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Das Mißglücken seiner Anstellung im Justizministerium war eine schmerzliche Erfahrung für den jungen Mann; schmerzlich besonders um der Eltern willen, deren Wunsch, ihn »versorgt zu wissen,« ihm so wohl bekannt war. Für ihn selbst hatte die Aussicht auf die Advokatur, die nun nach fast anderthalbjährigen vergeblichen Mühen wieder vor ihm lag, auch nichts Erfreuliches, aber mit gutem Muthe trat er in Stuttgart in diese Bahn wieder ein. An Kenntnissen und Geschäftserfahrung hatte er gewonnen durch seine Thätigkeit in der Ministerialkanzlei. Oft hat er später gesagt, daß seine Ueberzeugung, wie nothwendig feste Rechtsnormen und die Herstellung der ständischen Verfassung für sein Heimathland sei, durch die Einsichten und Erfahrungen die er dort gewonnen, in ihm geweckt und befestigt worden seien. Etwas mehr Freiheit für seine Lieblingsstudien konnte er sich nun auch erringen, aber der innere Kampf hörte nicht auf. Er mochte wohl völlig hinreichende Kenntnisse für einen guten Advokaten haben, aber die Leichtigkeit im Arbeiten fehlte ihm vielleicht, wie er sich denn ursprünglich schon »des Rechtes beflissen gegen seines Herzens Drang.« So kam es, daß er mit allem Fleiße doch nur ein kaum genügendes Auskommen sich erringen konnte, so daß all seine Bedürfnißlosigkeit und Einfachheit dazu gehörte, um damit auszureichen. In einem Briefe an seinen Freund Mayer schreibt er: »Freilich bin ich nicht zum Advokaten geboren, es fehlt mir besonders das Talent zum Erwerb.« Einige Zeit später: »An Advokaten-Geschäften fehlt es mir gerade nicht, desto mehr aber an Leichtigkeit im Geschäft, besonders bin ich allzu zerstreut. Seit ich wieder die meiste Zeit zu Hause bin, locken mich immer alte und neue Phantasien von der Arbeit ab, und ich habe in der letzten Zeit wieder Verschiedenes gedichtet und entworfen, was dann freilich dem Erwerb, der mir jetzt so nöthig wäre, wenig zu Statten kommt.« Nicht selten mag er fast erschrocken sein, wenn ihm ein Proceß aufgetragen wurde, weil er sich dadurch in der Ausführung eines poetischen Entwurfs oder in der Fortsetzung seiner Studien mußte unterbrechen lassen. Seine Freunde Roser und Schott nahmen herzlichen Antheil an seinem Geschick. Albert Schott, Procurator in Stuttgart, etwa vier Jahre älter als Uhland, war ihm schon von Tübingen, wo sein Vater Oberamtmann war, befreundet. Er gab Uhland von seinen Arbeiten ab und bereitete ihm in seinem Hause, da er schon einen Hausstand begründet, manche heitere Stunde. Die Freunde setzten auch eine Stunde fest, wo sie zusammen die griechischen Schriftsteller lasen. Später kamen sie durch die Gleichheit der politischen Ansichten und Bestrebungen sich noch näher. Roser war sein täglicher Begleiter auf Spaziergängen und übte mit seinem heitern Geist einen wohlthätigen Einfluß auf Uhland aus. Die andern auswärts wohnenden Freunde konnte er nun auch eher besuchen; so war er im Jahr 1814 zweimal bei Kerner in Weinsberg. Inniges Wohlgefallen fand er an der kleinen Tochter dieses Freundes, wie das Lied »Auf das Kind eines Dichters« ausspricht.
Auch die Eltern und die zur lieblichen Jungfrau herangewachsene Schwester konnte er nun öfters mit seinem Kommen erfreuen. Kurz vor seiner Uebersiedelung nach Stuttgart, im Jahr 1812, war der Freiherr von Wangenheim als Curator der Universität nach Tübingen gezogen. Er erzeigte Uhland viele Freundlichkeit, sah überhaupt junge, strebsame Männer gerne in seinem gastlichen Hause. Als Uhland im Spätjahr 1814 bei seinen Eltern war, erbot Wangenheim sich sehr freundlich, mit Cotta wegen Herausgabe seiner Gedichte sprechen zu wollen, worauf ihm Uhland sein schon längere Zeit zur Herausgabe zugerichtetes Manuscript übersandte. Dem Zuspruch von Wangenheim hatte er es wohl zu danken, daß Cotta sich nun geneigt zeigte die Gedichte in Verlag zu nehmen. Sie erschienen im Sommer 1815. So war ihm in der für ihn ungünstigen Zeit doch Ein Wunsch erfüllt!
Bei der Uebernahme der Secretärsgeschäfte im Ministerium war ihm, wie schon gesagt, entweder die Secretärsstelle, oder, wenn er es wünschte, eine Procuratur zugesagt worden. Aber trotz mehrmaligem Melden und verschiedenen Eingaben des Vaters wurde ihm auch dieses Gesuch nicht bewilligt. Der folgende Brief zeigt seine damaligen Verhältnisse und seine Stimmung dadurch.
Uhland an seine Mutter.
Stuttgart, 22. Juni 1815.
»Liebste Mutter!
Die Nachricht von dem unvermutheten Tode des Onkels in Karlsruhe wurde mir zuerst als unverbürgtes Gerücht vom Heilbronner Mayer geschrieben, am folgenden Tage aber gab die Zeitung traurige Bestätigung. Ich betraure in ihm einen wackeren Mann, der mir stets mit besonderem Wohlwollen zugethan und von den redlichsten Wünschen für mein Wohlergehn beseelt war, zugleich ist es mir ein schmerzlicher Gedanke, wie empfindlich Ihnen der Verlust dieses letzten Ihrer Geschwister gefallen sein müsse.
Ein solcher Todesfall erweckt leicht auch die Vorstellung, wie Manche, die sich durch Bande des Bluts und der Liebe innig angehören, doch so wenig zu einem wahren Zusammenleben gelangen können und sich nur durch Erinnerung und einzelne Begegnungen, wie Reisende auf der Kreuzstraße, verbunden bleiben. Diese Vorstellung schwebt mir ohnedieß seit geraumer Zeit nur zu lebendig vor, da ich befürchten muß, zuweilen auch Ihnen, liebe Eltern und Schwester, etwas entfremdet zu erscheinen, wenn ich an Mittheilungen größtentheils aus dem Grunde sparsam bin, weil mich die widrigen, unbestimmten Verhältnisse, worin ich so lange her mich befinde, so wenig Erfreuliches mittheilen lassen. Freilich erhebt mich dann auch wieder das Bewußtsein meiner sich innerlich stets gleichbleibenden Liebe und Anhänglichkeit und das Gefühl, daß eben dieses Unvollkommene und Zerrissene der irdischen Verhältnisse auf die Nothwendigkeit einer, den Bedürfnissen des liebenden Herzens entsprechenden Zukunft hinweist, wo diejenigen, die sich mißkannten, sich ganz durchschauen, und die sich im Leben oder im Tode verloren haben, sich zu innigem Vereine wiederfinden.
Ihr gehorsamer Sohn
L. U.«
Die Mutter schreibt ihrem Sohne hierauf, nachdem sie sich zuerst über den Tod ihres Bruders ausgesprochen, wie folgt:
»Lieber Louis! ich verstand Deinen Brief Wort für Wort ganz; wir gehen von Einer Ansicht aus, insofern es biedere Gesinnung heißt, nur hat es nicht einerlei Wirkung, uns sollte man in einander gießen können. Ich thue zu viel, lege und sage meine Gesinnung zu offen an den Tag, und Du verschließest sie zu viel in Dich, ich gebe gern jedermann zu gute Worte, ohne die Absicht zu schmeicheln von weitem zu haben, und Du – hast gern, wenn man Dir zuvorkommt. Nicht Jedermann ist so in näherer Berührung wie wir mit Deiner Denkungsart, wir wissen sie zu würdigen, aber Fremde halten vor Stolz, was nur aus einer gewissen Selbstständigkeit und dem Bewußtsein Deiner guten Absicht herrühren mag; aber so kommst Du eben nicht weiter und stoßest an. So weiß der liebe Vater wohl, daß Du es gut mit ihm meinst, deßwegen betrübt es ihn aber doch, daß Du ihm nicht sagst, da er es doch für Dein Wohl für unumgänglich nöthig hält, ob Du nach seinem Wunsch bei Mandelsloh und Kohlhaas gewesen, was sie gesprochen, und ob Du gewiß wissest, daß der Minister zum zweitenmal den Bericht zu verfertigen liegen ließ? wann und wie er ihn zum Machen bekommen? Dieß alles sei mit einem Gang in's geheime Kabinet zu erfragen. Ob Du nicht auch Schritte thun könntest und solltest und gute Worte austheilen? Auf dieß alles kommt keine Antwort.« –
Die liebreichen mütterlichen Vorstellungen waren theilweise gegründet, aber dieß Eine wußte sie nicht, daß Liebe und Respect öfters den Sohn abhalten mochten, dem Vater zu sagen, daß manches in den Vorschlägen wegen der Schritte die er thun solle für die ihm früher zugesagte Anstellung als Procurator, in die Zeit nicht mehr ganz passe, und daß Anderes gegen das wohlbegründete Selbstgefühl des Sohns, der ungerecht behandelt worden war, anstoße. Der Vorwurf der Schroffheit ist aber Uhland in seinem Leben öfters gemacht worden, so daß er vielleicht nicht in allen Fällen unbegründet gewesen sein mag. Wie eine edle Natur in einzelnen Fällen zu weich und nachgiebig sein kann, so kann auch eine andere edle Natur, bei aller wahren Bescheidenheit, doch im Gefühl der innern Unabhängigkeit zu weit gehen und dadurch mißkannt werden.
Die Zeitumstände nöthigten König Friedrich, bei all seiner Abneigung vor Einengung seiner Machtvollkommenheit, dem allgemeinen Andringen auf ständische Einrichtungen einige Rechnung zu tragen. Er glaubte aber, wenn er selbst eine Constitution proclamire, wohlfeileren Kaufes wegzukommen und berief im Frühjahr 1815 Landstände ein.
Wie wir weiter oben gesehen haben, hatte die Beschäftigung auf dem Justizministerium auf Uhland die Wirkung gehabt, daß er die großen Mißstände, die das unumschränkte Regiment des Königs für das Land brachte, noch deutlicher erkannte. Er begrüßte daher den Umschwung der Zeit, die Versprechungen, die auf dem Wiener Congreß dem deutschen Volk gemacht wurden, mit Hoffnungen auch für die württembergischen Zustände, und sein Umgang mit Schott und mit anderen Männern von der gleichen Gesinnung führte ihn immer tiefer in die politischen Fragen hinein. Mit allem Feuer seiner Seele betheiligte er sich an den Vorberathungen, die von den gewählten Abgeordneten und ihren Gesinnungsgenossen gehalten wurden, und die dahin gingen, daß die von dem König dem Lande bestimmte Constitution sich nur auf der Grundlage der alten Verfassung und auf dem Vertragswege erheben könne. Uhland selbst war zum Eintritt in die Ständeversammlung noch zu jung, eine Stelle als Registrator oder Archivar wäre ihm aber in dem Falle der Einigung in diesen Punkten, nach Wunsch gewesen. Ueber den Verlauf der Verhandlung zwischen dem König und den Ständen berichtet Uhland den Eltern wie folgt.
Stuttgart, 15. März.
»Liebste Eltern!
Sie haben dießmal lange keinen Brief von mir erhalten und ich habe auch dem Felleisen, das zugleich mit gegenwärtigem ankommen wird, keinen beigelegt, weil ich abwarten wollte, bis ich etwas Bestimmtes über die landschaftlichen Angelegenheiten und meine besonderen Interessen dabei schreiben könnte
Es sollen nach einer vorläufigen Bestimmung bei den neuen Ständen eine Archivarstelle mit 1000 fl. und eine Registratorstelle mit 800 fl. Besoldung errichtet werden. Liebhaber dazu zeigten sich mehrere, doch waren allem Anschein nach für mich und Weisser die Aussichten besonders günstig. Wir wollten uns nicht im Wege stehen und meldeten uns daher jeder um beide Stellen, d. h. um die Archivar- oder Registratorstelle, waren auch zusammen bei dem Präsidenten, Fürsten Hohenlohe, der uns gut aufnahm und uns veranlaßte, unser Exhibitum ihm zu übersenden. Das meinige wurde ihm gestern durch Regierungsrath Schott zugestellt. Auch Minister Reischach, der als Gutsbesitzer eine Stimme hat, versprach uns, unsere Sache zu empfehlen und hat es auch wirklich gethan. Von den Deputirten darf ich mir ohnedieß nicht Wenige geneigt glauben. Freilich stand zu erwarten und war zu wünschen, daß es noch nicht sogleich zur Ernennung dieser Stellen kommen und die landständischen Angelegenheiten zuvor noch eine ganz andere Wendung nehmen würden, was denn auch heute geschehen ist.
Es wurde nehmlich in der heutigen Ständeversammlung vom König, der mit großem Pomp aufgezogen kam, zuerst eine Rede gehalten und alsdann von einem Staatsrath die beabsichtigte Constitution vorgelesen, welche sodann nach Wiederabfahrt des Königs von der Versammlung in Deliberation genommen wurde und man erfährt als Resultat derselben: daß die Fürsten und mediatisirten Grafen alles Weitere auf die Entschließungen des Wiener Congresses aussetzen, und daß die adeligen Gutsbesitzer, mit Ausnahme eines Einzigen, sowie die übrigen Deputirten unanimiter gegen die ihnen vorgelegte Constitution zu protestiren und die altwürttembergische Verfassung zu reclamiren beschlossen haben.
Dieses erfreuliche Ereigniß, verbunden mit der unerfreulichen Nachricht, daß Napoleon bereits vor Lyon stehe, hemmt natürlich den Fortgang der Verhandlung, und die Versammlung wird ohne Zweifel vorderhand wieder auseinandergehen. Doch konnte natürlich nur auf diese Art der Grund zu etwas Rechtem gelegt werden und ich tröste mich damit gerne über die hinausgeschobene Ersetzung der landschaftlichen Stellen.
