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Das Interesse genuesischer und venetianischer Kaufleute, das Innere Asiens zu erschließen. – Die Familie Polo und ihre Stellung in Venedig. – Die beiden Brüder Nicolo und Matteo Polo. – Sie gehen von Konstantinopel an den Hof des Kaisers von China. – Ihr Empfang am Hofe Kublaï-Khans. – Der Kaiser ernennt sie zu seinen Gesandten beim Papste. – Ihre Rückkehr nach Venedig. – Marco Polo. – Er reist mit seinem Vater Nicolo und seinem Onkel Matteo nach der Residenz des Herrschers der Tartaren. – Der neue Papst Gregor X. – Marco Polo's Reisebericht, von ihm selbst dictirt und von Rustician aus Pisa niedergeschrieben.
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Den Unternehmungen so vieler kühner Reisender in Mittelasien, Indien und China gegenüber konnten die Kaufleute Genuas und Venedigs natürlich nicht gleichgiltig bleiben. Sie erkannten, daß diese Länder bald neue Absatzgebiete für ihre Producte bilden müßten und daß andererseits durch Einführung der orientalischen Waaren nach dem Occident ein großer Gewinn zu erzielen sei. Ein solches Handelsinteresse trieb erklärlicher Weise bald neue Forscher auf den Weg der Entdeckungen hinaus. Aehnliche Gründe bestimmten auch zwei vornehme Venetianer, ihr Vaterland zu verlassen und allen Mühsalen und Gefahren so weiter Reisen zu trotzen, um ihre Handelsbeziehungen zu erweitern.
Diese beiden Venetianer gehörten der aus Dalmatien stammenden Familie Polo an, welche in Folge ihrer durch rege Handelsthätigkeit erworbenen Reichthümer zu den Patrizierkreisen Venedigs zählte. Im Jahre 1260 begaben sich die Brüder Nicolo und Matteo von Konstantinopel aus, wo sie ein Zweiggeschäft errichtet und schon mehrere Jahre verlebt hatten, mit einer Ladung Galanteriewaaren nach der von ihrem älteren Bruder Andrea Polo geleiteten Filiale in der Krim. Von hier wendeten sie sich nach Nordwesten, zogen durch das Land von Comanien und erreichten auf der Wolga das Lager Barkaï-Khans. Dieser Mongolenfürst empfing die beiden venetianischen Kaufleute sehr gut und kaufte ihnen den ganzen Vorrath an Galanteriewaaren ab, den sie ihm zum doppelten Preise anboten.
Ein Jahr lang verweilten Nicolo und Matteo Polo in dem mongolischen Lager; dann brach aber, im Jahre 1262, zwischen Barkaï und dem Fürsten Hulagu, dem Beherrscher von Persien, Krieg aus. Da die beiden Brüder die von den Tartaren überschwemmten Gegenden zu vermeiden wünschten, zogen sie vor, sich nach Bukhara, die erste Residenz Barkaï's, zu begeben, und hielten sich daselbst drei Jahre lang auf. Als aber Barkaï besiegt und seine Hauptstadt eingenommen ward, zwangen die Parteigänger Hulagu's die beiden Venetianer, ihnen nach der Residenz des Groß-Khans der Tartarei zu folgen, der ihnen übrigens gleichfalls einen ausgezeichneten Empfang bereiten würde. Dieser, Kublaï-Khan, der vierte Sohn Gengis-Khans, war Kaiser von China und bewohnte jener Zeit die Sommerresidenz in der Mongolei, an der Grenze des chinesischen Reiches.
Die venetianischen Kaufleute brachen auf und gebrauchten ein ganzes Jahr zur Fahrt durch die ungeheure Landstrecke, welche Bukhara von der nördlichen Grenze Chinas trennt.
Kublaï-Khan fühlte sich ganz glücklich, Fremdlinge aus dem Abendlande bei sich zu empfangen. Er veranstaltete ihnen zu Ehren große Festlichkeiten und erkundigte sich eindringlich nach den Ereignissen in Europa, fragte nach allen Einzelheiten über die Kaiser und Könige, über ihre Regierungsweise und die Art der Kriegführung; dann unterhielt er sich mit ihnen auch längere Zeit über den Papst und die Angelegenheiten der italienischen Kirche.
Matteo und Nicolo, welche der tartarischen Sprache schon vollkommen mächtig waren, beantworteten freimüthig alle Fragen des Kaisers. Dieser ging damals mit dem Gedanken um, an den päpstlichen Stuhl eine Gesandtschaft zu schicken, und ersuchte die beiden Brüder, als seine Gesandten zu Sr. Heiligkeit zu gehen. Die Kaufleute nahmen das dankbar an, da sie in Folge der Bekleidung mit diesem neuen Charakter jedenfalls unbehelligter zurückzukommen glaubten. Der Kaiser ließ Karten in türkischer Sprache anfertigen und bat den Papst um Absendung von hundert gelehrten Männern, um die Götzendiener zum Christenthume zu bekehren; den Venetianern gab er auch einen seiner Großen, Namens Coyatal, bei und beauftragte diesen, ihm etwas Oel aus der heiligen Lampe mitzubringen, die fortwährend über dem Grabe Christi in Jerusalem brannte.
Mit Pässen ausgerüstet, die ihnen im ganzen Bereiche des Kaiserthums Menschen und Pferde zur Verfügung stellten, nahmen die beiden Brüder vom Khan Abschied und machten sich im Jahre 1266 auf den Weg.
Coyatal verfiel bald in eine Krankheit. Die Venetianer mußten sich von ihm trennen, setzten also ihren Weg fort und brauchten aber, trotz aller Hilfe, die sie fanden, nicht weniger als drei Jahre, um Laïas, einen Hafen Armeniens, der jetzt unter dem Namen Issus bekannt ist und im Grunde des Issi'schen Golfes liegt, zu erreichen. Von Laïas aus begaben sie sich nach Acre im Jahre 1269, dort erfuhren sie den Tod Papst Clemens' IV., an den ihre Sendung lautete. In genannter Stadt residirte jedoch der Legat Tebaldo. Er empfing die Venetianer, und als sie ihn mit der vom Khan ertheilten Botschaft bekannt machten, veranlaßte er sie, die Wahl eines neuen Papstes abzuwarten.
Matteo und Nicolo, welche seit fünfzehn Jahren aus ihrem Vaterlande abwesend waren, beschlossen, nach Venedig zurückzukehren. Sie wandten sich nach Negroponte und schifften sich dort auf einem Fahrzeuge ein, das sie direct nach ihrer Vaterstadt geleitete.
Bei der Ankunft erfuhr Nicolo das Ableben seiner Gattin und die Geburt eines Sohnes, der ihm wenig Monate nach seiner Abreise im Jahre 1254 geboren worden war. Dieser Sohn hieß Marco Polo. Zwei volle Jahre warteten die Brüder, denen die Ausführung ihres Auftrages am Herzen lag, auf Erwählung eines neuen Papstes. Da es hierzu aber immer noch nicht kam, glaubten sie ihre Rückkehr zu dem mongolischen Kaiser nicht länger hinausschieben zu dürfen; sie fuhren also nach Acre ab und nahmen auch den jungen Marco mit, der damals höchstens siebenzehn Jahre zählen konnte. In Acre trafen sie auch den Legaten Tebaldo wieder, der sie ermächtigte, Oel aus der ewigen Lampe zu Jerusalem zu entnehmen. Nachdem sie sich dieses Vorhabens entledigt, kehrten die Venetianer nach Acre zurück und versuchten wegen Mangels an einem Papste den Legaten um ein Schreiben für Kublaï-Khan, in welchem er diesen den Tod Clemens' IV. anzeigen möchte. Tebaldo kam dem Wunsche nach und die beiden Brüder kehrten nach Laïas zurück. Dort kam ihnen zu ihrer größten Freude die Nachricht zu, daß Tebaldo am 1. September 1271 unter dem Namen Gregor X. zum Papste gewählt worden sei. Der Neuerwählte rief sie sofort zu sich und der König von Armenien stellte eine Galeere zu ihrer Verfügung, um sie so schnell als möglich nach Acre zu bringen. Der Papst empfing sie mit großer Auszeichnung, händigte ihnen Briefe an den Kaiser von China aus, gab ihnen auch zwei predigtgewandte Brüder, Nicolas de Vincence und Wilhelm von Tripolis, mit und ertheilte Allen seinen Segen.
Die Gesandten nahmen darauf von Sr. Heiligkeit Abschied und segelten nun wiederum nach Laïas. Kaum in dieser Stadt angelangt, waren sie aber nahe daran, von den Banden des Mameluken-Sultan Bibars, der jener Zeit Armenien verheerte, gefangen genommen zu werden. Die beiden Prediger-Mönche verzichteten, durch diesen Anfang abgeschreckt, darauf, nach China zu gehen, und überließen es den beiden Venetianern und Marco Polo, dem Mongolen-Kaiser die Briefe des Papstes zu überreichen.
Jetzt beginnt nun die eigentliche Reise Marco Polo's. Ob er wirklich alle von ihm beschriebenen Länder und Städte besucht oder nur gesehen hat? Sicher nicht; auch ist in der von ihm dictirten und von Rusticien aus Pisa französisch niedergeschriebenen Erzählung seiner Reise ausdrücklich ausgesprochen, »daß Marco Polo, ein gelehrter und vornehmer Venetianer, alles dieses mit eigenen Augen sah oder, was er nicht selbst sah, doch aus dem Munde glaubwürdiger und wahrheitsliebender Männer hörte«. Wir fügen jedoch gleich hier die Bemerkung bei, daß der größte Theil der von Marco Polo erwähnten Königreiche und Städte wirklich von ihm selbst besucht wurde. Wir folgen also seinem Berichte und bezeichnen nur das ausdrücklich, was der berühmte Reisende selbst erst vom Hörensagen mittheilt, während der Ausführung der wichtigen Missionen, mit denen ihn der Kaiser Kublaï-Khan betraute. Bei der zweiten Reise hielten die Venetianer nicht dieselbe Route ein, der sie gefolgt waren, als sie sich zum ersten Male zum Kaiser von China begaben. Sie waren damals an der Nordseite der Himmlischen Berge oder des Gebirges Thian-chan-pe-lu dahingegangen, was ihren Weg nicht wenig verlängerte. Diesmal hielten sie sich an der Südseite jener Berge, doch brauchten sie trotz der geringeren Länge dieses Weges nicht weniger als dreiundeinhalb Jahr, da sie von häufigen Regen und Ueberschwemmungen der großen Flüsse zurückgehalten wurden. Dieser Reise kann Jedermann auf einer Karte von Asien leicht nachgehen, denn wir haben im Folgenden an Stelle der alten Namen Marco Polo's überall die Bezeichnungen der modernen Geographie eingesetzt.
Klein-Armenien. – Groß-Armenien. – Der Berg Ararat. – Georgien. – Mossul, Bagdad, Bassorah, Tauris. – Persien. – Die Provinz Kirman. – Comadi. – Ormuz. – Der Alte vom Berge. – Cheburgan. – Balaï. – Kaschmir. – Kaschgar. – Samarkand. – Cotan. – Die Wüste. – Tangut. – Caracorum. – Sigman-fur. – Die Residenz Kublaï-Khans. – Cambaluc, jetzt Peking. – Die Feste des Kaisers – Seine Jagden. – Beschreibung von Peking. – Die Münze und die chinesischen Banknoten. – Die Posten des Kaiserreichs.
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Marco Polo verließ die Stadt Issus und schildert Klein-Armenien als ein sehr ungesundes Land, dessen früher kräftige Einwohner jetzt zurückgekommen und elend sind und nur noch Talent zum unmäßigen Trinken haben. Der Hafen von Issus dagegen ist der Lagerplatz der kostbarsten Erzeugnisse Asiens und das Stelldichein der Kaufleute aller Länder. Von Klein-Armenien wendet sich Marco Polo nach Turkomanien, dessen verwilderte Stämme die prachtvollen Weiden ausnützen, indem sie weitberühmte Pferde und Maulesel züchten. Die Arbeiter in den Städten zeichnen sich in der Herstellung von Tapeten und Seidenstoffen aus. Groß-Armenien, welches Marco Polo von hier aus kennen lernte, bietet im Sommer einen sehr geeigneten Lagerplatz für tartarische Heerhaufen. Dort sah der Reisende den Berg Ararat, auf dem nach der Sündfluth die Arche Noah's sitzen blieb, und er führt von den an das Kaspische Meer grenzenden Gebieten an, daß sie reich an Naphta-Quellen seien, welche sehr intensiv ausgebeutet würden.
Marco Polo verließ Groß-Armenien und wendete sich gegen Nordwesten nach Georgien, ein Königreich, das den südlichen Abhang des Kaukasus einnimmt und dessen alte Könige, der Sage nach, »mit dem Bilde eines Adlers auf der rechten Schulter« zur Welt kamen. Die Georgier sind seiner Meinung nach gute Bogenschützen und treffliche Krieger. Die Gewerbetreibenden des Landes verfertigen wunderschöne Seiden- und Goldstoffe. Dort finden sich der vier Stunden lange, zwischen dem Fuße des Kaukasus und dem Kaspischen Meere hinführende Engpaß, den die Türken das eiserne Thor, die Europäer den Paß von Derbent nennen, und jener geheimnißvolle See, in dem, wie man sagt, Fische nur an Fasttagen gefangen werden.
