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Ich hatte einmal einen kleinen Bullenbeißer. Er hieß Buljka. Er war ganz schwarz, nur die Enden der Vorderpfoten waren weiß. Bei allen Bullenbeißern ist das untere Gebiß länger als das obere, und die oberen Zähne greifen in die unteren ein. Bei Buljka ragte aber das untere Gebiß so weit hervor, daß man zwischen die oberen und unteren Zähne einen Finger legen konnte. Buljkas Gesicht war breit, die Augen waren groß, schwarz und glänzend, die weißen Zähne ragten immer aus dem Maule. Er sah einem Mohren ähnlich. Buljka war friedfertig und biß nicht, hatte aber eine große Kraft und die Fähigkeit, sich fest in etwas zu verbeißen. Wenn er sich in etwas festbiß, so preßte er die Zähne zusammen und blieb wie ein Lappen hängen, so daß man ihn wie eine Zecke nicht mehr losreißen konnte.
Einmal ließ man ihn gegen einen Bären los; er biß sich dem Bären ins Ohr fest und blieb wie ein Blutegel hängen. Der Bär schlug ihn mit den Tatzen, drückte ihn an sich, warf ihn von der einen Seite auf die andere, konnte ihn aber nicht losreißen; schließlich stürzte er sich kopfüber, um Buljka zu erdrücken. Buljka hielt sich aber so lange an ihm fest, bis man ihn mit kaltem Wasser zur Besinnung brachte.
Ich bekam ihn als junges Hündchen und zog ihn selbst groß. Als ich in den Kaukasus reiste, wollte ich ihn nicht mitnehmen; ich machte mich unbemerkt auf die Reise und ließ ihn einsperren. Als ich auf der ersten Station den Wagen wechselte, sah ich plötzlich etwas Schwarzes und Glänzendes auf der Straße daherrollen. Es war Buljka mit seinem Messinghalsband. Er raste wie der Wind auf die Station zu. Er stürzte mir entgegen, leckte mir die Hand und streckte sich im Schatten unter dem Wagen aus. Seine Zunge hing handbreit aus dem Maule heraus. Bald zog er sie wieder ein und schluckte den Speichel, bald streckte er sie wieder handbreit heraus. Er atmete viel zu schnell, und seine Flanken hüpften förmlich. Er wälzte sich von Seite zu Seite und klopfte mit dem Schwanze auf die Erde.
Ich erfuhr später, daß er nach meiner Abreise die Fensterscheibe entzweigeschlagen hatte, aus dem Fenster gesprungen und auf meiner Spur in der Mittagsglut an die zwanzig Werst weit gerannt war.
Im Kaukasus gingen wir einmal auf die Wildschweinjagd, und Buljka lief mit mir mit. Kaum hatten die Hetzhunde das Wild aufgestöbert, als Buljka auf ihr Gebell hin in den Wald stürzte und verschwand. Es war im November: die Wildschweine und Eber pflegen um diese Zeit sehr fett zu sein.
Im Kaukasus gibt es in den Wäldern, wo die Wildschweine hausen, viele schmackhafte Früchte: wilde Trauben, Zapfen, Äpfel, Birnen, Brombeeren, Eicheln, Schlehen. Wenn alle diese Früchte reif und vom ersten Froste getroffen worden sind, fressen sich die Wildschweine voll und werden fett.
So ein Wildschwein ist um diese Zeit oft so fett, daß es nicht lange vor den Hunden herlaufen kann. Wenn man es an die zwei Stunden verfolgt hat, verkriecht es sich ins Dickicht und macht halt. Die Jäger eilen dann zu der Stelle, wo es haltmacht, und schießen. Nach dem Gebell der Hunde kann man erkennen, ob das Wildschwein noch läuft oder steht. Solange es läuft, winseln die Hunde so, als ob man sie schlüge; wenn es aber haltmacht, bellen sie es wie einen Menschen an und heulen.
