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Dieselbe Dekoration
Clarinda. Don Lorenzo. Tristan
Don Lorenzo
Erspare dir, dich reinzuwaschen,
Clarinda. Dem, der lange Zeit
Entfernt war, sagt Wahrscheinlichkeit,
Es werd' ihn manches überraschen.
Verkauft hast du mich und verraten,
Derweil ich in der Fremde war,
Und mich beschuldigst du nun gar
Verräterischer Missetaten.
Der Geck will deine Haustür sprengen,
Und du beschworst mir, daß du kaum
Der Sonne selber so viel Raum
Gegönnt hast, um sich einzudrängen.
Zutritt begehrt er, wie gewohnt,
Und du erschrickst, weil der Geselle
Ins Haus will, wo an meiner Stelle,
Solang ich fern war, er gethront.
Er hat mir heftig und verwegen
Mit seiner Klinge zugesetzt,
Bis andere zu guter Letzt
Einhalt geboten unsern Degen.
Und nun bist du darauf versteift,
Mich eifersüchtig anzuschwärzen,
Nachdem du mir von Aug' und Herzen
Die Schleier hast hinweggestreift!
Denn klar erkenn' ich deine Schuld,
Und daß du mich mit solchen Tücken
Getäuscht hast hinter meinem Rücken,
Das geht mir über die Geduld.
Erfreu, Clarinda, dich der List,
Mit der du mich von dir vertrieben;
Kann doch ein Mann ein Weib nicht lieb
Wenn sie so unwahrhaftig ist.
Laß mich und forsche mir nicht nach;
Ich könnte mich sonst nicht entbrechen,
In anderm Ton mit dir zu sprechen,
Als ich bis heute mit dir sprach.
Clarinda
Lorenzo, wenn dein schlecht Betragen
Du künstlich zu verhüllen denkst,
Indem du mich mit Klagen kränkst,
Mich, die doch selbst sich muß beklagen,
Dann war es höchste Grausamkeit,
Wenn Jahr und Tag du stets aufs neue
In deinen Briefen mich zur Treue
Ermahnt mit eignem Wort und Eid.
Du schiedst mit tausend Liebesschwüren,
Gelobtest, mich unwandelbar
Zu lieben und mich am Altar
Nach deiner Rückkehr heimzuführen.
Du sprachst, es werde hier verbleiben
Dein Herz, auch wenn du abgereist;
Du werdest mir, wo du auch seist,
Mit jeder Post ausführlich schreiben.
Du speistest mich mit einem Strom
Von Zärtlichkeit, erst aus Pamplona
Und aus Valencia, Barcelona,
Dann aus Neapel und aus Rom;
Und immerdar, aus Fern' und Nähe,
Gabst du den falschen Vorsatz kund,
Zu weihen unsern Herzensbund
In heiliger und froher Ehe.
Du kommst, und gleich im Anbeginne,
Als könn' es nicht gar leicht geschehn,
Daß mich ein Mann vom bloßen Sehn
In einer Kirche liebgewinne,
Da doch an keinem andern Ort
Ich außerm Haus mich blicken lasse,
Raufst du mit ihm dich auf der Gasse
Und rennst wie ein Beseßner fort,
Läufst in der nämlichen Minute
Zum Schneiderladen hin und gibst
Der saubren Dame, die du liebst,
Dein ganzes Bargeld zum Tribute,
Schenkst ihr ein blaues Atlaskleid,
Wetteifernd mit des Himmels Bläue,
Genau die Farbe jener Treue,
Die mir du gleisnerisch geweiht,
Kaufst ihr noch Spitzen, Goldbesatz
Nebst Borten, Schleifen, Bändern, Tressen,
Gehst in ihr Haus zum Abendessen,
Verschwendest einen ganzen Schatz.
Du schmälst, ich hätte dich betrogen,
Weil ich von deinem Trug erfuhr;
Ist's doch Fräulein Octavia nur,
Die deine Liebe mir entzogen!
So kehrst du heim aus fremden Ländern
Nach dieser langen Wartefrist,
Und wenn du selbst verändert bist,
So wird auch hier sich manches ändern.
Don Lorenzo
Dein Pfeil, er prallt zurück auf dich;
Denn sind bei allem, was da weiblich,
Veränderungen unausbleiblich,
Wie wärst du nicht veränderlich?
Mög' neue Liebe dich entflammen,
Mögst du durch sie beseligt sein
Und tun, als ob nur ich allein
Zu tadeln war' und zu verdammen.
Von der Verschwendung abzulassen,
Hat mich dein Rat mit Recht gelehrt;
Die Weiber sind es ja nicht wert,
Daß man sie sucht in Gold zu fassen.
Clarinda
Wie bist du töricht!
Don Lorenzo
Ich bin klüger
Als ein Gelehrter; denn den Fraun
Lernt' ich bis auf den Grund zu schaun.
Clarinda
So geh, du schändlicher Betrüger.
(Ab ins Haus links)
Don Lorenzo. Tristan
Tristan
Sie weint.
Don Lorenzo
Ich hab' es wohl bemerkt.
Tristan
O Herr, wie könnt Ihr das ertragen?
Don Lorenzo
Weil der, den Liebe wund geschlagen,
Sein blutend Herz durch Rache stärkt.
Tristan
Entsinnt Ihr Euch, was Ihr gesprochen?
»Laß, Tristan, bei der Wiederkunft
Mein Herz, unnahbar der Vernunft,
In rückhaltloser Freude pochen.«
Taub wolltet Ihr ja sein und blind,
Und wird nicht jede Lust vergröbert,
Wenn nach Enttäuschungen man stöbert,
Die noch zum Glück verborgen sind?
Nicht gut ist's, Wasser aufzurühren,
Wenn draus zu trinken uns gefällt:
Clarinda kam als Weib zur Welt,
Und jedes Weib läßt sich verführen.
Don Lorenzo
Tristan, wo wär' ein Mann zu finden,
Der weiser ist als Salomo?
Tristan
Beim Lieben freilich ist es so;
Da spielt man allzugern den Blinden.
Don Lorenzo
Leicht ist's, wenn nicht in unserm Blut
Die Feuer der Verliebtheit brennen,
An einem Weibe zu erkennen
Die Schwachheit und den Wankelmut.
Doch die Verliebten könnte man
Vergleichen mit den wilden Rappen,
Die lediglich mit Augenklappen
Verwendbar sind für das Gespann.
Selbst wer durch schärfste Brillen späht,
Vermag er einem solchen Wesen
Untrüglich an der Stirn zu lesen,
Ob es ihn liebt, ob hintergeht?
Ein Unterschied ist, ob ich sitze
Vor einem Spiegel oder Quell;
Denn jener zeigt das Bild mir hell,
Und dieser zeigt mir nur die Skizze.