Von dieser Stelle aus stiegen die Reisenden nach dem Königreiche von Mossul hinab und erreichten die gleichnamige Stadt am Ufer des Tigris und nach dieser Bagdad, wo der Kalif aller Sarazenen seinen Sitz hat. Marco Polo erzählt hier die Eroberung Bagdads durch die Tartaren im Jahre 1255 und erwähnt auch eine wunderbare Geschichte zur Bekräftigung jenes christlichen Glaubenssatzes, daß der Glaube Berge versetzen könne; dann giebt er für Kaufleute den Weg an, der von dieser Stadt aus nach dem Persischen Golfe führt und den man auf dem Flusse über Bassorah durch das Land der Datteln in achtzehn Tagen zurücklegen kann.
Von hier aus bis Tauris, eine persische Stadt in der Provinz Adzerbraïdjan, bietet der Bericht Marco Polo's eine Lücke. Jedenfalls begegnet man ihm erst in Tauris, einer großen Stadt mit lebhaftem Verkehr und mitten in Gärten gelegen, wieder, welche viel Handel mit Edelsteinen und anderen kostbaren Waaren betreibt, deren sarazenische Bewohner aber von schlechtem Charakter und treuloser Natur sind. Hier stellt er die geographische Eintheilung Persiens in acht Provinzen auf. Die Bewohner dieses Landes sind seiner Angabe nach gefährlich für die Kaufleute, welche sich nicht auf die Reise begeben dürfen, ohne mit Bogen und Pfeilen bewaffnet zu sein. Einen Haupthandelsartikel bilden Pferde und Maulesel, die man nach Kis oder Ormuz und von da aus nach Indien schickt; die Erzeugnisse des Landes bestehen in Käse, Honig und Weintrauben, von denen letztere in überraschender Menge gedeihen.
Marco Polo ging im Süden bis nach Yezd, einer im äußersten Osten des eigentlichen Persiens gelegenen schön gebauten, vornehmen und gewerbfleißigen Stadt hinab. Von dieser aus mußten die Reisenden sieben Tage lang durch prächtige, wildreiche Wälder reiten, um bis zur Provinz Kirman zu gelangen. Hier arbeiteten mit gutem Erfolge Bergleute in vielen Gruben auf Türkisen, Eisen u. s. w., während kunstvolle Nadelarbeiten, die Herstellung von Harnischen und Waffen, sowie die Zucht von Jagdfalken eine große Menge der Bewohner beschäftigten. Von der gleichnamigen Stadt Kirman aus zogen Marco Polo und seine zwei Begleiter während voller neun Tage durch ein reiches und gut bevölkertes Land und erreichten die Stadt Comadi, wahrscheinlich das heutige Memaum, die auch zu jener Zeit schon ziemlich verfallen war. Die Landschaft selbst war wirklich herrlich; überall schöne, große und fette Schafe, schöne, weiße Stiere mit kurzen, kräftigen Hörnern und Tausende von Haselhühnern und anderen Arten von Wild; dazu prachtvolle Bäume, meist Dattelpalmen, Orangenbäume und Pistazien.
Nach weiteren fünf Tagen betraten die drei Reisenden gegen Mittag die schöne Ebene von Cormos, dessen heutiger Name Ormuz ist und die zwei liebliche Flüsse bewässern. Zwei Tage befand sich Marco Polo an der Küste des persischen Golfes in der Stadt Ormuz selbst, welche den Seehafen des Königreiches Kirman bildet. Das Land erschien ihm sehr heiß und ungesund, aber reich an Datteln und Gewürzbäumen; die Erzeugnisse des Bodens, kostbare Steine, Stoffe von Seide und Gold, Elefantenzähne, Dattelwein und andere Waaren fanden sich in der Stadt aufgestapelt, vor welcher viele einmastige, nur mit Holzpflöcken, nicht mit eisernen Nägeln verbundene Fahrzeuge vor Anker lagen, von denen stets nicht wenige auf der Fahrt durch das indische Meer zu Grunde gehen.
Von Ormuz aus kam Marco Polo, der wieder nach Nordosten umkehrte, nach Kirman zurück; dann zog er hinaus auf gefahrdrohende Wege mitten durch eine öde Wüste, in der sich nur salziges Wasser findet – dieselbe Wüste, welche 1500 Jahre früher Alexander mit seinem Heere durchzog, als er von seiner Begegnung mit dem Admiral Nearchus von den Mündungen des Indus zurückkam – und sieben Tage nachher betrat er die Stadt Khabis, an der Grenze des Königreichs Kirman. Durch scheinbar grenzenlose Einöden gelangte er binnen acht Tagen nach Tonocain, jedenfalls der heutige Hauptort der Provinz Kumis, also wahrscheinlich Damaghan.
Hier erzählt Marco Polo mehrere Einzelheiten über den Alten vom Berge, den Chef der Haschischeis, einer mohamedanischen Secte, die sich durch ihren religiösen Eifer, aber auch durch entsetzliche Grausamkeiten hervorthat. Nach ferneren sechs Reisetagen besuchte er dann die carossanische Stadt Cheburgan, in weitem Umkreis einfach »die Stadt« genannt, wo die Melonen süßer sind als Honig, und hierauf die vornehme, an den Quellen des Oxus gelegene Stadt Balac. Dann kam er, quer durch ein Land mit zahlreichen Löwen dahinziehend, nach Taikan, einem hervorragenden Markt für Salz, welches eine große Menge Käufer dahinlockte, und später nach Scasem; es ist das Marsdens Kashem, Hiouen Isangs Kischin oder Krisin, welches Sir H. Ravlinson mit dem Hügel Kharesm des Zend Avesta identificirt, wohin einige neuere Comentatoren das heutige Cunduz versetzen. In dieser Gegend fand man sehr viele Stachelschweine, und wenn man auf sie Jagd macht, sagt Marco Polo, »rollen sich diese Thiere zusammen und schießen gleichsam gegen die Hunde die Stacheln ab, welche sie auf dem Rücken und an der Seite tragen«. Heutzutage wissen wir freilich, wieviel an dieser Fähigkeit des Stachelschweins, sich zu vertheidigen, wirklich Wahrheit ist.
Die Reisenden betraten nun das gebirgige Territorium von Balacian, dessen Könige sich ihrer Abstammung von Alexander dem Großen rühmen, ein kaltes Land, welches gute ausdauernde Pferde hervorbringt, sehr viele Falken züchtet und reich an Wild ist. Hier finden sich auch Gruben, die den scharlachrothen Rubin liefern und den der König zu seinem Nutzen in einem Berge, Namens Sighinan, ausbeuten läßt, welch' letzteren kein Unbefugter bei Todesstrafe betreten darf. Auch an anderen Orten treibt man hier Bergbau aus Silbererz und gewinnt viel Stein, aus welchem »der feinste Azur der Welt« hergestellt wird, d. h. also Lapis-Lazuli. Marco Polo muß sich in dieser Gegend ziemlich lange aufgehalten haben, da er eine überraschend genaue Ortskenntniß zu besitzen scheint. Zehn Tagereisen von Balacian liegt eine Landschaft, welche wohl das heutige Paischore sein mag, dessen heidnische Einwohner sich durch ihre dunkle Hautfarbe auszeichnen; sieben Marschtage weiter nach Süden aber das Königreich Kaschmir, ein Land mit gemäßigtem Klima, zahlreichen Städten und Dörfern und vielen von Natur schon starken Engpässen, so daß es zur Vertheidigung wie geschaffen erscheint. Hätte Marco Polo auch noch weiter seine frühere Richtung eingehalten, so wäre er nach Indien hineingekommen; er wendete sich aber nach Norden und gelangte nach zwölf Tagen in das von dem Oberlauf des Oxus bewässerte Gebiet von Vaccan, inmitten prächtiger Weiden mit ungeheuren Heerden wilder Schafe, welche man Muflons nennt; von hier aus kamen die Reisenden durch die Landschaft von Pamer und Belor, eine zwischen die orographischen Systeme, des Altaï und Himalaya eingeschobene Gebirgsgegend, welche ihnen volle vierzig Tage kostete, nach der Provinz Kaschgar. Hier lenkte nun Marco Polo auf denselben Weg ein, den Matteo und Nicolo Polo bei ihrer ersten Reise, als sie von Bukhara nach der Residenz des Groß-Khans geleitet wurden, einschlugen. Von Kaschgar aus machte Marco Polo einen Abstecher nach Westen bis Samarkand, eine große von Christen und Sarazenen bewohnte Stadt; dann kam er wieder durch Kaschgar und begab sich nach Yarkund, welche Stadt die Handelskarawanen zwischen Indien und dem nördlichen Asien häufig besuchen; hierauf durch Cotan, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ziehend, und Pein, eine nicht genau bestimmbare Ortschaft berührend, in deren Nähe man viel Jaspis und Chalcedon gräbt, erreichte er ein Königreich Ciarcian, vielleicht Kharachar, das sich längs der Wüste von Gobi ausdehnt; endlich konnte er nach fünftägigem Marsche durch sandige, wasserlose Ebenen acht Tage lang in der heute zerstörten Stadt Lob ausruhen, woselbst er alle Vorbereitungen traf, zur Reise durch die sich nach Osten hin erstreckende Wüste, »welche so groß ist, sagt er, daß man ein volles Jahr brauchen würde, sie in ihrer ganzen Länge zu durchziehen, und die von Geistern heimgesucht wird, in deren Mitte unsichtbare Trommeln und andere Instrumente ertönen«.
Nachdem sie jene Wüste ihrer Breite nach binnen drei Monaten durchmessen, gelangten die drei Reisenden in die Provinz Tangut und nach der an der Westgrenze des chinesischen Reiches erbauten Stadt Cha-ticheou. In genannter Provinz leben nur wenig Handeltreibende, dafür aber sehr viel Ackerbauer, welche sich von dem Erlöse aus ihrem Getreide erhalten. Von den Sitten und Gebräuchen in Tangut, welche Marco Polo's größtes Interesse erweckt zu haben scheinen, verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß man die Todten nicht eher als an einem durch Astrologen bestimmten Tag zu verbrennen pflegt; »und die ganze Zeit über, während der Todte noch in der Wohnung verbleibt, halten ihm seine Angehörigen einen Platz am Tische offen und setzen ihm Speisen und Getränke vor, als ob er noch am Leben wäre«.
Nach ihrem Austritt aus der Wüste machen Marco Polo und seine Begleiter einen Ausflug gegen Nordwesten hin, nach der Stadt Amil, und dringen bis Ginchintales vor, das ist eine Stadt, über deren Lage keine Uebereinstimmung unter den Gelehrten herrscht, und welche damals von Heiden, Mohamedanern und nestorianischen Christen bewohnt war.
Von Ginchintales kehrte Marco Polo nach Chaticheou zurück und nahm seinen Weg durch Tangut wieder auf nach der Stadt So-ceu zu, über ein für den Anbau von Rhabarber sehr geeignetes Gebiet, und nach Canpician, dem Kan-tcheou der Chinesen, damals der Hauptstadt von ganz Tangut. Es war jene eine sehr hervorragende Stadt, bewohnt von reichen heidnischen Häuptlingen, welche der Vielweiberei huldigen und meist ihre Cousinen oder »die Frau ihres Vaters« heiraten. Hier wohnten die drei Venetianer ein ganzes Jahr lang. Man begreift also leicht, daß ihre Reise nach Central-Asien unter Berücksichtigung solcher Aufenthalte und ihrer Gewohnheit, gern Abstecher vom Wege zu machen, mehr als drei Jahre in Anspruch nehmen konnte.
Als Marco Polo Khan-tcheou verließ, mußte er zwölf Tage lang reisen, bis er in Etzina, an der Grenze einer Sandwüste eintraf. Auch hiermit machte er wiederum einen Umweg, da er zu weit nach Norden hinauf kam; er hatte sich aber einmal vorgenommen, das berühmte Caracorum, die Hauptstadt der Tartaren, zu besuchen, in welcher Rubruquis im Jahre 1254 gewohnt hatte.
Marco Polo besaß gewiß sozusagen das Zeug zu einem Entdeckungsreisenden, denn er scheute vor keiner Anstrengung zurück, wenn es galt, seine geographischen Kenntnisse zu erweitern. So mußte er, um jene Tartarenstadt zu erreichen, vierzig Tage lang durch eine häuser- und menschenleere Wüstenei wandern.
Endlich erreichte er Caracorum, eine Stadt, deren Umfang volle drei Meilen betrug. Nachdem er sich lange in dem Hauptorte des mongolischen Reiches aufgehalten, wurde dieser durch Gengis-Khan, einem Vorfahren des heutigen Kaisers, erobert, und Marco Polo macht bei dieser Gelegenheit eine historische Digression, in der er über die Kämpfe des Tartaren-Helden gegen den berüchtigten Priester Johann, der das ganze Land seiner Herrschaft unterworfen hatte, Bericht erstattet.