Die Deputirten wurden bei ihrem Herausgehen von der Versammlung mit lautem Vivat begrüßt.
So viel in Eile nebst herzlichem Gruß
Ihr gehorsamer Sohn
L. U.«
Das Vordringen Napoleons in Frankreich machte den König natürlich wenig geneigt, auf das Verlangen der Landstände, die alte Verfassung herzustellen, einzugehen. Am 27. März schreibt Uhland seinem Vater: »Von den Begebenheiten in Frankreich mag ich gar nicht reden, es quälen mich ohnedieß diese Gedanken Tag und Nacht.«
Eine wohlthätige Erheiterung fand er auf einer Reise den Neckar hinab nach Heidelberg. Ein Advokatengeschäft hatte ihn nach Heilbronn geführt und dort bestimmte ihn sein allzeit reiselustiger Freund Mayer, mit ihm diesen Ausflug zu machen, der auch für beide Freunde sehr vielen Genuß brachte, schon durch die herrliche Fahrt auf dem Neckar und noch besonders dadurch, daß ihnen in Heidelberg die Freude zu Theil wurde, die Bekanntschaft der Brüder Boisserée und ihrer altdeutschen Bilder zu machen.
Zwischen Proceßschriften und Beschäftigung mit politischen Gegenständen brach doch zuweilen die Poesie sich Bahn. Er dichtet den »normännischen Brauch,« arbeitet am Fortunat, und im Juli entstehen die Balladen von Eberhard dem Rauschebart. Die Strophe: In Fährden und in Nöthen zeigt erst das Volk sich ächt, drum soll man nicht zertreten sein altes gutes Recht! weist auf die Zeit der Entstehung hin.
Am 6. Juni richtet er an den Abgeordneten Doctor Zahn von Calw folgendes Schreiben:
»Da ich gehört habe, daß Sie gegenwärtig mit Ausarbeitung einer neuen landständischen Vorstellung an den König, worin unter anderen das Justizwesen betreffenden Punkten auch auf unzulässige Extentionen neuerer strenger Strafgesetze die Rede komme, beschäftigt seien, so gibt mir dieß die Hoffnung, bei dieser Gelegenheit einige Fälle dieser Art zur Erörterung bringen zu können, wie solches längst mein vergeblicher Wunsch gewesen. Anliegende Beilage enthält das Nähere. Ich wollte mir diesen Vormittag die Ehre geben, Ihnen solche zu überbringen, da ich aber nicht so glücklich war, Sie zu treffen, so erlaube ich mir schriftliche Uebersendung mit angelegentlichster Bitte um geneigte Berücksichtigung dieses Gegenstandes.« Die Ausführung enthielt ein, wie Uhland überzeugt war, ungehörig geschärftes Urteil gegen zwei Männer, die sich eines Diebstahls an königlichem Eigentum (der Eine hatte bei einer Jagd einen silbernen Teller entwendet) schuldig gemacht und dafür zu siebenjähriger Galiotenstrafe verurteilt wurden. Es wurde Uhland die Genugtuung, zu hören, daß dem Einen der ganze Strafrest von 6 ½ Jahren, dem Andern die Hälfte daran erlassen wurde. Urteilssprüche dieser Art waren es, die ihn im Justizministerium so gedrückt und die Sehnsucht nach gesicherten Rechtsverhältnissen in ihm erweckt hatten.
Die Eltern Uhlands, vom Wunsche erfüllt, den Sohn in einer festen Lebensstellung zu sehen, drangen in ihn, sich wieder um eine Procuratorsstelle zu bewerben, worauf er ihnen im folgenden Briefe antwortet.
Stuttgart, 2. August 1815.
»Liebste Eltern!
Die Entscheidung der landschaftlichen Angelegenheiten, worauf ich die Beantwortung Ihres letzten Briefes bisher ausgesetzt, ist nunmehr erfolgt. Da Regierungsrath Schott bereits nach Tübingen abgereist ist, so wird man daselbst schon unterrichtet sein, was diese einstweilige Entscheidung herbeigeführt habe; man wird auch die kräftigen und zweckmäßigen Adressen zu lesen bekommen, welche die Stände zuletzt an den König gerichtet. Der Abend des 26sten war hier sehr erfreulich; es wurde den Ständen, welche bis Mitternacht zusammenblieben, eine Musik gebracht, wobei viele Vivats auf die Landstände, auf den Präsidenten, auf Bolley, Waldeck, auch auf den Kronprinzen, Herzog Christoph etc., besonders aber auf die alte Verfassung mit großem Enthusiasmus gerufen wurden. Der König soll dieses sehr übel aufgenommen, übrigens aber von der Polizeidirection, die zur Verantwortung gezogen worden, die Versicherung erhalten haben: daß Sr. Königl. Majestät dabei mit keinem Worte gedacht worden sei. Die Sache ist jedoch noch keineswegs für abgemacht anzunehmen, sondern es werden nunmehr von allen Seiten Adressen um Herstellung der alten Verfassung und Wiedereinberufung der Stände einkommen. Die hiesige Bürgerschaft macht damit den Anfang, indem unter derselben bereits die Unterschriften zu einer solchen Adresse gesammelt werden.
Mein Exhibitum um die Procuratur ist vom 8. Juni v. J. und das Monitorium vom 13. Sept. Uebrigens darf ich nicht verhehlen, daß, wenn ich heute zum Procurator ernannt würde, ich von dieser Ernennung nicht einmal Gebrauch machen könnte, indem es durchaus meiner Ueberzeugung entgegen wäre, bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge dem König einen Eid zu schwören. Ich muß daher einstweilen sehen, wie ich mich auch ohne weitere Beförderung hier oder anderswo ehrlich fortbringe. Es läßt sich hoffen, daß eine so gespannte Lage der öffentlichen Angelegenheiten, wie sie gegenwärtig bei uns stattfindet, nicht von Dauer sein werde.
Von Zinsgeldern habe ich gegenwärtig nur 25 fl. daliegen; es geht mit der Zahlung äußerst elend. Soll ich diese 25 fl. schicken oder warten, bis Mehreres hinzukommt?Uhlands Vater hatte mehrere große Vermögensadministrationen, für welche der Sohn die Zinse bei der Staatskasse erheben mußte. Es ist ein Irrthum, wenn man glaubte, die Zinse, von denen öfters in den Briefen die Rede ist, seien für den Sohn gewesen.
Viele Grüße der Schwester! Mit herzlicher Liebe
Ihr gehorsamer Sohn L. U.«
Diese Erklärung des Sohnes fiel den liebenden Eltern um so schwerer, als sie die Nothwendigkeit dieses Entschlusses von ihrem Standpunkt aus nicht einzusehen vermochten. Von Zeit zu Zeit, wie wir später sehen werden, bringen sie ihre Wünsche wieder zur Sprache, und ihnen nach seiner Ueberzeugung nicht entsprechen zu können war für den zärtlichen, aber eben so charakterfesten Sohn kein kleines Opfer.
An der Wiedereröffnung des Landtags am 14. Oct. nahm Uhland den lebhaftesten Antheil. Er verfertigte zu einem Feste, das dem Abgeordneten von Stuttgart, Bürgermeister Klüpfel, am 18. Oct. gegeben wurde, das Gedicht: »Die Schlacht der Völker ward geschlagen« und spricht in seinem Tagebuch von der allgemeinen Begeisterung bei diesem Feste.
Ueber den Gang der ständischen Verhandlungen berichtet er seinem Vater:
Stuttgart, 15. November 1815.
»Theuerste Eltern!
Die Resolution auf die letzte Eingabe der Stände, der man täglich entgegensah, ist heute erfolgt und damit allerdings ein Schritt geschehen, indem der König das Recht des alten Landes auf die alte Verfassung nicht länger zu bestreiten weiß; allein insofern zugleich wieder Vergleichsverhandlungen eröffnet werden sollen, um auch über die neuen Lande und die Zusammenfassung des ganzen Landes unter eine gemeinschaftliche Verfassung in's Reine zu kommen, wird sich die Sache, auch wenn die Stände auf diese Unterhandlungen eingehen, abermals weiter hinausziehen.
Der Fürst von Oettingen-Wallerstein, der sich in den ständischen Angelegenheiten auszeichnet, ließ mir vor einiger Zeit sagen, daß er mich kennen zu lernen wünsche. Ich ging daher mit Schott, der sein Agent ist, zu ihm. Er ist ein leidenschaftlicher Liebhaber altdeutscher Literatur und Kunst und besitzt große Sammlungen alter Gemälde, Handschriften, Drucke e.t.c. Er hat mich eingeladen ihn öfter zu besuchen.
Wann ich wieder nach Sulz abreisen werde, weiß ich noch nicht bestimmt, da noch nicht bekannt ist, ob und bis wann die Vaihinger'schen Eheleute eingeliefert werden.
Mit herzlichen Grüßen an Alle
Ihr gehorsamer Sohn L. U.«
Gegen den Schluß des Jahrs 1815 kam Rückert als Redacteur des Morgenblatts nach Stuttgart. Er wurde bald mit Uhland bekannt, und dieser schrieb seinem Vater über ihn: »Rückert ist mir eine sehr werthe Bekanntschaft.« Sie trafen sich oft des Abends beim Weine oder theilten sich in ihren Zimmern ihre neuen Gedichte mit. Auf den Vorschlag eines Freundes unternahmen sie das bekannte Tenzon, das in Rückerts Gedichten vollständig enthalten ist. Die verschiedene politische Ansicht, Rückerts Parteinahme für Wangenheim (dessen Einwirkung auf die württembergischen Verfassungskämpfe Uhland für verderblich halten mußte, so werth ihm Wangenheim in anderer Beziehung immer blieb), störte später die Beziehungen beider Dichter.
Im Frühjahr 1816 erwachte die Lust dramatischer Production wieder lebhaft in Uhland; er beschäftigte sich mit Planen zum später ausgeführten »Herzog Ernst,« zu »Konradin,« zu den »Weibern von Weinsberg« und Anderem. Aber die juridischen Arbeiten und der lebhafte Antheil an den ständischen Kämpfen war der Ausführung entgegen. Ein Ausflug nach Wallerstein mit Schott brachte ihm Erheiterung und den Anblick von vielen Gegenständen im fürstlichen Schlosse, welche zu besichtigen er vom Fürsten freundlich eingeladen war und welche ihn sehr interessirten.
Wie im letzten Jahre, so wurde ihm auch jetzt wieder von seinem Vater vorgeschlagen, sich um eine Staatsstelle zu bewerben, und auch jetzt konnte er nicht in der Eltern Wünsche eingehen, sondern antwortete, wie folgt:
Stuttgart, 28. Juli 1816.
»Liebste Eltern!
Den Brief des lieben Vaters, worin er mir seine Meinung in Betreff der erledigten Secretärsstelle beim Obertribunal mittheilt, würde ich früher beantwortet haben, wenn es mir nicht schwer geworden wäre, mich abermals auf eine Art zu äußern, von der ich Ihre Billigung mir nicht versprechen darf. Ich mißkenne nicht die Vortheile und Annehmlichkeiten, womit die Tübinger Stelle für mich verbunden wäre. Es haben aber die Ansichten, die ich Ihnen bei einer ähnlichen Veranlassung vorgelegt, so sehr in mir Wurzel gefaßt, daß mir nichts übrig bleibt, als den einmal betretenen Weg mit Beharrlichkeit zu verfolgen. Sie werden mir glauben, daß es nicht die Bequemlichkeit meiner jetzigen Lage ist, was mich in derselben festhält, und daß es mir insbesondere nicht gleichgültig ist, Ihren gerechten Wünschen bisher so wenig entsprochen zu haben.
Ob ich übrigens die Stelle wirklich erhalten würde, wenn ich mich darum bewürbe, ist sehr zweifelhaft. Dem Justizminister könnte ich, wie der liebe Vater selbst bemerkt, keine guten Worte darum geben, die unmittelbare Meldung aber hat immer einiges gegen sich.
Auf Martini ziehe ich vielleicht zu Procurator Schott, der bis dorthin in die Walz'sche Apotheke, in der Nähe meines gegenwärtigen Quartiers, zu wohnen kommt. Die Eisenbach'schen machen noch keine Anstalt zum Auszug, und so lange diese bleiben, bleibe ich auch, wenn ich nicht gedrängt werde. Vom wirklichen Auszug werde ich Ihnen sogleich Nachricht geben, auch meine Anzeige in die Zeitung einrücken.
Mit den herzlichsten Grüßen auch an Luise
Ihr gehorsamer Sohn L. U.«
Der Mutter Antwort gibt ein so getreues Bild der lieben Frau, daß sie auch hier eine Stelle finden mag.
Tübingen, 3. August.
»Lieber Louis!
Noch einmal laß mich meine Gedanken aussprechen, die ich über Deine Gesinnungs- und Handlungsweise hege; besser ich sage sie, Aufrichtigkeit war immer ein Hauptzug meines Charakters, wenn ich auch mißverstanden werden sollte. Besonders gegen meine Kinder, deren erste Freundin ich sein will, halte ich es für Pflicht so zu handeln. Glaube aber ja nicht, daß ich Dir meine Meinung aufdringen will; ich weiß wohl, daß Du nun im männlichen Alter und selbst fähig bist zu beurtheilen, was gut oder nicht gut für Dich ist, indessen bist Du mir doch zu lieb, als daß ich ganz schweigen könnte, wo etwas nicht mit meiner Gesinnung übereinstimmt. Ich weiß wohl, daß ich nur Weib bin, wo übrigens ein gesunder, schlichter, wohlwollender Menschenverstand, den ich mir nicht abspreche, öfters doch einen richtigen Blick hat, den ich Dir nun hier mittheilen will. Glaube nicht, daß ich den lieben Vater veranlaßt habe, Dir wegen der bewußten Stelle zu schreiben; ich wußte vorher, was Du antworten würdest, das dem lieben Vater nicht gefallen würde; ich mochte also Beide nicht betrüben; es war ganz Seine Gesinnung, die mit der meinigen allerdings übereinstimmt. Auch wollte er nochmals seine Pflicht thun, weil wir in der Folge Reue über Deine Verfahrungsart besorgen.