Das Spiegelglas bleibt unbewegt,
Verrät somit uns jede Schwäche;
Der Quell verwischt sie, weil die Fläche
Des Wassers immerzu sich regt.
Tristan
Gottlob, daß Ihr so nüchtern sprecht
Und in der Weisheit so erheblich
Vorangekommen seid.
Don Lorenzo
Vergeblich.
Tristan
Liebt Ihr sie trotzdem noch?
Don Lorenzo
Erst recht.
Tristan
Obwohl Ihr seht, wie sie's vergilt
Mit purer Falschheit?
Don Lorenzo
Ich gestehe,
Daß ich nicht glaube, was ich sehe;
Im Quell erblick' ich ja das Bild.
Kein andres Mittel kann daher
Zur Heilung bringen dieses Leiden,
Als ihren Anblick zu vermeiden.
Tristan
Das fällt Euch sicherlich nicht schwer,
Weil Euch bereits in neuen Banden
Octavia hält.
Don Lorenzo
Was hilft das viel,
Da diese Liebe nur ein Spiel
Und nicht in Wahrheit ist vorhanden?
Sagt' ich dir doch, daß Freundespflicht
Mich Felisardo ließ geloben,
Durch Liebesheucheln zu erproben,
Ob ihm sie treu ist oder nicht.
Drum laß auch du dir bloß zum Schein
Von Beatriz den Sinn verwirren
Und hüte dich vor ihr; dein Girren
Darf gleichfalls nur erheuchelt sein.
Tristan
Ich werde tun, was Ihr befehlt,
Wenngleich mit großer Überwindung,
Da nicht von anderer Empfindung
Mein Herz wie Eures ist gestählt.
Als gestern abend sie ein Schnitzel
Mir auftrug und ich ihre Hand
Ergriff, da, weiß es Gott, empfand
Ich in der Seele einen Kitzel.
Sie zog die Hand zurück, das heißt
Sie tat wie jemand, der zum Lachen
Den Anreiz fühlt in sich erwachen
Und drum sich auf die Lippen beißt.
Don Lorenzo
Auch bei Octavia selbst gelingt
So schneller Sieg mir, daß ich staune.
Tristan
Es ist ein Weib von guter Laune
Und gutem Herzen, unbedingt.
Wie gastlich sie die Schüsseln hob
Und jedem reichte; wie beflissen
Sie stets die besten Leckerbissen
Euch zierlich auf den Teller schob!
Wie reizend pflegte sie zu nippen
Von Eurem Becher und erkor
Die gleiche Stelle, wo zuvor
Ihr selber hattet Eure Lippen!
Gott gebe nur, daß Euer Freund
Bei ihr nicht Euren Kuppler machte
Und in ein Labyrinth Euch brachte,
Das rings ein Stachelwall umzäunt.
Don Lorenzo
Hab keine Furcht, weil ich ja doch
Vor Liebe zu Clarinda sterbe.
Tristan
Es ist kein Felsgestein so herbe,
Daß nicht die Zeit ihm höhlt ein Loch.
Don Lorenzo
Besuchen wir sie jetzt; ich denke,
Das gibt den Rest ihr.
Tristan
Soll geschehn,
Schon weil, um Beatriz zu sehn,
Ich gerne mir den Hals verrenke.
(Beide ab ins Haus rechts)
Zimmer im Hause der Octavia
Octavia. Beatriz.
Octavia
Auf zu den Waffen! Überfall!
Der Feind, er naht sich unsrer Feste.
Beatriz
Verschanzen wir die Burg aufs beste
Und stellen Wachen auf den Wall.
Octavia
Drum zu den Waffen! Ein Verräter
Kommt mit erheucheltem Gefühl,
Will mich erhitzen, selber kühl,
Und ohne Lieb' um Liebe fleht er.
Weil ich jedoch von Eva stamme,
So wickle mich in lauter List,
Die reich gefüllt mit Vorrat ist,
Gleich einem vollgesognen Schwamme.
Gib mir den starken Helm der Lüge,
Den Federbusch der Schmeichelei,
Der Sehnsucht nachgeahmten Schrei,
Der Leidenschaft gefälschte Züge.
Gib mir der Vorsicht Rückenschild,
Gib mir die Schlinge der Erhörung,
Den Degen gleißender Betörung,
Den Pfeil, der Trug mit Spott vergilt.
Beatriz
Haha, wie gut kann ich verstehn,
Daß dieser aufgeblasne Krieger,
Der sich schon fühlt als stolzen Sieger,
Wird als Besiegter von Euch gehn.
Ein Glück, daß Ihr sein Spiel durchschaut!
Octavia
Ein Glück, verdoppelt durch die Rache
Dafür, daß dieser selbst so Schwache
Mir solche Schwäche zugetraut.
Kann ich doch überhaupt nicht lieben.
Seltsam! Es flattert mein Begehr
Von dem zu jenem hin und her,
Ist noch bei keinem lang geblieben.
Erblick' ich einen Mann, so wandern
Mir die Gedanken ohne Ruh'
Vom alten weg dem neuen zu;
Denn einer gleicht genau dem andern.
Ja, Beatriz, gut wird mir schmecken
Ein feister Hahn, den du mir brätst;
Doch wenn du mir zur Liebe rätst,
So wirst du keinen Mann entdecken
– Wie eifrig auch du dieses Amt
Betreiben magst –, der mir gefiele;
Ob Fässer oder Besenstiele,
Sie sind doch Männer insgesamt.
Und mögen sie den Unterschied
In ihrer Liebe laut betonen,
Sie gleicht den Geißlerprozessionen,
Wo man, was kommt, voraus schon sieht.
Beatriz
Doch fürcht' ich …
Octavia
Was?
Beatriz
Als Übermut
Und Grausamkeit wird's leicht erscheinen,
Wenn solche, die es ehrlich meinen,
Ihr kalten Herzens bringt in Glut.
Octavia
Das ist nicht möglich.
Beatriz
Ja, doch.
Octavia
Nein;
Denn wenn sie die Verliebten spielen,
Weiß ich, worauf sie wirklich zielen,
Auswendig stets von vornherein.
Beatriz
Worauf?
Octavia
Sie wissen sich am Schluß
Durch eine Hintertür zu drücken:
Der, weil er in das Feld muß rücken,
Der, weil er sich vermählen muß
Aus Rücksicht und Familienpflicht;
Und dann, wie wenn man die Tapeten
Von einer Wand entfernte, treten
All unsre Fehler an das Licht.
Die Schminken und den Puderstaub
Merkt plötzlich dann der vormals Blinde,
Sieht jeden Knubben in der Rinde,
Den zugedeckt bisher das Laub.
Er findet uns voll arger Schwächen,
Die sämtlich er erst jetzt gewahrt
Und denen seine Wesensart
Und sein Empfinden widersprechen.