Nochmals nach Khan-tcheou zurückgekehrt, wanderte Marco Polo fünf Tage hindurch nach Osten und gelangte nach der Stadt Erginul, wahrscheinlich identisch mit Liang-tcheu. Von hier aus machte er, um Siguan-fu kennen zu lernen, einen kleinen Umweg nach Süden, in der wilde Ochsen, so groß wie Elefanten, weideten, neben jenen kostbaren ziegenartigen Thieren, welche den Namen Bisamhirsche erhalten haben. Nun zogen die Reisenden wieder nach Liang-tcheu hinauf und nach Osten weiter, wo sie in acht Tagen Cialis erreichten, eine Stadt, in der man aus Kameelhaaren die schönsten Camelots der Welt herstellt, und dann in der Provinz Tendur die Stadt gleichen Namens, in welcher ein dem Groß-Khan unterworfener Abkömmling des Priesters Johann residirte. Es war das ein gewerbfleißiger und handelsthätiger Ort. Mit einem Winkel nach Norden begaben sich die Venetianer über Sinda-cheu jenseits der großen chinesischen Mauer bis nach Ciacannor, jedenfalls Tsaan-Balgassa, eine hübsche Stadt, wo der Kaiser gern residirt, wenn er sich dem Vergnügen der Falkenjagd hingeben will, denn Kraniche, Störche, Fasanen und Rebhühner giebt es hier in erstaunlicher Menge.
Von Ciacannor aus erreichten Marco Polo, sein Vater und sein Onkel nach drei Tagereisen die Stadt Ciandu, das heutige Chang-tu, welches an anderen Stellen des Berichtes Clemen-fu genannt wird. In der hier befindlichen Sommerresidenz Kublaï-Khans, welche nördlich der großen Mauer, im Norden von Cambulac, das jetzt unter dem Namen Peking die Hauptstadt des ganzen Reiches geworden ist, liegt, wurden die päpstlichen Gesandten empfangen. Der Reisende spricht wenig von der ihm zu Theil gewordenen Aufnahme, doch beschreibt er sehr eingehend den Palast des Khans als einen großen Bau von Quadersteinen und Marmor, dessen Gemächer alle über und über mit Gold bedeckt sind. Dieser Palast ist inmitten eines von Mauern umgebenen Parkes erbaut, in dem sich Menagerien und Springbrunnen befinden und sogar ein ganzes Gebäude aus Rosenstöcken, welche so dicht verflochten sind, daß kein Wasser hindurchdringen kann; es war das ein Kiosk, der vollständig entfernt werden konnte, und den der Khan während der Monate Juni, Juli und August, d. h. während der schönen Jahreszeit, bewohnte. Diese Jahreszeit mußte freilich schön sein, denn nach Aussage Marco Polo's hatten sich die stets um ihren Herrn befindlichen Astrologen verpflichtet, durch ihre Zauberformeln jeden Regen, Nebel oder sonstiges schlechtes Wetter zu zerstreuen. Der venetianische Reisende scheint wirklich an der Macht dieser Magiker nicht im Geringsten zu zweifeln. »Diese weisen Männer, sagte er, gehören verschiedenen Racen an und sind alle Götzendiener; sie verfügen über Teufelskünste und kennen weit mehr Beschwörungsformeln als andere Menschen, und was sie thun, vollbringen sie mit Hilfe des Teufels, während sie Andere glauben zu machen suchen, sie vermöchten das durch ihre Frömmigkeit und durch die Hilfe Gottes. Uebrigens verfahren diese Leute in folgender Weise: Wenn ein Mensch zum Tode verurtheilt und hingerichtet worden ist, nehmen sie ihn für sich in Anspruch, kochen ihn und essen ihn auf; wäre er eines natürlichen Todes gestorben, so würden sie sich hüten, es zu thun. Nun vernehmt auch, daß die Leute, von denen ich rede, und welche so viel Zaubereien verstehen, folgendes Wunder zu Stande bringen, das ich hier mittheilen will: Wenn der Groß-Khan im Hauptsaale an dem Tische sitzt, der gut über acht Ellen lang ist, und man die Trinkgefäße wenigstens zehn Schritte von dem Tische entfernt auf den Fußboden gestellt hat, welche Gefäße alle mit Wein, Milch oder anderen kostbaren Getränken gefüllt sind, so bringen es diese gelehrten Zauberer durch ihre Künste und Beschwörungen dahin, daß jene vollen Kufen sich von selbst erheben und vor den Groß-Khan aufstellen, ohne daß sie ein Mensch berührt; sie führen das auch vor tausend Zuschauern aus, und Alles ist die reine Wahrheit und sicher keine Lüge; übrigens werden Euch die der Nekromantie Kundigen sagen können, wie das zugeht.«
Marco Polo liefert im Weiteren eine Geschichte Kublaï-Khans, der der mächtigste unter allen Menschen ist und mehr Länder und Schätze besitzt als jemals ein Anderer seit Adam, unserem Stammvater. Er erzählt, wie der Groß-Khan, der damals im Alter von achtzig Jahren stand und ein Mann von mittlerer Größe, ziemlich beleibt, doch im Ganzen wohlgestaltet, mit weiß und rothem Gesicht und schönen schwarzen Augen war, im Jahre 1256 nach Christi Geburt den Thron bestieg. Er war ein guter Anführer im Kriege und bewies das vorzüglich, als sein Onkel Naïan, der sich empört hatte, ihm an der Spitze von 400.000 Reitern die Regierung zu entreißen versuchte. Kublaï-Khan versammelte »in der Stille« 360.000 Mann zu Pferde nebst 100.000 Mann Fußvolk und zog gegen seinen Oheim zu Felde. Es kam zu einer entsetzlichen Schlacht. »In derselben fielen so viele Menschen, daß es ein wahres Wunder war.« Doch Kublaï-Khan blieb dabei Sieger, und Naïan, der, in seiner Eigenschaft als Prinz von königlichem Geblüt, lebend in einen engen Teppich eingenäht wurde, starb so eines grausamen Todes.
Nach dem Siege kehrte der Kaiser im Triumph in seine Hauptstadt von Chatay zurück, welche damals Chamba-luc hieß und nach und nach zur heutigen Stadt Peking geworden ist. In letzterer angelangt, mußte Marco Polo daselbst ziemlich lange verweilen, bis er mit verschiedenen Missionen im Innern des Reiches betraut wurde. In Camba-luc erhebt sich der prächtige Palast des Kaisers, von dem der Reisende folgende Beschreibung liefert, die wir nach dem Texte von Charton wiedergeben und welche wenigstens annähernd eine Vorstellung von den Reichthümern jener Mongolenherrscher erweckt.
»Vor dem Palaste befindet sich eine viereckige Mauer, deren jede Seite eine Meile lang ist, was also vier Meilen Umfang ergiebt; sie ist gewaltig groß, gut zehn Fuß hoch, ganz weiß und mit Zinnen versehen. In jeder Ecke der Mauer steht ein sehr schöner, reicher Palast, in welchen die Rüstungen des Groß-Khans aufbewahrt werden, seine Bogen, Köcher, die Sättel und Zäume der Pferde, die Bogensehnen und überhaupt Alles, was zum Kriege gebraucht wird; denkt man sich den großen Raum in vier Abtheilungen geschieden, so steht in der Mitte jeder derselben wiederum ein Palast, ähnlich denen in den Ecken, so daß es also acht im Ganzen ergiebt, welch' letztere mit den Rüstungen des Groß-Herrn gefüllt sind, so daß sich in jedem eine besondere Art befindet, in dem einen die Bögen, in dem nächsten die Sättel u. s. w. Die Südseite der Mauer ist von fünf Thoren durchbrochen, deren mittelstes sich nur öffnet, um den Groß-Khan ein- oder hinauszulassen; dann auf jeder Seite derselben zwei kleinere für andere Passanten. Im Innern dieser Mauer ist noch ein besonderer Raum, wiederum durch eine mehr lange als breite Mauer abgeschlossen, in welcher noch einmal acht Paläste stehen, ebenfalls nur als Magazine für das Rüstzeug des Groß-Herrn bestimmt.«
Man erkennt, daß alle bisher aufgezählten Paläste nur die Pferdeausrüstungen und Waffensammlungen des Kaisers enthalten. Man wird über diese große Anzahl Rüstungen weniger erstaunen, wenn man erfährt, daß der Groß-Khan eine besondere Race schöner, weißer Pferde ganz allein besaß, und darunter 10.000 Stuten, deren Milch ausschließlich für die Prinzen aus königlichem Blute bestimmt war.
Marco Polo fährt mit folgenden Worten fort: »Diese zweite Mauer hat ebenfalls fünf Thore an der Mittagseite, ähnlich denen der äußeren Mauer. An den anderen Seiten haben die Mauern nur je ein Thor. In der Mitte derselben befindet sich nun der Palast des Groß-Herrn, von dem ich Euch in Folgendem eine Beschreibung gebe. Er ist größer, als man jemals einen sah. Eine zweite Etage besitzt er zwar nicht, doch ist das Erdgeschoß zehn Handbreiten höher als der Boden der Umgebung. Das Dach desselben ist sehr hoch; die Wände der Säle und Zimmer sind mit Gold und Silber bedeckt, und hat man an denselben Drachen, wilde Thiere, Vögel, Pferde und andere Thiere dargestellt, so daß man nichts sieht als Gold und Malereien. Der Hauptsaal ist so groß und breit, daß 6000 Menschen darin speisen können.
Der Palast enthält so viel Räumlichkeiten, daß es ein Wunder ist, sie zu sehen. Er ist so groß und so schön, daß kein Mensch auf der Erde, auch wenn er die Macht dazu hätte, einen besseren errichten lassen könnte. Das Dach darüber ist ganz ausnehmend hoch, grün, blau, gelb und von anderen Farben, und so herrlich gefirnißt, daß es wie Krystall spiegelt und ringsumher leuchtet. Dabei ist dieses Dach so stark und solid hergestellt, daß es gewiß viele Jahre aushält. Zwischen den Mauern befinden sich Wiesen mit prächtigen Bäumen und mancherlei Thieren. Da giebt es weiße Hirsche, Thiere, welche den Moschus liefern, Ziegen, Damhirsche, Fehs und andere Arten schöner Thiere, welche den ganzen Raum innerhalb der Mauern, mit Ausnahme der für die Menschen bestimmten Wege, füllen. Auf der einen Seite, nach Nordwesten zu, liegt ein sehr großer See mit den verschiedensten Fischen, denn der Groß-Herr hat mancherlei hineinsetzen lassen, und so kann er, sobald er das wünscht, davon ganz nach Belieben haben. Aus diesem See entspringt ein großer Fluß, der nach außen abstießt; man traf aber durch ausgespannte Eisen- und Erzfäden eine Vorrichtung, daß kein Fisch entschlüpfen kann. Gegen Norden, einen Bogenschuß weit vom Palaste, hat der Groß-Herr eine Anhöhe aufschütten lassen. Es ist das ein über hundert Schritt hoher Berg, der im Umfange mehr als eine Meile mißt. Derselbe ist bedeckt mit Bäumen, welche ihre Blätter niemals verlieren, sondern stets grün bleiben. Vernehmt auch, daß der Groß-Herr, sobald er von einem besonders schönen Baume hörte, denselben mit allen Wurzeln und dem anhängenden Erdreich ausheben und durch seine Elefanten nach dem Berge schaffen ließ, so daß er immer gleich große Bäume einsetzte. So besaß er wirklich die schönsten Bäume der Welt. Der Groß-Herr ließ auch den ganzen Berg mit einer besonderen Art Azur bedecken, der lebhaft grün aussieht, so daß die Bäume grün erscheinen, der Berg selbst ebenfalls grün und man nichts Anderes sieht als grün, weshalb der Berg auch den Namen »der grüne Berg« führt. Auf der Mitte seines Gipfels steht weiter ein großer, schöner und wiederum durchwegs grüner Palast. Dieser Berg, die Bäume und der Palast bieten einen so reizenden Anblick, daß Alle, die es sehen, davon entzückt sind, und der Groß-Herr hat diesen Berg auch nur aufschütten lassen, um sich ein so eigenthümliches Vergnügen zu verschaffen.«
Nach dem Palaste des Khans beschreibt Marco Polo den seines Sohnes und Thronerben; dann die Stadt Cambaluc selbst, welche er als eine alte Stadt schildert, die von den neueren Bauten Taidus durch einen Kanal getrennt wird, der das heutige Peking in eine tartarische und eine chinesische Hälfte scheidet. Als scharfer Beobachter belehrt uns der Reisende auch über das Thun und Treiben des Kaisers. Seinem Berichte nach hat Kublaï-Khan eine Leibwache von 2000 Reitern, welche er »jedoch nicht etwa aus Furcht unterhält«. Seine Mahlzeiten sind wirkliche Feierlichkeiten, bei denen die strengste Etiquette herrscht. An seiner über die anderen etwas erhöhten Tafel hat er zur Linken seine erste Frau, zur Rechten und etwas tiefer seine Söhne, Neffen und andere Verwandte; bedient wird er durch hohe Reichsbarone, welche darauf achten, Mund und Nase mit schönen, golddurchwirkten Tüchern zu verschließen, »damit ihr Athem und Geruch nicht die Speisen und Getränke des Groß-Herrn berühren«. Will der Kaiser trinken, so beginnt sofort ein Concert von vielen Instrumenten, und wenn er das Trinkgefäß in der Hand hält, fallen alle Reichsbarone und andere Anwesende ehrerbietig auf die Kniee.
