorher eingenommenen hohen Stellung und seines zuletzt geführten Amtes in Bezug auf Tahiti allseitig gut unterrichtet, war dieser Eingeborne im Stande, über seine Landsleute den verläßlichsten Aufschluß zu geben und diese gleichzeitig der europäischen Civilisation zugänglicher zu machen. Endlich hatte er auch die benachbarten Inseln schon besucht und kannte die Schifffahrt in diesen Gewässern.
Am 16. Juli gab es an Bord der »Endeavour« großes Gedränge. Die Eingebornen kamen, um von ihren englischen Freunden und ihrem Landsmanne Tupia Abschied zu nehmen. Die Einen vergossen in stillem, aufrichtigem Schmerze reichliche Thränen; Andere schienen sich überbieten zu wollen, wer am erbärmlichsten heulen könne; ihr ganzes Benehmen erschien aber weit mehr gemacht.
In Tahitis unmittelbarer Nahe befanden sich nach Tupia's Aussage vier Inseln: Huaheine, Ulietea, Otaha und Bolabola, wo es leicht sein sollte, sich wilde Schweine, Geflügel und andere Nahrungsmittel zu verschaffen welche während der letzten Zeit des Aufenthaltes in Matavaï etwas knapp geworden waren. Cook zog es indessen vor, eine kleine, acht Meilen nördlich von Tahiti gelegene Insel, Tethuroa mit Namen, zu besuchen; dort gab es aber keine Niederlassungen von Eingebornen, und man erkannte es für unnütz, daselbst zu verweilen.
In Sicht von Huaheine näherten sich der »Endeavour« mehrere Piroguen, deren Insassen sich erst nach Verständigung mit Tupia herbeiließen, an Bord zu kommen. Der König Oree, der sich unter jenen befand, zeigte sich über Alles, was er auf dem Schiffe sah, höchlichst erstaunt. Durch den wohlwollenden Empfang seitens der Engländer bald zutraulicher gemacht, ging er sogar so weit, seinen Namen mit dem Cook's vertauschen zu wollen; stets nannte er sich selbst von da ab nur Cookee und bezeichnete den Befehlshaber dafür mit seinem eigenen Namen. Der Anker fiel in einem schönen Hafen und das Officiercorps ging sofort an's Land. Ueberall fand man die nämlichen Sitten, dieselbe Sprache und ganz die gleichen Producte wie in Tahiti.
Sieben bis acht Meilen von hier im Südwesten liegt Ulietea. Cook ging daselbst ebenfalls an's Land und ergriff von dieser Insel nebst den Nachbar-Eilanden feierlich Besitz. Er benutzte auch die Zeit seines Aufenthaltes zu einer hydrographischen Aufnahme der Küsten, während ein Leck unter der Pulverkammer der »Endeavour« ausgebessert wurde. Nachdem er dann noch einige kleinere Eilande besichtigt, gab er der ganzen Gruppe den Namen »die Gesellschafts-Inseln«.
Am 7. August ging Cook wieder unter Segel. Sieben Tage später entdeckte er die Insel Oteroah. Das feindselige Auftreten der Einwohner verhinderte die »Endeavour«, sich hier aufzuhalten, und so segelte sie bald weiter nach Süden.
Am 23. August feierte die Mannschaft den Jahrestag der Abfahrt aus England. Am 1. September wurde das Meer, unter 40° 22' der Breite und 174° 29' westlicher Länge, in Folge eines heftigen Westwindes sehr aufgeregt; die »Endeavour« mußte nach Norden wenden, um vor dem Sturme zu flüchten. Bis zum 3. hielt das schlechte Wetter gleichmäßig an, erst dann gestaltete es sich insoweit günstig, daß man wieder einen westlichen Kurs einhalten konnte.
Während der letzten Tage des Monats kündigten verschiedene Anzeichen, wie dahertreibende Holzstücke, Wasserpflanzen und Landvögel, die Nähe einer Insel oder eines Continents an. Am 5. October nahm das Wasser eine andere Färbung an, und am Morgen des 6. kam eine nach West Viertel-Nordwest verlaufende Küste in Sicht. Je mehr man sich ihr näherte, desto ausgedehnter schien sie zu sein. Der allgemeinen Anschauung nach war der so lange gesuchte, von den Kosmographen für nothwendig als Gegengewicht gegen die anderen Welttheile erklärte Kontinent, die »Terra australis incognita« nun endlich aufgefunden. In Wahrheit hatte man hier nur die Ostküste der nördlicheren jener beiden Inseln, welche den Namen Neuseeland erhalten haben, vor sich.
Bald beobachtete man auch Rauch an verschiedenen Stellen des Ufers, dessen Einzelheiten nun deutlicher hervortraten. Die Hügel erschienen mit Wald bedeckt, und in den Thälern sah man sehr große Bäume. Später zeigten sich kleine, aber nette Häuser und kamen Piroguen und endlich auch Eingeborne auf dem Strande zum Vorschein. Auf einer Anhöhe bemerkte man eine hohe, regelrechte Pallisade, die den ganzen Gipfel des Hügels umschloß. Die Einen sahen sie für die Umzäunung eines Thierparkes, die Anderen für ein Gehege für Hausthiere an, ohne eine Menge ebenso scharfsinniger Deutungen zu erwähnen, welche sich alle als falsch erwiesen, als man erfuhr, daß jenes ein »I-pah« war.
Am 8. gegen vier Uhr Nachmittags fiel der Anker in einer Bai an der Mündung eines kleinen Flusses. Auf jeder Seite derselben thürmten sich weiße Felsen empor, im Hintergrunde breitete sich ein dunkles Land aus, das etagenförmig aufstieg und mittelst vieler Einzelerhöhungen mit einer, weit im Innern verlaufenden mächtigen Gebirgskette zusammenzuhängen schien; das war das Bild dieses Theiles des Landes.
Cook, Banks und Solander sprangen in zwei, von einer Abtheilung der Mannschaft besetzte Boote. Als sie sich der Stelle näherten, an der die Eingebornen versammelt waren, ergriffen diese die Flucht. Das verhinderte die Engländer jedoch nicht daran, an's Land zu gehen, wobei sie ein Boot unter Bewachung von vier Schiffsjungen zurückließen, während das andere eine Strecke vom Ufer entfernt hielt.
Kaum befanden sich jene eine Strecke weit von der Schaluppe, als vier mit langen Lanzen bewaffnete Männer aus dem Walde hervorbrachen, um sich derselben zu bemächtigen. Sie hätten fast ihre Absicht erreicht, wenn nicht die Leute aus dem anderen Boote den Schiffsjungen zugerufen hätten, sich von der Strömung ruhig wegtreiben zu lassen. Diese wurden aber so hitzig verfolgt, daß der Führer der Pinasse einen Schuß über die Köpfe der Eingebornen hinwegfeuern mußte. Nach kurzem Zaudern setzten sie indessen doch die Verfolgung fort, bis ein zweiter wohlgezielter Schuß einen derselben todt niederstreckte. Seine Begleiter versuchten zuerst zwar, ihn mitzunehmen, doch mußten sie das aufgeben, um ihre Flucht zu beschleunigen. Auf das Geräusch jener Detonationen hin kehrten die an's Land gegangenen Officiere schnell nach dem Schiffe zurück, von wo aus sie bald die am Strande wieder versammelten Eingebornen das Vorgefallene lebhaft besprechen hörten.
Cook wünschte indeß, mit ihnen in Verbindung zu treten. Er ließ also drei Boote flott machen und ging mit Banks, Solander und Tupia an's Land, wo ihn etwa 50 am Ufer sitzende Eingeborne erwarteten. Als Waffen führten diese lange Spieße und ein etwa fußlanges Messer oder ein ebenfalls fußlanges, gut polirtes Instrument aus grünem Talkstein, das vier bis fünf Pfund wiegen mochte. Es war das der »Patu-Patu« oder »Toki«, eine Art Streitaxt aus Stein oder Knochen mit sehr scharfer Schneide. Alle erhoben sich gleichzeitig und bedeuteten den Engländern durch Zeichen, sich zurückzuziehen.
Nachdem die Marinesoldaten das Land betreten, ging Cook mit seinen Begleitern auf die Eingebornen zu. Tupia sagte diesen, die Engländer kämen mit friedlichen Absichten und wünschten nur Wasser und Proviant einzunehmen, wofür sie mit Eisen bezahlen würden, dessen Gebrauch er ihnen mittheilte. Man sah mit großer Befriedigung, daß die Angeredeten ihn vollkommen verstanden, da ihre Sprache nur einen besonderen Dialekt der auf Tahiti herrschenden bildete.
Nach mehrfachem Hin- und Herreden kamen etwa dreißig Wilde über den Fluß. Man schenkte ihnen einige Gegenstände aus Glas und Eisen, die sie nicht sonderlich zu beachten schienen. Als es aber dem Einen gelungen war, sich das Seitengewehr Green's durch List anzueignen, nahmen auch die Anderen wieder eine drohende Haltung an, so daß man wenigstens auf den Dieb Feuer gab und denselben schwer verletzte, wonach die Uebrigen eiligst schwimmend das andere Ufer zu erreichen suchten.
Diese verschiedenen Versuche zur Anknüpfung einiger Handelsbeziehungen mit den Eingebornen waren so unglücklich ausgefallen, daß Cook nicht ferner darauf bestand, sondern einen anderen Wasserplatz aufzusuchen beschloß. Inzwischen bemerkte man zwei Piroguen, welche an das Ufer zu gelangen suchten. Cook traf Anstalt, ihnen den Weg zu verlegen. Die eine entkam mit Hilfe der Ruder, die andere ward abgefangen; doch trotz Tupia's Versicherungen der freundschaftlichen Absichten der Engländer griffen die Eingebornen zu den Waffen und schritten sogar zum Angriff. Eine Gewehrsalve tödtete vier von jenen, drei Andere, die in's Meer gesprungen waren, wurden nach lebhafter Gegenwehr gefangen.