Sind wir ihm selbst nicht mehr geheuer,
So läuft auch noch sein Freund herbei
Und gießt mit schnöder Klatscherei
Und mit Verleumdung Öl ins Feuer:
Sie ließ von jenem sich beschenken,
Nach diesem hegte sie Begier;
Sie trug, als Dingsda sprach mit ihr,
Ihn anzuhören kein Bedenken.
Drauf sagt der Wicht: »Wie konnte je
Mir solch ein Weib zur Liebe taugen?
Mir fällt's wie Schuppen von den Augen,
So daß ich auf den Grund ihr seh'.
's ist eine Närrin, eine Schlange,
Ein Luder, eine dumme Kuh;
Gottsträflich setzte sie mir zu
Mit schwarzer Kunst und Höllenzwange.
Sie goß Gewürz in Feuersglut,
Sie murmelte geheime Sprüche
Und sott in ihrer Hexenküche
Lavendel, Tollkraut, Eisenhut.
Gottlob, daß ich hervorgegangen
Mit heiler Haut aus ihrem Joch!«
Und solche Männer soll man noch
Mit aller Freundlichkeit empfangen.
Beatriz
Doch gibt's auch welche, die verweint
Vorm Fenster ihrer Dame trauern
Und jeden wie verrückt belauern,
Der zu Besuch bei ihr erscheint.
Octavia
Windbeutel, Zungendrescher, Laffen
Und Hampelmänner, sag' ich dir;
In dies zweibeinige Getier
Soll unsereine sich vergaffen?
Das könnte mir wahrhaftig passen!
(Es wird an die Tür gepocht)
Beatriz
Wer klopft?
Octavia
Wer sonst als unser Pfau?
Herein!
Vorige. Don Lorenzo. Tristan
Don Lorenzo
Ich suche, schöne Frau,
Mein Herz, das ich hier liegenlassen.
Ich muß vermuten, daß im Rausch
Es mir aus meiner Brust entschwunden?
Habt Ihr es aber aufgefunden,
Schenkt Eures mir dafür zum Tausch.
Ich bin wie ein entseelter Leib,
Octavia, der sein ganzes Leben
Mit seinem Herzen hingegeben,
Und Ihr nur wißt um den Verbleib.
Seid nicht verwundert, mich zu schaun;
Weil ich nur leb' in Eurer Nähe,
Nicht lebe, wenn ich Euch nicht sehe,
Dünkt mich die Ferne Todesgraun.
Zwar fürcht' ich fast, Ihr seid empört,
Wenn man so rückhaltlos Euch huldigt;
Ich aber bin dadurch entschuldigt,
Daß mir mein Herz nicht mehr gehört.
Octavia
Lorenzo, wurdet Ihr es inne,
Daß Euer Herz bei mir verblieb,
Ist mir das Eingeständnis lieb,
Weil ich bei diesem Tausch gewinne.
Gern geb' ich Euch dafür das meine
Mit aller Innigkeit und Treu';
Drum hegt, ich bitt' Euch, keine Scheu,
Daß Euer Wunsch zu kühn mir scheine.
Denn Euch als meinem Zwingherrn räum' ich
Die Herrschaft ein in diesem Haus.
Don Lorenzo
O Teuerste, was sprecht Ihr aus?
Ist's Wahrheit? Wach' ich oder träum' ich?
Was war's für eine Wunderblüte,
Auf die mein Fuß beim Aufstehn trat?
Welch ein Gestirn wies mir den Pfad?
Welch eine Venus bot mir Güte?
Ist eine Taube mir erschienen
Am Eingang? Saß ein Cherub dort?
Ich soll hier Herrscher sein hinfort,
Ich, der nicht wert ist, Euch zu dienen!
Befand' ich noch mich bei dem Heere,
Müßt' meine Kompagnie vor mir
Zum besten geben ein Turnier
Zu Eurem Ruhm und Eurer Ehre.
Das dürfte Tag und Nacht nicht enden
Mit Schwertgeklirr und Lanzenstoß,
Und für die Freudensalven bloß
Würd' ich ein Pulverfaß verschwenden.
Just wie wenn unsre Heeresmassen
Glorreich mit kriegsgeübter Hand
Erobert hätten Maurenland,
Würd' ich Viktoria blasen lassen.
Octavia
(leise zu Beatriz)
Nun denkt sich dieser Tropf gewiß,
Daß ich vor Leidenschaft verblute.
Don Lorenzo
(leise zu Tristan)
Nun glaubt unstreitig diese Pute,
Daß ich auf ihren Köder biß.
Octavia
(leise zu Beatriz)
Bei Gott, es soll, damit er's büße,
Mehr Geld ihn kosten, als er hat.
Don Lorenzo
(leise zu Tristan)
Sie fällt beim ersten Schuß aufs Blatt
Mir wie ein Rebhuhn vor die Füße.
Octavia
Nehmt Platz, ich bitte.
Don Lorenzo
Doch auch Ihr
Sollt die Bequemlichkeit nicht missen;
Setzt, Herrin, Euch auf dieses Kissen.
Octavia
Ein musterhafter Kavalier!
Dies Kissen, laßt es uns doch teilen;
Drauf sitzen können wir zu zwein,
Falls Ihr recht artig werdet sein.
Don Lorenzo
Auf jedem Platze mag ich weilen,
Gönnt Ihr, mein Lieb, darauf mir Raum;
Doch wenn ein Kissen in dem Bette
Genügt für zwei zur Lagerstätte,
Ein Sofakissen tut es kaum.
Ich will mich Euch zu Füßen schmiegen.
Octavia
Nicht doch, ein zweites hol' ich her.
(Sie setzen sich und sprechen leise miteinander)
Beatriz
(zu Tristan)
Sag, ist Mendoza denn nicht mehr
Dein Freund?
Tristan
Was kann dir daran liegen?
Mendoza laß nur aus dem Spiel;
Denn Freunde, Beatriz, vertragen
Sich gut in allen Lebenslagen,
Und sie verzeihn einander viel.
Beatriz
Du Narr, wie bist du lächerlich.
Er wäre nicht gekränkt?
Tristan
Bewahre!
Und überdies, mein Kind, erfahre:
Mein allerbester Freund bin ich.
Mir selbst vor allem bin ich treu,
Bin meinem Wohl zu dienen willig,
Und gilt das nicht für recht und billig,
Ist's doch in dieser Welt nicht neu.
Genau wie sich mein Herr verhält
Zu Felisardo, so verhalte
Ich zu Mendoza mich und schalte
Drum ebenfalls, wie mir's gefällt.
Rechtfertigt mich sein Vorbild nicht?
Beatriz
Du liebst mich?
Tristan
Über alle Maßen.
(Für sich)
Mit diesem Schaf ist leicht zu spaßen;
Doch aufgehn soll ihr bald ein Licht.