Die bedeutendsten Feste giebt der Groß-Khan, das eine an seinem Geburtstage und das andere stets zu Neujahr. Bei dem ersten fungiren 12.000 Barone, denen der Kaiser jährlich 150.000 mit Gold und Perlen verzierte Kleider zum Geschenk macht, an seinem Throne, während die heidnischen und christlichen Unterthanen öffentliche Gebete verrichten. Beim zweiten Feste, zu Anfang des neuen Jahres, kleidet sich die ganze Bevölkerung, Männer und Weiber, durchaus weiß, weil die weiße Farbe alten Ueberlieferungen zufolge Glück bringt, und Jedermann bietet dem Souverän Geschenke von hohem Werthe an. Hunderttausend reichgeschirrte Rosse, fünftausend mit herrlichen Tüchern bedeckte Elefanten, welche den kaiserlichen Thronsessel tragen, und eine große Anzahl Kameele defiliren dabei vor dem Kaiser.
Während der drei Monate December, Januar und Februar, die der Groß-Khan in seiner Winterresidenz zubringt, sind alle Großen im Umkreise von sechzig Tagereisen verpflichtet, ihm Hirsche, Damwild, Ziegen und Bären zu liefern. Uebrigens ist Kublaï auch selbst ein fertiger Jäger und seine Jagdmeute sehr gut im Stande. Er besitzt Leoparden, Wolfshirsche und sogar abgerichtete Löwen, um das Wild einzufangen, sehr große und starke Adler, welche Wölfe, Füchse, Damhirsche und Ziegen zu fangen vermögen »und es wirklich auch oft thun«, endlich Hunde gleich zu Tausenden. Mit dem Monat März beginnt der Kaiser seine großen Jagden, wozu er sich nach dem Meere begiebt; dabei begleiten ihn nicht weniger als 10.000 Falkoniere mit 500 Geierfalken, einer unzählbaren Menge von Habichten, Wanderfalken und heiligen Falken. Während dieser Ausflüge begleitet ein tragbarer, auf vier Elefanten errichteter Palast, dessen Außenwände mit Bärenfellen, die Innenseite mit golddurchwirktem Tuch bekleidet ist, den tartarischen König, der sich in solchem orientalischen Pompe gefällt. So begiebt er sich bis zum Lager von Chachiri-Mondu, an einem Nebenflusse des Amur, und schlägt hier sein Zelt auf, das groß genug ist, um 10.000 Reiter zu beherbergen. Dasselbe bildet seinen Empfangssaal und hier ertheilt er auch wirklich Audienzen. Will er sich zurückziehen oder des Schlummers Pflegen, so steht ihm in einem anderen Zelte ein mit Hermelin- und Zobelfellen verzierter Saal zur Verfügung, von welchen Fellen jedes 2000 Goldmünzen, d. h. etwa 20.000 Frcs. von unserer Münze werthet. Hier wohnt der Kaiser bis Ostern, jagt Schweine, Hasen, Damwild und Ziegen und kehrt dann nach seiner Hauptstadt Cambaluc zurück«.
Marco Polo vervollständigt hier auch die Beschreibung dieser prächtigen Stadt. Er zählt die zwölf Quartiere, welche sie zusammensetzen, auf, in denen die reichen Kaufleute sich herrliche Paläste errichtet haben, denn diese Stadt treibt außerordentlich lebhaften Handel. Hierher strömen mehr kostbare Waaren zusammen, als nach irgend einem Punkte der Welt. Wenigstens tausend mit Seide beladene Wagen treffen täglich daselbst ein. Hier ist der Lagerplatz und Markt für die reichsten Erzeugnisse Indiens, z. B. Perlen und Edelsteine, und man kommt hierher zum Zweck des Einkaufs wohl aus zweihundert Meilen in der Runde. Für die Bedürfnisse des Handels hat der Groß-Khan auch eine Münze errichten lassen, welche für ihn eine unerschöpfliche Quelle von Reichthümern ist. Freilich besteht das hier angefertigte Geld – wirkliche Banknoten mit dem Siegelabdruck des Herrschers – aus einer Art von der Rinde des Maulbeerbaumes hergestelltem Carton. Dieses steife Papier wird je nach dem ihm beigelegten Werthe in verschiedener Weise zerschnitten. Natürlich hat diese Münze Zwangskurs. Der Kaiser verwendet sie selbst bei allen Zahlungen seinerseits und sucht sie in allen, seiner Gewalt unterworfenen Ländern zu verbreiten, »so daß Niemand bei Verlust des Lebens deren Annahme verweigert darf«. Mehrmals im Jahre sind die Besitzer von Edelsteinen, Perlen, Gold und Silber verpflichtet, ihre Schätze im Hotel der Münze abzuliefern, woselbst sie die obenerwähnten Papierstücke als Zahlung empfangen, so daß der Kaiser also alle Schätze seines Landes tatsächlich allein besitzt.
Nach Marco Polo beruht das System der kaiserlichen Regierung auf einer streng durchgeführten Centralisation. »Das in vierunddreißig Provinzen getheilte Reich wird von zehn obersten Baronen verwaltet, welche alle in der Stadt Cambaluc selbst wohnen. In den Palästen dieser Barone halten sich auch die Intendanten und Schreiber auf, welche die Geschäfte für jede Provinz versehen. Rings um die Stadt strahlen viele, sehr gut unterhaltene Straßen aus, welche an verschiedenen Punkten des Reiches enden; auf diesen Straßen sind Postrelais mit reichlichem Pferdebestand eingerichtet, in Abständen von zweiundzwanzig zu zweiundzwanzig Meilen, in welchen Relais 200.000 Pferde stets bereit stehen, die Boten des Kaisers zu befördern. Zwischen den Relais befindet sich aller drei Meilen ein Weiler aus etwa vierzig Häuser bestehend, worin die Couriere wohnen, welche die Botschaften des Groß-Khan zu Fuß weiter besorgen; diese Läufer tragen eine Binde um die Stirne und um die Taille einen Gürtel mit Schellen, so daß sie schon von Weitem hörbar sind; sie laufen stets im Galopp, legen ihren Weg von drei Meilen sehr schnell zurück, übergeben ihre Nachrichten dem sie dort empfangenden Courier und auf diese Weise erhält der Kaiser Nachrichten aus zehn Tagereisen entfernten Orten schon binnen einem Tage und einer Nacht. Dazu kostet das Beförderungsmittel Kublaï-Khan sehr wenig, denn er begnügt sich damit, seine Couriere mit Steuern verschont zu lassen, während die Pferde der Relais von den Einwohnern der betreffenden Provinzen unentgeltlich verpflegt und erhalten werden.
Wenn der Herrscher der Tartaren aber einerseits seine Allgewalt auf diese Weise ausübt und seine Unterthanen mit schweren Lasten bedrückt, so kümmert er sich doch andererseits immer um ihre Bedürfnisse und kommt ihnen nicht selten nach Kräften zu Hilfe. Hat z. B. der Hagel die Ernten vernichtet, so erläßt er den Betroffenen nicht allein die gewohnten Steuern, sondern liefert ihnen auch Getreide aus seinen eigenen Vorräthen; haben Viehseuchen die Bewohner einer Provinz ihrer Nutzthiere beraubt, so ersetzt er ihnen die gefallenen auf seine Kosten. Er sorgt dafür, in guten Jahren eine Menge Weizen, Gerste, Hirse, Reis und andere Producte aufzuspeichern, um die Preise der Naturerzeugnisse in seinem Reiche stets auf einem mittleren Stande zu erhalten. Für die arme Bevölkerung seiner Hauptstadt Cambaluc hat er eine besondere Vorliebe. So läßt er Listen von allen armen Haushaltungen, denen es am Nöthigsten fehlt, aufstellen, welche sich zu sechs, acht und zehn Personen nicht wenig finden. Diesen läßt er Weizen und anderes Getreide, je nach ihrer Personenzahl, aber stets reichlich austheilen, und wer da immer kommt, um am Hofe des Groß-Herrn um Brod anzusprechen, wird daselbst niemals abgewiesen. Hiervon machen täglich etwa 30.000 Personen Gebrauch, und diese Vertheilung findet das ganze Jahr über statt; gewiß eine großartige Wohlthätigkeit eines Herrschers gegenüber seiner armen Unterthanen. Diese zollen ihm dafür aber auch eine fast göttliche Verehrung.« Uebrigens wird das ganze Reich mit aller Sorgfalt verwaltet. Die Landstraßen befinden sich in bestem Zustande und sind mit wahrhaft prächtigen Bäumen besetzt, wodurch sie auch in verlassenen Gegenden stets leicht erkennbar bleiben. Bei dem Reichthum an Wäldern fehlt es den Einwohnern nie an Holz, und dazu werden, vorzüglich in Chatai, noch ergiebige Kohlengruben ausgebeutet, welche Steinkohlen in Ueberfluß liefern.
Marco Polo hielt sich in der Stadt Cambaluc lange Zeit auf. Gewiß erwarb er sich durch seinen Scharfblick, seinen Geist und die Leichtigkeit, mit der er sich die verschiedenen Idiome des Reiches aneignete, das besondere Wohlwollen des Kaisers. Er ward mit verschiedenen Sendungen betraut, nicht nur in China selbst, sondern auch nach den indischen Meeren, nach der Coromandel- und Malabarküste und nach dem Cambodje benachbarten Theilen von Cochinchina, dann aber, wahrscheinlich zwischen 1277 und 1280, zum Gouverneur der Stadt Jang-tcheu und siebenundzwanzig anderer, unter ihrer Jurisdiction stehenden Städte ernannt. In Folge seiner Sendungen durchstreifte er einen großen Theil der genannten Länder und sammelte dabei viele Dokumente von geographischem sowohl wie von ethnographischem Interesse. Mit der Karte an der Hand werden wir leicht im Stande sein, ihn bei seinen Reisen, aus denen die Wissenschaft so großen Nutzen ziehen sollte, überallhin zu folgen.
Tso-cheu. – Tai-yen-fu. – Pin-yang-fu. – Der Gelbe Fluß. – Si-gnan-fu. Szu-tchuan. – Ching-tu-fu. – Thibet. – Li-kiang-fu. – Carajan. – Yang-chang. – Mien. – Bengalen. – Annam – Taï-Ping. – Cintingui. – Sindi-fu. – Te-cheu. – Tsi-nan-fu. – Lin-tsin-cheu. – Lin-cing – Mangi. – Yang-cheu-fu. – Küstenstädte. – Quin-say oder Hang-tcheu-fu. – Fo-kien.
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Nach längerem Aufenthalte in Cambaluc wurde Marco Polo mit einer Sendung betraut, die ihn vier Monate lang von der Hauptstadt entfernt hielt. Etwa zehn Meilen südlich von Cambaluc überschritt er den prächtigen Strom Pe-ho-nor, von ihm selbst Pulisanghi genannt, auf einer schönen Marmorbrücke von vierundzwanzig Bögen und dreihundert Schritt Länge, welche auf der ganzen Erde nicht ihresgleichen hat. Dreißig Meilen weiter kam er nach Tso-cheu, eine sehr gewerbthätige Stadt, wo man besonders Sandelholz bearbeitet. Zehn Tagereisen von Tso-cheu erreichte er die heutige Stadt Tai-yen-fu, die Hauptstadt von Schan-si, früher der Sitz einer unabhängigen Regierung. Das ganze Land erschien ihm reich an Weinstöcken und Maulbeerbäumen; die Hauptindustrie der Stadt bestand jener Zeit in der Anfertigung von Ausrüstungsgegenständen für Rechnung des Kaisers. Sieben Tagereisen von hier entfernt lag die hübsche Stadt Pian-fu, das heutige Pin-yang-fu, mit lebhaftem Handel und vielen Seiden-Manufacturen. Nachdem Marco Polo diese Stadt besucht, langte er an den Usern des berühmten Gelben Flusses an, den er Carnicoran oder Schwarzen Fluß nennt, wahrscheinlich wegen seines in Folge vieler Sumpfpflanzen dunkel erscheinenden Wassers; nach zwei weiteren Tagen erreichte er Cacian-fu, dessen Lage von den sachkundigen Geographen nicht zweifellos hat ermittelt werden können.