Cook's Aeußerungen über diesen traurigen Zwischenfall sprechen so laut zu seiner Ehre und weichen so auffallend von der damals leider gebräuchlichen Handlungsweise ab, daß wir nicht umhin können, sie hier wortgetreu mitzutheilen.
»Ich kann mir nicht verheimlichen, daß mich alle gefühlvollen Menschenseelen tadeln müssen, auf die armen Indianer haben schießen zu lassen, und wenn ich das ruhig überlege, mache ich mir auch selbst die bittersten Vorwürfe. Sie verdienten den Tod gewiß deshalb noch nicht, daß sie meinen Versicherungen keinen Glauben schenkten und es abschlugen, an Bord zu kommen, wenn sie auch keine directe Gefahr vor Augen sahen; die Natur meines Auftrages zwang mich indeß, ihr Land kennen zu lernen, was nicht zu erreichen war, wenn ich es nicht entweder durch offene Gewalt erzwang, oder das Zutrauen und die Zustimmung der Bewohner gewann. Den Weg der Geschenke hatte ich schon vorher vergeblich eingeschlagen; in dem Wunsche, jeden feindseligen Zusammenstoß zu vermeiden, suchte ich nun einige derselben auf mein Schiff zu locken, das einzige Mittel, sie zu überzeugen, daß wir, weit entfernt davon, ihnen ein Leid zuzufügen, vielmehr ihnen zu nützen suchen wollten. Bis hierher wäre wohl an meiner Handlungsweise nichts auszusetzen, freilich hätten wir in dem unerwarteten Kampfe ebenso vollständig siegen können, ohne jenen vier Indianern das Leben zu rauben, man bedenke aber wohl, daß Jeder, der sich in ähnlicher Lage befindet, wenn der Befehl zum Feuern einmal gegeben ist, die Folgen desselben nicht mehr abzuwägen vermag.«
An Bord wurden die Gefangenen möglichst zuvorkommend aufgenommen, um ihnen das Vorgefallene, wenn auch nicht vergessen, so doch weniger peinlich zu machen, mit Geschenken überhäuft und mit Arm- und Halsbändern geschmückt; als wir aber Anstalt trafen, sie wieder an's Land zu setzen, und sie bemerkten, daß die Boote nach der Flußmündung zu steuerten, erklärten sie, daß hier ihre Feinde wohnten und sie daselbst bald ermordet und aufgezehrt sein würden. Man brachte sie trotzdem an's Land, und es schien nicht, als ob ihnen ein Leid widerfahren wäre.
Am Morgen des 11. October verließ Cook diese elende Gegend. Er gab ihr den Namen »Bai der Armuth«, weil er von Allem, was er bedurfte, nichts Anderes als Holz zu erlangen vermochte. Unter 38° 42' südlicher Breite und 181° 36' westlicher Länge gelegen, zeigt diese Bai die Form eines Hufeisens und bietet einen guten Ankerplatz, obwohl sie allen Winden offen steht.
Cook folgte nun der Küste weiter nach Süden, taufte die hervorragendsten Punkte und nannte z. B. eine Insel »Portland« wegen der Aehnlichkeit derselben mit der gleichnamigen Insel im englischen Canal. Die Beziehungen zu den Eingebornen gestalteten sich niemals günstiger, und nur die beispiellose Geduld der Engländer ließ es dabei nicht zum offenen Kampfe kommen.
Eines Tages umschwärmten mehrere Piroguen das Schiff, von denen man gegen Nägel und Glaswaaren Fische eintauschte, als die Eingebornen Tayeto, den Diener Tupia's, raubten und mit ihm hinwegzurudern suchten. Man mußte auf die frechen Buben Feuer geben; der kleine Tahitier machte sich die durch das Schießen hervorgerufene Bestürzung zu nutze, um in's Meer zu springen, wo er von der Pinasse der »Endeavour« aufgenommen wurde.
Da Cook auch bis zum 17. October keinen geeigneten Hafen fand und der Seegang immer ungünstiger wurde, glaubte er hier viel Zeit zu verlieren, die er mit der Besichtigung des nördlichen Ufers besser ausfüllen könnte; er ließ also wenden und steuerte den eben zurückgelegten Weg wieder zurück.
Am 23. October erreichte die »Endeavour« eine Bai, Tolaga genannt, in der sich nicht der geringste Wellenschlag bemerkbar machte. Das Wasser war ausgezeichnet und auch Proviant leicht zu beschaffen, zumal da die Eingebornen hier ein freundliches Entgegenkommen zeigten.
Nachdem alle Maßregeln zum Schutze der Arbeiter getroffen waren, gingen die Herren Banks und Solander an's Land, um Pflanzen zu suchen, und bekamen bei ihrem Ausfluge einige bemerkenswerthe Dinge zu Gesicht. Inmitten eines Thales und umringt von steilen Bergen erhob sich ein vollständig durchlöcherter Felsen, durch dessen Oeffnung man auf der einen Seite das Meer, auf der anderen einen Theil der Bai und der umgebenden Hügel erblicken konnte. Auf der Rückkehr nach dem Schiff begriffen, wurden die Botaniker von einem Greise aufgehalten, der sie den landesüblichen Exercitien mit der Lanze und dem Patu-Patu beiwohnen ließ. Bei einem anderen Spaziergange kaufte Doctor Solander einen Kreisel, der dem bekannten europäischen Spielwerke vollkommen ähnlich war, und die Indianer gaben ihm auch noch durch Zeichen zu verstehen, daß derselbe mittelst einer Peitsche getrieben werden müsse.
Auf einer Insel zur Linken des Eingangs der Bai sahen die Engländer die größte Pirogue, die sie jemals gefunden hatten. Diese maß nicht weniger als achtundsechzigeinhalb Fuß Länge, fünf Fuß Breite und drei Fuß sechs Zoll Höhe und war am Vordertheil mit erhabenen Sculpturen in eigenthümlichem Geschmack geziert, unter denen Spirallinien und sonderbar gestaltete Figuren vorherrschten.
Am 30. October, nachdem er genügend Holz und Wasser gefaßt hatte, ging Cook wieder unter Segel und folgte der Küste nach Norden.
In der Umgebung einer Insel, der der Kapitän den Namen Maire gegeben hatte, benahmen sich die Eingebornen unverschämter und diebischer als je vorher. Dennoch mußte er sich zur Beobachtung eines Merkur-Durchganges fünf bis sechs Tage an dieser Stelle aufhalten. Um den Wilden aber zu beweisen, daß man die Engländer nicht ungestraft mißhandeln dürfe, schoß man auf einen Dieb, der sich ein Stück Segel angeeignet hatte, eine Kugel ab, die ihn indeß nicht stärker als ein tüchtiger Hieb mit dem Rohrstocke traf. Eine Kugel aber, welche mehrmals auf dem Wasser ricochettirte und wiederholt über die Piroguen sprang, erschreckte die Eingebornen dermaßen, daß sie so schnell als möglich nach der Küste zurückruderten.
Am 9. November gingen Cook und Green an's Land, um den Merkur-Durchgang zu beobachten. Green faßte nur den Eintritt des Planeten in's Auge, während Cook die Höhe der Sonne maß.
Wir haben nicht die Absicht, den englischen Seefahrern Tag für Tag und Stunde für Stunde bei ihrer eingehenden Besichtigung Neuseelands zu folgen. Die sich gleichmäßig wiederholenden Vorfälle, die Erzählungen der Kämpfe mit den Eingebornen und die, wenn auch noch so anziehenden Beschreibungen von Naturschönheiten dürften unsere Leser doch nicht lange fesseln. Wir gehen also über den hydrographischen Theil der Reise hinweg, um uns der Schilderung der heutzutage stark veränderten Sitten der Eingebornen zuzuwenden.
Die Merkurs-Bai liegt im Grunde der langen, vielfach eingeschnittenen Halbinsel, welche von Osten nach Nordosten verläuft und den nördlichsten Theil Neuseelands bildet. Am 15. November, gerade als die »Endeavour« diese Bai verließ, ruderten mehrere Canots gleichzeitig auf das Schiff zu.
»Zwei derselben«, heißt es in dem Berichte, welche gegen sechzig bewaffnete Männer führten, »näherten sich so weit, daß man einander hören konnte, worauf die Eingebornen ihren Kriegsgesang begannen; als sie aber bemerkten, daß man ihnen wenig Aufmerksamkeit schenkte, fingen sie an, die Engländer mit Steinen zu werfen und ruderten näher heran. Bald rüsteten sie sich zu einem wirklichen Angriffe und schienen sich auf unsere Reisenden stürzen zu wollen, während sie sich gegenseitig durch ihre Gesänge ermuthigten. Ohne Aufforderung von anderer Seite, machte ihnen Tupia lebhafte Vorwürfe und sagte ihnen auch, daß die Engländer Waffen besäßen, welche geeignet wären, sie augenblicklich zu vernichten. Ihre Antwort darauf lautete: ›Kommt nur an's Land, so werden wir Euch Alle umbringen.‹ – ›Gut,‹ antwortete Tupia, ›doch wie kommt Ihr dazu, uns auf dem Meere zu belästigen? Uns liegt nichts daran, mit Euch zu kämpfen, auch nehmen wir Eure Herausforderung nicht an, denn wir haben keine Ursache zum Streite. Das Meer ist für unser Schiff ebenso gut frei wie für Euch!‹« Eine so einfache und doch überzeugende Redeweise hätte Niemand Tupia zugetraut. Auch waren Cook und die übrigen Engländer davon wirklich freudig überrascht.