(Man hört draußen Rufe)
Octavia
Wer mag da solchen Lärm erregen?
Geh, Beatriz, schau nach geschwind!
Beatriz
Ich eile, Herrin, wie der Wind.
Tristan
Darf ich nicht mitgehn?
Beatriz
Meinetwegen.
(Beatriz, Tristan ab)
Octavia. Don Lorenzo
Don Lorenzo
Droht uns von irgendwo Gefahr?
Octavia
Nein, keineswegs; laßt Euch nicht stören.
Don Lorenzo
Warum nicht wollt Ihr mich erhören,
Octavia? Spracht vorhin Ihr wahr,
Weshalb, Geliebteste, verweigert
Ihr dann mir Eure höchste Huld?
Weshalb verweist Ihr zur Geduld
Die Hoffnung, die Ihr selbst gesteigert?
Von Tausenden hätt' ich allein,
So sagtet Ihr, Euch überwunden,
Und wollt mir's durch kein Ja bekunden,
Wo Ja doch kürzer ist als Nein.
Die Lieb' ist Übereinstimmung
Sowohl des Blutes wie der Sterne,
Und haben sich zwei Herzen gerne,
Hält sie die beiden ewig jung.
Gott Amor, der die Kunst zu lieben
Schon vor Jahrtausenden erfand
Und mit den Sternen selbst entstand,
Ist ja doch gleichfalls jung geblieben.
Octavia
Wenn Ihr im Namen dieses Alten,
Der jung blieb, meine Gunst begehrt,
Würd' Amor schlecht von mir geehrt,
Wollt' ich sie noch Euch vorenthalten.
Darum – der Himmel sei mein Zeuge –
Habt Ihr ein tausendfaches Recht,
Daß ich dem Wunsch, von dem Ihr sprecht,
Mich ohne Widerstreben beuge.
Nur weil ich Eurem Liebesjoche
Mich nicht zu flink ergeben mag,
Drum kommt an einem andern Tag,
Sei's morgen oder nächste Woche.
Dann werd' ich tun, worauf Ihr drängt,
Wie's in den Sternen steht geschrieben;
Denn zweifellos war, Euch zu lieben,
Schon in der Wiege mir verhängt.
Don Lorenzo
Ja, in den Sternen läßt sich's lesen
Und Euren Augen, weil darin
Ihr Abbild strahlt, daß von Beginn
Der Welt ich Euer bin gewesen.
Die Sprache, die den Sternen fehlt,
Sie hat sich, um mir dies zu sagen,
Auf Eure Augen übertragen.
Octavia
So hättet Ihr mich auserwählt
Bereits vor Tausenden von Jahren?
Woran erkanntet Ihr denn da,
Daß ich es bin?
Don Lorenzo
Das fragt Ihr?
Octavia
Ja.
Don Lorenzo
Die Augen ließen mich's erfahren.
Octavia
Doch mein Gedächtnis leugnet's leider:
»Octavia,« sagt's mir innerlich,
»Der Hauptmann hat erst gestern dich
Zum erstenmal gesehn beim Schneider.«
Es wäre drum trotz dem Vermerk
Der Sterne Schwachheit ohne Frage,
Ergäbe schon nach einem Tage
Belagrung sich das Festungswerk.
Don Lorenzo
O Grausamkeit! Fiel Alexandern
Der Erdkreis nicht in einem Jahr
Anheim?
Octavia
Nein; denn so hurtig war
Er kaum imstand, ihn zu durchwandern.
Erst nach acht Tagen sieht Madrid,
Wer von Sevilla aufgebrochen,
Und nach Havanna braucht zwölf Wochen
Ein Schiff, das aus dem Hafen glitt.
Und Alexandern hätt' ein Jahr
Genügt, um durch die Welt zu dringen
Und so viel Städte zu bezwingen?
Das ist ein Schwindel offenbar.
Nicht möglich wär's in sieben Jahren.
Don Lorenzo
Und er, der sprach: »Ich kam, ich sah,
Ich siegte«?
Octavia
War ein Held, o ja;
Denn kühn bestand er viel Gefahren.
Doch Ihr, was habt Ihr durchgemacht,
Mein süßer Herr, das Ruhm Euch brächte?
Wieviele schlummerlose Nächte
Habt Ihr aus Liebespein verbracht?
Wievielen bittern Frost ertrugt Ihr
Vor meiner Haustür? Wieviel Gold
Ist Euch für mich davongerollt?
Und wieviel Maurenvolk erschlugt Ihr?
Gabt Ihr mir Renten und Geschmeide?
Beschenktet meine Zofen Ihr?
Was für ein Händler brachte mir
Für Eure Rechnung Samt und Seide?
Ihr müßt es wahrlich selber fühlen,
Mein Freund, mein Engel, mein Idol,
Daß dies Verhalten allzu wohl
Geeignet ist, mich abzukühlen.
Sah jemals man solch hitzig Fieber?
Bequemt Euch zu gelindrer Art,
Und statt daß Ihr mit Eilpost fahrt,
Nehmt ein gemietet Maultier lieber.
Denn klar und deutlich sollt Ihr wissen,
Daß nicht mehr meine Liebe heut
Euch andre Gunstbeweise beut,
Als den sie schon Euch bot: ein Kissen.
Vorige. Beatriz. Tristan
Beatriz
Es scheint, als hätt' am heut'gen Tage,
Der uns für schön und fröhlich galt,
Sich gegen uns mit Allgewalt
Verschworen jede Not und Plage.
Octavia
Was gibt's?
Beatriz
Ich sag' es Euch ins Ohr.
Octavia
Sprich laut.
Beatriz
Ich kann nicht.
Octavia
Also leise.
(Beatriz flüstert ihr etwas zu)
Don Lorenzo
(beiseite)
Tristan!
Tristan
(ebenso)
Herr?
Don Lorenzo
Heuchlerischerweise
Spielt sie mir die Verliebte vor.
Tristan
Das könnt Ihr glauben?
Don Lorenzo
Gaukelei!
Wahrhaftig, diese Teufelshexe
Besitzt Geriebenheit für sechse.
Tristan
So gebt ihr euch nichts nach, ihr zwei.
Octavia
(laut zu Beatriz)
O Jesus, was für Peinigungen!
Sag, daß er morgen kommen soll.
Don Lorenzo
Mein Lieb, wer ist geheimnisvoll
In Euren Zauberwald gedrungen?
Ist's irgendein verirrter Held?
Ein Zwerg aus einem Burgverliese?
Ein Wilder oder gar ein Riese?
Was hat der Schildknapp Euch bestellt?
Octavia
Ihr dürft nichts Übles von mir denken.
Don Lorenzo
Bei Gott, wer steht auf Eurem Flur?
Octavia
Niemand.