Immer ist Patriotismus etwas Löbliches und Pflichtmäßiges; es führt Dich aber aus bloßer Neigung von höheren Pflichten ab. Die erste unserer zeitlichen Pflichten ist so viel Gutes als möglich auf der Welt zu wirken, als wir können. Kannst Du das als Landschafts-Secretär? wirst Du noch außerdem das gewiß, wegen dem Du alles Andere aufopferst? Glaubst einmal als Consulent, oder was sonst für eine entsprechende Stelle in der Landschaft sein mag, einzurücken, um dann für das Vaterland nützlich zu werden? Der Plan dünkt mir ein Hirngespinnst. Das gar nicht einmal zu berühren, ob der Gehalt so ausfallen könnte, um davon sein Lebtag zu leben, weil man von da nimmer weiter rücken kann. Und was versäumst Du? Trätest Du in ein Collegium, in das Du durch die erste Stufe als Secretär einträtest, glaubst Du nicht, daß Du ebensoviel Gutes hier wirken könntest, oder wenn Du Professor würdest, was Dir wirklich nicht fehlen würde, so könntest Du ja auf ganze Generationen fortwirken, möchte es Dir auch Dich in ein Fach einzuarbeiten schwer werden, so kannst Du doch nicht in Abrede ziehen, daß Du Talent dazu hättest. Es dünkt mir überall mehr als bei Deinem Plan, und wenn Du wartest und noch einmal wartest, so geht die thätigste Lebenszeit herum, und dann geht es Dir wie den alten Jungfern, die in der Jugend die Wahl hatten, denen aber nichts gut genug war: sie bleiben am alten Platz, es reut sie und dann werden sie bitter, wenn immer Jüngere vorrücken. So könnte es Dir gehen. Du könntest nun wohl wählen und thust es nicht. Wenn dann am Ende die Buben H.., G.. u. dgl. vorrücken, unter diese kannst und magst nimmer, und dann bleibst, was Du bist! eine angenehme Aussicht! Auch kommen alte Advocaten aus der Mode. Und dann um wie viel häusliches Glück bringst Du Dich, kannst lange nicht heirathen und wirst Du älter, macht einmal ein Mädchen vielleicht eine Verstandesheirath mit Dir, vielleicht ohne viele Neigung, das wolltest Du doch auch nicht. Kommst Du durch Warten ganz um's Heirathen – frage alte Junggesellen, ob ich nicht Recht habe, daß sie der Stand im Alter ganz unglücklich macht. Was den Eid anbelangt, der Dich zu diesem Plane führt, ist er nicht so, daß Du ihn nicht leisten könntest. Auch läßt es sich gar nicht denken, daß unter so vielen hundert Männern, die ihn geschworen, worunter auch Dein Vater, nicht redliche, religiöse wären, und Du der ganz Einzige sein müßtest, der so gesinnt wäre. Dieß ist doch auffallend! Es soll alles heraus, was mir nicht gefällt, weil es das letztemal ist, daß ich es sage. Du kennst Dich selbst nicht, sonst würdest Du neben Deiner innern Gefälligkeit, die ich Dir bestimmt zuspreche, auch äußerlich es mehr sein. Ich bemerkte dieß abermal bei Deinem letzten Hiersein. Kam einer, wo Du gerade nicht in der Laune zum Reden warst, so machtest Du ein Gesicht, als ob Du ihm feind wärest; er mußte froh sein eine Antwort zu erhalten; konnte er es voraussehen, daß er Dich nicht in der passenden Laune traf? Gefällt es Dir, wenn es Dich so trifft? Nun magst Du das aufnehmen, wie du willst, mein Gewissen sagt mir, daß ich es liebend mit Dir meine. Glaube nicht, daß ich auf irgend eine Weise mein Interesse dabei suche, als in so fern als es mit dem Deinigen zusammenhängt. Freilich versprach ich mir am Abend meines Lebens Freude, das ja nicht allein für mich, sondern für Euch gut wäre, von denen sie ausginge. Bald ist ja ohnedieß von mir zu sagen: sie ruht, die Müde! – Thue mir den Gefallen den Brief, den ich ungern schrieb, ehe Du ihn zerreißest, mit Bedacht zu lesen. Lebe wohl, glücklich und vergnügt nach Deinem Sinn. Treffe ich Dich nur einmal im Himmel an, ist alles recht. Dieß ist das tägliche Gebet Deiner
Dich ewig liebenden Mutter Elisabeth.
Eines noch: aus welchen Gründen gehst nicht zur Kirche und zum Abendmahl?«Eine Sorge, die die Mutter später nie mehr hatte.
Uhland an seine Mutter.
Stuttgart, 9. August.
»Liebste Mutter!
Empfangen Sie meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrem bevorstehenden Geburtstag, zugleich aber auch meinen innigen Dank für Ihren wohlmeinenden, mütterlichen Brief! Ich habe gewiß Alles wohl beachtet, was Sie mir darin an's Herz legen, und ich habe das Vertrauen, es werde nicht das letztemal sein, wie Sie schreiben, daß Sie auf solche Art mir Ihre Gesinnung und Wünsche aufschließen.
So viel glaube ich übrigens versichern zu dürfen, daß es nicht bloße Neigung ohne Rücksicht auf höhere Pflichten ist, was meine Handlungsweise bestimmt.
Welche Opfer mich diese schon gekostet, werde ich Ihnen einmal besser sagen, wenn es mir gelungen sein wird, auf dem eingeschlagenen Wege durchzudringen.
Was Sie von dem oft Ungefälligen meines äußern Wesens schreiben, kann ich nicht widersprechen. Es mag vielleicht in der bisherigen Ungunst meiner Verhältnisse und in der mannigfachen Bewegung meines Innern einige Entschuldigung finden. Auch habe ich mich bei alle dem doch von jeher der Anhänglichkeit mancher Redlichen zu erfreuen gehabt.
Religiöse Gesinnung fehlt mir gewiß nicht und ich bin mir bewußt, das Irdische stets auf ein Höheres zu beziehen.
Nach der langen Regenzeit sind nun doch endlich warme, sonnige Tage eingetreten, wobei Ernte und Herbst noch gedeihen mag. Will es Gott, wird auch mir die Frucht des Lebens nicht verloren sein.
Möge Gott Sie, liebe Eltern, noch lange erhalten, damit es mir besser als bisher gelingen möge, Ihnen Freude zu machen.
Ewig Ihr liebender Sohn L. U.«
Dieser Brief braucht wohl keinen Commentar. Spiegelt er nicht des Schreibers ganzes Gemüth?
Bei aller ruhigen Festigkeit, die UhIands Briefe aussprechen, zeigten aber doch die wehmüthigen Lieder: »Mailied,« »Klage« und »Rechtfertigung« wie sehr sein Gemüth unter seinen innern Kämpfen litt. Sie sind im Mai 1816 gedichtet, letzteres im September vollendet.
Sollte den liebenden Eltern noch nicht die ersehnte Freude werden, den Sohn in einer gesicherten Lebensstellung und in häuslichem Glücke zu wissen, so wurde ihnen doch in diesem Jahre die Freude, die Tochter als glückliche Braut eines wackeren Mannes zu sehen. Friederich Meyer aus Walsrode, im Hannöverischen, der in Tübingen Theologie studierte, gewann das Herz der Tochter und beschloß aus Liebe zu ihr, sich in Württemberg eine Pfarrstelle zu suchen, was damals leichter war, als heut zu Tage. Unser Dichter war über dieses Familienereigniß recht erfreut und schloß sich herzlich an den neuen Schwager an.
Die meisten Lieder dieses Jahres, auch außer den vaterländischen, haben ein politisches Gepräge, so sehr war seine Seele von den Kämpfen der Zeit hingenommen. Er sagt es uns auch selbst in dem Liede: »Die neue Muse,« vom 7. Mai. Ein Lied folgt oft rasch dem andern, wie hier zu ersehen ist. Am 20. Febr. entstand das Lied: An die Bundschmecker; den 24.: Württemberg; den 1. Sept.: Das alte Recht; den 3.: Gespräch; den 6.: An die Volksvertreter; den 7.: Rechtfertigung und die neue Muse; den 8.: Ernst der Zeit, das neue Märchen, Aussicht, an die Mütter, an die Mädchen, alle an diesem Tage. Am 15.–17. Oct. das Lied: Wenn heut ein Geist hernieder stiege; am 12. Nov.: Schwindelhaber; am 20.: Hausrecht; am 21.: Das Herz für unser Volk; am 28. Dec.: Neujahrswunsch.
Auch in die Correspondenz mit Freunden, wo sonst von Kunst und Literatur gehandelt wurde, tritt nun die Politik ein, wie uns der folgende Brief zeigt.
Uhland an Varnhagen von Ense.
Stuttgart, 7. November 1816.
»Dein herzlicher Brief, theuerster Freund, den Du mir im verflossenen Mai durch den trefflichen Kunstgenossen Rückert geschickt hast, sollte freilich längst beantwortet und ebenso für die Gedichtsammlung, womit Du mich so erfreulich überraschtest, längst gedankt sein. Was die Sache verzögerte, war Deine Ansicht unserer württembergischen Angelegenheiten, die Du im Briefe an Kerner angedeutet hast und worüber ich Dir gerne meine entgegengesetzte Meinung entwickelt hätte.
Nun kommt mir aber gerade da Du mich so freundschaftlich anmahnst, zur Hülfe, daß man die Lieder, die ich über diesen Gegenstand gemacht habe, neuerlich zusammengedruckt hat. Aus diesen, die ich hier beilege, ersiehst Du vielleicht am besten, was meine Ansicht ist. Die Aufnahme, welche diese Lieder bei öffentlichen Vereinen und sonst gefunden haben, läßt mich annehmen, daß sie auch die bei uns herrschende Meinung so ziemlich ausgesprochen haben. Sie sind im Gegensatz nicht blos zu den eigentlich schlecht Gesinnten, sondern hauptsächlich auch zu Denen gedichtet, die mit Hintansetzung unserer Geschichte, unserer Eigenthümlichkeit, wie solche jeder Volksstamm hat und haben soll, aus dem Blauen herab und nach individuellem System uns umgestalten und wohl gar beglücken wollen. Du vermissest vielleicht einigermaßen die Beziehung auf's Ganze. Aber theils ist der Cyklus noch nicht geschlossen, theils glaube ich, daß Deutschland von oben herab, von den Congressen und Bundestagen, den obschwebenden Verhandlungen der Cabinette zunächst wenig mehr zu erwarten hat; daß hingegen, wenn erst jeder Volksstamm zum Selbstgefühl erwacht und zu innerer Begründung gelangt sein wird, hieraus auch die Kraft des Ganzen hervorgehen wird.
Durch Verunglimpfung in öffentlichen Blättern, herausgerissene und entstellte Einzelnheiten mögen auswärts unsere Landstände verloren haben, bei uns behielten sie die öffentliche Meinung für sich, ihre gedruckten Verhandlungen sprechen nicht gegen sie.
Wenn Du sonst von meinem Treiben in der Dichtkunst zu wissen verlangst, so weiß ich nicht viel zu sagen. Zwei Gedichte beschäftigen mich, ein erzählendes in Stanzen: »Fortunat und seine Söhne,« woran ich aber seit zwei Jahren nicht mehr als zwei Gesänge zu Stande gebracht habe und ein Trauerspiel: »Herzog Ernst von Schwaben,« mit dessen Ausführung ich aber nicht anfangen mag, wenn ich nicht hoffen kann, es in einem Stücke wegzuarbeiten. Das will aber meine Lage fortwährend nicht gestatten.
Einige kleine Sachen habe ich noch beigeschlossen. Und mit diesem sei denn herzlich und in alter Freundschaft gegrüßt von
Deinem
L. U.«
Am 30. October 1816 starb König Friedrich; es zeigte sich aber bald, daß, obwohl mancher Mißbrauch abgeändert wurde, für das Bestreben, die alte Verfassung mit den durch die Zeit gebotenen Veränderungen wieder in das Leben zu führen, auch unter König Wilhelm noch wenig Hoffnung vorhanden war. Der Freiherr v. Wangenheim, schon von König Friedrich im October 1815 in die Verfassungscommission berufen und den Bestrebungen der Altwürttemberger sehr entgegen, galt auch bei König Wilhelm viel. Uhlands Lieder: »Schwindelhaber,« »das Herz für unser Volk,« »Gespräch« und andere beziehen sich auf seine Einwirkung auf die Verhandlungen.
Die Stände wurden am 6. December vertagt, aber zugleich ihre Wiedereinberufung auf Anfang März ausgesprochen.
Im Juli wurde Uhland zum Beitritt in die Berliner deutsche Sprachgesellschaft eingeladen und ist später mit einem Aufsatz für dieselbe beschäftigt. Auch dichtet er das Lied: »An die deutsche Sprachgesellschaft.« Den Anfang des Jahres 1817 widmete er der Arbeit am Herzog Ernst. Am 9. Febr. schreibt er seinem Vater: »Wenn ich schon dreißig Jahr alt wäre, würde ich wahrscheinlich Repräsentant von Backnang.« Ein ander mal: »Daß mein Gedicht: »Das Herz für unser Volk« dem König vorgelegt worden sei, habe ich auch von verschiedenen Seiten gehört, jedoch ohne es gerade aus sicherer Quelle zu wissen.«
Uhland an die Eltern.
Stuttgart, 3. Mai 1817.