Als Marco Polo diese Stadt, in der ihm nichts Bemerkenswerthes auffiel, verließ, ritt er durch eine schöne, wildreiche, mit Schlössern, Landhäusern und Gärten dicht besäete Gegend. Nach acht Tagen kam er in der vornehmen Stadt Quengianyfu an, der früheren Hauptstadt der Thang-Dynastie, d. i. in der heutigen Stadt Si-gnan-fu, der Hauptstadt von Shen-si. Hier führte die Regierung ein Sohn des Kaisers, Mangalai, ein sehr gerechter und bei den Unterthanen äußerst beliebter Fürst, der einen prächtigen Palast außerhalb der Stadt und in einem Parke bewohnte, dessen zinnengekrönte Mauer ihn in einem Umfange von fünf Meilen umschloß.
Von Si-gnan-fu begab sich der Reisende nach Thibet zu durch die jetzige Provinz Szu-tchuan, eine bergige, von großen Thälern durchschnittene Gegend, in welcher Löwen, Bären, Wolfshirsche, Damwild, Gemsen und Hirsche umherstreifen, und nach dreiundzwanzig Reisetagen befand er sich an der Grenze der ausgedehnten Ebene von Acmelec-Mangi. Diese Landschaft ist sehr fruchtbar; sie liefert allerlei Bodenerzeugnisse in Ueberfluß und vorzüglich Ingwer, mit dem sie die ganze Provinz Chatai versorgt. Die Ergiebigkeit des Bodens ist eine so große, daß die Hektare Land mit 24.000 Mark (12.000 fl.), der Quadratmeter also mit 2,4 Mark (l fl. 20 kr.) bezahlt wird. Im 13. Jahrhundert war die ganze Ebene mit Schlössern und Landhäusern bedeckt und die Bewohner ernährten sich von dem Ertrage des Bodens und der Jagd auf wilde und eßbare Thiere, welche den Jägern eine reichliche und leicht zu erlangende Beute lieferte.
Marco Polo erreichte hierauf die Hauptstadt der Provinz Szu-tchuan, Sindafu, das heutige Ching-tu-fu, dessen Bevölkerung in unserer Zeit die Zahl von fünfzehn Hunderttausenden überschreitet. Sindafu ist, bei einem Umfange von zwanzig Meilen, in drei, von je einer eigenen Mauer umschlossene Quartiere getheilt, deren jedes seinen König hatte, bevor sich Kublaï-Khan der Stadt bemächtigte. Durch dieselbe stoß der wie ein See breite, fischreiche und stets von unzähligen Fahrzeugen bedeckte Kiang-Strom. Nachdem er diese handelsthätige und gewerbreiche Stadt verlassen, erreichte Marco Polo nach fünftägiger Reise durch ungeheure Wälder die Provinz Thibet, welche er »ausfallend öde« nennt, »denn sie war eben durch einen Krieg verwüstet«.
Thibet ist reich an Löwen, Bären und anderen Raubthieren, deren sich die Reisenden nur schwierig erwehren könnten, wenn dort nicht ein wunderbar starkes und langes Rohr, nämlich der Bambus, in wahrhaftem Ueberflusse wüchse. So benutzen denn »die Kaufleute und Reisenden, welche die Nacht in diesen Landschaften verbringen, jene Rohrstengel und unterhalten damit ein mächtiges Feuer, weil jene, wenn sie brennen, ein solches Geräusch und Krachen verursachen, daß Löwen, Bären und andere wilde Thiere erschrocken das Weite suchen und jenem Feuer um Alles in der Welt nicht zu nahe kommen; die Reisenden entzünden also dieses Feuer, um ihre eigenen Nutzthiere gegen die in dem Lande sehr zahlreichen Raubthiere zu schützen. Der erwähnte Höllenlärm entsteht aber auf folgende Art und Weise: Man bricht jene Rohrstengel völlig grün und legt mehrere derselben in ein Holzfeuer; nach einiger Zeit ziehen sich dieselben krumm und springen dabei mit einem solchen Geräusch auf, daß es in der Nacht wohl auf zehn Meilen im Umkreise hörbar ist. So lang man sich noch nicht selbst daran gewöhnte, ist man ganz erstaunt darüber, so entsetzlich ist es anzuhören; Pferde z. B., die es noch niemals hörten, erschrecken so sehr, daß sie Stricke und Halfter zerreißen und entfliehen, was nicht gar so selten vorkommt; weiß man aber vorher, daß sie gegen jenes Geräusch noch nicht »abgehärtet« sind, so verdeckt man ihnen die Augen und fesselt alle vier Beine, so daß sie, wenn jener Höllenlärm anhebt, nicht davonlaufen können. Auf diese Weise entgehen die Menschen nebst ihren Thieren den gefährlichen Bestien, von denen es in diesem Lande wimmelt.« Das von Marco Polo beschriebene Verfahren wird noch jetzt in Bambus erzeugenden Gegenden angewendet, und in der That gleicht das Knacken und Knattern der vom Feuer verzehrten Rohrstengel dem heftigsten Raketenknallen bei einem Kunstfeuerwerke.
Nach dem Berichte des venetianischen Reisenden ist Thibet eine sehr große Provinz mit eigener Sprache, deren götzendienerische Bewohner als gefürchtete Diebe gelten. Ein sehr bedeutender Strom mit goldführendem Sande, der Khin-cha-kiang, durchzieht dieselbe. In ihm fischt man auch eine große Menge Korallen, welche für Götzenbilder und als Frauenschmuck vielfache Verwendung finden. Thibet stand damals übrigens unter der Herrschaft des Groß-Khans.
Von Sandifu aus hatte Marco Polo eine westliche Richtung eingeschlagen. Er kam auf diesem Wege durch das Königreich Gaindu und wahrscheinlich nach Li-kiang-fu, der Hauptstadt jener Landschaft, welche heute das Gebiet von Si-mong darstellt. In genannter Provinz besuchte er einen herrlichen See, welcher Perlenmuscheln enthielt, deren Ausbeutung aber allein dem Kaiser vorbehalten war. Das Land hat Ueberfluß an Gewürznelken, Ingwer, Zimmet und anderen geschätzten Gewürzen.
Nach seinem Aufbruche aus Gaindu und nach Ueberschreitung eines großen Stromes, vielleicht des Irrauadi, drang Marco Polo, der sich nun genau nach Südosten wendete, in die Provinz Carajan ein, ein Gebiet, das wahrscheinlich den nordwestlichen Theil von Jun-nan bildet. Seiner Aussage nach sollen die Bewohner derselben, welche fast Alle beritten sind, das rohe Fleisch der Hühner, Schafe, Büffel und Ochsen verzehren; diese Ernährungsweise träfe man ganz allgemein an, wobei höchstens die Reichen das rohe Fleisch ein wenig durch Knoblauchbrühe oder Zusatz von Gewürzen schmackhafter zu machen suchten. In diesem Lande gab es auch eine Menge großer Nattern und schrecklich anzuschauender Schlangen. Die betreffenden Reptilien – jedenfalls handelt es sich um Alligatoren – waren gegen zehn Schritte lang; sie besaßen zwei mit einer Kralle bewehrte Füße dicht hinter dem Kopfe, welcher selbst übermäßig groß war, so daß die Thiere einen Mann mit einem Male zu verschlingen vermochten.
Fünf Tagereisen westlich von Carajan, von welchem Punkte sich Marco Polo wieder nach Süden wendete, betrat er die Provinz Zadardan, deren Hauptstadt Nocian die heutige Stadt Yung-chang darstellt. Alle Bewohner derselben hatten goldene Zähne, d. h. es herrschte damals die Mode, die Zähne mit dünnen Goldplättchen zu belegen, welche abgenommen wurden, wenn man essen wollte. Die Männer in dieser Provinz, welche stets zu reiten Pflegen, betreiben nur »Vogelfang, Jagd und Krieg«; die beschwerlicheren Arbeiten fallen den Frauen oder den Sklaven zu. Die Zadarnienser haben weder Götzenbilder noch Kirchen, sondern verehren nur den Aeltesten der Familie, gleichsam als Patriarchen. Aerzte giebt es bei ihnen ebenfalls nicht; an deren Stelle bedienen sie sich der Zauberer, welche vor einem Kranken so lange springen, tanzen und gewisse Instrumente spielen, bis derselbe entweder stirbt oder wieder gesundet.
Von der Provinz der Menschen mit den Goldzähnen aus folgte Marco Polo zwei Tage lang der Landstraße, welche für den Verkehr zwischen Indien und Indo-China dient, und kam dabei durch Bama, wo dreimal wöchentlich ein bedeutender Markt abgehalten wird, der Kaufleute selbst aus den fernsten Ländern herbeizieht. Nachdem er vierzehn Tage lang durch ungeheure Wälder mit vielen Elefanten, Nashörnern und anderen wilden Thieren geritten, kam er nach der großen Stadt Mien, d. h. nach dem Theile Ober-Birmas, dessen jetzige, in späterer Zeit erbaute Hauptstadt Amrapura heißt. Diese Stadt Mien, vielleicht das alte, jetzt in Ruinen liegende Ava oder das alte Paghan am Irrauadi, besaß ein wahres Wunderwerk der Baukunst in Gestalt zweier Thürme, die von den schönsten Steinen errichtet und der eine mit fingerdicken Goldplatten, der andere mit ebenso starken Silberplatten bedeckt waren; beide dienten übrigens als Grabstätten der Könige von Mien, bevor das Königreich der Gewalt des Khans verfallen war.
Nach einem Besuche dieser Provinz ging Marco Polo herab bis Bengala, d. i. das jetzige Bengalen, welches jener Zeit, im Jahre 1290, Kublaï-Khan noch nicht angehörte. Die Heere des Kaisers bereiteten sich eben, dieses fruchtbare Land, dessen Reichthum an Baumwolle, Ingwer und Zuckerrohr bekannt war und dessen prächtige Rinder an Größe fast den Elefanten gleich kamen, für ihren Herrn zu erobern. Ferner wagte sich der Reisende noch hinab bis zur Stadt Cancigu, in der gleichnamigen Provinz, wahrscheinlich das heutige Kassay. Die Bewohner dieses Landstriches tätowirten ihren Körper und zeichneten mit Hilfe feiner Nadeln auf Gesicht und Hals, auf Leib, Hände und Beine die Bilder von Löwen, Drachen, Vögeln u. dgl. und hielten Denjenigen für den schönsten Menschen, der die meisten derartigen Malereien an seinem Körper trug.
Cancigu bezeichnet den südlichsten Punkt, den Marco Polo auf dieser Reise erreichte. Von hier aus kehrte er wieder nach Nordosten zurück und kam durch das Land Amu, entsprechend dem heutigen Anam und Ton-kin, wozu er vierzehn Tage brauchte, nach der Provinz Toloman, d. i. heute das Gouvernement Taï-ping. Daselbst traf er sehr schöne Menschen mit ziemlich dunkler Hautfarbe an, kräftige Kriegsleute, welche ihre Berge mit festen Schlössern gekrönt hatten, und deren gewöhnliche Nahrung aus Thierfleisch, Milch, Reis und Gewürzen bestand.
Von Toloman aus hielt sich Marco Polo zwölf Tage über längs eines mit zahlreichen Städten besetzten Flusses. Charton bemerkt hierbei ganz richtig, daß sich der Reisende nun von dem, unter dem Namen Indien jenseits des Ganges bekannten Lande entfernt und nach China hin zurückkehrt. Wirklich besuchte er auch von Toloman aus Guigui oder Chintingui und die gleichnamige Hauptstadt des Landes. Was Marco Polo in diesen Gegenden am meisten auffällt – er scheint nämlich ein eifriger Jäger gewesen zu sein – ist die große Anzahl von Löwen, welche die Ebenen und Berge unsicher machen. Doch herrscht zwischen den Sachverständigen volle Uebereinstimmung darin, daß Marco Polo's Löwen nur – Tiger gewesen sind, denn Löwen kommen in China nicht vor. Sein Bericht hierüber lautet übrigens wie folgt: »In diesem Lande giebt es so viele Löwen, daß man nicht außerhalb des Hauses schlafen kann, ohne Gefahr zu laufen, aufgefressen zu werden. Selbst wenn man auf einem Strome fährt und in der Nacht irgendwo still liegt, muß man dafür sorgen, weit vom Ufer entfernt zu schlafen, denn sonst kommen die Löwen bis zum Schiffe heran, rauben sich einen Menschen und verzehren denselben. Die hiermit schon vertrauten Einwohner hüten sich deshalb sehr wohl. Jene Löwen sind sehr groß und äußerst gefährlich; höchst merkwürdig aber erscheint in dieser Gegend auch das Vorkommen von Hunden, welche den Muth haben, sogar Löwen anzugreifen, doch müssen ihrer immer Zwei sein, denn ein Mann und zwei Hunde werden auch mit einem großen Löwen fertig.«
Von dieser Provinz aus ging Marco Polo geraden Weges nach Sindifu, der Hauptstadt der Provinz Szu-thouan, zurück, von wo aus er zu seiner Mission nach Thibet aufgebrochen war, schlug nun den schon früher benutzten Weg ein und kehrte zu Kublaï-Khan zurück nach glücklicher Durchführung seiner Sendung nach Indo-China. Wahrscheinlich wurde Marco Polo vom Kaiser auch noch mit einer anderen Mission nach dem südöstlichen China betraut, d. i. wie Pauthier in seiner schönen Arbeit über den venetianischen Reisenden sagt, »die reichste und handelsthätigste Provinz des ungeheuren Reiches, von welcher man auch seit dem 16. Jahrhundert in Europa die meiste und eingehendste Kenntniß hat«.