Don Lorenzo
Bekennt es ruhig nur;
Möcht' ich Euch doch in nichts beschränken.
Daß ich zur Lästigkeit kein Recht
Besitze, sei hiermit beeidigt.
Octavia
Nun, bloß damit Ihr nicht beleidigt
Und eifersüchtig werdet …
Don Lorenzo
Sprecht.
Octavia
Ein Pappenstiel.
Don Lorenzo
Ich dulde Qualen.
Was ist es denn in aller Welt?
Octavia
Ein Leinwandhändler fordert Geld.
Don Lorenzo
Ich werd' es ihm sofort bezahlen.
Gebt, bitt' ich, ohne viel Geschichten
Ihm diesen Ring hier.
Octavia
Nimmermehr.
Lauf, Beatriz, und sag, ich wär'
Bereit, es nächstens zu entrichten,
Don Lorenzo
Nehmt, wiederhol' ich, diesen Ring!
Octavia
Wenn Ihr's verlangt, muß ich willfahren.
Bring, Beatriz, ihn dem Barbaren.
Beatriz
Das freilich ist ein ander Ding.
(Sie nimmt den Ring und geht ab)
Octavia
Ihr seid ein Ritter ohne Tadel.
Großzügigkeit und Edelmut
Schätz' ich an Euch, und Euer Blut
Bewährt sich als von echtem Adel.
Ihr wißt wohl selber: Haus und Herd
Ist teuer in Madrid; zuzeiten
Kommt jeder in Verlegenheiten …
Don Lorenzo
Das ist ja nicht der Rede wert.
Octavia
Zwar Häuser sind mein Eigentum
Im allerfeinsten Stadtgebiete;
Jedoch man schuldet mir die Miete
Seit Monden.
Don Lorenzo
Sorgt Euch nicht darum.
Beatriz
(kehrt zurück)
Als ich den Flur in raschem Lauf
Erreicht, um jenen Ring zu geben
Dem Leinwandhändler, stieg grad eben
Der Juwelier zu Euch herauf.
Weil er mich sah, könnt' ich nicht hehlen,
Daß Ihr zu Hause seid.
Octavia
Geh, sag,
Er komm' an einem andern Tag.
Don Lorenzo
Nein, er soll nicht sein Ziel verfehlen.
Ich bitt' Euch, gebt ihm diese Kette,
Die durch ihr silbernes Geschmeid
Aufwiegt, was Ihr ihm schuldig seid.
Tristan
(für sich)
Die zieht ihn völlig aus, ich wette.
Octavia
Bestürmt mich nicht; ich nehm's nicht an.
Don Lorenzo
Unweigerlich, Ihr sollt sie nehmen!
Octavia
Was hilft's? Ich muß mich wohl bequemen.
Euch möge widerstehn, wer kann.
(Zu Beatriz)
Gib's ihm und sag, ich bring' ihm morgen
Die hundert Golddukaten auch.
(Beatriz geht mit der Kette ab)
Tristan
(für sich)
Hundert Dukaten!
Octavia
Zum Gebrauch
Sollt Ihr sie lediglich mir borgen.
Ihr werdet sie zurückbekommen
In aller Kürze.
Don Lorenzo
Tristan bringt
Sie Euch noch heut.
Octavia
Zählt unbedingt
Auf meinen Dank.
Don Lorenzo
Hast du vernommen,
Tristan?
Tristan
Ja, Herr,
(Für sich) Ich wollt', ich wäre
Stocktaub.
Don Lorenzo
Dreihundert.
Tristan
(leise)
Drei? Bedenkt …
Don Lorenzo
Dreihundert, nicht geliehn, geschenkt.
Tristan
(für sich)
Man schleppe mich auf die Galeere,
Bring' ich die Menge Geldes ihr!
Vorige Beatriz (kehrt zurück. Gleich darauf) Felisardo, Mendoza
Beatriz
Nun kommt auch Felisardo grade.
Gleich wird er hier sein.
Octavia
(leise zu Don Lorenzo)
Oh, wie schade!
Felisardo
(eintretend)
Wie, Don Lorenzo, Ihr seid hier?
Da wir einander nirgends trafen,
Sucht' ich nach Euch die Kreuz und Quer.
Don Lorenzo
Um Euch zu suchen, kam ich her
In diesen friedsam stillen Hafen,
Und auf Euch wartend all die Zeit,
Hab' ich, weil Ihr so lang gezaudert,
Hier mit der Gnädigen geplaudert.
Felisardo
Ich höre das nicht ohne Neid.
Octavia
Er hat mir von Italien spannend
Erzählt inzwischen.
Felisardo
In der Tat,
Er ist ein tapferer Soldat,
Auch alle Herzen übermannend.
Octavia
(zu Don Lorenzo)
Fahrt fort, ich bitt' Euch, von der Schlacht
Und von dem Schiffbruch.
Don Lorenzo
Unsre Flotte
Verfolgte sie, weil diese Rotte
Sich bis Otranto durchgebracht.
Auch lagen die Malteser dort,
Von deren Schiffen zwei entkamen.
Wir stießen vor in Gottes Namen.
Die Wellen schlugen über Bord;
Ein Wunder ließ uns hingelangen.
Wir enterten, wir kämpften heiß
Mit diesem heidnischen Geschmeiß
Und nahmen Tausende gefangen.
Ich wollt' Euch grade noch berichten
Von jener Sklavin – da erschien
Hier Felisardo. Mir entziehn
Daher das Wort die Ritterpflichten.
Denn daß man Liebende nicht stört,
Gilt in der ganzen Welt als Regel,
Und wer es doch tut, ist ein Flegel,
Falls ihm kein Wahn das Hirn betört.
Ich aber, folgsam dem Gebot,
Halt' es für richtig, zu verschwinden.
Octavia
Um wann Euch wieder einzufinden?
Don Lorenzo
Ich denke, nach dem Abendbrot.
Felisardo
Begehrt Ihr, daß ich mit Euch geh'?
Don Lorenzo
Ei, glaubt Ihr wohl, ich bin der Dumme?
Komm, Tristan.
Tristan
(im Abgehen)
Eine solche Summe
Werft Ihr hinaus? O jemine!
Don Lorenzo
Was willst du?
Tristan
Seid Ihr gänzlich toll?
Den Ring, die Kette dranzugeben!
Don Lorenzo
Schweig still; du wirst gar bald erleben,
Was alles dies bezwecken soll.
(Beide ab)
Octavia. Beatriz. Felisardo. Mendoza
Felisardo
Herzlose Feindin, ich muß staunen,
Wie nichts als Grausamkeit und Hohn
Du meiner Liebe gibst zum Lohn!
Ein Rätsel sind mir deine Launen.