Im Verlauf seines hiesigen Aufenthaltes entdeckte der Kapitän auch noch einen ziemlich beträchtlichen Fluß, den er »Themse« nannte. Seine Ufer bekleideten ganz ähnliche Baumarten wie die in der »Bai der Armuth«. Einer derselben maß, sechs Fuß über dem Erdboden, noch neunzehn Fuß im Umfange; ein anderer nicht weniger als neunzig Fuß Höhe bis an die ersten Aeste.
Wenn es zu wiederholten Zwistigkeiten mit den Eingebornen kam, so war das Unrecht dabei doch nicht immer auf Seite der Letzteren.
»Mehrere Leute vom Schiffe,« sagt Kippis, »die sich durch eine wahrhaft lykurgische Strenge hervorthaten, wenn die Indianer bei einem Fehltritt betroffen wurden, machten sich kein Gewissen daraus, in eine seeländische Pflanzung einzubrechen und daselbst eine Menge Pataten zu stehlen. Cook verurtheilte die Diebe zu zwölf Ruthenhieben. Zwei derselben ließen die Strafe ruhig über sich ergehen; der Dritte behauptete aber hartnäckig, die Beraubung einer indianischen Anpflanzung sei einem Engländer nicht als Missethat anzurechnen. Cook antwortete auf diese unbegründete Casuistik einfach damit, daß er den Mann in den Raum einsperren und nicht eher wieder heraus ließ, bis er sich selbst bereit erklärte, dafür noch sechs Hiebe zu erhalten.« Am 30. December umschifften die Engländer einen Landvorsprung, den sie für Tasman's Cap Maria-van-Diemen hielten; hier trafen sie aber so widrige Winde, daß Cook in drei Wochen nur zehn Meilen zurücklegen konnte. Zum Glück hielt er sich die ganze Zeit über in gehöriger Entfernung vom Ufer, sonst würden wir heute kaum in der Lage sein, dessen Abenteuer zu erzählen.
Nachdem er eine Anzahl hervorragender Punkte der Westküste mit Namen bezeichnet, kam Cook am 16. Januar 1770 in Sicht eines mächtigen, schneebedeckten Bergriesen, den er Mount Egmont nannte, zu Ehren des wiederholt erwähnten Grafen gleichen Namens. Kaum gelangte man über jenen hinaus, als man die Küste in einem großen Bogen vor sich ausgestreckt liegen sah. Dabei erschien sie durch kleinere Landspitzen mehrfach getheilt, und in eine der dadurch gebildeten Rheden beabsichtigte Cook einzulaufen, um sein Schiff kielholen und ausbessern zu lassen, sowie um neue Vorräthe an Holz und Wasser einzunehmen. Er landete im Grunde einer beschränkteren Bucht, wo sich ein kleiner Bach und Bäume im Ueberfluß vorfanden, da der Wald nur dicht am Meeresstrande aufhörte, wo ihm eben der Erdboden fehlte. Er benutzte die guten Verhältnisse, die sich hier mit den Eingebornen entwickelten, sich zu erkundigen, ob diese jemals schon ein ähnliches Fahrzeug wie die »Endeavour« gesehen hätten, überzeugte sich aber, daß man hier von Tasman nicht das Geringste wußte, obwohl dessen Bai der Mörder von seinem eigenen Ankerplatze nur fünfzehn Meilen entfernt lag.
In einem Korbe der Seeländer fand man auch einmal zwei abgenagte Knochen. Von einem Hunde schienen sie nicht herzurühren und bei näherer Betrachtung erwiesen sich dieselben als menschliche Ueberreste. Die darum befragten Eingebornen gaben auch ohne Scheu die Antwort, daß sie ihre Feinde meist zu verzehren pflegten. Einige Tage später brachten sie sogar sieben Menschenköpfe mit an Bord der »Endeavour«, an denen noch Haare und Fleisch festsaßen, woraus sie aber das, für einen besonderen Leckerbissen gehaltene Gehirn schon entfernt hatten. Das Fleisch war weich und durch irgend ein Mittel offenbar gegen die Fäulniß geschützt worden, denn es verbreitete noch keinen widerlichen Geruch. Banks konnte einen solchen Kopf nur mit Mühe käuflich erwerben, vermochte aber den Greis, der jene mitgebracht hatte, auf keine Weise zur Abtretung eines zweiten zu bewegen, wahrscheinlich weil die Neuseeländer dieselben als eine Trophäe und einen Beweis ihrer Tapferkeit ansehen.
Die nächstfolgenden Tage verbrachte man mit der Besichtigung der Umgebung und mit verschiedenen Spaziergängen. Bei einem solchen Ausfluge bestieg Cook einen höheren Hügel und konnte von demselben aus sowohl den ganzen, von ihm so benannten »Königin-Charlotten-Kanal« überblicken, als auch die jenseitige Küste, deren Entfernung er auf vier Meilen schätzte. Der Nebel verhinderte, dieselbe nach Südosten weiterhin zu erkennen. Er hatte aber genug gesehen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß dort die große Insel, welche er fast vollständig umschifft hatte, endigte. Es blieb ihm nun also die Erforschung der weiter im Süden gelegenen Insel übrig. Er wollte eine solche auch ausführen, sobald er sich mittelst Durchschiffung des Köngin-Charlotten-Kanals überzeugt hatte, daß derselbe wirklich eine Meerenge sei.
In der Nähe fand Cook auch Gelegenheit, einen »I-pah« zu besuchen. Auf einem kleinen Holme oder einem schwer zu ersteigenden Felsen errichtet, stellt ein I-pah nichts Anderes als ein befestigtes Dorf dar.
Meist haben die Eingebornen den natürlichen Schwierigkeiten noch künstliche Hindernisse hinzugefügt, welche den Zugang noch gefährlicher machen. Mehrere solche, von den Engländern besuchte Anlagen waren von einem zweifachen Graben mit Brustwehr und doppelten Pallisaden umschlossen. Der zweite Graben hatte nicht weniger als vierundzwanzig Fuß Tiefe. Innerhalb der engeren Pallisade erhob sich eine, gegen vierzig Fuß lange und sechs Fuß breite Plattform auf etwa zwanzig Fuß hohen, starken Holzpfeilern. Hier nahmen die Vertheidiger des Ortes Stellung und konnten etwa andrängende Feinde leicht mit den, für diesen Fall in großen Mengen aufgehäuften Wurflanzen und Steinen überschütten. Diese Befestigungen sind für die Eingebornen so gut wie uneinnehmbar, wenn sie die Besatzung derselben nicht durch eine andauernde Umzingelung zur Ergebung zwingen.
»Es erscheint wunderbar,« bemerkt Cook, »daß Leute, deren Scharfblick und Sorgfalt hinreichten, fast ohne Werkzeuge derartige zur Vertheidigung so zweckmäßig angelegte Werke zu errichten, nicht darauf verfielen, sich außer der mit der Hand geschleuderten Lanze irgend eine andere in der Ferne wirkende Waffe herzustellen. Sie kennen jedoch weder den Bogen, um einen Pfeil abzuschießen, noch die Schleuder, um einen Stein zu werfen, was um so mehr auffallen muß, als die Erfindung der Schleuder, der Bogen und Pfeile doch weit einfacher erscheint als die der Festungswerke, welche diese Völker erbauten, während man jene beiden Waffen fast in allen Theilen der Erde und selbst bei den wildesten Völkerschaften antrifft.«
Am 6. Februar verließ Cook die Bai und segelte nach Osten in der Hoffnung, vor der zurückkehrenden Fluth leicht in den Eingang zur Meerenge einfahren zu können. Um 7 Uhr Abends wurde das Schiff von einer heftigen Strömung bis in die Nähe einer kleinen Insel außerhalb des Caps Koamaroo verschlagen. Hier erhoben sich sehr spitzige Felsen aus dem Meeresgrunde. Jeden Augenblick wuchs die Gefahr. Zur Rettung des Schiffes gab es nur ein einziges Mittel. Glücklicher Weise sollte sich dasselbe bewähren. Nur eine Kabellänge weit trieb die »Endeavour« noch von den Riffen, da ließ man bei fünfundsiebzig Faden Wasser den Anker fallen. Er griff gut ein und die Strömung, welche, nachdem sie sich an genannter Insel gebrochen, eine andere Richtung einschlug, drängte das Schiff von dem nächsten Riffe ab. Noch immer konnte es jedoch nicht für gerettet gelten, denn es befand sich stets in der gefährlichen Nachbarschaft der Felsen, und die Strömung legte fünf Meilen in der Stunde zurück.
Erst als die Fluth nachließ, konnte das Schiff sich freimachen, und da gleichzeitig auch ein günstiger Wind aufsprang, gelangte es schnell nach der schmalsten Stelle der Meerenge, die es nun glücklich passirte.
Die nördlichere Insel von Neuseeland, welche in der Ursprache Caheinomauwe heißt, war indeß noch nicht in allen ihren Theilen erforscht; etwa fünfzehn Meilen ihrer Küste hatte man noch nicht besichtigt. Daraufhin behaupteten mehrere Officiere, im Gegensatz zu des erfahrenen Cook Anschauung, daß dieselbe nicht eine Insel, sondern einen Continent bilde. Obwohl des Commandanten Ansicht für ihn selbst längst feststand, so hielt er doch einen solchen Kurs ein, daß sich seine Officiere von der Irrigkeit ihrer Anschauung überzeugen konnten. Nach zweitägiger Fahrt und nach Umschiffung des Caps Palliser fragte er sie, ob sie sich nun bekehrt hätten. Auf ihre bejahende Antwort hin verzichtete Cook darauf, bis zum äußersten, schon von der Ostseite aus gesehenen Ende von Caheinomauwe weiterzusegeln, und beschloß, längs der ganzen Küste des von ihm schon einmal gesehenen Landes, d. h. der Südinsel Tawai-Punamu, hinabzufahren.