Folgt man der auf Pauthier's Karte eingezeichneten Reiseroute, so begab sich Marco Polo, als er Cambaluc verließ, nach der südlicher gelegenen gewerbreichen Stadt Ciangli, wahrscheinlich Te-cheu, und sechs Tagereisen von da nach Condinfu, das heutige Tsi-nan-fu, die Hauptstadt der Provinz Chan-tung, in der Confucius geboren ward. Es war das damals nicht nur eine große, sondern auch die vornehmste Stadt in weiter Umgebung, nach welcher viele Seidenhändler zu kommen pflegten und deren wunderschöne Gärten große Mengen der herrlichsten Früchte lieferten. Drei Tagereisen von Condinfu langte Marco Polo bei der Stadt Lin-tsin-cheu, am Anfänge des großen Jun-no-Kanales und an dem Sammelplatze unzähliger Fahrzeuge an, welche nach den Provinzen Mangi und Cathay erstaunliche Mengen der verschiedensten Maaren bringen. Acht Tage später passirte er Ligui, welches der heutigen Stadt Ling-cing zu entsprechen scheint, Pi-ceu, ein Handelsplatz der Provinz Tschiang-su, ferner die Stadt Cingui, und kam dann bei Caramoran an den Gelben Fluß, den er gelegentlich der Fahrt nach Indo-China schon einmal in seinem oberen Laufe überschritten hatte. Hier befand sich der Reisende jetzt kaum eine Meile entfernt von der Mündung jener größten und wichtigsten Pulsader Chinas. Mit Ueberschreitung des Stromes betrat Marco Polo die unter dem Namen des Reiches der Song bekannte Provinz Mangi.
Das Königreich Mangi stand, bevor es Kublaï-Khan gehörte, unter der Herrschaft eines sehr friedfertigen Königs, der die Greuel des Krieges verabscheute und an den Leiden Unglücklicher aufrichtig theilnahm. Wir lassen hier folgen, was Marco Polo über ihn sagt, und geben wegen der hübschen Abfassung seines Berichtes gleich den ursprünglichen Text desselben wieder: »Dieser letzte Kaiser der Song-Dynastie konnte wohl so große Ausgaben machen, daß sie an Verschwendung grenzten; ich will Euch hier zwei sehr edelmüthige Züge von ihm mittheilen: Jedes Jahr sorgte er für die Ernährung von 20.000 kleinen Kindern, denn die armen Weiber setzen ihre Kinder gleich nach der Geburt aus, wenn sie dieselben nicht ernähren können. Der König ließ Alle aufsammeln und eintragen, unter welchem Zeichen und welchem Planeten sie geboren waren, dann sorgte er dafür, daß sie an verschiedenen Orten aufgezogen wurden, denn Ammen fanden sich dazu in Menge. Besaß ein reicher Mann keinen Sohn, so wandte er sich an den König und ließ sich von demselben beliebig viele und diejenigen, welche er am liebsten nehmen wollte, schenken. Erreichten die Knaben und Mädchen dann das geeignete Alter, so verheiratete er sie mit einander und vermittelte ihren Lebensunterhalt; auf diese Weise erzog er jährlich 20.000 Kinder männlichen und weiblichen Geschlechtes. Befand er sich auf der Straße und bemerkte er ein kleines Haus zwischen zwei großen, so fragte er, warum dasselbe nicht so groß sei wie die anderen; und erhielt er dann die Antwort, daß die Armuth des Besitzers es diesem nicht erlaube, es anders bauen zu lassen, so ließ er es ebenso groß und schön herstellen wie die anderen. Des Königs tägliche Bedienung bestand aus tausend Edelknappen und Edelfräulein. Er hielt in seinem Reiche auf eine so strenge Rechtspflege, daß ein Verbrechen überhaupt gar nicht vorkam; selbst des Nachts blieben die Häuser der Kaufleute offen stehen, doch eignete sich kein Unbefugter daraus etwas an; auch konnte man in der Nacht ebenso sicher reisen wie am Tage«.
In der Provinz Mangi traf Marco Polo auf die Stadt Coigangui, das heutige Hoaï-gnan-fu, am Ufer des Gelben Flusses, dessen Hauptindustrie in der Bereitung von Salz besteht, welches zahlreiche Salzmoräste liefern. Eine Tagereise von hier erreichte der Reisende, der einer mit sehr schönen Steinen gepflasterten Straße folgte, die wegen ihrer golddurchwirkten Tücher weitberühmte Stadt Pau-in-cheu, ferner Caiu, das heutige Kao-yu, dessen Einwohner sich als Fischer und Jäger auszeichnen, später die Stadt Tai-cheu, wohin die Schiffe in großer Anzahl kommen, und endlich die Stadt Yangui.
Dieses Yangui entspricht dem heutigen Yang-che-fu, dessen Gouverneur Marco Polo drei Jahre hindurch gewesen war. Es ist das eine volkreiche, betriebsame Handelsstadt von nicht weniger als zwei Meilen Umfang. Von Yangui aus trat Marco Polo verschiedene Reisen an, durch welche er seine umfassenden Kenntnisse der Küsten- und Binnenstädte erlangte.
Zuerst wandte sich unser Reisender nach Westen, wo er zunächst die Stadt Nanghin – nicht zu verwechseln mit dem heutigen Nan-king, denn jene heißt jetzt Nyan-khing – erreichte, die in sehr fruchtbarer Gegend liegt. Derselben Richtung weiter folgend, kam Marco Polo nach Saian-fu, d. i. das jetzige Siang-yang, im nördlichen Theile der Provinz Hu-kuang, gleichzeitig die letzte Stadt von Mangi, welche der Herrschaft Kublaï-Khans noch Widerstand leistete. Monatelang belagerte der Kaiser den Ort vergeblich, dessen tapfer vertheidigte Befestigungen er nur mit Hilfe der drei Polo's erobern konnte, welche mächtige Wurfmaschinen herstellten und die Belagerten mit einem Hagel von Steinen überschütteten, deren einige bis dreihundert Pfund wogen.
Von Saian-fu kehrte Marco Polo auf demselben Wege zurück, um die Städte an der Küste zu bereisen; jedenfalls kam er dabei nochmals nach Yang-tcheu. Dabei besuchte er Singui (Kiu-kiang), an dem hier eine Meile breiten Kiang-Strome, der daselbst für 5000 Schiffe auf einmal Platz hat; Kain-gui, welches den größten Theil des Getreides für die kaiserliche Hofhaltung liefert, Cinghian-fu (Chingiam) mit zwei Kirchen für nestorianische Christen; Cinguigui, heute Tchang-tcheu-fu, eine belebte Handels- und Industriestadt, und Sun-gui, jetzt Su-tcheu oder Su-cheu, eine große Stadt von sechs Meilen im Umfang, die nach dem übertreibenden Berichte des venetianischen Reisenden damals nicht weniger als 6000 Brücken gehabt hätte.
Nach einem kurzen Aufenthalte in Vugui, wahrscheinlich Hu-tcheu-fu, und in Ciangan, dem jetzigen Kia-hing, erreichte Marco Polo nach dreitägiger Fahrt die angesehene Stadt Quinsay. Dieser Name bedeutet die »Stadt des Himmels«, während der Ort heutzutage Hang-tcheu-fu genannt wird. Er mißt sechs Meilen im Umkreis und wird von dem in unzählige Arme vertheilten Tsien-tang-kiang durchströmt, der eben dadurch Quisay zu einem zweiten Venedig macht. Diese alte Hauptstadt der Song ist fast ebenso stark bevölkert wie Pe-king, ihre Straßen sind mit glatten Steinen oder gebrannten Ziegeln gepflastert, »man zählt hier, nach Marco Polo, 600.000 Gebäude, 4000 Badeanstalten und 12.000 steinerne Brücken«. In dieser Stadt leben die reichsten Kaufleute der Erde mit ihren Frauen, welche »so schön sind wie die Engel«. Sie ist auch die Residenz des Vicekönigs, der im Namen des Kaisers mehr als hundertvierzig Städte regiert. Hier stand noch ein von schönen Gärten mit Seen und Wasserkünsten umgebener Palast der Beherrscher von Mangi, der mehr als tausend Zimmer umfaßte. Aus der Stadt und der zugehörigen Provinz bezieht der Groß-Khan unermeßliche Einkünfte, da sich allein die Abgaben von Salz, Zucker, Gewürzen und Seide – die Hauptproducte des Landes – auf viele Millionen Francs beziffern.
Eine Tagereise weiter nach Süden von Quisay besuchte Marco Polo, nachdem er eine reizende Gegend durchwandert, Tanpigui (Choa-ching-fu), ferner Vu-gui (Hu-tcheu), Ghengui (Kui-tcheu), Cianscian (Yentcheu-fu nach Charton, Sui-tchang-fu nach Pauthier) und Cugui (Kiu-tcheu), die letzte Stadt des Vicekönigreiches von Quisay, dann trat er ein in das Königreich von Fugui, dessen damals gleichnamiger hervorragendster Ort das heutige Fu-cheu-fu, die Hauptstadt der Provinz Fo-kien ist. Seinem Berichte nach wären die Bewohner dieses Landes grausame Kriegsleute, welche ihren Feinden niemals Pardon geben, sondern deren Blut trinken und ihr Fleisch verzehren. Nach Fortsetzung seiner Reise über Quenlifu (Kienning-fu) und Unguen gelangte Marco Polo nach der Hauptstadt Fugui, wahrscheinlich das heutige Kuang-tcheu, unser Canton, das bedeutenden Handel mit Perlen und Edelsteinen betreibt, und nach weiteren fünf Tagen nach dem Hafen von Zaitem, jedenfalls identisch mit der chinesischen Stadt Tsuen-tcheu, und damit nach dem äußersten Punkte des von ihm besuchten südöstlichen Chinas.
Japan. – Abreise der drei Polo's mit der Tochter des Kaisers und den persischen Gesandten. – Saigon. – Java. – Condor. – Bintang. – Sumatra. – Die Nikobaren. – Ceylon. – Die Coromandelküste. – Die Malabarküste. – Das Meer von Oman. – Die Insel Socotora. – Madagaskar. – Zansibar und die afrikanische Küste. – Abyssinien. – Yemen, Hadramaut und Oman. – Ormuz. – Rückkehr nach Venedig. – Ein Fest im Hause der Polo's. – Marco Polo in Gefangenschaft der Genuesen. – Marco Polo's Tod, etwa 1323.
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Nach glücklicher Durchführung seiner Sendung kehrte Marco Polo unzweifelhaft an den Hof Kublaï-Khans zurück und wurde auch ferner mit verschiedenen Missionen betraut, wobei ihm seine Kenntniß der mongolischen, türkischen, chinesischen und der Mantschu-Sprache sehr zu statten kam. Wahrscheinlich begleitete er auch eine nach den indischen Inseln unternommene Expedition und verfaßte nach der Rückkehr von derselben einen eingehenden Bericht über die Schiffahrt auf jenen noch wenig bekannten Meeren. Von eben dieser Zeit ab sind seine eigenen Lebensschicksale nicht sicher aufgezeichnet. Dagegen hat er uns sehr umständliche Einzelheiten geliefert über die Insel Cipangu, der Name, unter dem man die ganze japanische Inselgruppe zu verstehen pflegte, doch scheint er nicht selbst nach diesem Reiche gekommen zu sein. Japan war damals berühmt wegen seiner Reichthümer und natürlichen Schätze, und Kublaï-Khan hatte dasselbe auch im Jahre 1264, nicht lange vor der Ankunft Marco Polo's am tartarischen Hofe zu erobern versucht. Seine Flotte langte glücklich vor Cipangu an und bemächtigte sich eines Festungswerkes, dessen Vertheidiger über die Klinge springen mußten; da zerstreute aber ein plötzlicher Sturm die tartarischen Fahrzeuge, so daß die Expedition zu keinem Resultate führte. Marco Polo beschreibt diesen Kriegszug sehr eingehend und flicht dabei viele Bemerkungen ein über die merkwürdigen Sitten der Japaner.
Siebzehn Jahre hindurch, die auf ihre Reise von Europa nach China verwendeten Jahre ungerechnet, standen nun Marco Polo, sein Oheim Matteo und sein Vater Nicolo im Dienste des Kaisers. Sie sehnten sich jetzt darnach, ihr Vaterland wiederzusehen; Kublaï-Khan aber, der ihnen sehr gewogen war und ihre Verdienste wohl zu schätzen wußte, konnte es nicht über sich gewinnen, sie ziehen zu lassen. Er that alles Mögliche, ihren Entschluß rückgängig zu machen, und bot ihnen, für die Zusicherung, immer bei ihm zu verbleiben, ungeheure Reichthümer an. Die Venetianer beharrten jedoch bei ihrer Absicht, nach Europa zurückzukehren, doch der Kaiser versagte ihnen bestimmt die Erlaubniß zur Abreise. Marco Polo sah sich bei der strengen Beobachtung, deren Gegenstand er war, außer Stande, selbst heimlich zu entkommen, als ein unerwarteter Zwischenfall Kublaï-Khan zur Aenderung seines Entschlusses veranlaßte.