Nachdem ich deines Hauses Tor
Verlassen kaum vor einer Stunde,
Find' ich mit dir in trautem Bunde
Schon meinen besten Freund hier vor.
Medea, Dalila, Sirene,
Verhängnisvolle Gauklerin,
Oh, welch ein blöder Narr ich bin,
Wenn ich von dir geliebt mich wähne!
Wie hurtig doch dein Herz erlag,
Sobald Lorenzo dir genaht ist,
Der weiter nichts als ein Soldat ist,
Nicht lieben, bloß erobern mag!
Er, den zum zweitenmal du siehst,
Hat schon mehr Gunst von dir erfahren,
Als ich in den drei langen Jahren,
Seit du mich an der Nase ziehst.
Wie nennst du dies?
Octavia
Daß meine Huld
Für dich noch nicht entzweigesprungen
Trotz allen deinen Lästerungen,
Zeigt meine rührende Geduld.
Wer sonst bracht' ihn mir her als du?
Felisardo
Ich tat es, weil ich dir vertraute
Und fest auf deine Tugend baute.
Octavia
Sahst du was Arges?
Felisardo
Hör mir zu.
(Sie flüstern miteinander)
Mendoza
(zu Beatriz)
Herzlose Natter, Rabenaas,
Medea, Circe, Bajadere,
Hyäne, Basilisk, Megäre,
Gemisch von zwanzig Dalilas,
Kaum daß ich mich ein Stündchen trolle,
Ein Weilchen wende nur den Kopf,
Da sitzt an deinem Suppentopf
Bei dir schon Tristan in der Wolle!
Da soll doch gleich …
Beatriz
Mendoza, zähm dich,
Sonst muß ich heulen wie ein Hund.
Octavia
(zu Felisardo)
Dies deines Polterns ganzer Grund?
Felisardo
Was noch?
Octavia
Du dreister Dummkopf, schäm dich!
Felisardo
Die Wahrheit sagen nennst du dreist?
Octavia
Mir aus den Augen!
Felisardo
Nach Belieben,
Ich will den Aufbruch nicht verschieben,
Da du so schnöd mich abgespeist.
Verlassen werd' ich drum die Mauern
Madrids beim nächsten Morgenrot.
Octavia
Das werd' ich bis an meinen Tod,
Mein Felisardo tief bedauern
Nicht essen werd' ich mehr noch schlafen,
Wenn ich von dir verlassen bin.
Felisardo
Kaltherz'ge, gift'ge Mörderin,
Such anderswo dir deine Sklaven.
Du weder wirst, noch wird Madrid
Mich wiedersehn.
Octavia
Nie?
Felisardo
Nie!
Octavia
Mein Leben,
Wohin willst du dich denn begeben?
Felisardo
Heim kehr' ich nach Valladolid.
Octavia
Was gibt dir Anlaß, heimzuwandern?
Erwartet ein Prozeß dich dort?
Wie? Oder willst du von mir fort
Aus Unbestand, gleich allen andern?
Nur um mich blank zurückzulassen,
Kommst du mit Eifersüchtelei
Und wähnst, nach einem Schmerzensschrei
Würd' ich alsbald mich wieder fassen?
Du bist erkannt als leichte Ware;
So geh mit Gott.
Felisardo
Bleib du zurück
Mit deinem neu gefundnen Glück,
Mit dem Herrn Hauptmann, Undankbare!
(Ab. Mendoza folgt ihm)
Octavia. Beatriz
Beatriz
Wie, Fräulein, soll man das verstehn?
Octavia
Du hättest wirklich nicht begriffen,
Daß alles dies Verstellungskniffen
Entsprang?
Beatriz
Ihr meint, er wird nicht gehn?
Octavia
Die Hand will ich ins Feuer legen,
Daß nun zu seinem Freund er schleicht,
Mich auszulachen.
Beatriz
Und nicht weicht?
Octavia
Er wird sich nicht vom Fleck bewegen.
Paß auf, sie kreisen heute nacht
Um unsres Hauses Tür so lange,
Bis man mit einer Wagenstange
Gewaltsam ihnen Beine macht.
Doch sag, wo hast du Ring und Kette?
Beatriz
Hier.
Octavia
Die behalt' ich zum Entgelt,
Daß man mich so zum Narren hält.
Beatriz
Recht gute Beute das.
Octavia
Und fette.
Beatriz
Doch wenn es falscher Trödel wäre?
Octavia
Du jagst mir einen Schrecken ein.
Ich diesmal die Geprellte? Nein,
Das ginge wider meine Ehre,
Und nie verzeihen würd' ich's mir,
Wüßt' ich nicht einem Hahn beim Rupfen
Die rechten Federn auszuzupfen.
Komm, fragen wir den Juwelier.
(Beide ab)
Straße wie zuvor
Liseo, Damacio, Pleberio (kommen im Gespräch)
Liseo
Seid überzeugt von meiner lautren Absicht.
Pleberio
Ich weiß, Ihr seid ein Ehrenmann, und tief
Betrübt mich, daß Clarinda, meine Nichte,
Das nicht erfüllt, was ihrem sel'gen Vater,
Dem edlen, trefflichen, sie schuldig ist.
Das Mädchen ist nicht arm.
Liseo
Nicht andre Mitgift
Wünsch' ich als ihre Schönheit; denn ich liebe
Clarinda, und sie lohnte mir's nicht schlecht,
Bevor der gottverdammte Hauptmann kam,
Der alle meine Hoffnungen zerstörte.
Damacio
Wie viele Male mußt' ich, Herr Pleberio,
Liseos trift'gen Groll beschwichtigen.
Denn was er leidet, ist kein Kinderspiel
Für einen jungen Mann aus gutem Haus.
Ich riet ihm drum, er mög' an Euch sich wenden;
Denn gradheraus, Clarinda handelt unrecht.
Pleberio
Ganz meine Meinung, lieber Herr Damacio;
Denn wär's nicht so, weswegen wär' ich dann
Gekommen, um ins Mittel mich zu legen?
Erwartet mich an dem Lorito-Tor.
Bevor ihr noch ein Salve hören könnt,
Kehr' ich zurück und meld' Euch ihres Willens
Ja oder Nein.
Liseo
Der Himmel sei mit Euch.
(Liseo und Damacio ab)
Pleberio (Gleich darauf) Evandro, Clarinda
Pleberio
(pocht an die Tür des Hauses links)
Heda! Ist niemand drinnen?
Clarinda
(von innen)
Lauf, Evandro.
Mir scheint, es ist mein Oheim.
Evandro
(aus der Tür schauend)
Ja, wahrhaftig.
(Er spricht zurück)
's ist Herr Pleberio, Fräulein. Kommt heraus.
(Er und Clarinda treten aus dem Haus)
Clarinda
Mein Oheim, guten Tag.