Das Ufer derselben erschien meistens wenig fruchtbar und unbewohnt. Uebrigens mußte er sich stets gegen vier bis fünf Meilen von demselben entfernt halten.
In der Nacht des 9. März glitt die »Endeavour« über mehrere Felsen hinweg und man erkannte am nächsten Morgen, daß sie in großer Gefahr geschwebt hatte. Diese Klippen erhielten den Namen »die Fallen«, weil sie den zu vertrauensvollen Seefahrern wirklich gleich solchen in den Weg gelegt scheinen.
An dem nämlichen Tage entdeckte Cook auch noch die Spitze, die er als das südlichste Ende Neuseelands ansah und deshalb »Süd-Cap« taufte. Es war das ein Theil der Insel Steward. Da von Südwesten her große Wogen gegen das Schiff anspülten, als es das Cap doublirte, setzte Kapitän Cook voraus, daß in dieser Richtung kein Land mehr liegen könne. Er schlug also den Weg nach Norden wieder ein, um mit der Westküste die Umschiffung Neuseelands zu vollenden.
Ziemlich am Ende dieser Küste entdeckte man eine Bai, welche den Namen »Dusky-Bai« erhielt. Diese Gegend ist unfruchtbar, zerrissen und mit Schnee bedeckt. In der Ausdehnung von drei bis vier Meilen umschloß die Dusky-Bai, welche eben so tief als breit zu sein schien, mehrere Inseln, hinter denen ein Schiff ohne Zweifel sicheren Schutz gefunden hätte. Cook hielt es aber nicht für gerathen, sich hier aufzuhalten, da er wohl wußte, daß ein geeigneter Wind, um aus diesen Gewässern zurückzukommen, nur einmal im Monat wehte. Hierin stimmte er übrigens nicht mit seinen Officieren überein, welche, nur den augenblicklichen Vortheil in's Auge fassend, die späteren Nachtheile eines längeren Aufenthaltes übersahen.
Die Besichtigung des westlichen Ufers von Tawai-Punamu verlief übrigens ohne weiteren Zwischenfall.
»Von der Dusky-Bai bis 44° 20' der Breite«, sagt Cook, »erstreckt sich eine in gerader Linie verlaufende Hügelkette, die sich vom Meeresstrande erhebt und dicht mit Wäldern bedeckt ist. Gleich hinter diesen Hügeln erblickt man Berge, die eine zweite, weit höhere Kette bilden und aus steilen, ganz nackten Felsen bestehen, außer den Stellen, wo sie mit Schnee bedeckt sind, den man in großen Massen sieht . . . Man vermag sich kaum einen wilderen, trostloseren und erschreckenderen Anblick zu denken, als den dieses Landes, wenn man es vom Meere aus betrachtet, denn soweit das Auge trägt, gewahrt man nichts als Felsenspitzen, die so nahe beieinander aufstreben, daß sich zwischen ihnen an Stelle der Thäler nur schluchtenartige Einschnitte vorfinden.«
Von 44° 20' bis 42° 8' wechselt das Bild; die Berge treten mehr zurück und das Meer ist von Hügeln und fruchtbaren Thälern begrenzt.
Von 42° 8' bis 41° 30' erstreckt sich eine große, steile, mit dunklen Waldungen bedeckte Küste. Uebrigens segelte die »Endeavour« zu fern vom Ufer und die Witterung war zu trübe, als daß man die Einzelheiten der Küstenlandschaft hätte deutlich genug erkennen können. Nachdem man das ganze Land umschifft, steuerte das Fahrzeug wieder nach dem Eingange des Königin Charlotte-Kanals zurück.
Cook versorgte sich hier mit Holz und Wasser; dann beschloß er die Rückreise nach England anzutreten, wenn er es auch lebhaft bedauerte, daß er die Frage nach dem Vorhandensein eines südlichen Continents nicht habe lösen können. Jetzt konnte er freilich weder um das Cap Horn, noch um das Cap der Guten Hoffnung zu segeln wagen. Sein Fahrzeug war, mitten im Winter in so tiefer südlicher Breite, voraussichtlich nicht im Stande, diese Fahrt auszuhalten. Es blieb ihm also nichts übrig, als nach Ostindien zu gehen und zu diesem Zwecke westlich, bis zur Küste von Neu-Holland zu steuern.
Bevor wir jedoch die Vorfälle dieses zweiten Theiles seiner Reise schildern, dürfte es angemessen sein, hier einen Rückblick zu thun, und die Beobachtungen kurz zusammenzufassen, welche die Reisenden über die Lage und über die Bewohner von Neuseeland gemacht hatten.
Im vorhergehenden Band erzählten wir, daß dieses Land zuerst von Abel Tasman entdeckt wurde, und schilderten die Ereignisse, welche den Weg des holländischen Kapitäns mit blutigen Spuren bezeichneten. Außer der von Tasman im Jahre 1642 angelaufenen Küste, war seitdem niemals ein europäisches Fahrzeug nach Neuseeland gekommen. Was man davon wußte, war so lückenhaft, daß man es, sowie Tasman, für einen Theil des südlichen Festlandes hielt, der von diesem den Namen Staatenland empfangen hatte. Cook kommt die Ehre zu, die Lage der beiden Inseln genau bestimmt und deren Küsten zwischen 34° und 38° südlicher Breite und 170° bis 194° westlicher Länge vollständig umschifft zu haben.
Tawai-Punamu war gebirgig, unfruchtbar und erschien nur schwach bevölkert. Caheinomauwe zeigte einen lachenden Anblick mit seinen Hügeln, Bergen und walderfüllten Thälern, durch welche sich muntere Bäche schlängelten. Auf Grund der von Banks und Solander angestellten Beobachtungen, faßte Cook seine später bestätigten Angaben über Klima und Boden dahin zusammen, daß, wenn die Europäer hier eine Niederlassung gründen wollten, es ihnen wenig Mühe und Arbeit kosten würde, in großem Ueberfluß Alles zu erzeugen, was man nur bedurfte.
An Vierfüßlern gab es auf Neu-Seeland nur Ratten und Hunde, letztere nur zum Essen gezüchtet. Neben der Armuth der Fauna besaß das Land aber eine um so üppigere Flora. Ueber die Gewächse, welche die Engländer am meisten interessirten, äußert sich der Bericht wie folgt:
»Statt des Hanfes und des Flachses bedienen sich die Eingebornen einer Pflanze, welche alle zu ähnlichen Zwecken in anderen Ländern benutzten weit übertrifft. . . . Die gewöhnliche Kleidung der Neuseeländer besteht aus Blättern derselben, welche gar nicht weiter bearbeitet sind; sie verfertigen daraus auch Schnüre, Leibwäsche und Tauwerk, das viel haltbarer ist als das aus Hanf, welches mit jenem gar keinen Vergleich aushält. Aus derselben Pflanze gewinnen sie mittelst einer anderen Zubereitungsmethode auch ganz feine, seidenglänzende und schneeweiße Fäden, aus denen sie die schönsten Stoffe herzustellen wissen, welche auch überraschend fest sind. Ihre ungeheuer großen Netze bestehen wiederum aus solchen Blättern, die dazu nur in Streifen von geeigneter Breite zerschnitten und zusammengeknüpft werden.«
Diese wunderbare Pflanze, von der man so entzückt war, wie es die vorstehende Beschreibung darstellt, und für welche sich einige Jahre später La Billardière nicht weniger enthusiasmirte, ist heutzutage unter dem Namen »Phormium tenax« bekannt.
Die hierdurch erweckten Hoffnungen mußten später freilich auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt werden. Nach der Ansicht des berühmten Chemikers Duchartre zerstört die andauernde Einwirkung feuchter Wärme, und vorzüglich das Waschen, die Faserzellen dieser Pflanze sehr schnell, und das Gewebe zerfällt dann bald in lose Stücke. Immerhin bildet sie einen nicht unbeträchtlichen Ausfuhrartikel. Al. Kennedy führt in seinem beachtenswerthen Reisewerke über Neuseeland an, daß der Export sich im Jahre 1865 zwar nur auf fünfzehn Ballen Phormium bezifferte, schon vier Jahre später – was freilich kaum glaublich erscheint – auf 12.162 Ballen stieg und im Jahre 1870 gar 32.820 Ballen im Werthe von 132.578 Pfd. St. erreichte.
Die hochgewachsenen und wohlgebauten Einwohner waren flink, kräftig und gewandt. Die Frauen zeigten dagegen nicht jene Feinheit der Organe und Weichheit der Körperformen, die sie sonst überall voraushaben. Da sie sich ganz wie die Männer kleideten, konnte man sie nur an dem Ton der Stimme und der größeren Beweglichkeit der Physiognomie erkennen. Die Angehörigen ein und desselben Stammes lebten untereinander zwar in den friedlichsten Verhältnissen, waren aber unerbittlich gegen ihre Feinde, denen sie keinen Pardon gaben und deren Leichen ihnen zu gräulichen Festmahlen dienten, welche sich durch die Kargheit an thierischen Lebensmitteln wenigstens erklären, wenn auch nicht entschuldigen lassen.