Ein mongolischer Fürst, Arghun, der in Persien regierte, hatte an den Kaiser eine Gesandtschaft geschickt, um für ihn um die Hand einer Prinzessin aus königlichem Blute anzuhalten. Kublaï-Khan bestimmte dem Fürsten Arghun seine Tochter Cogatra zur Gemalin und traf Anstalt, sie mit zahlreichem Gefolge abreisen zu lassen. Die Gegenden aber, durch welche der Weg nach Persien führte, waren damals höchst unsicher; Unruhen und Empörungen hielten die Karawane zuletzt gänzlich auf, so daß sie mit der Prinzessin nach einigen Monaten in die Residenz Kublaï-Khans zurückkehrte. Bei dieser Gelegenheit hörten die persischen Gesandten von Marco Polo, den man als erprobten Seefahrer und gründlichen Kenner des Indischen Oceans rühmte, und baten deshalb den Kaiser, jenem die Prinzessin Cogatra anzuvertrauen, um sie von ihm über das, weniger Gefahren als das Land bietende Meer ihrem Verlobten zuführen zu lassen.
Kublaï-Khan gab diesem Ersuchen, wenn auch ungern, endlich nach. Er ließ eine Flotte von vierzehn viermastigen Schiffen ausrüsten und verproviantirte dieselbe für einen Zeitraum von zwei Jahren. Einzelne dieser Schiffe hatten eine Besatzung von 250 Mann. Gewiß eine großartige Expedition und würdig des allgewaltigen Herrschers im chinesischen Reiche.
Matteo, Nicolo und Marco Polo reisten also mit der Prinzessin und den persischen Gesandten ab. Es scheint, daß Marco Polo bei dieser Ueberfahrt, welche nicht weniger als achtzehn Monate in Anspruch nahm, den Inseln Indiens und des Sunda-Archipels, von denen er eine vollständige Beschreibung lieferte, einen Besuch abstattete; jedenfalls war das bezüglich Ceylons und des indischen Küstengebietes der Fall. Wir begleiten ihn also auf der ganzen Seereise und geben seine Beschreibung der bis dahin nur unvollkommen bekannten Länder wieder.
Gegen 1291 oder 1292 verließ die von Marco Polo befehligte Flotte den Hafen von Zaitem, nachdem der Reisende schon früher, bei Gelegenheit seiner Fahrten durch die Südprovinzen Chinas, einmal gekommen war. Von hier begab er sich geraden Weges nach dem Districte von Cianba, im südlichen Theile Cochinchinas, der die heute zu Frankreich gehörige Kolonie Saigon umfaßt. Auch diese Provinz besuchte der Reisende schon früher, wahrscheinlich gegen 1280, als er mit einer Mission des Kaisers betraut war. Zu jener Zeit stand Cianba unter der Gewalt des Groß-Khans und erlegte diesem in Form einer gewissen Anzahl Elefanten einen jährlichen Tribut. Als Marco Polo noch vor der Eroberung durch dasselbe kam, hatte dessen regierender König nicht weniger als 326 Kinder, davon 150 in waffenfähigem Alter.
Von der cambodjianischen Halbinsel aus wandte sich die Flotte nach der kleinen Insel Java, deren sich Kublaï-Khan niemals zu bemächtigen vermochte, eine Insel, welche große Bodenreichthümer besitzt und Pfeffer, Muscade, Cubeben, Nelken und andere kostbare Gewürze in Menge hervorbringt. Nach einigem Aufenthalte in Condor und Sandur, an der untersten Spitze der cochinchinesischen Halbinsel, erreichte Marco Polo die Insel Pentam (Bintang) am östlichen Eingänge der Meerenge von Malacca, und die Insel Sumatra, die er Klein-Java nennt. »Die Insel, sagt er, liegt so weit im Süden, daß man hier den Polarstern niemals sieht«, – was freilich nur für die Bewohner des südlichen Theiles derselben zutrifft. Sie hat sehr fruchtbaren Boden, auf dem z. B. das Aloëzholz vortrefflich gedeiht; man trifft hier wilde Elefanten, Rhinocerosse, welche Marco Polo als Einhörner bezeichnet, und in zahlreichen Gesellschaften wandernde Affen. Durch schlechtes Wetter wurde die Flotte in dieser Gegend fünf Monate lang zurückgehalten und verwendete unser Reisender diese Zeit, um die Hauptprovinzen der Insel kennen zu lernen, unter Anderen Samara, Dagraian, Labrin, wo man viele Menschen mit Schwänzen – also offenbar Affen – findet, und Fandur, d. i. die Insel Panchor, mit unzähligen Sagopalmen, aus denen man ein zur Herstellung vorzüglichen Brotes dienendes Mehl gewinnt.
Endlich gestattete die Richtung des Windes den Schiffen, von Klein-Java auszulaufen. Nach flüchtiger Berührung der Insel Necaran, jedenfalls eine der Nikobaren, und der Andaman-Gruppe, deren Eingeborne noch heute, wie zu Marco Polo's Zeiten, Anthropophagen sind, steuerte die Flotte gen Südwesten und ging an der Küste von Ceylon vor Anker. »Diese Insel, so lautet der Bericht, war früher weit größer, denn sie maß, wie man aus den Seekarten der einheimischen Lootsen ersehen konnte, früher 3600 Quadratmeilen; nun weht aber hier der Nordwind mit solcher Gewalt, daß er einen großen Theil der Insel unter Wasser gesetzt hat« – eine Ueberlieferung, welche sich übrigens noch heute unter den Bewohnern Ceylons forterbt. Auf dieser Insel findet man in Ueberfluß die »vornehmen und schönen« Rubinen, Saphire, Topase, Amethyste und andere kostbare Steine, wie Granaten, Opale, Agate und Sardonix. Der König des Landes besaß damals einen handgroßen und armdicken Rubin vom feurigsten Hochroth, den der Groß-Khan jenem Herrscher vergeblich um den Preis einer ganzen Stadt abzukaufen suchte.
Sechzig Meilen westlich von Ceylon kamen unsere Seefahrer nach der umfänglichen Provinz Maabar (nicht zu verwechseln mit Malabar) an der Westküste der indischen Halbinsel. Dieses Maabar bildet den südlichen Theil der wegen ihrer Perlenfischereien geschätzten Coromandelküste. Hier treiben verschiedene Zauberer ihr Wesen, welche die Seeungeheuer von den Fischern fernhalten, eine Art Astrologen, deren Sippe sich noch bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Marco Polo berichtet hier viele interessante Einzelheiten über die Sitten der Eingebornen, die Feierlichkeiten beim Tode eines Königs, zu dessen Ehre sich mehrere Große des Landes dem Feuertode weihen, über die häufigen religiösen Selbstmorde, den Opfertod der Witwen, den sie nach des Gatten Ableben auf dem Scheiterhaufen suchen, über die zweimaligen täglichen, von der Religion vorgeschriebenen Waschungen, die Naturanlage der Bewohner, gute Physiognomiker zu werden, und über den festgewurzelten Glauben derselben an ihre Astrologen und Zauberer.
Nachdem er an der Coromandelküste gerastet, hielt Marco Polo einen nördlichen Kurs ein bis zum Königreiche Muftili, dessen Hauptstadt die heutige Stadt Masulipatam, der Hauptort des Königreiches Golkonda, ist. Dieses Reich stand unter der weisen Regierung einer seit vierzig Jahren verwitweten Königin, welche dem Andenken ihres Gatten eine unverbrüchliche Treue bewahrte. In den benachbarten, leider wegen vieler Schlangen sehr gefährlichen Gebirgen beutete man einträgliche Diamantengruben aus. Um die kostbaren Steine zu gewinnen, ohne sich dem Angriffe der Reptilien auszusetzen, haben die Bergleute ein sehr einfaches Hilfsmittel ersonnen, dessen Wirksamkeit man in gutem Glauben bestätigen kann. »Sie nehmen mehrere Stücke Fleisch, sagt der Reisende, und werfen diese in die steilen Abgründe, welche kein Mensch zu betreten wagen darf. Dieses Fleisch fällt auf die Diamanten, welche daran hängen bleiben. In den Bergen hausen nun auch zahlreiche weiße Adler, die natürlichen Feinde und Verfolger der Schlangen. Sobald die Adler das Fleisch in der Tiefe gewahr werden, schießen sie hinab, um es sich zu holen; die Menschen aber folgen einem solchen Adler aufmerksam mit den Blicken, und wenn dieser das Fleisch verzehren will, erheben sie ein mächtiges Geschrei; erschreckt und aus Furcht, den Menschen in die Hände zu fallen, entflieht der Adler, ohne seine Beute mitzunehmen; dann kommen die Bergleute nach, holen das Fleisch wieder und sammeln die daran klebenden Diamanten ein. Häufig geben die Adler auch, wenn es ihnen gelang, das Fleisch ungestört zu verzehren, die Diamanten erst mit dem Kothe wieder von sich, so daß man sie dann aus dem Vogelmiste gewinnt«.
Nach einem Besuche der kleinen Stadt San-Thomé, einige Meilen südlich von Madras, in der der Körper des ehrwürdigen Apostels St. Thomas ruht, durchstreifte Marco Polo das Königreich Maabar, vorzüglich die Provinz Bar, aus der alle »Abraiamenten« der Welt, wahrscheinlich die Brahmanen, herstammen. Diese Menschen werden, der allgemeinen Annahme nach, in Folge ihrer Nüchternheit und Enthaltsamkeit sehr alt; einige derselben erreichen ein Alter von hundertfünfzig bis zweihundert Jahren, während sie nichts als Reis und Milch essen und »Schwefel mit Quecksilber« trinken. Diese Abraiamenten sind geschickte und zwar abergläubische, aber sehr offenherzige Kaufleute; sie nehmen Niemandem etwas, tödten kein lebendes Wesen irgend welcher Art und verehren den Stier, der ihnen als heiliges Thier gilt.
Von diesem Punkte der Küste aus kehrte die Flotte nach Ceylon zurück, wohin Kublaï-Khan im Jahre 1284 eine Gesandtschaft geschickt hatte, die ihm die vermeintlichen Reliquien von Adam, und u. A. zwei Backenzähne von ihm, mitbrachte; denn das Grab unseres Stammvaters läge, wenn man den Sagen der Sarazenen Glauben schenkt, auf dem Gipfel des zerklüfteten steilen Berges, der das Bild der Insel so auffällig kennzeichnet. Nachdem er Ceylon aus dem Gesicht verloren, begab sich Marco Polo nach Cail, einem Hafen, der von den neueren Karten völlig verschwunden zu sein scheint, den aber damals alle Schiffe von Ormuz, Kis, Aden und von den Küsten Arabiens her anliefen. Von da kamen die Seefahrer, indem sie Cap Camorin, den Ausläufer der Halbinsel doublirten, in Sicht von Coilum, dem heutigen Coulam, das im 13. Jahrhundert eine lebhafte Handelsstadt war. Hier verschifft man vorzüglich Sandelholz nebst Indigo, und Kaufleute aus dem Morgen- und Abendlande treffen des Handels wegen in großer Zahl hier ein. Malabar erzeugt sehr viel Reis; wilde Thiere giebt es in ziemlicher Menge, darunter Leoparden, welche Marco Polo »schwarze Löwen« nennt, ferner auch verschiedene Arten von Papageien und Pfauen, die unsere europäischen Arten an Schönheit beiweitem übertreffen.
Als die Flotte Coilum verließ, segelte sie längs der Malabarküste nach Norden bis zum Gestade des Königreichs Eli, das seinen Namen von einem auf der Grenze zwischen Kanara und Malabar gelegenen Berge erhielt; hier gedeihen Pfeffer, Ingwer, Safran und andere Gewürze. Im Norden des Reiches dehnte sich ein Landstrich aus, den der venetianische Reisende Melibar nennt und der auch im Norden des eigentlichen Malabar liegt. Die Schiffe der Händler aus Mangi unterhalten einen lebhaften Verkehr mit den Eingebornen dieses Theiles von Indien, die ihnen kostbare Gewürze, ausgezeichnete Webstoffe und andere in hohem Preise stehende Waaren liefern; ihre Fahrzeuge werden aber leider nur zu häufig von den Küstenpiraten geplündert, welche mit Recht als sehr gefürchtete Seeräuber gelten. Diese Piraten wohnten vorzüglich auf der Halbinsel Gohurat, heute Gudjarate, wohin sich die Flottille begab, nachdem sie in Tanat, wo man den braunen Weihrauch erntet, und in Canboat, dem heutigen Kambayet, gewesen war, welch' letztere Stadt lebhaften Handel mit Leder treibt. Ferner wurde Sumenat besucht, eine Stadt der Halbinsel, mit heidnischen, grausamen und wilden Einwohnern, später Kesmacoran, wahrscheinlich das heutige Kedje, die Hauptstadt der östlich des Indus und nahe dem Meere gelegenen Landschaft von Makran und die letzte Landschaft Indiens zwischen dem Morgenlande und dem Norden, dann aber begab sich Marco Polo, statt geraden Weges nach Persien, wo ihn der Verlobte der tartarischen Prinzessin erwartete, nach Westen durch das weite Meer von Oman.