Pleberio
Wahrhaftig, Kind,
Wenn nicht dein Oheim kommt, dich zu besuchen,
Vergißt du gänzlich, daß er auf der Welt ist.
Noch leb' ich, habe Hände noch und Füße;
Der letztern Zahl hat sich sogar vermehrt:
Mit diesem Stocke nämlich sind es drei.
Clarinda
Tu mir die Liebe, setz dich. Willst du was?
Ein Gläschen Wein? Vielleicht auch einen Imbiß?
Evandro, flink ...
Pleberio
Bleib mir damit vom Leib.
Mich führt was Wichtigeres her.
Clarinda
Was ist's?
Pleberio
Wir Alten sparen immer gern mit Worten;
Denn da vom Leben wenig übrig ist,
So lieben wir die zeitverschwendenden
Vorreden nicht. Clarinda, dich vermählen
Will ich mit einem Manne, den du kennst,
Und der, so glaub' ich, dir nicht schlecht gefällt.
Was für ein Hauptmann aber kam dazwischen?
Ein Don Lorenzo oder Don Scharwenzo?
Laß diese Prahler, diese Wichtigmacher!
Auch ich war einst Soldat, focht mit den Mauren
An manchem Kampftag auf den Alpujarras,
Und Don Juan de Austria, Gott hab'
Ihn selig, sah mich sechsmal in der Schlacht.
Das könnte dir auch von Luis Quijada
Bestätigt werden, hätten nicht die Heiden
Luis Quijada damals umgebracht.
Welch großes Unglück!
Clarinda
Oheim, hör nun auf
Mit Kriegsgeschichten; kommen wir zur Sache.
Pleberio
Ich will diesmal dich dem Gemahl vermählen;
Es ist Liseo, des Fidelio Sohn:
Fidelios, der mein Freund war und ein Prachtmensch.
Auch er nahm teil am Kampfe bei Granada,
Und eines Nachts – es ist mir noch wie heut.
Wie heiß es damals herging – töteten
Wir jenen hochberühmten Maurenhäuptling,
Mit Namen ...
Clarinda
Laß die Schlachten doch beiseit
Und sprich von dem, was wichtig ist.
(Für sich) Er kommt
Mir grade recht; Lorenzo hat es reichlich
Verdient, daß ich ihm einen Possen spiele.
(Laut)
Ist, guter Oheim, dies dein Wunsch und Wille,
So hab' ich nichts dagegen einzuwenden.
Es gibt nur eine kleine Schwierigkeit
Mit diesem Hauptmann, der schon dazumal,
Als für des Königs feierlichen Einzug
Man Ehrenpforten baute, mich umwarb.
Dann ging er mit dem Heere nach Neapel
Und schrieb von dort mir tausend Schmeichelein.
Doch wenn durch deinen bündigen Beschluß
Und deine würdevolle Gegenwart
Ihm meine Heirat kund wird, zweifl' ich nicht,
Daß er den Platz vor meiner Türe räumt.
Verlaß dich nur getrost auf deine Nichte.
Pleberio
Auf dich verlassen? Ha, bei Gott, noch hab' ich
Den Degen, den ich bei Granada trug
Und der geschwärzt noch ist vom Pulverdampf.
Clarinda
Jetzt laß die Waffen endlich ruhn.
Pleberio
Die Briefe
Mußt du ihm wiedergeben.
Clarinda
Diesen Vorsatz
Hatt' ich bereits gefaßt. Evandro!
Evandro
Fräulein?
Clarinda
Ein Bündel Briefe liegt auf meinem Schreibtisch;
Das bring hierher.
Evandro
Sofort.
(Ab ins Haus)
Clarinda
So schnell wie möglich
Soll er sie haben; denn sie könnten sonst
Ihm die Gelegenheit zur Rückkehr liefern;
Den kleinsten Umstand nützen Männer aus.
Evandro
(kommt mit einem Briefbündel zurück)
Sind's diese?
Clarinda
Ja. Trag sie zum Hauptmann hin
Und sag ihm, daß ich ehstens mich vermähle
Mit einem ehrenwerten Edelmann;
Er soll mich drum nicht mehr behelligen.
(Evandro ab)
Pleberio
Wo find' ich ihn?
Clarinda
Im Gasthof um die Ecke
Wohnt er.
Pleberio
Dein guter Engel schirme dich.
(Ab)
Clarinda
(allein)
Dies straft ihn! Wenn uns Lieb' entschlafen deucht,
Wird sie von Eifersucht emporgescheucht.
(Ab ins Haus links)
Don Lorenzo. Tristan
Don Lorenzo
In Müßiggang verbring' ich meine Stunden,
Wenn's müßig ist, ganz dem Gefühl zu leben,
Verlornes Heil für Unheil dranzugehen
Und ein Gedicht zu lesen, das erfunden.
Abwesenheit schloß meines Herzens Wunden,
Und Rückkehr läßt's vor neuer Pein erbeben,
Wie des Erschlagnen Blut in wildem Streben
Entströmend will des Mörders Nahn bekunden.
Enttäuschung blühte mir statt des Genusses;
Mein Teil war Eifersucht; mich ließ entlohen
Ruchloser Sieg von ein paar schönen Händen.
Nun lehrt mich die Erkenntnis des Verdrusses,
Daß Flut und Weib gleich tödlich uns bedrohen
Und wer ihr Spiel wird, jammervoll muß enden.
Tristan
Warum hierher kehrt Ihr zurück
Mit Euren Seufzern, Euren Klagen,
Um wiederum aufs neu zu wagen
Das oft bestandne Wagestück?
Herr, ist's nicht einfach lächerlich,
Noch einmal in das Meer zu springen,
Dem nur durch angespanntes Ringen
Man schwimmend kurz vorher entwich?
Dies Weib, das Euch kein Glück verlieh,
Euch niemals wahre Liebe schenkte,
Durch ihren Unbestand Euch kränkte,
Was kümmert Ihr Euch noch um sie?
Solang die süße Täuschung weilt,
Mag es verzeihlich sein, zu brennen;
Doch Eigensinn muß man es nennen,
Wird der Enttäuschte nicht geheilt.
Don Lorenzo
Weh mir Unseligem! Nur wilder
Wird meine Glut von ihrem Eis,
Und ihres Wankelmuts Beweis
Macht meines Herzens Brand nicht milder.
Ich werde nie Clarinda hassen;
Nie werd' ich der Octavia hold.
Tristan
Doch überhäuft Ihr die mit Gold,
Von jedem guten Geist verlassen.
Ich würd' ihr einen Tritt versetzen.
Don Lorenzo
Meinst du, daß ich sie nicht durchschau'?
Und wär' sie hundertmal so schlau,
Sie fängt mich nicht in ihren Netzen.
Im Hause war, man soll mich köpfen,
Kein Händler und kein Juwelier,
Und gab ich Kostbarkeiten ihr,
Werd' ich dafür sie doppelt schröpfen.