Bei dieser Jagd lief ich lange durch den Wald, es gelang mir aber kein einziges Mal, einem Wildschwein in den Weg zu kommen. Endlich hörte ich das gedehnte Gebell und Geheul der Hetzhunde und eilte zu jener Stelle. Ich hatte den Eber schon beinahe erreicht und hörte schon das Krachen im Dickicht. Der Eber wehrte sich gegen die Hunde. Dem Gebell konnte ich aber anhören, daß sie ihn nicht überfielen, sondern nur um ihn herumkreisten. Plötzlich hörte ich hinten etwas rascheln und erblickte Buljka. Er hatte offenbar die Fährte der Hetzhunde im Walde verloren und sich verirrt; jetzt hatte er aber wohl ihr Gebell gehört und war gleich mir wie der Wind hierhergeeilt. Er lief durch das hohe Gras einer Waldwiese, und ich konnte nur seinen schwarzen Kopf und die Zunge zwischen seinen weißen Zähnen sehen. Ich rief ihn an, er sah sich aber nicht um, überholte mich und verschwand im Dickicht. Ich lief ihm nach, aber je weiter ich kam, um so dichter wurde der Wald. Die Äste schlugen mir die Mütze vom Kopfe und peitschten mich ins Gesicht, und meine Kleider blieben in den Dornen der Schlehen hängen. Ich war schon ganz nahe an der Stelle, wo das Gebell tönte, konnte aber nichts sehen.
Plötzlich hörte ich, wie die Hunde lauter bellten, wie etwas krachte und der Eber zu schnaufen und zu schnarchen anfing. Ich glaubte, Buljka hätte ihn nun erreicht und kämpfte mit ihm. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und lief durchs Dickicht zu der Stelle. Mitten im Dickicht erblickte ich einen gefleckten Hetzhund. Er bellte und heulte, ohne sich von der Stelle zu rühren, und drei Schritt vor ihm bewegte sich etwas Schwarzes.
Als ich näher kam, erkannte ich den Eber und hörte Buljka durchdringend winseln. Der Eber fing zu grunzen an und rückte gegen den Hetzhund vor; der Hetzhund klemmte den Schwanz ein und sprang zurück. Nun sah ich die Flanke und den Kopf des Ebers. Ich zielte nach der Flanke und feuerte. Ich sah, daß ich ihn getroffen hatte. Der Eber grunzte und entfernte sich, durchs Dickicht krachend. Die Hunde folgten ihm winselnd und bellend; ich brach durchs Dickicht ihnen nach. Plötzlich sah und hörte ich etwas fast dicht vor meinen Füßen. Es war Buljka. Er lag auf der Seite und winselte. Unter ihm war eine Blutlache. Ich dachte mir, der Hund sei hin. Ich kümmerte mich aber jetzt nicht um ihn und brach weiter ins Dickicht ein. Bald erblickte ich den Eber. Die Hunde griffen ihn von hinten an, und er wandte sich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite. Als der Eber mich erblickte, ging er auf mich los. Ich schoß zum zweiten Male aus nächster Nähe, so daß seine Borsten Feuer fingen; der Eber röchelte, wankte und stürzte mit seinem ganzen Körper schwer zu Boden.
Als ich näher kam, war der Eber schon tot, aber durch seinen Körper lief noch hie und da ein Zucken. Die Hunde zerrten ihn mit gesträubtem Fell am Bauche und an den Beinen, andere leckten das Blut, das aus seiner Wunde lief.
Nun fiel mir Buljka ein, und ich ging ihn suchen. Er kroch mir entgegen und stöhnte. Ich ging auf ihn zu, hockte mich hin und sah mir seine Wunde an. Sein Bauch war aufgeschlitzt, und ein ganzer Knäuel Därme hing aus der Wunde heraus und schleifte über das trockene Laub. Als die Kameraden zu mir kamen, stopften wir Buljkas Därme in die Wunde und nähten ihm den Bauch zu. Während wir ihm den Bauch zunähten und seine Haut durchstachen, leckte er mir fortwährend die Hände.