Seine unersättliche Reiselust führte ihn so gegen 500 Meilen weit an der Küste Arabiens hin, wo er bei den Inseln Mâle und Femmelle (Männchen und Weibchen) vor Anker ging, welche Inseln ihren Namen davon haben, daß die eine derselben ausschließlich von Männern, die andere von deren Frauen bewohnt wird, welche jene nur während der Monate März, April und Mai besuchen. Von diesen Eilanden aus segelte die Flottille unter südlichem Kurs nach der Insel Socotora, am Eingänge des Golfes von Aden, von der Marco Polo verschiedene Theile in Augenschein nahm. Er schildert die Bewohner Socotora's als geschickte Zauberer, welche durch ihre Künste Alles auszuführen vermögen und selbst den Orkanen und Stürmen gebieten. Dann ging er noch tausend Meilen weiter nach Süden und führte die Flotte bis zum Gestade Madagascars.
Den Augen unseres Reisenden erscheint Madagascar als eine der größten und vornehmsten Inseln der Welt. Ihre Bewohner sind meist mit dem Handel beschäftigt und exportiren vorzüglich Elefantenzähne. Sie ernähren sich vor Allem mit Kameelfleisch, das besser und zuträglicher sein soll als jedes andere Fleisch. Die von der Küste Indiens hierher kommenden Kaufleute brauchen meist nur zwanzig Tage zur Fahrt über das Meer von Oman, zur Rückreise freilich drei Monate, da die ungünstigen Meeresströmungen die Schiffe immer nach Süden zurückdrängen. Trotzdem gehen sie gern nach dieser Insel, welche ihnen auch Sandelholz aus den daselbst befindlichen Wäldern, und Ambra liefert, den sie mit großem Nutzen gegen Gold- und Seidenstoffe eintauschen. Daneben fehlt es diesem Reiche aber auch nicht an Raubthieren und Jagdwild; nach Marco Polo trifft man Leoparden, Bären, Hirsche, Eber, Giraffen, wilde Esel und andere Thiere oft in zahlreichen Rudeln an; am wunderbarsten erschien ihm jedoch der sogenannte Greif, der »Roc«, von dem in Tausend und eine Nacht so viel die Rede ist, den man sich aber, entgegen der allgemeinen Annahme, nicht als ein Geschöpf vorstellen darf, das halb Löwe, halb Vogel und dazu im Stande wäre, einen Elefanten in seinen Krallen fortzutragen. Der in Rede stehende merkwürdige Vogel war jedenfalls der Epyornis maximus, dessen Eier man noch jetzt zuweilen auf Madagascar findet.
Von dieser Insel aus besuchte Marco Polo, nach Nordwesten hinaufsegelnd, Zanzibar und die afrikanische Küste. Hier erschienen ihm die Einwohner ungewöhnlich groß und so stark, daß sie die Last von vier Männern tragen konnten, »was aber deshalb nicht zu verwundern ist, weil sie auch für fünf Mann essen«. Die Eingebornen waren schwarz von Farbe und gingen völlig nackt; sie hatten einen großen Mund, eingedrückte Nase, wulstige Lippen und hervortretende Augen – eine ganz richtige Beschreibung, welche noch heute für die Eingebornen dieses Theiles von Afrika zutrifft. Die Afrikaner lebten von Reis, Fleisch, Milch und Datteln und bereiten sich ein geistiges Getränk aus Reis, Zucker und Gewürzen. Sie sind tüchtige, todesmuthige Kriegsleute und fechten auf Kameelen oder Elefanten, wobei ihnen ein lederner Schild, ein Säbel und eine Lanze als Waffen dienen, während sie ihre Reitthiere selbst durch berauschende Getränke reizen.
Zur Zeit Marco Polo's zerfiel nach Charton das unter dem Namen Indien zusammengefaßte Gebiet in drei Abtheilungen: Groß-Indien, d. i. Hindostan und alles Land zwischen Ganges und Indus; Klein-Indien, die Landstriche jenseits des Ganges, welche sich von der Westküste der Halbinsel bis zur Küste Cochinchina's ausdehnen; endlich Mittel-Indien oder Abyssinien und das arabische Küstengebiet bis zum Persischen Golfe.
Als er Zanzibar verließ, untersuchte Marco Polo also bei seiner Fahrt nach Norden das Gestade jenes Mittel-Indiens, und zwar zuerst Abasiens oder Abyssiniens, wo man sehr geschätzte Baumwollen- und Schetterstoffe erzeugt und das als ein sehr reiches Land gilt. Dann begab sich die Flotte nach dem Hafen von Zeita, fast am Eingange der Straße Bab-el-Mandeb, und endlich erreichte sie längs des Ufers von Jemen und Hadramaut auch Aden, den von allen, mit Indien und China verkehrenden Schiffen besuchten Hafenplatz, ferner Escier, eine große Stadt, welche große Mengen ausgezeichneter Pferde ausführt, Dafar, von wo aus viel Weihrauch erster Sorte kommt, Calatu, jetzt Kalajate, an der Küste von Oman, und endlich Cormos, d. h. Ormuz, das Marco Polo schon auf seiner Reise von Venedig nach dem Hofe des Tartarenherrschers besucht hatte.
Mit diesem Hafen des Persischen Meerbusens schloß die Fahrt der auf Kosten des Mongolen-Kaisers ausgerüsteten Flotte endlich ab. Nach einer Reise von nicht weniger als achtzehn Monaten war die Prinzessin am Gestade Persiens angelangt, leider erst nach dem Ableben ihres Verlobten, des Fürsten Arghun. der ein in blutige Bürgerkriege verwickeltes Land hinterlassen hatte. Die Prinzessin wurde in Folge dessen dem Sohne Arghun's, dem Prinzen Ghazan, übergeben, der den Thron seiner Väter indessen erst 1295 besteigen konnte, nachdem der Usurpator desselben, ein Bruder Arghun's, wieder gestürzt worden war. Was aus der Prinzessin weiter geworden, weiß man nicht; vor ihrem Abschiede von Marco, Nicolo und Matteo Polo aber dankte sie ihnen noch mit sichtbaren Zeichen ihrer höchsten Gunst.
Wahrscheinlich während seines Aufenthaltes in Persien sammelte Marco Polo manche merkwürdige, die »Groß-Türkei« betreffende Documente; es sind das lauter Fragmente ohne Zusammenhang, welche er als Anhang zu seinem Reiseberichte und in denen er aber doch eine wirkliche Geschichte des mongolischen Khans von Persien liefert. Seine Entdeckungsreisen waren aber nun zu Ende. Nach ihrer Trennung von der tartarischen Prinzessin machten sich die drei Venetianer, unter sicherem Geleit und ohne selbst dabei Unkosten zu haben, auf den Weg nach dem Vaterlande. Sie begaben sich nach Trebizonde, von hier über Konstantinopel nach Negroponte und schifften sich daselbst nach Venedig ein.
Im Jahre 1295, vierundzwanzig Jahre nach ihrer Abreise war es, als Marco Polo in seine Vaterstadt zurückkam. Die drei Reisenden wurden, weil sie von der Sonne so gebräunt, in tartarische grobe Stoffe gekleidet waren, auch in ihrer Lebensweise tartarische Gebräuche beibehalten, die Muttersprache aber fast verlernt hatten, von Niemand, nicht einmal von den nächsten Angehörigen wieder erkannt. Seit langer Zeit schon ging auch das Gerücht von ihrem Tode, so daß Niemand sie je wiederzusehen wähnte. Sie begaben sich nach ihrem Hause, im Quartier St. Johann Chrisostomus, und fanden dasselbe von verschiedenen Gliedern der Familie Polo bewohnt. Letztere empfingen die drei Reisenden mit äußerstem Mißtrauen, das ihre ärmliche Erscheinung gewiß rechtfertigte, und schenkten den an's Wunderbare grenzenden Erzählungen Marco Polo's keinerlei Glauben. Da sie aber darauf beharrten, ließen sie dieselben wenigstens in das Haus, ihr rechtmäßiges Eigenthum, ein. Einige Tage später veranstalteten Nicolo, Matteo und Marco Polo, um jeden Zweifel an der Identität ihrer Person zu heben, ein prächtiges Gastmahl, dem ein glänzendes Fest folgte. Sie luden dazu außer den Familiengliedern auch die hervorragendsten Männer Venedigs ein. Nachdem sich alle Gäste im Empfangssaale des Hauses versammelt, erschienen die drei Polo's in carmoisinrother Atlaskleidung. Die Tischgenossen gingen nun in den Speisesaal und das Fest nahm seinen Anfang. Nach dem ersten Gerichte zogen sich Marco Polo, sein Vater und sein Oheim einen Augenblick zurück und traten dann wieder ein, gekleidet in die prächtigsten Stoffe von Damaskus, welche sie zerrissen und stückweise an die Festtheilnehmer als Andenken vertheilten. Nach dem zweiten Gerichte legten sie noch reichere Kleidung an und behielten diese bis zum Schlusse der Tafel bei. Dann erschienen sie wieder einfach nach venetianischer Mode gekleidet.
Die erstaunten, über den Luxus jener Garderoben verwunderten Gäste wußten aber gar nicht, was ihre Wirthe beabsichtigten, als diese die groben, unterwegs getragenen Kleider herbeibringen ließen; da begannen dieselben die Nähte an jenen aufzutrennen und das Futter abzulösen und ließen Rubinen, Smaragde, Karfunkel, Saphire, Diamanten, kurz lauter Steine von höchstem Werthe hervorrollen. Diese Lumpen bargen wahrhaft unermeßliche Schätze. Das unerwartete Schauspiel verbannte auch den leisesten Zweifel; die drei Reisenden wurden nun sofort als Diejenigen anerkannt, die sie in der That waren, als Marco, Nicolo und Matteo Polo, und von allen Seiten bestürmte man sie mit den überschwänglichsten Glückwünschen.
Ein so berühmter Mann wie Marco Polo konnte natürlich auch der Übertragung staatlicher Ehrenämter nicht entgehen. So ward er denn in die erste Magistratur von Venedig berufen, und da er immer von den »Millionen« des Groß-Khans sprach, der über viele »Millionen« von Unterthanen gebot, so nannte man ihn selbst den »ehr- und tugendsamen Herrn Million«.
Zu dieser Zeit, nämlich 1296, brach ein Krieg zwischen Venedig und Genua aus. Eine von Lamba Doria geführte Flotte dieses Staates kreuzte auf dem Adriatischen Meere und bedrohte das Uferland. Andrea Dondalo, der Admiral Venedigs, bewaffnete sofort eine der genuesischen Flotte überlegene Anzahl Schiffe und betraute Marco Polo, der mit Recht für einen erfahrenen Seemann galt, mit dem Commando einer Galeere. In der Seeschlacht vom 8. September 1296 wurden die Venetianer jedoch geschlagen und der schwer verwundete Marco Polo fiel dabei den Genuesen in die Hände. Die Sieger, welche den Werth ihres Gefangenen kannten und selbst gerecht schätzten, behandelten ihn mit vieler Rücksicht. Er wurde nach Genua befördert, wo ihn die angesehensten Familien, begierig seine märchenhaften Berichte zu hören, mit Auszeichnung aufnahmen. Wurde man nun auch nicht müde, ihm zuzuhören, so wurde doch Marco Polo müde des Erzählens, und als er 1298, während seiner Gefangenschaft, den Pisaner Rusticien kennen gelernt hatte, dictirte er diesem seinen Reisebericht in die Feder.
Gegen 1299 erhielt Marco Polo die Freiheit wieder. Er kehrte nach Venedig zurück, wo er sich vermälte. Von nun ab schweigt die Geschichte über sein späteres Geschick. Man weiß nur aus seinem, vom 9. Januar 1323 datirenden Testamente, daß er drei Töchter hinterließ, und glaubt, daß er etwa zu jener Zeit, im Alter von siebzig Jahren gestorben ist.
Das war die Lebensgeschichte dieses berühmten Reisenden, dessen Berichte einen so großen Einfluß auf die Fortschritte der geographischen Wissenschaften ausübten. Er besaß in eminentem Maße die Kunst scharfer Beobachtung. Er wußte zu sehen, wie er zu reden verstand, und den späteren Forschern blieb nur übrig, die Richtigkeit seiner Reisebeschreibung zu bestätigen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts dienten die den Berichten Marco Polo's entlehnten Documente als Grundlage sowohl für geographische Studien, wie für Handelsexpeditionen nach China, Indien und Innerasien. Auch die Nachwelt kann nur ihre Zustimmung geben zu dem Titel: »Das Buch der Weltwunder«, den die ersten Abschreiber dem Werke Marco Polo's vorgesetzt hatten.