»Es erscheint vielleicht auffallend,« sagt Cook, »so häufige Kriege in einem Lande zu finden, wo auch ein errungener Sieg so wenig Vortheile zu bieten verspricht.«
Außer dem Bedürfniß aber, sich Fleischnahrung zu verschaffen, das oft genug allein zu Kriegen führt, bestand die Bevölkerung, was Cook damals nicht wußte, aus zwei verschiedenen, fast von Natur feindseligen Racen.
Alte Sagen melden, daß die Maoris vor etwa dreizehnhundert Jahren von den Sandwichinseln eingewandert seien. Man darf das für ziemlich verläßlich halten, da diese hervorragende polynesische Race fast alle Inselgruppen des unendlichen Pacifischen Oceans bevölkert hat. Von der Insel Havuaïki, das wäre das Havaï der Sandwichinseln oder Saonaï, ein Glied der Schifferinseln, ausgegangen, hätten die Maoris demnach die Ureinwohner zurückgedrängt und fast ausgerottet.
Wirklich haben die ersten Ansiedler unter den Eingebornen Neuseelands zwei vollkommen verschiedene Typen gefunden; der eine, und zwar der überwiegende, erinnerte unwillkürlich an die Bewohner von Havaï, oder der Marquisen- und Tonga-Insel, während der zweite eine auffallende Uebereinstimmung mit der melanesischen Race zeigte. Diese von Freicinet herrührenden Nachrichten, welche Hochstetter erst neuerdings in allen Theilen bestätigte, stimmen vollständig mit Cook's merkwürdiger Angabe überein, daß Tupia sich als Eingeborner von Tahiti mit den Neuseeländern ohne Schwierigkeit zu verständigen vermochte.
Heutzutage sind die Polynesier, Dank dem Fortschritt der Linguistik und Anthropologie, besser bekannt; zur Zeit Cook's besaß man über dieselben nur Vermuthungen, und jener war vielleicht der Erste, durch den einige Kenntniß von jenen alten Ueberlieferungen verbreitet wurde.
»Alle glaubten fest,« sagt er, »daß ihre Voreltern vor langer Zeit aus einem anderen Lande gekommen seien, das nach der gewöhnlichen Annahme Heavise hieß.«
Jener Zeit ernährte der Boden also keinen anderen Vierfüßler als den Hund und auch dieser war hier erst von außerhalb eingeführt worden. Die Neuseeländer besaßen zur täglichen Nahrung nur eine kleine Auswahl Pflanzen, welche den Engländern übrigens unbekannt blieben. Zum Glück erwiesen sich die Küsten ziemlich fischreich, ein Umstand, dem die Bewohner es allein verdankten, nicht Hungers sterben zu müssen.
Gewöhnt an fortwährende Kriege und in jedem Fremden einen Feind sehend, der für sie noch dazu den Werth eines Schlachtthieres hatte, erklärt sich die Neigung der Eingebornen, die Engländer anzugreifen. Sobald sie sich aber von der Unzulänglichkeit ihrer Mittel und von der Macht ihrer Gegner überzeugt, sowie auch eingesehen hatten, daß man es möglichst vermied, jene todbringenden Maschinen, deren entsetzliche Wirkung sie zuerst erfuhren, anzuwenden, behandelten sie die Seefahrer als Freunde und benahmen sich gegen diese stets überraschend ehrlich und offenherzig.
Besaßen die bis jetzt besuchten Inselbewohner keine Idee von Decenz und Scham, so war das doch nicht der Fall bei den Neuseeländern, wofür Cook mehr als einen merkwürdigen Beweis beibringt. Ohne so reinlich zu sein wie die Tahitier, welche sich schon wegen ihres wärmeren Klimas weit häufiger baden, verwandten sie doch ziemliche Sorgfalt auf ihre persönliche Erscheinung und verirrten sich sogar bis zu einer gewissen Coquetterie. So pflegten sie auch das Haar entweder mit Fischthran oder Vogelfett einzusalben, das aber sehr bald ranzig wurde, so daß sie dann einen fast ebenso unangenehmen Geruch um sich verbreiteten wie die Hottentotten. Ferner herrschte die Sitte des Tätowirens, was mit geschickter Hand und einem bei so niedrig stehenden Bevölkerungen bewundernswerthen Geschmack ausgeführt wurde.
Zu ihrem großen Erstaunen bemerkten die Engländer, daß die Frauen hier ihre Toilette weit mehr vernachlässigten als die Männer. Die Haare trugen sie kurz geschnitten, ohne jeden Putz, und benützten dieselben Kleider wie die Letzteren. Als einzige Zierde steckten sie sich nur die sonderbarsten Sachen durch die Ohren, wie Stoffe, Federn, Fischgräten, Holzstückchen, ohne diejenigen, welche sie mittelst einer Schnur wieder an jenen befestigten, wie z. B. eine Art Nadeln und grüne Talksteine, die Nägel oder Zähne ihrer verstorbenen Angehörigen und überhaupt allerlei Gegenstände, die ihnen gerade in die Hände fielen.
Es erinnert das an einen von Cook mitgetheilten Vorfall mit einer Tahitierin. Diese Frau wollte gern Alles haben, was sie sah, und sprach auch einmal den Wunsch aus, ein Vorlegeschloß an ihrem Ohrläppchen zu befestigen. Man gab ihr nach, warf dann aber vor ihren Augen den Schlüssel desselben in's Meer. Einige Zeit darauf verlangte sie, ob ihr nun das Gewicht dieses Schmuckes zu schwer wurde oder sie denselben nur gegen einen anderen austauschen wollte, wiederholt, ihr jenes wieder abzunehmen. Diesen Wunsch mußte man ihr freilich versagen, indem man ihr klar machte, daß ihr Begehr ein so unvorsichtiges gewesen sei, daß es nicht mehr als billig erscheine, wenn sie nun auch die unbequemen Folgen desselben verspüren müsse. Die Kleidung der Neuseeländer bestand meist nur aus einem Stück Stoff, das etwa zwischen einer Strohmatte und Tuchgewebe die Mitte hielt und ihnen von den Schultern bis auf die Kniee herabhing, während sie gelegentlich auch ein zweites Stück trugen, das am Gürtel befestigt bis zur Erde herabreichte. Doch hatten sie das letztere eben nicht häufig im Gebrauch. Trugen sie nun blos das obere Kleidungsstück und kauerten sie etwa auf dem Erdboden, so sahen sie einer Hütte mit Strohdach zum Verwechseln ähnlich. Diese rohen Mäntel erschienen manchmal mit Fransen von verschiedener Farbe, und wenn auch seltener, mit in Streifen geschnittenen Hundefellen sehr elegant ausgestattet. Was die Leute zu leisten vermochten, verrieth vorzüglich die Construction ihrer Piroguen. Die Kriegsboote konnten wohl vierzig bis fünfzig bewaffnete Männer aufnehmen, und ein bei Ulaga gemessenes hatte eine Länge von achtundsechzigeinhalb Fuß. Sie waren mit erhabenen Arbeiten und mit schwarzen, schwimmenden Federfransen prächtig verziert. Nur die kleinsten derselben hatten die sogenannten Ausleger. Die Fischerboote zeigten sich ebenfalls am Vorder- und Hintertheil mit einer menschlichen Figur mit abstoßendem Gesicht und heraushängender Zunge geschmückt, deren Augen aus zwei weißen Muscheln hergestellt wurden. Nicht selten pflegte man zwei solche Piroguen aneinander zu koppeln, während wiederum nur die kleinsten mit Auslegern versehen waren, um das Kentern derselben zu verhüten.
»Da nur Unmäßigkeit und vernachlässigte Körperübung die einzigen Ursachen der Krankheiten sind,« sagt Cook, »kann es nicht überraschen, daß diese Völkerschaften sich ununterbrochen einer fast vollkommenen Gesundheit erfreuen. Stets, wenn wir in ihre Dörfer kamen, umringten uns Kinder und Greise, Männer und Weiber und starrten uns mit der nämlichen Neugier an, die uns trieb, jene zu sehen; nie kam uns aber ein Kranker zu Gesicht, und selbst von denen, die wir ganz nackt sahen, haben wir bei Keinem weder den geringsten Ausschlag, noch Spuren von Pusteln oder Beulen gefunden.«
Entdeckung der Ostküste Australiens. – Bemerkungen über die Bewohner und die Erzeugnisse des Landes. – Strandung der »Endeavour«. – Fortdauernde Gefahren der Schifffahrt. – Durchsegelung der Torres-Straße. – Die Eingebornen von Neu-Guinea. – Rückkehr nach England.
Am 31. März 1770 verließ Cook Cap Farewell und Neuseeland, um nach Westen zu steuern. Am 19. April traf er ein Land, das sich unter 37° 58' der Breite und 210° 39' westlicher Länge von Nordosten nach Südwesten hin ausdehnte. Gestützt auf die Angaben der Tasman'schen Karte betrachtete er jenes als das Land, welches der genannte Seefahrer Van-Diemensland getauft hatte. Jedenfalls fand er keine Gelegenheit festzustellen, ob der vor ihm liegende Theil der Küste mit Tasmanien zusammenhing oder nicht. Auf der Fahrt nach Norden benannte er alle hervorragenderen Punkte, wie die Hicks-Spitze, Ram-Head, Cap Howe, Dromedar-Berg, Upright-Spitze, Pigeon-House u. s. w.
Diese Gegend von Australien war bergig und mit zerstreuten Bäumen besetzt. Einzelne Rauchsäulen ließen zwar erkennen, daß das Strandgebiet bewohnt sei, aber die nur dünn gesäete Bevölkerung hatte nichts Eiligeres zu thun, als zu entfliehen, sobald die Engländer Anstalt trafen, an's Ufer zu gehen.