Man band den Eber an den Schweif eines Pferdes, um ihn aus dem Walde zu schleifen, legte Buljka auf das Pferd und brachte ihn so nach Hause. Buljka war an die sechs Wochen krank und genas dann vollständig.
Im Kaukasus nennt man die wilden Hühner Fasane. Es gibt ihrer so viel, daß sie billiger sind als gewöhnliche Hühner. Man jagt die Fasane »mit dem Gestell«, »auf dem Baum« und mit dem Hühnerhund. Mit dem Gestell jagt man so: man bespannt einen Rahmen mit Segeltuch, bringt in der Mitte des Rahmens eine Querleiste an und macht im Segeltuch einen Schlitz. Diesen mit Segeltuch bespannten Rahmen nennt man Gestell. Mit diesem Gestell und mit dem Gewehr geht man beim Morgengrauen in den Wald. Man trägt das Gestell vor sich her und hält durch den Schlitz Ausschau nach Fasanen. Die Fasane suchen am frühen Morgen ihr Futter auf den Waldwiesen. Zuweilen trifft man eine ganze Familie, – eine Henne mit den Jungen, manchmal einen Hahn mit einer Henne, manchmal einige Hähne zusammen.
Die Fasane sehen den Menschen nicht; vor dem Gestell haben sie keine Angst und lassen den Menschen ganz nahe heran. Nun stellt der Jäger das Gestell hin, steckt das Gewehr durch den Schlitz und schießt nach seiner Wahl.
»Auf dem Baume« jagt man so: man läßt einen Hofhund in den Wald laufen und geht ihm nach. Wenn der Hund auf einen Fasan stößt, stürzt er ihm nach. Der Fasan fliegt auf einen Baum, und der Hund fängt zu bellen an. Der Jäger kommt auf das Gebell heran und schießt den Fasan auf dem Baume. Diese Jagd wäre sehr leicht, wenn der Fasan sich auf einen freistehenden Baum setzen wollte und sichtbar wäre. Die Fasane setzen sich aber immer auf dichte Bäume im Dickicht und verstecken sich, sobald sie den Jäger sehen, im Geäst. Und es ist oft sehr schwer, durchs Dickicht zum Baume zu gelangen, auf dem der Fasan sitzt, und noch schwerer, ihn zu erspähen. Solange der Hund allein den Fasan anbellt, fürchtet er ihn nicht: er sitzt auf dem Ast, sträubt sogar drohend die Federn und schlägt mit den Flügeln. Sobald er aber den Menschen erblickt, legt er sich platt hin, so daß nur ein geübter Jäger ihn bemerken kann; der Ungeübte steht aber dabei und sieht nichts.
Wenn die Kosaken an die Fasane heranschleichen, stülpen sie sich die Mützen übers Gesicht und schauen nicht hinauf, denn der Fasan fürchtet den Menschen mit einem Gewehr, am meisten fürchtet er aber seine Augen.
Mit dem Hühnerhund jagt man so: man nimmt einen Hühnerhund mit und folgt ihm durch den Wald. Der Hund wittert, wo die Fasane beim Morgengrauen ihr Futter gesucht haben, und untersucht ihre Spuren. Soviel die Fasane auch herumgeirrt haben, ein guter Hund findet immer die letzte Spur und die Fährte vom Futterplatz weg. Je weiter der Hund die Fährte verfolgt, um so stärker ist die Witterung, und so erreicht er die Stelle, wo der Fasan bei Tage im Grase sitzt oder herumgeht. Wenn er schon ganz nahe herangekommen ist, glaubt er, der Fasan sei dicht vor ihm; er geht immer vorsichtiger vor, um ihn nicht aufzuscheuchen, und macht immer halt, um den Fasan mit einem Satz zu fassen. Wenn der Hund ganz nahe herangekommen ist, fliegt der Fasan auf, und der Jäger schießt.