»Diesen Vormittag war Gottesdienst zur Feier des wieder eröffneten Landtags. Der König mit seiner Gemahlin und sämmtliche Landstände erschienen dabei. Stiftsprediger Flatt hielt eine sehr wackere Rede. Alsdann begaben sich die Stände und der Geheimerath in das Landschaftsgebäude, wohin der König zu Pferde mit seinen Adjutanten nachfolgte. Er hielt eine Anrede an die Stände, die ohne Zweifel in der Zeitung kommen wird. Nachdem der König sich entfernt hatte, wurde der geheimeräthliche Verfassungsentwurf den Ständen vom Justizminister mit einem Vortrag übergeben. Dieser Entwurf ist über alle Erwartung schlecht ausgefallen: zwei Kammern, keine Kasse, kein Ausschuß. Die Stände müssen ihn verwerfen. – Man ging so weit, den Ständen anzusinnen, daß sie dieses Machwerk jetzt ohne Weiteres mit dem Geheimenrath, der ihrer Versammlung anwohnen würde, Punkt für Punkt durchverhandeln sollen, was aber vorderhand schon darum zurückgewiesen wurde, weil schon die Frage, ob eine solche Verhandlung statthaft sei, eine freie Berathung der Stände voraussetze. Der Minister Stein ist schon gestern oder vorgestern wieder abgereist. Ohne Zweifel wollte er mit einem solchen Verfassungswerk nichts zu thun haben. Es soll in der heutigen Versammlung wie auf einem polnischen Reichstage hergegangen sein. Die Herrn Geheimeräthe mußten aber unverrichteter Dinge wieder abfahren.
Den belobten Entwurf habe ich nur auf kurze Zeit in Händen gehabt und verkauft wird er heute noch nicht. Sobald ich ihn aber bekommen kann, werde ich dem lieben Vater ein Exemplar zuschicken. Ein besonderer Anhang betrifft die Universität.
Jetzt speisen die Stände und der Geheimerath beim König, es mag eine schöne Vertraulichkeit sein.
Mit herzlichen Grüßen auch der lieben Schwester
Ihr
gehorsamster Sohn L.«
Am Namenstag des Herzogs Christoph schrieb Uhland sein Gedicht: »An die Landstände,« und brachte es in das Ständehaus.
Ueber die zwei Kammern, die in dem geheimeräthlichen Entwurf vorgeschlagen wurden, verfaßte Uhland einen Aufsatz, der hier folgt:
»Die altwürttembergische Verfassung wird mit Recht darum gerühmt, daß sich in ihr das Vertragsverhältniß zwischen Regenten und Volk so klar und ausgesprochen darlege. In ihr ist keine bourbonische Legitimität, sie ist ein Gesellschaftsverhältniß freier, vernünftiger Wesen. Sie giebt dem Regenten den Standpunkt, von dem ihn die Aufklärung der Zeit nicht verdrängen wird, sie giebt dem Volke die Stellung, in der auch ein über Menschenrecht aufgeklärtes Volk sich gefallen darf.
Eben in diesem Reinmenschlichen unsrer alten Verfassung löst sich das Räthsel, daß ein dreihundertjähriger Rechtszustand noch jetzt vollkommen zeitgemäß erscheinen kann, und gerade jetzt, wo das Gefühl der Freiheit und der Menschenwürde neu erwacht ist.
Steht nun in dieser Verfassung, auf welche der neue Vertrag gegründet werden soll, das Verhältniß zwischen Regenten und Volk so vernünftig, menschenwürdig und darum auch für unsere Zeit geläutert da: sollen wir dazu schweigen, wenn man uns zwischen Adel und übrigem Volk ein Verhältniß herbei führen will, das jenen rein menschlichen Verband durch Mysticismus und Vorurtheil beflecken würde?
Der Adel nehme denjenigen Standpunkt ein, der seinen geschichtlichen Beziehungen und seinem Grundbesitz angemessen ist! Wir machen dem Adel seine Rechte nicht streitig.
Aber man spreche uns nicht von Söhnen Gottes und Söhnen des Menschen, man stelle nicht Geburt und Verdienst in Vergleichung! Adels vorurtheil ertragen wir nicht.
Darum keine Adelskammer! (Prälaten und Gelehrte beunruhigen uns nicht.) Kein Stand soll dem menschlichen Verkehr mit den andern enthoben sein, alle sollen sich gegenüberstehen, Auge in Auge, wie es Menschen gegen Menschen geziemt.
Man sage uns nichts von Rechten, (wären es auch Kasse und Ausschuß), deren Ausübung wir durch Zugeben der Adelskammer zurückerlangen möchten, nichts davon, wie die Adelskammer in Steuersachen und sonst unschädlich gemacht werden könnte! Um die Idee ist es zu thun, um die Menschenwürde.
Unser Adel selbst hat die Trennung nicht begehrt, er wird nicht begehren, was die Zeit verwirft.
Dreißig Jahre lang hat die Welt gerungen und geblutet, Menschenrecht sollte hergestellt, der entwürdigende Aristokratismus ausgeworfen werden, davon ist der Kampf ausgegangen. Und jetzt, nach all dem langen, blutigen Kampfe, soll eben dieser Aristokratismus durch neue Staatsverträge geheiligt werden?
Hiezu einwilligen, ihr Volksvertreter, hieße den Todeskeim in die Verfassung legen, neue Umwälzungen vorbereiten, unsere vernünftige altwürttembergische Verfassung entweihen, die Sache des Vaterlandes und der Menschheit verlassen.«
Brief Uhlands an Varnhagen von Ense.
Tübingen, 5. April 1817.
»Theuerster Freund!
Aus einem Deiner Briefe an Kerner ersehe ich, daß Du ein Votum gegen zwei Kammern herausgegeben hast. Da ich überzeugt bin, daß Du den Gegenstand gründlich und eindringlich behandelt, so wünschte ich sehr Deine Schrift auch bei uns in Umlauf zu bringen, und du würdest mich verpflichten, wenn Du mir zu diesem Behuf so bald als möglich einige Exemplare zusenden wolltest.
Unsere Stände haben sich schon früher bestimmt gegen zwei Kammern erklärt und hiernach in ihren Verfassungsentwurf nur Eine aufgenommen. Auch der König war dagegen. Die Trennung in zwei Kammern ist aber eine leitende Idee bei Wangenheim, der seit geraumer Zeit von Seiten der Regierung an der Spitze der Unterhandlung steht. Er hat diese Idee in den königlichen Verfassungs-Entwurf gebracht und wird Alles daran setzen, sie zu realisieren.
Er findet auch jetzt noch bei dem größern Teil der Stände keine Neigung dafür, vielmehr hat sich die Abneigung zum Teil schon entschieden genug ausgesprochen. Gleichwohl scheint es mir nicht überflüssig, hierüber die öffentliche Meinung noch weiter aufzuregen und zu bestimmen. Wir hatten nämlich früher in Württemberg keinen Landadel und das Verhältnis zum Adel ist deshalb ein Punkt, der bei uns bisher nicht so gäng und gebe geworden, wie andere Teile der Verfassung.
Auf die Wichtigkeit dieses Gegenstandes muß daher fortdauernd aufmerksam gemacht werden.
Du erhältst hiebei auch mein Votum, das soeben die Presse verläßt. Du siehst, ich habe mir die Sache leicht gemacht und sie von der aller einfachsten Seite aufgefaßt. Die einfachste Seite aber wird bei staatsrechtlichen Verhandlungen oft am meisten vernachläßigt. Der kleine Aufsatz ist übrigens aus specieller Veranlassung entstanden und es war nicht sowohl um die Deduction, als um das offene Aussprechen zu thun. Ueber unsere Angelegenheiten wird große Täuschung verbreitet. Ich muthe Dir nicht zu, diese zu durchdringen, aber ich bitte Dich, wenn etwa in künftiger Woche schon ein völliger Bruch eintreten sollte, den Vorwurf nicht zum Voraus schon auf die Stände zu werfen. Sie sind gerade jetzt in sittlicher Hinsicht ihren Gegnern sehr überlegen.
Kerner ist nicht zum Politiker geschaffen; er ereifert sich, wie ein Mädchen, über eine Einzelheit, die nicht einmal eigentlicher Streitpunkt ist und sich leicht geben würde.
Meine vaterländischen Gedichte, die Du zum Theil schon kennst, habe ich zusammendrucken lassen und überschicke sie Dir hiebei.
Mit herzlichen Grüßen
Dein
U.«
Da die Unterhandlung der Regierung mit den Ständen nicht zu dem von ihr gewünschten Ziele führte, so wurden sie am 5. Juni aufgelöst. Uhland weiht den Ständen einen Nachruf, der mit der Anerkennung ihrer Festigkeit zugleich sein politisches Glaubensbekenntniß enthält.
Noch ist kein Fürst so hoch gefürstet,
So auserwählt kein ird'scher Mann,
Daß, wenn die Welt nach Freiheit dürstet,
Er sie mit Freiheit tränken kann.
Daß er allein in seinen Händen
Den Reichthum alles Rechtes hält,
Um an die Völker auszuspenden
So viel, so wenig ihm gefällt.
Die Gnade fließet aus vom Throne,
Das Recht ist ein gemeines Gut;
Es liegt in jedem Erdensohne,
Es quillt in uns wie Herzensblut,
Und wenn sich Männer frei erheben
Und treulich schlagen Hand in Hand,
Dann tritt das innre Recht in's Leben
Und der Vertrag giebt ihm Bestand.
Vertrag! es gieng auch hier zu Lande
Von ihm der Rechte Satzung aus;
Es knüpfen seine heil'gen Bande
Den Volksstamm an das Fürstenhaus.
Ob Einer im Palast geboren,
In Fürstenwiegen sei gewiegt,
Als Herrscher wird ihm erst geschworen,
Wenn der Vertrag besiegelt liegt.
Solch theure Wahrheit ward verfochten,
Und überwunden ist sie nicht.
Euch Kämpfer ist kein Kranz geflochten,
Wie der beglückte Sieg ihn flicht:
Nein, wie ein Fähnrich wund und blutig
Sein Banner rettet im Gefecht,
So blickt ihr, tief gekränkt, doch muthig
Und stolz auf das gewahrte Recht.
Kein Herold wird's den Völkern künden
Mit Pauken und Trompetenschall,
Und dennoch wird es Wurzel gründen
In deutschen Gauen überall,
Daß Weisheit nicht das Recht begraben,
Noch Wohlfahrt es ersetzen mag;
Daß bei dem biedern Volk in Schwaben
Das Recht besteht und der Vertrag.
Nach Auflösung der Landstände trat eine ruhigere Zeit für Uhland ein, die er, freilich immer neben den Advokatengeschäften, der Ausarbeitung des Herzog Ernst widmete. Mitte August kam er damit in's Reine und machte dann mit Herrn und Frau Schott, dem gewesenen Landtagsabgeordneten Apotheker Gaupp und dessen Frau eine Reise, den Neckar hinab nach Heidelberg und Worms. In Heidelberg wohnte er mit Schott bei Buchhändler Winter. Durch seine Reisegenossen wurde er mit Kirchenrath Paulus bekannt, wo er dann auch Jean Paul kennen lernte. Bei Boisserée's hatte er die Freude, auch Tieck zu treffen. Der Herzog Ernst wurde bei Winters vorgelesen und günstig aufgenommen, so daß Winter über den Druck einen Vertrag mit Uhland abschloß um ein Honorar von 400 fl. An seinen Vater schreibt er darüber: »Zu meinem Herzog Ernst haben sich mir vier Verleger angeboten.«
Da König Wilhelm für jetzt von Berufung der Stände abstrahirt hatte, so sollte das Land ohne solche neu organisirt werden. Uhland schrieb hierüber Folgendes nach Hause.
Stuttgart, 10. November 1817.
»Liebste Eltern!
Nachdem man auf heute das Erscheinen des großen Organisationswerks erwartet hatte, so hört man, daß in der verflossenen Nacht alles schon Gedruckte zusammengerafft, in Kisten gestampft und versiegelt worden ist. Man will dieß den Protestationen der Geheimenräthe zuschreiben und es soll jetzt von diesen die Sache erst debattiert werden. Wenn diese Debatte nicht eine bloße Förmlichkeit ist, so kann sich die Sache noch ziemlich in die Länge ziehen.
Indeß ist jetzt entschieden, daß Malchus Finanzminister, Otto Minister des Innern ist, womit das Kirchen- und Schulwesen vereinigt wird, und Kerner in den Geheimenrath zurücktritt. Wangenheim wird heute als Gesandter beim Bundestag nach Frankfurt abgereist sein. Er soll selbst um seine Entlassung vom Ministerium gebeten haben. Auch höre ich, daß der Abtritt von der Lühe's vom Justizministerium bestimmt sei, ihn wird Neurath ersetzen. – Es sind durch diese Geschichten eine Menge Menschen in einer sehr gespannten Lage.
Mehreres weiß ich für dießmal außer bloßen Gerüchten nicht zu schreiben. Mit herzlichen Grüßen
Ihr
gehorsamer Sohn L.«
Schon im Frühjahr hatte der Vater an seinen Sohn geschrieben, daß im Senat von mehreren Mitgliedern darauf angetragen worden sei, ihn an die Universität zu berufen und hatte die sehr günstigen Gutachten der Senatoren beigelegt; in einem Briefe vom December kommt er wieder mit Folgendem darauf zu sprechen.
Tübingen, 18. December 1817.
»Lieber Sohn!
Wir danken Dir sehr für die überschickten Exemplare Deines Trauerspiels, das ich aber noch nicht Zeit gewann, mit Muße zu lesen; die zu meiner Disposition beigelegten Exemplare erhielten Dr. Bengel, Prof. Ferdinand Gmelin und von Bühler. Letzterer interessirt sich sehr für Dich. Vor einigen Tagen schrieb er mir, er wünsche zu wissen, wie Dir die neue Organisation gefalle; er habe auch Deinen Namen vergebens darin gesucht, worauf ich ihm nur im Allgemeinen antwortete und bemerkte, daß Du bisher keine Anstellung gesucht habest.
Vor wenigen Tagen ist der Senat beauftragt worden, sich über die Anstellung des Repetenten Tafel, der das gleiche Fach wie Conz übernehmen soll, und Rückerts, der besonders das Fach der alten und neuen deutschen Sprache und Literatur mit praktischen Uebungen verbunden, lehren soll, gutachtlich zu äußern, und man glaubt, Jeder werde 1200 fl. erhalten. Auf Rückert, den man nur aus dem Morgenblatt kennt, wird wohl auf keinen Fall angetragen werden. – In Rücksicht, daß es Dir etwas Leichtes sein dürfte, die letztere Stelle zu versehen, daß die Verhältnisse einer solchen Stelle nicht unangenehm sind, daß du an Ferd. Gmelin und A. gute Gesellschaft erhieltest, daß ich annehmen darf, du werdest in dem Falle in Vorschlag gebracht werden, wenn man weiß, daß Du die Stelle annehmen würdest, wünsche ich mit der ersten Post Deine Meinung darüber zu erhalten. – –«
Ludwig Uhlands Antwort an seine Eltern.