Die ersten Eingebornen, deren man ansichtig wurde, waren mit langen Spießen und einem Stück Holz bewaffnet, das in der Form etwa einem türkischen Säbel gleichkam. Es war das der berüchtigte »Boomerang«, eine Wurfwaffe, die in den Händen der Eingebornen ebenso gefährlich, wie in denen der Europäer unschuldig ist.
Das Gesicht dieser Wilden schien mit einem weißen Puder bedeckt; ihr Körper mit breiten Streifen von derselben Farbe überzogen, welche, schräg über die Brust verlaufend, den Bandelieren der Soldaten ähnelten, auch hatten sie gleiche Streifen rings um den Ober- und Unterschenkel, die man aus einiger Entfernung hätte für Strumpfbänder halten können, wenn jene nicht vollständig nackt gegangen wären.
An einer anderen Stelle versuchten die Engländer ebenfalls an's Land zu gehen. Zwei Eingeborne aber, welche man durch Zuwerfen von Nägeln, Glaswaaren und anderen Kleinigkeiten erst zutraulicher zu machen sich bemühte, zeigten eine so drohende Haltung, daß man sich genöthigt sah, einen Schuß über ihre Köpfe weg abzugeben. Eine kurze Zeit standen sie ganz starr vor Schreck über den Knall; da sie sich aber nicht verwundet fühlten, begannen sie ihre feindseligen Demonstrationen auf's Neue, indem sie Steine und Wurfspieße nach dem Boote schleuderten. Nun richtete man einen scharfen Schuß nach den Beinen des älteren Wilden. Der arme Teufel entfloh auf der Stelle nach einer der Hütten, kehrte jedoch bald mit einem Schilde zurück und versuchte sich zwar nochmals zur Wehr zu stellen, mußte sich aber bald von der Ohnmacht seines Widerstandes überzeugen. Die Engländer gingen nun an's Land und nach den Wohnungen in der Nähe zu, wo sie eine große Menge Lanzen vorfanden. In derselben Bucht landete auch eine andere Abtheilung mit den Wassertonnen; es erwies sich jedoch unmöglich, mit den Eingebornen in Verbindung zu treten, da diese sofort entflohen, sobald die Engländer sich dem Strande näherten.
Bei Gelegenheit eines Ausfluges auf dem Lande fanden Cook, Banks und Solander auch die Fußspuren verschiedener Thiere. Sehr schöne Vögel gab es in großer Menge. Die vielen Pflanzenspecies, welche die Naturforscher in dieser Gegend fanden, veranlaßten Cook, ihr den Namen Botany-Bai zu geben. Die ausgedehnte, sichere und bequeme Bai liegt unter 34° der Breite und 208° 37' westlicher Länge. Holz und Wasser waren gleichfalls leicht zu erlangen.
»Die Bäume hier«, sagt Cook, »erreichen fast dieselbe Höhe wie die Eichen Englands, ja ich sah auch einen, der ihnen sehr ähnlich sah. Es ist das derselbe, der ein rothes Gummi, ähnlich dem »Drachenblut« ausschwitzt.«
Jedenfalls ist hier von einer Eukalypten-Art die Rede. Unter den mancherlei Fischen, welche sich in großen Schaaren umhertummeln, ist besonders der Nagelroche hervorzuheben, von dem ein ausgeweidetes Exemplar noch dreihundertsechsunddreißig Pfund wog.
Am 6. Mai verließ Cook wieder die Botany-Bai und segelte längs der Küste nach Norden hin, wobei er sich stets in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen hielt. Die Fahrt selbst verlief sehr einförmig. Einiges Interesse gewährten nur der häufige und unvorherzusehende Wechsel der Meerestiefen und die Klippenreihen, welche man vermeiden mußte.
Bei einer späteren Landung überzeugten sich die Reisenden, daß das Land weit schlechter war als in der Umgebung der Botany-Bai. Der Boden bestand nur aus Sand und die Hügelabhänge erschienen mit verstreuten oder ganz einzelnstehenden Bäumen bedeckt, doch ohne jedes niedere Buschwerk. Die Matrosen erlegten auch eine junge Trappe, welche sie für das beste Stück Wild erklärten, das sie seit der Abreise aus England gegessen hätten. Aus diesem Grunde erhielt die Stelle den Namen Bustard-Bai. Hier fischte man ferner eine große Menge Austern jeder Art, darunter vorzüglich kleine Perl-Austern.
Am 25. Mai befand sich die »Endeavour« eine Meile weit vom Lande, gerade gegenüber einer Spitze, welche genau unter dem Wendekreise des Steinbocks lag. Am nächsten Tage beobachtete man, daß die Fluth hier um sieben Fuß stieg und fiel. Die Fluthwelle verlief dabei nach Westen, während der Ebbe aber strömte das Wasser nach Osten, d. h. gerade entgegen der Bewegung an der Bustard-Bai. In der Nähe lagen auch viele Inseln, zwischen denen das Fahrwasser eng und ziemlich seicht war.
In der Hoffnung, eine bequeme Stelle zu finden, wo er Kiel und Rumpf seines Schiffes säubern lassen könnte, landete Cook mit Solander und Banks in einer geräumigen Bucht. Kaum an's Ufer getreten, sahen sie sich aber durch ein dichtes, bärtiges und mit scharfen Spitzen besetztes Gras – wahrscheinlich eine Art Spinifex – sehr am Gehen gehindert, da dessen Stacheln an der Kleidung hängen blieben, diese durchdrangen und die Haut empfindlich verletzten. Gleichzeitig fielen ganze Wolken von Marangouins (eine Art Mücken) und Mosquitos über sie her und belästigten sie durch schmerzliche Stiche. Eine geeignete Stelle zur Vornahme der beabsichtigten Arbeiten fand sich zwar bald, nirgends aber ein Wasserplatz. Auf den nur einzeln vorhandenen Gummibäumen hingen ungeheure Nester von weißen Ameisen, welche mit Vorliebe an den Sprößlingen derselben sitzen und sie bald ihres Milchsaftes berauben. Prächtig schillernde Schmetterlinge schaukeln sich in der Luft.
Das waren zwar lauter merkwürdige und interessante Beobachtungen, nur befriedigten sie den Kapitän auf keine Weise, der sich außer Stand sah, seinen Bedarf an Wasser zu decken. So gab sich hier gleich zu Anfange der hervorstechendste Zug der Neuen Welt kund, der es an Quellen, Flüssen und Strömen bekanntlich auffallend fehlt.
Auch ein zweiter, am Abend desselben Tages unternommener Versuch hatte kein besseres Resultat. Cook überzeugte sich jedoch, daß die Bai sehr tief war, und beschloß, sie am folgenden Tage in ihrem ganzen Umfange zu besichtigen. Er fand dabei, daß die Breite derselben hinter dem Eingange wesentlich zunahm und sie zuletzt einen ausgedehnten Binnensee bildete, der nach Nordwesten zu wieder mit dem Meere in Verbindung stand. Ein anderer Arm verlief nach Osten, und man durfte wohl annehmen, daß auch dieser See im Grunde der Bai eine andere Verbindung mit dem Meere haben werde. Dieser Theil Australiens erhielt den Namen Neu-Süd-Galles. Unfruchtbar, sandig, und trocken, fehlte ihm Alles, was zur Begründung einer Kolonie unumgänglich nothwendig ist. Diese oberflächliche Besichtigung, welche sich meist nur auf die hydrographischen Verhältnisse der Umgebung bezog, konnte die Engländer natürlich nicht auf die Vermuthung bringen, daß hier die reichsten mineralischen Schätze der Erde verborgen lagen.
Vom 31. Mai bis 10. Juni ging die Fahrt in gleich eintöniger Weise von statten. An letzterem Tage sah sich die »Endeavour«, welche an dieser Küste, mitten durch Klippen und Untiefen, eine Strecke von zweiundzwanzig Graden, d. h. gegen 1300 Meilen ohne jeden Unfall zurückgelegt hatte, plötzlich der schlimmsten Gefahr, die man sich nur denken kann, ausgesetzt.
Man segelte eben unter dem 16. Grade der Breite und unter 214° 39' westlicher Länge, als Cook, der zwei niedrige waldbedeckte Inseln gerade vor sich sah, den Befehl gab, sich während der Nacht auf offener See zu halten, um die in dieser Gegend von Quiros entdeckten Inseln aufzusuchen, einen Archipel, den einige Geographen fälschlich als zu einem großen Lande gehörig bezeichnet haben. Von neun Uhr Abends ab zeigte die Sonde von Viertelstunde zu Viertelstunde eine stetig abnehmende Tiefe. Alle Welt verweilte auf dem Deck und der Anker war schon in Bereitschaft, als die Wassertiefe plötzlich wieder bedeutend zunahm. Man schloß daraus, daß das Schiff nun die letzten bei Sonnenaufgang beobachteten Sandbänke passirt habe, und freute sich, daß diese Gefahr überstanden sei. Da die Tiefe immer noch weiter zunahm, begaben sich Cook und seine Officiere, welche keine Wache hatten, ruhig in ihre Kabinen.
Um elf Uhr Nachts aber zeigte die Sonde, welche eben erst fünfundzwanzig Faden Wasser gemeldet hatte, plötzlich nur siebenzehn, und noch ehe man dazu kam, sie nochmals auszuwerfen, streifte die »Endeavour« schon den Meeresgrund und stieß, von den Wogen gepeitscht, mit dem Hintertheil auf die Spitze eines Felsens.