Wenn ich nicht andre Sorgen hätte,
Wie wär' ich froh!
Vorige. Pleberio. Evandro
Evandro
Das ist er.
Pleberio
Gut
Gewachsen.
Evandro
Und ein feurig Blut.
Don Lorenzo
Ach, schönes Lieb!
Tristan
Ach, schöne Kette!
Pleberio
Ich grüß' Euch, Euer Wohlgeboren.
Don Lorenzo
Ich grüße, Herr, Euch meinerseits.
Pleberio
Von Ansehn kenn' ich Euch bereits.
Don Lorenzo
Zu gütig, Herr.
Pleberio
Mir kam zu Ohren,
Daß Ihr Euch Don Lorenzo nennt.
Don Lorenzo
Jawohl, der bin ich.
Pleberio
Auch erfahr' ich,
Daß Ihr ein Hauptmann seid.
Don Lorenzo
Das war ich.
Pleberio
Und aus Italien kommt.
Don Lorenzo
Ihr kennt
Mich durch und durch. Erst ein paar Tage
Bin ich zurück.
Pleberio
Mein graues Haar
Belehrt Euch, daß ich wenig zwar,
Doch dies mit vollem Nachdruck sage.
Don Lorenzo
Das glaub' ich gern.
Pleberio
Mir wird erzählt,
Daß Euer Blick auf meine Nichte
Clarinda sich verlangend richte.
Don Lorenzo
Damit sie sich mit mir vermählt.
Pleberio
Das kann nicht sein.
Don Lorenzo
Weshalb denn nicht?
Pleberio
Deshalb, weil sie bereits verlobt ist.
Don Lorenzo
Mit wem?
Pleberio
Mit einem, der erprobt ist
Als Edelmann.
Don Lorenzo
Und darum bricht
Sie nun den Schwur der Treue mir?
Pleberio
Sie hat den Wunsch mir aufgetragen,
Ihr möchtet freundlichst ihr entsagen,
Und schickt Euch diese Briefe hier.
Evandro, gib; es sind die Euern.
Sie predigen Euch Blatt für Blatt,
Wie wenig Zweck es für Euch hat,
Die Werbung nochmals zu erneuern.
Drum bitten ich und sie vereint,
Ihr fürderhin nicht mehr im Wege
Zu sein.
Don Lorenzo
Ihr gebt mir mehr Belege,
Als mir zur Einsicht nötig scheint.
Pleberio
Es sind die Quittungen; sie schließen
Die Rechnung ab.
Don Lorenzo
Herr, tut ihr kund,
Daß ich die ihren bis zur Stund'
Behielt, um sie nicht zu verdrießen.
Ich gebe sie dem künft'gen Gatten.
Pleberio
Das ist durchaus in ihrem Sinn.
Don Lorenzo
Nur wähnt nicht, daß ich willens bin,
Dies alles ruhig zu gestatten.
Ihr spracht von Eurem grauen Haar;
Nur um so größer ist mein Staunen,
Daß es Clarindas lockren Launen
Vorschub zu leisten willig war.
Ihr habt, als käm's nicht in Betracht,
Daß lange schon wir zwei uns lieben,
Ihr diese Heirat vorgeschrieben
Und so zum Kuppler Euch gemacht.
Kommt aber mir der Mensch zu Händen,
Der mich verdrängt, dann weh ihm, weh!
Pleberio
Mein Herr, kein Kuppler war ich je,
Bin's, nicht und werd's nicht sein, verstanden?
Ja, wär' der Stock, den Ihr da seht,
Ein Degen, würd' er flugs Euch lehren,
Etwas mehr Achtung zu gewähren
Dem grauen Haare, das Ihr schmäht.
Clarinda ist höchst ehrenwert
Und Ihr ein unverschämter Junge.
Don Lorenzo
Den Alten diente stets die Zunge
Als Stellvertretung für das Schwert.
Geht!
Pleberio
Wohl; doch sollt Ihr spüren, wer
Pleberio ist!
(Ab. Evandro geht ins Haus links.)
Don Lorenzo. Tristan
Don Lorenzo
Ach, Tristan!
Tristan
Freilich,
Nun steht's mit Euch nicht sehr gedeihlich.
Don Lorenzo
O Schicksal, triffst du mich so schwer?
Ob in ihr Haus ich gehen soll?
Tristan
Denkt Ihr, daß dies Erfolg verspreche?
Don Lorenzo
Ist's Liebe, Wut, Begierde, Schwäche?
Bin ich besessen? Bin ich toll?
Ihr Zeugen meines Wahns, ihr Briefe,
Auf die mein Hoffen ich gesetzt,
Wie? Stürzt als falsche Freunde jetzt
Ihr mitleidlos mich in die Tiefe?
Schau, Tristan; mag's der Himmel wissen:
Hier, zwischen ihnen, auch mein Bild!
Ein Plunderkram, der nichts mehr gilt,
Nachdem das Band entzweigerissen.
Gleichst du mir noch, mein Konterfei?
Nicht doch, ich bin von Grund verwandelt:
Ein Sterbender, verfolgt, mißhandelt!
Mich packt Verzweiflung, Raserei!
Hinweg mit dir; laß mich allein.
Tristan
Ich geh'.
(Er tut, als ob er sich entferne)
Don Lorenzo
Was? Willst du mich verlassen?
Tristan
(umkehrend)
Ihr seid verrückt.
Don Lorenzo
Dies Wort mag passen.
Verrückt bin ich vor Herzenspein.
Ihr Briefe, ganz und gar durchdrungen
Ist jedes Blatt von euch mit Gift;
Ein jeder Buchstab dieser Schrift
Zerquält mich mit Erinnerungen.
Kein Weib ist standhaft. Hinterrücks
Mit einem andern sich verloben!
Ach, durch mein eifersüchtig Toben
Trübt' ich den Himmel meines Glücks.
Ich werde den Liseo töten,
Sodann mich selber oder sie. –
Hilf, Tristan, mir!
Tristan
So kommt Ihr nie
Mit blauem Aug' aus Euren Nöten.
Eßt, schlaft und schlagt's Euch aus dem Sinn.
Don Lorenzo
Hörst du denn nicht, was ich erleide?
Merkst nicht, daß ich vor Qual verscheide?
Siehst nicht, daß ich verloren bin?
Ich, tapfer einst in jeder Schlacht,
Ich, einst mit Lorbeer überschüttet,
Bis zur Umnachtung nun zerrüttet!
Das hat die Lieb' aus mir gemacht.
Tristan
Und wenn Octavia heilsam war'?
Herr, nehmt Ihr meinen guten Rat an,
So wird ...
Don Lorenzo
Octavia ist ein Satan!
Sprich nie mir von Octavia mehr!