Stuttgart, 17. December 1817.
»Liebste Eltern!
Den Brief des lieben Vaters nebst Zins-Quittungen habe ich erhalten und werde den Einzug der Gelder besorgen.
Was die Professorsstelle für deutsche Literatur anbelangt, so steht mir in Hinsicht derselben der nämliche Grundsatz entgegen, der mich von jeder Bewerbung bei der neuen Organisation abhalten mußte: vor Herstellung eines Rechtszustandes in unserem Lande auf jede Stelle zu verzichten, welche mit einer Verpflichtung auf den Namen des gegenwärtigen Königs verbunden wäre. Wenn unsere Collegien nach diesem Grundsatz gehandelt hätten, so wären wir jetzt schwerlich in diesem verfassungslosen Zustand.
Wegen des Helferathauses in Haiterbach habe ich schon früher mit Wepfer gesprochen. Er hat zwar die Sache nicht im Referat, versprach aber nachzusehen. Ich werde ihn wieder anmahnen. Es dürfte auch zweckgemäß sein, wenn Meyer eine ernstliche Vorstellung darüber machte. Gegenwärtig bin ich wieder mit einer Criminaldefension behaftet. Ich werde wahrscheinlich diese Woche noch zum gütlichen Verhör nach Ludwigsburg mich begeben. Daß Schwab jetzt hier ansäßig ist, freut mich, wiewohl ich ihn künftig in Tübingen vermissen werde.
Sie und die liebe Schwester grüße ich von Herzen
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
In wehmüthiger Stimmung richtet er am letzten Tag des Jahrs einen Brief an die Eltern, mehr für sie, als für sich bekümmert.
Stuttgart, 31. December 1817.
»Liebste Eltern!
Meinen innigsten Dank für das schöne Christgeschenk! Das seidene Halstuch ist gerade recht gekommen, um seinen zerrissenen Vorgänger zu ersetzen.
Die Feiertage habe ich meist mit einer Criminaldefension zugebracht, die am Sonntag abgegangen ist. Am Freitag kam Karl Mayer hierher, auf der Durchreise nach Ulm, wohin er heute abgegangen ist. Der heutige Abend wird auf dem Museum mit einem Ball gefeiert. Ich für meinen Theil werde demselben nicht anwohnen, sondern bei Rosers zu Nacht essen.
Mit leichtem Herzen kann ich freilich nicht in das neue Jahr eintreten, nachdem es mir im verflossenen so wenig gelungen ist, meine Wünsche, und woran mir eben so viel liegt, die Ihrigen an mir erfüllt zu sehen. Wenn ich aber Dem folge, was die innere Stimme mich heißt, so glaube ich nicht, daß ich es zu verantworten haben werde, was daraus Unerfreuliches erwächst. Es kann aber auch noch Gutes erwachsen, und schon manchmal hat sich ein Lichtstrahl eröffnet, wo Alles verschlossen schien.
In dieser Gesinnung wünsche ich uns Allen ein glückliches neues Jahr. Der lieben Schwester danke ich schönstens für ihren Brief. Mit treuer Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Außer dem Drama Herzog Ernst, sind in diesem Jahre nur die vaterländischen Gedichte: »Den Landständen am Christophstag,« »Gebet eines Württembergers« und »Nachruf,« und dann das Eine Gedicht: »An die deutsche Sprachgesellschaft,« zum Druck gelangt.
Brief vom Vater Uhland an seinen Sohn.
Tübingen, 23. Januar 1818.
»Liebster Sohn!
In meinem letzten Schreiben habe ich meine und der lieben Mutter Wünsche in Beziehung auf deine Versorgung und zugleich die Gefühle geäußert, die bei unserer Sorge für dein Wohl dadurch erregt werden mußten, daß so viele Deinesgleichen und auch weit Jüngere bereits angestellt sind, Du aber noch ganz auf dem nämlichen Punkte stehst, wie vor mehreren Jahren. Als Vater, dem das Wohl seines einzigen Sohnes so sehr am Herzen liegt, glaubte ich verpflichtet zu der Aeußerung zu sein. Es bleibt mir nun nichts übrig, als mein ganzes Vertrauen in die gütige Vorsehung auch in Beziehung auf Dich zu setzen und ihr Deine Wege und Deine Versorgung zu empfehlen.
Oft habe ich auch Sorge, daß Dein Einkommen nicht hinreiche; dann denk ich aber wieder, daß in Stuttgart viele Advokaten sich gut fortbringen, und daß Du in Stuttgart viele gute Freunde hast. Du wirst nun schon eine jährliche Berechnung machen können; es wäre mir lieb, wenn ich über diesen Punkt beruhigt würde.
Hat man Dich wohl gar nicht gefragt, ob Du Procurator werden oder sonst eine Stelle annehmen wolltest? Ich hätte geglaubt Georgii, der Dich kennt, würde doch an Dich denken. Bei der Universität geht es wunderlich zu. Von Forstner und List sollen als Mitglieder der staatswirtschaftlichen Facultät und Professoren in den Senat kommen. So etwas hätte man sich vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Die hiesige Universität erhält dadurch etwas Eigenes vor allen anderen Universitäten, daß sie jetzt nicht nur 32 Senatoren zählt (in Göttingen sind es 14), sondern nicht wissenschaftlich gebildete Professoren hat und das größte Kollegium im Königreich ist.
Unter herzlichen Grüßen von uns Allen
Dein
treuer Vater
Uhland.«
Den alten Universitäts-Bürger und Professoren-Sohn verletzt die Neuerung. Wie mußte es ihn erst schmerzen, daß der Sohn, der im Senate zu einer Professur in Vorschlag gebracht worden, aussprach, er könnte unter den jetzigen Umständen die Stelle gar nicht annehmen, wenn auch je der Minister darauf eingienge. Wohl wußte er, daß dieser Entschluß den Sohn ein Opfer koste, aber beklagt hat er ohne Zweifel diese Ansicht des Sohnes, da er wußte, daß er die Advokatur so wenig mit Neigung betrieb.
Gegen das Ende des Jahres beschäftigten Uhland neben seinen juridischen Arbeiten dramatische Plane: »Der Nibelungen Tod,« »Der arme Heinrich« unter andern. Ein Ausschreiben des Königs von Bayern zu einer Preisbewerbung für ein Stück aus der bayrischen Geschichte bestimmte ihn zu dem Drama »Ludwig der Bayer,« welches er »als ein Symbol der deutschen Stammes-Einheit« auffaßte. Gustav Schwab, der seit Kurzem als Professor am obern Gymnasium angestellt war, und seine Braut, Sophie Gmelin aus Tübingen heimgeführt hatte, nahm regen Theil an dieser Arbeit, welche ihm, so wie sie vorschritt, mitgetheilt wurde. So selbstständig Uhland im Handeln war, so sehr war ihm Anregung und Billigung eines Freundes bei seinem dichterischen Schaffen Bedürfniß, weil er leicht mißtrauisch gegen seine Leistungen wurde. Frau Schwab war ihm als Landsmännin und als Freundin seiner Schwester schon lange werth, und wenn die Annahme Grund hat, daß ihre frühe schon als Braut verstorbene Schwester in des Dichters erster Jugend Eindruck auf sein Herz gemacht, (die zwei Lieder: »Ein Abend« und »Rückleben« sollen sich auf sie beziehen), so wäre neben ihrer eigenen Liebenswürdigkeit noch ein weiterer Grund vorhanden gewesen, eine Anziehungskraft auf ihn auszuüben. Er durfte manche trauliche Stunde in diesem neuen Hauswesen zubringen, das für Viele eine Quelle edlen Genusses wurde. Wie viel herzliche Theilnahme und Freundschaft Uhland von diesem jungen Paare zukam, werden wir später noch hören.
Der neue Schwager Uhlands war zum Helfer in Haiterbach ernannt worden, und am 2. Mai wohnte Uhland der Hochzeit der geliebten Schwester in Tübingen bei. Am Hochzeitstag, in seinem kleinen Stübchen mitten unter den Zubereitungen zum Hochzeitsmahl, dichtete er das nebenstehende Lied.
Du lebtest an der Eltern Herde,
Du warst ihr Trost, ihr liebstes Gut;
Du scheuchtest Sorgen und Beschwerde
Mit Deinem heitern Jugendmuth.
Der Blumen wußtest Du zu pflegen,
Und hast damit das Haus geschmückt,
Und selbst bei Wintersturm und Regen
Der Eltern Blick daran erquickt.
Doch wenn die Tochter freudig blühet,
Dann drohet Schmerz der Mutter Brust,
Dann ist der Tag schon aufgeglühet,
Der Beides bringet, Leid und Lust.
Die Liebe, die vom Himmel steigend,
Allmächtig herrscht, wo sie erscheint,
Sie naht und wir gehorchen schweigend,
Wenn sie hier trennt und dort vereint.
Er selbst, der Dich von hinnen führet,
Trägt an der Trennung keine Schuld;
Der Liebe, die sein Herz berühret,
Mußt er sich fügen in Geduld.
Den Seinen hat sie ihn entrissen,
Ihn traf der herbste Trennungsschmerz,
Die Vatererde muß er missen,
Und seine Heimat ist Dein Herz.
Doch einmal noch wird er umfassen
Des alten Vaters theures Haupt,
Und wird vor ihn Dich treten lassen,
Damit der Vater sieht und glaubt.
Wohl Dir, wenn dann von Lust durchdrungen,
Der Greis gesteht, Du seist es werth,
Daß so der Sohn nach Dir gerungen,
Um Dich des Vaterlands entbehrt.
So zeuch denn hin zum frommen Greise
Und schiff hinab den freud'gen Rhein,
Und laß die schöne Frühlingsreise
Ein Sinnbild Deiner Zukunft sein.
Fahr wohl! geneigt sei Wind und Sonne,
Und kehrst Du in das eig'ne Haus,
So füll auch das mit sanfter Wonne
Und schmück auch das mit Blumen aus.
Die Mutter und der Bruder begleiteten das junge Paar auf der Reise nach Hannover bis Karlsruhe zu den Verwandten. Bei Freund Varnhagen lernte Uhland nun auch dessen Gattin kennen und las dort die fertigen Gesänge seines Fortunats. Nach der Rückkehr wurde der »Ludwig« vollendet und mit dem Motto: Poscimur nach München geschickt. Es kamen 35 Stücke beim Preisgericht ein. Daß der Preis nicht Uhland zufiel, ist bekannt. Das Stück wurde dann Reimer in Berlin in Verlag gegeben.
Auf eine neue Anfrage seines Vaters, ob er sich nicht um die Justitiar-Stelle in Tübingen melden wolle, antwortet Uhland:
Stuttgart, 4. October 1818.
»Liebster Vater!
Es ist mit mir sonderbar gegangen; als ich eifrigst irgend eine Anstellung suchte, wollte sich nichts fügen, und erst seit mir Grundsätze verbieten, mich um eine solche zu bewerben, kommt man mir da und dort entgegen. Ich will aber meinen Grundsätzen getreuer bleiben als ... es seinen politischen Gesinnungen geblieben ist. Würde ich jetzt nach mehrjähriger Ausdauer zurücktreten, so müßte ich Alles, was ich bisher durchgemacht, für eine Thorheit erklären.
Hievon abgesehen würde zwar die befragte Stelle den Vortheil gewähren, mich in Ihre Nähe zu bringen. Auf der andern Seite aber muß ich doch bezweifeln, ob der neue Justitiar so gestellt werden werde, daß es als eine gründliche und dauernde Versorgung angesehen werden könnte. Vielleicht würde sich doch bald das Bedürfniß ergeben, eine andere Anstellung zu suchen. Professor Rösler ist wahrscheinlich Derjenige, der die Sache eingeleitet hat; er hat schon vor einiger Zeit etwas Aehnliches gegen mich geäußert. Ich bin ihm für seine wohlwollende Fürsorge allen Dank schuldig, wenn ich gleich davon keinen Gebrauch mache. Die Empfindungen, die dieser neue Anlaß in mir erregt, will ich in mich verschließen.
Ich hatte fast im Sinne, geschwind nach Tübingen zu kommen und Ihnen meine Gesinnung mündlich mitzutheilen. Weg und Wetter sind aber zu schlecht und aufhalten wollte ich die Sache auch nicht.
Die bevorstehende Organisation wird auch auf mich Einfluß haben und mich vielleicht zu einem entscheidenden Schritte drängen, was denn wohl auch eher zu einem glücklichen Ziele führen könnte, als das bisherige Hinbrüten.
Ich wünsche, daß Sie zu der Reise nach Haiterbach bessere Witterung bekommen mögen. Es freut mich sehr, daß den lieben Haiterbachern, die ich sammt der lieben Mutter herzlich zu grüßen bitte, der elterliche Besuch zu Theil geworden.
Was die Organisation betrifft, so spricht man davon, daß sie in ungefähr sechs Wochen an das Tageslicht gebracht sein werde. Vielleicht hat es einigen Aufenthalt verursacht, daß Präsident Groß, welcher erst neuerlich über die neue Justizeinrichtung befragt worden, sich sehr ungünstig darüber geäußert haben soll.
Ueber die künftigen Weinpreise weiß man auch hier noch nichts Bestimmteres; was ich über diesen Gegenstand erfahre, werde ich Ihnen berichten und mich auch deßhalb in Feuerbach erkundigen.
Es soll jetzt für jeden der vier Kreise ein besonderer Obergerichtshof angeordnet werden, welcher sich in zwei Senate, der eine für die Criminal- und der andere für die Civilsachen, abtheilen würde. Dieses würde daher auch eine andere Einrichtung des Cassations-Gerichtshofs in Tübingen bewirken.
Die Zinsgelder werde ich entweder mit dem Dienstags-Postwagen oder zugleich mit der Wäsche übersenden.