Die Lage war eine ziemlich ernste. Von einem Wellenberge über den Rand einer Klippe gehoben, war die »Endeavour« nun in eine Aushöhlung derselben gesunken. Schon bei Mondschein sah man um das Schiff einen Theil des falschen Kiels und einige Planken der zweiten Umkleidung umhertreiben.
Zum Unglück war die Strandung während der Hochfluth erfolgt. Ohne Zeit zu verlieren, warf man sechs Geschütze, Fässer, Tonnen, den eisernen Ballast und Alles über Bord, was nur geeignet war, das auf dem Felsen tanzende Schiff zu erleichtern. Die Schaluppe wurde in's Wasser gesetzt, Raaen und Stengen abgenommen, das Sorrtau des Fährbootes über Steuerbord ausgelegt und der Teyanker an derselben Seite hinabgelassen, da man bemerkte, daß das Wasser hinter dem Achter mehr Tiefe hatte. So kräftig man sich aber auch am Gangspill abmühte, es gelang doch nicht, das Schiff wieder flott zu machen.
Der anbrechende Tag zeigte das ganze Entsetzliche der Lage. Vom Lande lag das Fahrzeug über acht Meilen entfernt; dazwischen keine Insel, auf der man hätte Zuflucht suchen können, wenn das Schiff, wie zu erwarten war, in Stücke gehen sollte. Obwohl man eine Last von über fünfzig Tonnen entfernt hatte, hob es sich bei der Fluth doch nur um anderthalb Fuß. Glücklicher Weise ließ der Wind nach, ohne welchen Umstand die »Endeavour« gewiß bald nur noch ein Wrack gewesen wäre. Das in den Raum eindringende Wasser stieg jedoch immer mehr, obwohl zwei Pumpen mit dessen Beseitigung beschäftigt waren, so daß man noch eine dritte benutzen mußte.
Schlimme Aussicht! Wurde das Schiff flott, so lag die Befürchtung nahe, daß es sinken würde, sobald es von dem Felsen nicht mehr gehalten wurde; blieb es fest sitzen, so zerstörten es ohne Zweifel die Wellen in kurzer Zeit. Die Boote alle aber reichten nicht hin, die ganze Besatzung auf einmal an's Land zu schaffen.
Hätte man nicht erwarten sollen, daß sich die Disciplin unter solchen Verhältnissen lockerte? Wer konnte dafür einstehen, daß eintretende Streitigkeiten das Unglück nicht noch vermehren würden? Und wenn ein Theil der Matrosen das Land erreichte, welches Schicksal stand ihnen bevor auf diesem ungastlichen Strande, wo sie sich kaum mit Netzen und Feuerwaffen hätten den nothdürftigsten Unterhalt verschaffen können? Was sollte endlich aus Denen werden, die auf dem Schiffe zurückblieben? Wohl mochten sich Alle mit diesen Gedanken tragen. Das Gefühl der Pflicht war aber so stark, und der Einfluß eines Führers, der sich bei seiner ganzen Mannschaft beliebt zu machen gewußt hatte, so weitreichend, daß solche Befürchtungen sich auch nicht durch einen Schrei, nicht durch die geringste Unordnung verriethen.
Die Kräfte der an den Pumpen nicht beschäftigten Leute wurden vorsichtig aufgespart bis zu der Zeit, wo sich das Loos Aller entscheiden würde. Man traf dabei so geschickte Anordnungen, daß alle Mann am Gangspill angriffen, als die Fluth den höchsten Stand erreicht hatte, und – es gelang das Schiff flott zu machen – während man mit großer Freude bemerkte, daß es auch ohne die Unterstützung des Felsens nicht mehr Wasser schluckte als vorher.
Die seit vierundzwanzig Stunden in Todesangst schwebenden Matrosen waren aber nun am Ende ihrer Kräfte. Alle fünf Minuten mußten die Leute an den Pumpen wechseln, da sie erschöpft zusammenbrachen.
Da sollte eine neue Hiobspost die Entmuthigung noch weiter steigern. Der mit der Messung des Wassers beauftragte Mann meldete, daß dasselbe in kurzer Zeit um achtzehn Zoll zugenommen habe. Zum Glück überzeugte man sich sehr bald, daß er nur falsch gemessen hatte, worüber sich die Mannschaft so freute, als ob schon jede Gefahr vorüber wäre.
Da kam ein Officier, Namens Monkhouse, auf einen vortrefflichen Gedanken. Er ließ an der Seite des Fahrzeuges ein gereeftes Beisegel hinab, das man mit Kabelgarn, Wolle und Excrementen der an Bord befindlichen Thiere vollgestopft hatte. Auf diese Weise gelang es, den Leck größtenteils auszufüllen. Augenblicklich dachten die Leute, welche vorher die einzige Rettung darin sahen, das Schiff auf den Strand zu setzen und aus seinen Trümmern ein anderes Fahrzeug herzustellen, das sie nach Ostindien bringen könnte, nur noch daran, einen irgend brauchbaren Hafen zu finden, um jenes frisch zu verkleiden.
Den ersehnten Hafen entdeckten sie wirklich am 17. Juni an der Mündung eines Wasserlaufes, den Cook den »Endeavour-Fluß« nannte.
Die nothwendigen Arbeiten zur Ausbesserung des Schiffes wurden ohne Zögern in Angriff genommen und so sehr als möglich beschleunigt. Die Kranken brachte man an's Land und der Stab begab sich wiederholt ebendahin, um für die Scorbutkranken etwas frisches Fleisch zu erlangen. Tupia bemerkte ein Thier, das Banks, seiner Beschreibung nach, für einen Wolf gehalten zu haben scheint. Mehrere Tage später erlegte man jedoch einige andere, welche mittelst der beiden Hinterfüße sprangen und wahrhaft erstaunliche Sätze machten. Das waren Känguruhs, große Säugethiere, die sich nur in Australien fanden und die bis jetzt noch kein Europäer erblickt hatte.
Die Wilden zeigten sich hier weniger scheu als an jedem anderen Orte. Man konnte sich denselben nicht allein nähern, sondern sie verweilten auch, von den Engländern freilich stets freundlich behandelt, mehrere Tage unter diesen.
»Sie waren im Allgemeinen«, sagt der Bericht, »von gewöhnlicher Größe, hatten dabei aber auffallend kleine Gliedmaßen; ihre Hautfarbe war ziemlich nußbraun oder ähnlich der dunkleren Chokolade; die nicht wolligen schwarzen Haare trugen sie ziemlich kurz geschnitten, die Einen glatt, die Anderen in Locken . . . einzelne Theile des Körpers hatten sie roth bemalt, und Einer hatte um die Oberlippe und auf der Brust weiße Streifen, welche sie »Carbanda« nannten. Ihre Gesichtszüge waren keineswegs unangenehm; sie hatten lebhafte Augen, sehr weiße, gleichförmige Zähne und eine sanfte, melodische Stimme.«
Mehrere trugen einen eigenthümlichen Schmuck, von dem Cook ein Beispiel bisher nur in Seeland zu Gesicht bekam, nämlich einen Vogel in Fingergröße, der durch die Nasenscheidewand gesteckt war.
Bald darauf entstand eine Streitigkeit wegen Schildkröten, welche die Mannschaft gefangen hatte und von denen die Eingebornen ihren Theil beanspruchten, obgleich sie bei dem Fange gar nicht betheiligt gewesen waren. Da man ihrem Wunsche nicht nachkam, zogen sie sich zurück und setzten das dürre Gras in Brand, in dem sich der Lagerplatz der Engländer befand. Diese verloren alle vorräthigen Lebensmittel, genossen aber, da das Feuer sich weiter verbreitete und auch die Bäume der benachbarten Hügel ergriff, die ganze Nacht hindurch ein wirklich großartiges Schauspiel.
Die Herren Banks und Solander führten inzwischen einen recht glücklichen Jagdzug aus; sie erlegten Känguruhs, Opossums (das sind Virginische Beutelthiere), eine Art Puter, Wölfe, mehrere Arten Schlangen, darunter auch einige giftige; gleichzeitig beobachteten sie große Schaaren von Vögeln, wie Hühnergeier, Falken, Cacadus, Goldammern, Papageien, Tauben und manche andere unbekannte Arten.
Als er aus dem Endeavour-Flusse herauskam, konnte sich Cook hinlänglich von der Schwierigkeit der Schifffahrt in diesen Gewässern überzeugen. Auf allen Seiten drohten hier Klippen und Untiefen. Am Abend mußte man sich entschließen, vor Anker zu gehen, da es unmöglich schien, während der Nacht durch dieses Labyrinth von Riffen weiter zu segeln. Ganz draußen, am Horizont, schien das Meer mit großer Heftigkeit über eine solche Felsenkette zu branden, welche man also für die letzte ansehen durfte.
Als Cook nach fünf langen Tagen unter fortwährendem Kampfe gegen widrige Winde dahin kam, entdeckte er drei Inseln, welche gegen vier bis fünf Meilen weiter im Norden lagen. Seine Prüfungen sollten jedoch noch nicht zu Ende sein. Noch immer umringten das Fahrzeug niedrige und dicht beieinander liegende Eilande, zwischen welche man sich kaum hineinwagen durfte. Cook fragte sich auch, ob es nicht gerathener sein möge, zurückzukehren und eine andere Fahrstraße aufzusuchen. Die durch einen solchen Umweg verursachte Verzögerung hätte ihn aber gewiß am rechtzeitigen Eintreffen in Indien gehindert. Gegen ein derartiges Project sprach auch noch ein anderes, unumgängliches Hinderniß: das Schiff besaß jetzt Proviant nur noch für drei Monate.
In dieser verzweifelten Lage beschloß Cook nun, sich soweit als möglich von der Küste zu entfernen und die äußere Klippe zu umschiffen. Bald fand er auch einen Kanal, der ihn in kurzer Zeit in das offene Meer führte.