Mit herzlicher Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Im nächsten Briefe, schon nach drei Tagen, berichtet er dem Vater:
– – »Die neue Organisation soll in einem Hauptedict und mehreren Instruktionen und Decreten, welche dem ersteren als Beilagen dienen, bestehen. Diese Piecen werden schubweise an die zweite Abtheilung des Geheimenraths zur Berathung hinübergegeben. Das erste, was man hinübergab, war das Besoldungsdecret, worüber aber im Geheimenrath die Meinung gewesen sei, daß man nicht über die Besoldungen urtheilen könne, so lange man noch nicht wisse, was Diejenigen zu thun haben werden, denen diese Besoldungen bestimmt seien. Ueberdem seien über die Sache selbst bedenkliche Aeußerungen gefallen, und namentlich habe Präsident Georgii erklärt, daß diese Organisation nur in verfassungsmäßigem Weg eingeführt werden könne, indem die bisherigen Proceßordnungen verabschiedete Gesetze seien, welche nicht einseitig aufgehoben werden können. Es würde gerade bei einer neuen Einrichtung im Justizfache am unpassendsten sein, wenn solche nicht im Wege der Gerechtigkeit ausgeführt würde. Es wird sich nun zeigen, ob man die Geheimeräthe, die solche Bedenklichkeiten zeigen, noch ferner zu Rathe zieht.« – –
Daß ihm von Seiten der Regierung eine Oberamtsrichter-Stelle oder der Eintritt in einen Gerichtshof angeboten wurde, das mochte der Sohn, der seinem Grundsatze, nicht in einen württembergischen Staatsdienst während der verfassungslosen Zeit einzutreten, getreu bleiben mußte, gar nicht sagen, um den Eltern den Schmerz zu ersparen; wir ersehen es nur aus seinem Tagebuch.
Die Stelle in Uhlands Brief vom 4. Oct.: »Die bevorstehende Organisation wird auch auf mich Einfluß üben und mich zu einem entscheidenden Schritt drängen,« bezieht sich auf sein Vorhaben, sich außerhalb Württembergs um eine Universitäts- oder auch Kanzleistelle umzusehen. Schon vom 19. Sept. ist das Fragment eines Briefes an Varnhagen datirt, worin er diesem seinen Entschluß mittheilt. Ungeachtet der Brief nicht vollendet wurde, soll er doch hier folgen, da er die Gründe, die ihn dazu bestimmten, darin niedergelegt hat.
»Theuerster Freund!
Ich kann in den Fall kommen, und er ist vielleicht nahe, daß ich Württemberg verlassen muß. Es ist mir schon angekündigt, daß ich nach einer neuen Einrichtung nicht mehr hier werde als Advokat practiciren können. Das Advokatengeschäft habe ich, wie Du weißt, nie aus Neigung getrieben. In beständigem Widerstreit mit meiner Natur verzehrt es mich innerlich, ohne mir auch nur äußerlich eine erträgliche Existenz zu verschaffen. Es sollte mir blos eine Auskunft sein, mich so lange unabhängig zu erhalten, bis andere öffentliche Verhältnisse eintreten würden. Diese habe ich längst vergeblich abgewartet und ferneres Warten würde mich verderben.
Durch sehr feste Bande bin ich an mein Vaterland geknüpft, und es ist nur die Nothwendigkeit, die mich losreißt. Zeigt sich mir ein Mittel, meinen Grundsätzen unbeschadet zu bleiben, ich werde es mit Freuden ergreifen. Einstweilen aber darf ich nicht versäumen, mich um ein Unterkommen auswärts umzusehen. Du stehst mit vielen Menschen und Orten in Berührung, daher meine Anfrage an Dich: ob Du Dich auf nichts besinnen könntest, was mir dienen möchte? Ich weiß, man pflegt in solchen Fällen nicht eben die Auswahl zu haben, doch ist zu wünschen erlaubt. Was ich suche, ist« – – So weit geht der Brief; Uhland beschließt dann aber später selbst nach Karlsruhe zu reisen. Im Anfang des December geht er zuerst nach Tübingen, um mit den Eltern über seine Verhältnisse zu sprechen. So viel lieber sie ihn auch in der Nähe behalten hätten, so sind sie doch mit seinen Schritten zur Anstellung auswärts einverstanden. Professor Bahnmeyer von Tübingen hatte schon für ihn nach Basel wegen einer Professorsstelle geschrieben. Von Tübingen aus besucht Uhland die Schwester in Haiterbach, geht von dort zu Fuß weiter nach Calw, und von dort in einem Wintertag wieder zu Fuß nach Karlsruhe, wo er bei seiner Tante immer die liebreichste Aufnahme fand. Auch von Varnhagen ist er freundlich aufgenommen und dieser bemüht sich in verschiedenen Richtungen für seine Wünsche. Durch die Angelegenheit, die ihn nach Karlsruhe geführt, nicht eben heiter gestimmt, las er dennoch bei Varnhagens seinen »Ludwig der Bayer« vor.
Auch an Kirchenrath Paulus, den er bei Schotts und Gaupps öfters gesprochen, wendet er sich in dieser Angelegenheit.
»Hochwohlgeborner, Hochzuverehrender Herr Geh. Kirchenrath!
Schon bei Ihrer Anwesenheit in Stuttgart ist die Rede davon gewesen, wie sehr mir eine baldige Veränderung meiner Lage erwünscht sei. Die Advokatenpraxis habe ich nie aus Neigung getrieben, sondern sie sollte mir blos dazu dienen, mich bis zur Erledigung unserer Verfassungs-Angelegenheiten in einiger Unabhängigkeit zu erhalten. Nun ist aber nicht blos die endliche Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes weit aussehend, sondern ich bin auch, wie Euer Hochwohlgeboren schon aus meinen mündlichen Aeußerungen wissen, durch eine bevorstehende neue Justiz-Organisation gedrängt. Bei uns, unter dermaligen Verhältnissen, in den eigentlichen Staatsdienst zu treten, ist gegen meine Ihnen bekannte Grundsätze. Mein angelegentlichster Wunsch muß es daher sein, außerhalb Württembergs eine Stelle zu finden, die mir das nöthige Auskommen gewährte und mich in eine, meiner Neigung und Naturanlage angemessene Thätigkeit versetzte.
Sie haben bereits Kenntniß davon, daß ich mich wegen der Lehrstelle für deutsche Literatur, in Verbindung mit der Theorie der schönen Wissenschaften, welche bei der neuorganisirten Universität Basel errichtet werden soll, dorthin gewendet habe. Die erhaltenen Nachrichten lauten aber dahin, daß es sich mit der wirklichen Besetzung der neuen Lehrstühle noch ziemlich in die Länge ziehen dürfte. Auch in Karlsruhe war ich neuerlich und erkundigte mich dort, ob nicht auf einer der badischen Universitäten in ähnlichen Fächern, wozu ich noch besonders die Erklärung der altdeutschen Dichtwerke rechne, etwas zu machen wäre, und man schien dieses nicht für unmöglich zu halten. Sollte sich hiezu Gelegenheit darbieten, so erlaube ich mir, Ihre wohlwollende Verwendung in Anspruch zu nehmen. Früher schon habe ich ein Augenmerk auf die freie Stadt Frankfurt gerichtet, und es wäre mir von großem Interesse, zu erfahren, ob nicht daselbst bei dem Gymnasium in den oben bemerkten oder verwandten Lehrfächern, bei einer Bibliothek, einem Archiv, einer Kanzlei, Anstellung zu erhalten wäre.
Ich selbst kenne in Frankfurt Niemanden, an den ich mich unmittelbar wenden könnte. Hingegen weiß ich, daß Euer Hochwohlgeboren daselbst angesehene Bekannte haben, bei denen durch Ihre gütige Verwendung zu meinem Zweck gewirkt werden möchte.
Die literarischen Arbeiten, die mir zu einiger Beglaubigung dienen könnten, sind außer einer von mir selbst verfaßten juridischen Dissertation vom Jahre 1810 eine Abhandlung über das altfranzösische Epos in der Zeitschrift »die Musen« vom Jahre 1812, das Resultat meiner Nachforschungen in den altfranzösischen Handschriften der Bibliothek; die 1815 bei Cotta herausgekommene Sammlung meiner Gedichte, die Ihnen bekannten vaterländischen Lieder, die beiden historischen Schauspiele: »Ernst von Schwaben« und »Ludwig der Bayer«, deren letzteres nächstens bei Reimer in Berlin erscheinen wird.
Geschäftskenntnisse in anderer Beziehung habe ich mir durch mehrjährige Advokatenpraxis und frühere Dienstleistungen in der Kanzlei des Justizministeriums erworben.
Euer Hochwohlgeboren würden mich nun zu dem lebhaftesten Danke verpflichten, wenn Sie es übernähmen, bei Ihren Freunden in Frankfurt Erkundigungen einzuziehen und mir von deren Resultat baldige Nachricht zu geben.
Der ich mit ausgezeichneter Hochachtung beharre
Ihr
Dr. Ludwig Uhland.«
Aus einem Briefe an Uhlands Eltern theilen wir folgende Stellen mit: »Das Trauergeläute, das ich in Karlsruhe gehört hatte, ist bald auch hier erklungen. Der Tod der Königin war hier eben so unerwartet, als er Ihnen gewesen sein wird; man wußte kaum, daß sie unwohl war.
Es wird davon gesprochen, der König werde eine Reise nach Weimar und Braunschweig machen; er ist sehr angegriffen.
Die Organisation hat durch diesen Trauerfall auch Verzögerung erlitten, doch wird jetzt wieder gedruckt. Es scheinen auch wieder Landstände im Werke zu sein.
Von Karlsruhe habe ich noch keinen Bescheid erhalten. Die in Frankfurt von Paulus eingezogenen Erkundigungen haben das Resultat ergeben, daß dort wenig oder gar nichts zu machen sei. Nach dem Kalender, den Sie mir überschickt haben, giebt es heuer ein recht angenehmes Jahr, keinen December, dafür mehrere Frühlings- und Sommermonate doppelt. Wir wollen zufrieden sein, wenn sie sich nur einfach einstellen.«
L. Uhland an seine Eltern.
Stuttgart, 5. Februar 1819.
»Sie erhalten hiebei, liebe Eltern,Im Morgenblatt. ein Gedicht, das ich auf den Tod der Königin gemacht habe. Ich hielt für angemessener, es ohne meinen Namen drucken zu lassen. Doch mache ich kein Geheimniß daraus, daß ich der Verfasser bin, was sich auch leicht errathen läßt. Es thut mir leid, daß ich Ihnen für dießmal nicht mehr Exemplare schicken kann; das eine ist für die lieben Haiterbacher bestimmt. Es sind mir aber noch mehrere zugesagt, und dann kann ich mit Weiterem dienen. Mit inniger Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
In den ersten Monaten des Jahres 1819 arbeitet Uhland an einem Schauspiel: »Otto von Wittelsbach«, von dem aber nur der Plan und einige Aufzüge ausgeführt sind. Sein Trauerspiel: »Herzog Ernst von Schwaben« wurde zuerst in Hamburg aufgeführt. Uhland schrieb damals an seine Eltern: »Wie ich höre, wurde es beifällig aufgenommen; aus den Theateranzeigen in Hamburger Blättern ersehe ich, daß es am 5. Mai zum ersten, und am 10. zum zweitenmal gegeben wurde. Bei uns hat freilich der Schauspieldichter von solchen Vorstellungen eines gedruckten Stückes keinen Vortheil, während in Frankreich jede Vorstellung auf jedem Theater seine Procente abwirft.«
In Stuttgart wurde dieses Stück von Auguste Brede zu ihrem Benefice gewählt, und nachdem sie und Eßlair sich mit dem Verfasser mehrmals darüber besprochen, am 7. Mai aufgeführt. Im Morgenblatt kam eine günstige Anzeige über diese Aufführung von Freiherrn von Thumb. Auch wurde das Stück bald wiederholt. Uhlands Eltern waren zur Ueberraschung ihres Sohnes zur ersten Aufführung nach Stuttgart gekommen. Der lebhafte Beifall mußte den Eltern sehr wohl thun. Der Vater wurde überhaupt durch die Wahrnehmung der Achtung, die seinem Sohne von vielen Seiten zu Theil wurde, über manches Mißlingen, manchen vergeblichen Wunsch getröstet. Seit dem Erscheinen der Gedichtsammlung und der vaterländischen Lieder hatte sich Uhland viele Freunde gewonnen und wurde oft von Fremden aufgesucht.
Nachdem die Wiedereinberufung von Ständen ausgesprochen war, mußten alle dichterischen Plane von Uhlands Schreibtisch verschwinden, und die ständischen Verhandlungen, die französische Charte und Vinckes Verfassung von Großbritannien nehmen ihre Stelle ein. Aus einer Reihe Briefe, die Uhland in dieser Zeit an seine Eltern schrieb, folgen hier einige ganz, andere im Auszug.
Stuttgart, 24. Juni 1819.
»Liebste Eltern!
Es hat mich sehr gefreut, aus dem Briefe der lieben Mutter zu ersehen, daß Sie und die lieben Haiterbacher wohl sind.
Nun kommen ja die Landstände nach zweijähriger Unterbrechung wieder zusammen, und zwar einstweilen in Ludwigsburg. Wie man sagt, hat Groß es durchgesetzt, daß die Sache wieder auf den Vertragsweg eingeleitet wurde und die Stände nicht nach gegebenen Bestimmungen einberufen sind, woran vielleicht das Ganze wieder gescheitert wäre. Was mich betrifft, so werde ich mich zwar um keine Repräsentanten-Stelle umthun, wenn aber eine Wahl auf mich fällt, gedenke ich auch nicht abzulehnen.
Gestern war ich mit Rosers, die gewöhnlich am Sonntag Abend bei Hofrath Pistorius zu Nacht speisen, dahin eingeladen, und wurde wohl aufgenommen.
Ihnen und den lieben Haiterbachern meine herzlichen Grüße.
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Stuttgart, 28. Juni 1819.
»Liebste Eltern!
Auf die gestern Abend durch Sie und Herrn Prof. Gmelin, dem ich für seine freundschaftlichen Gesinnungen sehr dankbar bin, erhaltenen Nachrichten, will ich nun abwarten, wie es mit der Wahl in Tübingen abläuft. Die Ludwigsburger Amtsangehörigen werden sich nun um einen Andern umsehen. Auch von Neuenburg wurde mir gestern noch ein Antrag gemacht.
Ich bin nun begierig auf den Erfolg in Tübingen und bitte, mich davon bald möglichst zu benachrichtigen, auch, wenn die Wahl auf mich fällt, über das Stimmenverhältniß und wer nach mir die am meisten Begünstigten waren.
Daß mir die Wahl für das Tübinger Oberamt erfreulich sei, hatte ich gleich Anfangs geschrieben. Nur wäre es gegen meine Gesinnung gewesen, blos durch äußeren Einfluß und mit Verdrängung eines früheren Repräsentanten, wenn solcher die Zuneigung der Wähler hätte, berufen zu werden.
Ich vergaß seither zu schreiben, daß ich mit Cotta über eine neue Auflage meiner Gedichte übereingekommen bin und dafür 800 fl. Honorar bezogen habe. Damit kann ich mich nun doch ordentlich für den Landtag ausrüsten.
Herzliche Grüße von
Ihrem gehorsamen Sohn
L.«
Uhland wurde wirklich vom Oberamt Tübingen gewählt und begab sich zur Eröffnung der Ständeversammlung, die am 11. Juli statt hatte, nach Ludwigsburg.
Ludwigsburg, 16. Juli 1819.
»Liebste Eltern!
Der Strudel, in dem wir uns seit unserer Ankunft hier befinden, hat mir seither nicht erlaubt, an Sie, noch an meine Committenten zu schreiben. Auch wird fast Alles ebenso bald im Schwäbischen Merkur, den Feuerlein mit landständischen Nachrichten versieht, gelesen, als ich es berichten könnte. Daß ich in das Comité zu Abfassung der Dankadresse gewählt war, werden Sie ersehen haben. Die Adresse ist von mir nach vorhergegangener Berathung im Comité aufgesetzt. Heute kamen zuerst die Propositionen des Convocationsrescripts über die Art der Verhandlung in Vortrag. Es wurde auf die Wahl von sieben Commissarien gestimmt. Hiezu wurden zuerst der Präsident und der Vicepräsident Weishaar bestimmt, die fünf übrigen sollen morgen, jeder besonders, durch absolute Stimmenmehrheit gewählt werden. Da diese Wahlart sehr umständlich ist, so werden wir ohne Zweifel vom Morgen bis zum Abend mit der Wahl zu thun haben.
Ich schließe hier und behalte mir Mehreres auf einen ruhigern Tag vor. Mit herzlicher Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Ludwigsburg, 19. Juli 1819.
»Liebste Eltern!
Die Zeit für das Schreiben geht mir immer sehr nahe zusammen. Ueber den Sonntag war ich in Stuttgart, wo ich Verschiedenes zu thun antraf. Am Sonntag Abend machten wir, Rosers, Emma und Schwabs, einen Spaziergang nach Heslach, und für das Abendessen war ich wieder zu Hofrath Pistorius eingeladen.
Am Samstag war die Wahl der ständischen Commissarien, die durch absolute Stimmenmehrheit gewählt wurden. Die Wahl fiel außer dem Präsidenten und Vicepräsidenten auf Varnbühler, Zahn, Theobald, Gmelin und Burkhard von Rottweil. Statt des Letzteren hatten die Altwürttemberger mich im Sinne. Die Neuwürttemberger aber, mit denen der größte Theil des Adels gestimmt zu haben scheint, waren auf Burkhard versessen. Er machte schon Gmelin den Platz streitig und es mußte (da die absolute Stimmenmehrheit mehr als die Hälfte aller Stimmen erfordert) bei der Wahl des sechsten Commissärs (Gmelins) viermal und bei der Wahl des siebenten (Burkhards) dreimal abgestimmt werden. Es folgt hier ein Verzeichniß dieser sieben Abstimmungen für die zwei letzten Wahlen, wobei jedoch diejenigen, welche nur wenige Stimmen erhielten, nicht bemerkt sind. Für die Sache mag es gut sein, daß noch ein Neuwürttemberger hinein kam, es hätte sonst Eifersucht erregen können und mir für meinen Theil ist es mehr um die freiere Wirksamkeit in der Plenarversammlung als um die Commissionsgeschäfte zu thun. Heute wurde darüber debattirt, ob der Commission ein Comité beigegeben werden soll? Die Frage wird erst morgen zur Abstimmung kommen und wahrscheinlich verneint werden. Es wird dann auch etwas ruhigere Zeit eintreten, so daß ich auch an meine Committenten berichten kann. – Es freut mich sehr, daß die liebe Luise ihr Wochenbett in Tübingen halten wird.
In Eile!
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Stuttgart, 25. Juli 1819.
»Liebste Eltern!
Gestern wurde die landständische Deputation, von der auch ich Mitglied war, dem König vorgestellt. Sie bestand aus den sieben Commissarien, dann vierzehn gewählten Mitgliedern, welche bereits in der Zeitung genannt sind. Der Präsident hielt eine Rede, welche der König erwiederte. Er äußerte, daß er der einzige deutsche Fürst sei, der den Weg des Vertrags betrete, daß er uns hiezu die Hand biete und daß der Tag, an dem er den Vertrag unterzeichne, der schönste seines Lebens sein werde. Hierauf ließ er sich durch den Präsidenten jedes Mitglied der Deputation besonders vorstellen und sprach mit Jedem einige Worte. Zu Weishaar sagte er, daß er diesen Vertragsweg gerne betrete. Zu mir: er habe mir noch für ein Gedicht zu danken (ohne Zweifel das auf den Tod der Königin). Ich antwortete: es habe meine tiefste Empfindung ausgesprochen. Worauf er weiter äußerte: er hoffe, wenn wir in den Ansichten verschieden seien, so werden wir es nicht in den Gefühlen sein.
Morgen werde ich wieder nach Ludwigsburg gehen, aber wahrscheinlich nur auf kurze Zeit, da während der Arbeiten der Commission wenig oder gar keine Sitzungen sein werden und sich deßhalb ohne Zweifel ein großer Theil der Versammlung beurlauben wird. Mit herzlicher Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Die von Uhland verfaßte Adresse lautet wie folgt:
Eure Königliche Majestät
haben durch das Allerhöchste Manifest vom 10. d.M. die Versammlung der Stände einberufen, damit durch gemeinschaftliches Einverständniß das Werk der Verfassung vollendet werde. Der Tag, an welchem die Versammlung eröffnet wurde, ist derselbe, der einst Allerhöchst Sie vom Felde des Siegs in das jubelnde Vaterland zurückgeführt. Nicht minder ruhmvoll ist er dießmal aufgegangen.
Von neuem den Weg des Vertrags betretend, auf dem sich von jeher die Verfassung des Landes entwickelt hat, bewähren Eure Majestät die höchste Achtung für Ihr Volk und den Geist der Gerechtigkeit, der des Fürsten erste Tugend ist.
Erweckend, frohbelebend, hat jener Ruf vom Throne das Land durchdrungen. Wir, die versammelten Stände, glauben unsere und des gesammten Volkes freudige Dankbarkeit durch nichts so sehr im Sinne Eurer Majestät darlegen zu können, als durch redliche und rastlose Förderung des großen Werkes.
Möge der Blick Eurer Majestät unsere Bestrebungen wohlwollend begleiten und in uns die Vertreter nicht blos der Rechte des Volks, sondern ebenso sehr seiner Liebe erkennen. Möge die erneuerte Verfassung hervorgehen aus der Kraft allseitiger Ueberzeugung, aus dem reinen dauernden Sieg des Vertrauens, der Wahrheit, der Gerechtigkeit.
In tiefster, aufrichtigster Ehrfurcht verharren wir Eurer Königlichen Majestät allerunterthänigste, treugehorsamst versammelte Stände des Königreichs.
Präsident: Fürst von Waldburg-Zeil-Trauchburg.
Der Vicepräsident: Weishaar.
Im Namen der Virilstimmführer: Ernst, Prinz zu Hohenlohe-Langenburg.
Im Namen der gewählten Abgeordneten: Uhland, Abgeordneter des Oberamtsbezirks Tübingen.
Die beiden Secretäre: Oberjustiz-Procurator Feuerlein. Dr. Schott.
Stuttgart, 23. August 1819.
»Liebste Eltern!
Die Nachricht von der glücklichen Entbindung der lieben Schwester hat mich ausnehmend erfreut. Mögen Sie auch an dem Enkel noch viele Freude erleben!
Unsere Commissarien werden vermuthlich um die Mitte der Woche fertig. Ihre Relationen werden sodann gedruckt und unter die Mitglieder vertheilt. Alsdann soll es mehrere Tage bis zur Eröffnung der Plenar-Versammlung anstehen, damit man sich vorbereiten und besprechen könne. Vielleicht fangen auf diese Art die Plenarversammlungen erst von heute über vierzehn Tagen wieder an. Allein es wird schon in der nächsten Woche, wenn man das Gedruckte in Händen hat, schwer abzukommen sein. Ob unter diesen Umständen mein Wunsch, bei der Taufe meines lieben Neffen anwesend zu sein, in Erfüllung gehen kann, muß ich bezweifeln. Auf jeden Fall aber wünsche ich Nachricht zu erhalten, wann die Zeit der Taufe sein wird.
Nach Ludwigsburg gedenke ich morgen oder übermorgen zurückzugehen.
Mit inniger Liebe
Ihr gehorsamer Sohn L.«
Ludwigsburg, 6. September 1819.
»Liebste Eltern!
Lange schon bin ich ohne Nachrichten von Ihnen, der lieben Luise und ihrem Kleinen. Ich hoffe, daß sich alle zusammen wohl befinden. Seit Wiedereröffnung der Verhandlungen gibt es viel zu thun. Wir haben die commissarische Proposition selbst noch nicht vollständig, auch erhält jeder nur ein Exemplar statt Manuscriptes, sonst würde ich dem lieben Vater und meinen Committenten das Erschienene mitgetheilt haben. Uebrigens wird es jedesmal gleich in der Zeitung abgedruckt und kommt dadurch auf dem schnellsten Wege zur allgemeinen Kenntniß.
Freilich ist diese Proposition nicht so glänzend ausgefallen, als man sich anfangs Hoffnung machte. Besonders kann ich die Adelskammer nicht hinunterbringen, vollends so, wie hier die Einrichtung vorgeschlagen ist. Unsere Commissarien hätten sich, meines Erachtens, nimmermehr hierauf einlassen sollen.
Neuerlich war ich Mitglied eines Comité, das zu Entwerfung der Adresse auf Oeffentlichkeit der Verhandlungen niedergesetzt wurde. Der Entwurf der Adresse ist von Herrn von Varnbühler.
Heute wurde das erste Kapitel des neuen Entwurfs in der Versammlung abgehandelt. Es geht bis jetzt noch ziemlich friedlich her.
Den Brief des lieben Meyers würde ich längst beantwortet haben, wenn ich gewußt hätte, ob ich meiner Abwesenheit ungeachtet als Taufpathe eingetragen worden bin.
Heute erhielt ich eine Zuschrift der Sickenhäuser, worin sie mich ihren gnädigst erwählten Repräsentanten betiteln.
Mit herzlichen Grüßen an Alle.
Ihr gehorsamer Sohn L.«
Stuttgart, Sonntag, 19. September 1819.
»Liebste Eltern!
Während der letzten vierzehn Tage war es mir unmöglich. Ihnen zu schreiben. Beständige Sitzungen, in der letzteren Zeit Vor- und Nachmittags, ließen kaum die nöthige Zeit zur Vorbereitung. Gestern Abend sind wir nun fertig geworden und unsere Arbeit ging noch gestern an die königlichen Commissäre ab. Der commissarische Entwurf hat freilich nicht viele wesentliche Aenderungen erhalten. Zwei Kammern sind geblieben, ich habe, wie Sie aus der Zeitung ersehen werden, auch noch einen Schuß dagegen gethan. Die Meinung, daß man in diesem Punkte nichts ausrichte, war übrigens in der Versammlung fast allgemein. Von diesem Punkte abgesehen, muß man gestehen, daß der Entwurf viel Gutes enthält und bei näherer Prüfung gewinnt, statt daß der frühere königliche Entwurf hin und wieder bloßen Schein gab.
Statt des Kanzlers haben wir einen von der Universität gewählten Abgeordneten vorgeschlagen. Herr Vicekanzler brachte diese Veränderung selbst in Vorschlag. Auf den Mittwoch erwartet man die Antwort vom Könige und dann wird wahrscheinlich am Ende der Woche die Unterschrift des Vertrags erfolgen. Wenn nun freilich nicht jedem gerechten Wunsche entsprochen ist, so wird doch wieder ein Zustand der Ordnung und des Rechts im altherkömmlichen Wege des Vertrags hergestellt. Der Himmel gebe seinen Segen dazu!
Der König wird, wie man hört, künftige Woche zum Congreß nach Warschau reisen. Um so besser, daß die Verfassung vorher unterschrieben wird.
Auf Mittwoch bin ich nach Feuerbach zu Onkels Geburtstagsfeier eingeladen. Ob ich werde erscheinen können, ist noch ungewiß. Der lieben Schwester gratuliere ich nachträglich zum Geburtstag; ich habe an diesem Tage mit brüderlichen Wünschen an sie gedacht.
Mit inniger Liebe
Ihr gehorsamer Sohn L.«
»Ich bin erst diesen Morgen wieder hierhergekommen und werde morgen wieder nach Ludwigsburg zurückkehren.«
Am 23. September beschloß die Versammlung die Annahme des Entwurfs, welcher dann am 24. unterschrieben wurde. Vom 25. heißt es im Tagebuch so kurz als möglich: »Solennisation des Vertrags, Tafel bei Hof.« Den 26. hatten die Abgeordneten noch ein Abschiedsmahl zusammen und am 30. wurde die Rückreise nach Stuttgart angetreten. Schon am nächsten Tage besuchte Uhland dann die Eltern in Tübingen und erfreute sich des kleinen Neffen. In Stuttgart beschäftigte ihn nach der Rückkehr die Correktur und die Einreihung der neuen Gedichte in die zweite Ausgabe seiner Lieder und ebenso die Correktur von Fouqué's Gedichten.