Natürlich jubelten Alle aus Herzenslust über diesen glücklichen Wechsel ihrer Lage, sagt Kippis. Ihre hohe Befriedigung sprach sich in dem ganzen Auftreten der Engländer aus, die seit fast drei Monaten unaufhörlich mit dem Tode bedroht gewesen waren.
In jener Nacht, wo sie vor Anker lagen, hörten sie das wüthende Meer sich an den Felsen brechen und wußten, daß sie verloren waren, wenn das Ankertau riß. Dreihundertsechzig Meilen hatten sie zurückgelegt, während stets ein Mann allein damit beschäftigt blieb, die Sonde auszuwerfen und die Riffe zu untersuchen, durch welche sie segelten, wofür man von keinem anderen Schiffe ein ähnliches Beispiel kennt.
Auch wenn ihnen eine so schlimme Gefahr nicht wieder drohte, hatten die Engländer noch genug Ursache, besorgt zu sein, wenn sie die lange Reise bedachten, die sie noch durch wenig bekannte Meere und auf einem Schiffe, das jede Stunde neun Zoll Wasser einsog, mit Pumpen in schlechtem Zustand und zu Ende gehenden Provisionen, vollenden sollten.
Uebrigens entgingen die Seefahrer jener schrecklichen Gefahr nur, um am 16. August von einer fast ebenso großen überrascht zu werden. Von der Fluth nach einer Klippenreihe gezogen, über welche das Meer sehr hoch emporschäumte, außer Stande, einen Anker auszuwerfen, und bei vollständiger Windstille blieb ihnen nur das eine Hilfsmittel übrig, die Boote auf das Meer zu setzen und das Schiff durch Rudern zu schleppen. Trotz aller Anstrengung der Matrosen schwebte die »Endeavour« nur noch hundert Schritte vor dem Riffe, als sich eine so leichte Brise, daß man sie unter anderen Umständen gewiß gar nicht bemerkt hätte, erhob und es ermöglichte, das Schiff abzutreiben. Schon zehn Minuten später legte sie sich indeß wieder und noch einmal wurde die »Endeavour« bis zweihundert Schritt vor die Brandung gezogen. Nach mehreren ebenso fruchtlosen Versuchen entdeckte man zum Glück eine enge Oeffnung zwischen den Riffen.
»Die Gefahr, welche diese bot, erschien uns weniger grausam, als hier in so schrecklicher Lage noch länger auszuharren, heißt es in dem Berichte. Ein glücklicher Weise wehender leichter Wind, die Ruder der Boote und die Fluth brachten das Schiff bald vor jene Oeffnung, durch welche es mit gewaltiger Schnelligkeit hindurchsegelte. Die Macht der Strömung schützte die »Endeavour« davor, nach einer Seite des Kanals abzuweichen, der übrigens bei nur einer Meile Breite einen sehr sandigen Grund und wechselnde Tiefe zeigte, welche zwischen dreißig und sieben Faden schwankte.«
Wenn wir bei den Zufälligkeiten dieser Reise etwas länger verweilten, so geschah es, weil sie in bisher unerforschten Meeren und mitten durch Klippen und Strömungen vor sich ging, welche noch gefährlich genug für den Seefahrer sind, jetzt wo man genaue Karten über dieselben besitzt, es aber noch mehr sein müßten, wenn man, wie Cook es von der Küste Neuseelands aus that, mitten durch unbekannte Hindernisse vordringt, zu deren Vermeidung die Sicherheit des Blickes und der Instinct des Seemannes nicht immer ausreichen.
Noch harrte eine letzte Frage ihrer Lösung. Bildeten Neu-Holland und Neu-Guinea nur ein einziges Land? Sind sie durch einen Meeresarm oder eine enge Wasserstraße von einander getrennt?
Cook näherte sich also dem Lande trotz der hier unausbleiblichen Gefahren und folgte der Küste Australiens gegen Norden. Am 21. August umschiffte er die Spitze von Neu-Holland, der er den Namen Cap York gab, und drang in einen Kanal mit vielen Inseln in der Nähe des großen Landes ein, woraus er die Hoffnung schöpfte, endlich eine Durchfahrt nach dem indischen Meere gefunden zu haben. Darauf landete er noch einmal, hißte die englische Flagge, nahm feierlich für König Georg III. von der ganzen Ostküste, vom 38. bis zum 10. Grade südlicher Breite Besitz, gab dem Lande den Namen Neu-Süd-Galles und ließ, um die Ceremonie würdig zu beschließen, drei Kanonensalven abgeben.
Jetzt drang Cook in die Torres-Straße ein, die er den »Endeavour-Sund« nannte, entdeckte und taufte die am südwestlichen Eingange derselben gelegenen Wallis-Inseln, die Insel Booby, die Prinz von Galles-Gruppe und steuerte nun nach der Südküste von Neu-Guinea, der er, ohne einmal landen zu können, bis zum 3. September folgte.
An diesem Tage ging Cook mit elf bewaffneten Personen, darunter Solander, Banks und seine Diener, an's Ufer. Kaum hatten sie sich eine Viertelmeile vom Schiffe entfernt, als drei Indianer mit großem Geschrei aus dem Walde hervor- und auf sie zustürzten.
»Der uns zunächst Befindliche«, sagt der Bericht, »schwang irgend etwas mit der Hand, das er vorher an der Seite hängen hatte und das wie Kanonenpulver brannte; doch hörten wir kein Geräusch dabei.«
Cook und seine Begleiter sahen sich genöthigt, auf die Eingebornen zu feuern, um das Boot wieder erreichen zu können, von dem aus sie jene mit Bequemlichkeit betrachten konnten. Sie glichen vollkommen den Australiern, trugen wie sie die Haare kurz und gingen ganz nackt; nur schien ihre Haut etwas weniger dunkel, wahrscheinlich weil sie nicht so schmutzig war.
»Inzwischen brannten die Eingebornen ihr Feuer in wechselnden Zwischenräumen wohl vier- bis fünfmal ab. Wir haben nicht die geringste Vorstellung davon, woraus jenes bestand und was sie damit beabsichtigten; sie hielten einen kurzen Stab in der Hand, vielleicht ein hohles Rohr, den sie von einer Seite zur anderen bewegten; und bald sahen wir dann Rauch und Flammen, ganz wie bei einem Gewehrschusse und ebenso von kurzer Dauer. Auch vom Schiffe aus bemerkte man diese auffallende Erscheinung, und war dabei die Täuschung so groß, daß die Leute an Bord die Indianer im Besitze von Feuerwaffen glaubten; auch wir selbst hätten nicht daran gezweifelt, daß sie auf uns schössen, wenn unser Boot dabei nicht so nahe gewesen wäre, daß wir den Knall der Explosion unbedingt hätten hören müssen.«
Trotz der vielen Erklärungsversuche, zu denen diese Thatsache Veranlassung gab, blieb sie doch unaufgeklärt, und nur das Zeugniß eines so wahrheitliebenden Seefahrers läßt sie uns glaublich erscheinen.
Mehrere englische Officiere verlangten sofort an's Land zu gehen, um Cocosnüsse und andere Früchte zu holen, der Commandant wollte aber das Leben seiner Matrosen nicht um einer so läppischen Genugthuung willen auf's Spiel setzen. Uebrigens drängte es ihn auch, Batavia zu erreichen, um sein Schiff gründlich ausbessern zu können. Endlich hielt er es für unnütz, noch länger in diesen, von den Spaniern und Holländern schon so oft besuchten Gegenden zu verweilen, wo er voraussichtlich keinerlei neue Entdeckungen zu machen vermochte.
Nur beiläufig berichtigte er die Angaben der Lage der Inseln Arrow und Veasel, segelte dann nach Timor und rastete ein wenig bei Savu, wo sich die Holländer vor kurzer Zeit festgesetzt hatten. Hier verproviantirte sich Cook wieder frisch und bestimmte mittelst einer sehr sorgfältigen Beobachtung seine Position zu 10° 35' der Breite und 237° 30' westlicher Länge.
Nach kurzem Aufenthalte gelangte die »Endeavour« nun nach Batavia, wo sie wiederum möglichst gut in Stand gesetzt wurde. Nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren sollte jedoch diese Rast in einem ungesunden Lande mit endemischen Fiebern der ganzen Reisegesellschaft sehr verderblich werden. Banks, Solander, Cook und die meisten Matrosen erkrankten; mehrere starben auch, darunter vorzüglich der Schiffsarzt Monkhouse, sowie Tuvia und der kleine Tayeto. Nur zehn Mann blieben vom Fieber wirklich verschont. Am 27. December stach die »Endeavour« wieder in See und legte am 5. Januar 1772 bei der Prinzeninsel an, um Lebensmittel einzunehmen.
Die Krankheiten, welche unter der Mannschaft herrschten, nahmen nun einen noch ernsteren Charakter an. Dreiundzwanzig Personen erlagen derselben, unter ihnen leider auch der Astronom Green.
Nachdem er am Cap der Guten Hoffnung gehalten, wo er nach allen Seiten einen ausgezeichneten Empfang fand, ging Cook wieder in See, berührte St. Helena und warf am 11. Juni, nach einer Abwesenheit von nahezu vier Jahren, wieder vor Dunes Anker.
So endete Cook's erste Reise, »bei welcher er«, sagt Kippis, »so viele Gefahren überwand, so viele Länder entdeckte und häufig genug den Beweis lieferte, daß er eine hervorragende Befähigung besaß, so gefahrvolle Unternehmungen und aufreibende Anstrengungen durchzuführen und auszuhalten!«