Zur Feier der Verfassung sollte in Stuttgart Uhlands Herzog Ernst gegeben werden, und er wurde um einen Prolog dazu ersucht. Es blieb ihm nur ein Tag dazu, denn am 26. Oktober erhielt er den Auftrag und am 27. Mittags fuhr er wieder nach Tübingen, wohin er zur Verfassungsfeier eingeladen war. Dort hielt am 28. der Bürgermeister vom Balkon des Rathhauses herab eine Rede, auf dem Marktplatz sang die Bürgerschaft, dann war feierliches Mittagsmahl; von diesem hinweg wurde Uhland von den Bürgern in ihr Festlokal abgeholt, las dort den von ihm verfertigten Prolog vor und beteiligte sich am Ball mit den Bürgersfrauen. Der nächste Tag findet ihn wieder in Stuttgart im Theater, wo Eßlair den Prolog vortrug, ein Festlied gesungen und dann Herzog Ernst gegeben wurde.
War auch nicht alles erreicht, was Uhland gewünscht hätte, war auch die Adelskammer gegen seinen Sinn, so war doch die Verfassung auf das alte Recht, durch Vertrag zwischen Fürst und Volk neu begründet. Darauf legte Uhland, wie wir wissen, wie er in seinem Liede ausgesprochen, so großes Gewicht.
Uhlands Vater war hocherfreut über die Anerkennung, die sein Sohn in Tübingen gefunden. Er schreibt ihm: »Es war für uns eine wahre Elternfreude, Dich hier ohne alle unser und Dein Zutun so allgemein geehrt zu sehen, und es wird dieser Tag mir so lange ich noch lebe, immer in angenehmer Erinnerung bleiben.«
Die Ludwigsburger Versammlung hatte für Uhland persönlich auch eine erwünschte Folge. In den Briefen, die er von dort an seine Eltern schrieb, lesen wir öfters, daß er mit Rosers und Emma einen Spaziergang gemacht und daß er mit Rosers bei Hofrath Pistorius den Abend zugebracht habe. Der Name Emma wird schon seit dem Jahre 1815 öfters in seinem Tagebuch genannt. Das junge Mädchen, das er damit bezeichnete, hieß Emilie und wurde nur der Kürze wegen im Elternhause Emma genannt. Sie hatte ihren Vater, den Kaufmann Vischer in Calw, frühe verloren, und wuchs mit zwei ältern Geschwistern im Hause des zweiten Gatten ihrer Mutter, des Hofrath Pistorius in Stuttgart auf. Emmas ältere Schwester hatte sich gegen den Schluß des Jahrs 1814 mit Uhlands Freund, Roser, verheiratet; durch diesen wurde Uhland bei dessen Schwiegereltern eingeführt. Justinus Kerner war gleichfalls dort bekannt, und mit ihm wurde Uhland öfters zu Pistorius eingeladen, als jener im Jahre 1815 auf Besuch in Stuttgart war. Ob es eine Divination des Dichters war, oder ob Kerner so frühe schon eine keimende Neigung in dem Herzen des Freundes entdeckt hatte, von dieser Zeit an entstand die Sage, wohl durch Kerner veranlaßt, Uhland werde sich mit Emma Vischer verloben. Das Gerücht interessierte wohl das noch ganz junge Mädchen, mehr noch interessierten sie die gerade damals herausgekommenen Gedichte Uhlands, die sie bei der Schwester zu lesen bekam; aber – an dem ernsten, stillen Herrn Uhland war doch auch gar nichts von einem Liebhaber zu entdecken! Doch erwuchs aus dem anfänglichen Wohlgefallen mit der Zeit eine tiefere Neigung in Uhlands Herz, aber neben dieser Neigung wuchs auch eine immer lebhaftere Beteiligung an den württembergischen Verfassungskämpfen, wie sie sich in seinen vaterländischen Gedichten zeigt. Aus den Briefen Uhlands an seine Eltern ist auch ersichtlich, daß Uhland sich durch seine politischen Ansichten für verpflichtet hielt, vor Herstellung der Verfassung keinen Staatsdienst in Württemberg zu suchen oder anzunehmen. Dadurch fühlte er sich denn auch abgehalten, seine Neigung zu äußern oder als Bewerber um Emmas Hand aufzutreten. Seiner feinsinnigen Zurückhaltung ungeachtet gewann jedoch diese bei längerer Bekanntschaft einen tieferen Einblick in sein Herz und lernte begreifen, wenn auch unter manchen innern Kämpfen, daß einem überzeugungstreuen Manne kein Opfer zu groß sein dürfe, daß Uhland schweigen und zuwarten müsse, bis günstigere Umstände für seine Wünsche eintreten würden. Dieses Verständniß konnte in ihr die Hochachtung und Neigung nur vertiefen und durch treue Freunde, wie Schwabs, wurde die Hoffnung in beider Herzen bestärkt. Als im Spätjahr 1818 die Aussichten auf Herstellung der Verfassung sich immer mehr trübten, that Uhland die bekannten Schritte in Basel, Karlsruhe und Frankfurt, um zu einer Stellung im bürgerlichen Leben zu gelangen. Auch hier schien sich wenig Hoffnung auf Erfolg zu zeigen, aber nun war auch das lebendige Gefühl des Zusammengehörens in beiden Herzen so entschieden geworden, daß Uhland im Mai 1819 das folgende Lied am Geburtstag an Emma richtete.
Zu eines Tages Ruhme,
Der uns viel Heil beschied,
Bricht man wohl eine Blume,
Und singt man wohl ein Lied.
Was heißt's, ein Blümchen brechen,
Wo reicher Frühling blüht?
Ein armes Lied zu sprechen,
Wo volle Liebe glüht?
Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht' ich mit Dir stehn,
Auf Thäler, Waldeswipfel,
Mit Dir herniedersehn.
Da möcht' ich rings Dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein,
Und sprechen: wär's mein eigen.
So war' es mein und Dein.
In meiner Seele Tiefen,
O sähst Du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest Du erkennen:
Wenn Aechtes ich erstrebt,
Und mag's auch Dich nicht nennen.
Doch ist's von Dir belebt.
Die Mutter Emma's war schon im Jahr 1816 aus dem Leben geschieden. Auf ihr Grab hat Rückert seinen Sonettenkranz: »Rosen auf das Grab einer edlen Frau« niedergelegt.
Emma's liebevoller Vater, wie ihr treuer Pfleger, Dr. Zahn von Calw, waren beide auch als Abgeordnete in der Ständeversammlung in Ludwigsburg und hatten dort die erwünschte Gelegenheit, mit Uhland näher bekannt zu werden. Waren auch die politischen Ansichten vielleicht nicht in allen Punkten dieselben, so überzeugten sie sich doch, daß die Tochter der theuren Verstorbenen, von dem zweiten Vater wie ein eigenes Kind betrachtet, an der Seite des ernsten, von denen, die ihn wenig kannten, wohl öfters schroff geheißenen Uhland, wohlgeborgen sei. Sie hatten UhIands Charaktertüchtigkeit und seinen edlen Sinn näher kennen lernen und er wurde nun als Familienglied angesehen, wenn auch die Verlobung noch nicht ausgesprochen wurde.
In Tübingen war auch große Freude, daß die langst gehegten Wünsche sich der Erfüllung näherten. Die Mutter war nun beruhigt, daß ihr Sohn nicht, wie sie in ihrer Aengstlichkeit schon befürchten wollte als ein Hagestolz durch das Leben gehen werde.
Anfang Decembers machte Uhland seinen Eltern einen längeren Besuch und arbeitete dort an seinem »Conradin,« der aber ein Fragment geblieben ist.
Stuttgart, 24. December 1819.
»Liebste Eltern!
Für die schönen Christgeschenke meinen herzlichen Dank. Die Kindergeschirre sind ganz nach Wunsch ausgefallen, sie haben lebhaften Beifall gefunden. Emma läßt der lieben Mutter für die gütige Besorgung recht sehr danken. Ich habe von ihr eine schöne, selbstgestickte Brieftasche zum Christgeschenk erhalten. Den Einzug der Zinsquittungen werde ich besorgen, so wie die Bestellungen nach Feuerbach. Was die Wahlangelegenheiten betrifft, so lasse ich der Sache ganz ihren Lauf. Sollte ich am Ende auch gar nicht gewählt werden, so würde ich mich nicht allzu sehr darüber grämen. Nach Böblingen bin ich gar nicht gekommen. Ich hatte die Einladung, die ich bloß als Compliment betrachtete für die Becherinschriften, gleich Anfangs abgelehnt. Auch reiste Schott selbst nicht hin, sondern es war am Dienstag eine Deputation bei ihm, die ihm den Becher sammt einem Bürgerdiplom überbrachte.Dr. Schott hatte von seinen Wählern einen schönen silbernen Becher erhalten. Uhland hatte die Inschrift dazu gemacht:
Billig wird mit einem Becher
Dieser wackre Mann beschenkt.
Weil er als des Landes Sprecher
Klaren Wein hat eingeschenkt.
Ich speiste in Gesellschaft dieser Herren bei Schott. Der Becher ist recht schön ausgefallen und die Inschriften scheinen Beifall gefunden zu haben.
Mit inniger Liebe
Ihr gehorsamer Sohn
L.«
Stuttgart, 29. December 1819.
»Liebste Eltern!
Die officielle Nachricht von der auf mich gefallenen Wahl für die Stadt Tübingen, nebst Ihrem Schreiben, kam mir schon gestern Abend gegen sechs Uhr zu.
Es sind 106 Stimmen von 127 auf mich gefallen. Hier hatte sich die Nachricht verbreitet, ein Bäcker Heckmann werde mir den Platz streitig machen. Ich bin nun begierig, wer heute für das Amt gewählt wird.
Emma schien sehr erfreut über diese Nachricht.
Es ist möglich, daß ich vor den Sitzungen noch nach Tübingen komme, wiewohl die Zeit nahe zusammengeht. Uebrigens bitte ich darüber noch nichts zu äußern. Jedenfalls müßte ich hier vorher noch eine Weile zuwarten, wie sich die Aspekten für die nächste Versammlung anlassen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr gehorsamer Sohn L.«
Die Eröffnung des ersten ordentlichen Landtags, bei welchem Uhland als Abgeordneter der Stadt Tübingen, als zweiter Votant auf den Bänken der Abgeordneten erschien, hatte am 15. Januar 1820 statt. Auch der folgende Tag hatte für ihn eine besondere Bedeutung, indem an diesem Tage der stille Bund der Herzen öffentlich ausgesprochen wurde durch seine Verlobung mit Emilie Vischer.
Sobald es ihm die landständischen Geschäfte gestatteten, brachte er die neue Tochter nun auch den Eltern nach Tübingen.
Aus seiner Mutter Herz heraus hatte er wohl die Worte genommen, die er seine Gisela schon früher sagen ließ:
»Denn wie des Vaters Stolz darin besteht,
Den Sohn gekrönt zu sehn mit Ruhm und Macht,
So ist's der Mutter Wonne, wenn der Sohn
Einhertritt mit der jugendlichen Braut,
Der liebenden, die ihm das Leben schmückt.«
Nur Einen frohen Tag im Elternhause gestattete sich aber der pflichtgetreue Abgeordnete, wie überhaupt sein Bräutigamsstand in eine für ihn sehr geschäftsvolle Zeit fiel; es waren tägliche Sitzungen, er war wieder Verfasser der Dankadresse, auch war er in mehreren Commissionen und häufig mit Berichten beschäftigt. Am 25. Januar gab er seinen Antrag wegen Prüfung der Organisationen ein, wurde dann in die Organisationscommission, so wie in die Geschäftsordnungscommission gewählt. Für die Justizsection der Organisationscommission erstattet er am 12. April das Referat über Notwendigkeit eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs und über Oeffentlichkeit der bürgerlichen Rechtspflege. Herr Otto Jahn sagt von diesem Bericht: er bezeuge, wie gründlich er als praktischer Jurist diesen Gegenstand durchdrungen habe. Später, am 14. Juni, hatte er dann auch den Commissionsbericht über die Rechtspflege zu erstatten.
Uhlands Hochzeittag, der 29. Mai, fiel noch in diese unruhige Zeit. Den ganzen Morgen desselben, bis zwei Uhr Mittags brachte er im Ständehaus zu, und sogar nach der Trauung, die um drei Uhr statt hatte, ging er auf kurze Zeit noch einmal dahin zurück.
Von seinem Freunde Schwab, der den herzlichsten Antheil an dem Glücke des jungen Paares nahm, ist folgendes Gedicht.
Wohl dem, der das errungen,
Was unser Freund errang,
Dem, wie ihm viel gelungen,
Das Leben auch gelang.
Zum Kranz der Bürgertugend,
Den ihm das Volk verlieh,
Zum Kranz der ew'gen Jugend
Der süßen Poesie
Reicht sie den Kranz der Liebe,
Im Stolz der treuen Brust,
Die mit dem schönsten Triebe
Zu schalten frei gewußt.
Jetzt wird aus ihrem Bilde
Der Dichtkunst Born genährt:
Jetzt wird von Lieb' und Milde
Das strenge Recht verklärt.
Drum Heil Dir, Paar! am Ziele,
Heil in Dein neues Haus!
Ich weiß, es sprechen Viele
Mit mir den Segen aus.
Viel Freunde sprechen's, ächte,
Die Eure Wonne labt,
Es sprechen's die Geschlechte,
Die Ihr verbunden habt.
Und wem des Mannes Ringen
Den vaterländ'schen Muth
Gestählt: und wem sein Singen
Zum Herzen trieb das Blut:
Heil rufen sie dem Bunde,
Sie jubeln Alle drob:
Drum gönnt auch meinem Munde
Das ungestüme Lob.
Die Liebe mag verdunkeln
Jedweden andern Stern,
Doch ihr zur Seite funkeln
Läßt sie die Freundschaft gern.