Für die Fasanenjagd schaffte ich mir einen Hühnerhund an. Dieser Hund hieß Milton; er war hochgebaut, hager, gesprenkelt auf grauem Grunde, hatte lange Lefzen und Ohren und war sehr stark und klug. Mit Buljka lebte er in Frieden. Kein Hund griff Buljka an. Wenn er bloß seine Zähne zeigte, klemmten die anderen Hunde die Schwänze ein und zogen sich zurück. Einmal ging ich mit Milton auf die Fasanenjagd. Plötzlich kam Buljka mir im Walde nachgelaufen. Ich wollte ihn verjagen, konnte es aber nicht. Aber nach Hause zu gehen, um ihn einzusperren, war mir zu weit. Ich glaubte, er würde mich nicht stören, und ging weiter; kaum hatte aber Milton im Grase die Spur eines Fasans gefunden und zu suchen angefangen, als Buljka vorwärts stürmte und nach allen Seiten rannte. Er wollte den Fasan vor Milton aufscheuchen. Er witterte etwas im Grase, sprang und kreiste herum; er hatte aber eine schlechte Nase und konnte allein die Spur nicht finden: er sah immer auf Milton und lief in die Richtung, die Milton einschlug. Sooft Milton eine Spur aufnahm, lief Buljka voraus. Ich rief Buljka zurück, schlug ihn, konnte aber mit ihm nichts machen. Sobald Milton zu suchen anfing, rannte er voraus und störte ihn. Ich wollte schon nach Hause gehen, weil ich die Jagd für verdorben hielt, aber Milton fand ein besseres Mittel, Buljka irrezuführen. Er machte es so: sooft Buljka in der von Milton angegebenen Richtung vorauslief, gab Milton die Spur auf, wandte sich nach einer anderen Seite und tat so, als ob er etwas witterte. Buljka stürzte sofort hin, Milton sah sich aber nach mir um, wedelte mit dem Schwanz und schlug wieder die richtige Spur ein. Buljka richtete sich wieder nach Milton und lief voraus, aber Milton ging wieder absichtlich zehn Schritte auf die Seite, betrog auf diese Weise Buljka und führte mich dann wieder auf die richtige Spur. So betrog er während der ganzen Jagd Buljka und ließ ihn die Sache nicht verderben.
Einmal ging ich mit Milton auf die Jagd. Am Waldrande fing er mit gestrecktem Schwanz zu suchen an, spitzte die Ohren und schnüffelte. Ich machte das Gewehr schußbereit und ging ihm nach. Ich glaubte, er suche ein Rebhuhn, einen Fasan oder einen Hasen. Milton ging aber nicht in den Wald, sondern ins Feld. Ich ging ihm nach und blickte voraus. Plötzlich sah ich das, was er gesucht hatte. Vor uns lief eine mittelgroße Schildkröte, so groß wie eine Mütze. Der nackte, dunkelgraue Kopf am langen Halse ragte vor wie ein Blumengriffel; die Schildkröte machte mit ihren nackten Beinen große Schritte, und ihr Rücken war mit einem Panzer bedeckt.
Als sie den Hund erblickte, versteckte sie die Beine und den Kopf und ließ sich ins Gras nieder, so daß nur noch die Schale zu sehen war. Milton packte sie und begann an ihr zu nagen, konnte sie aber nicht durchbeißen, denn die Schildkröte hat am Bauche die gleiche Schale wie am Rücken; nur vorn, hinten und an den Seiten sind Öffnungen, durch die sie den Kopf, die Beine und den Schwanz heraussteckt.
Ich nahm die Schildkröte Milton weg und sah mir an, wie ihr Rücken gemustert und wie die Schale beschaffen war und wie sie sich einzog. Wenn man sie in den Händen hält und unter die Schale blickt, so sieht man innen, wie in einem Keller, etwas Schwarzes und Lebendiges. Ich warf die Schildkröte ins Gras und ging weiter, Milton wollte sie aber nicht aufgeben und trug sie in den Zähnen mir nach. Plötzlich winselte er und ließ sie los. Die Schildkröte hatte eine Pfote herausgesteckt und ihm den Mund gekratzt. Er wurde so böse, daß er zu bellen anfing, sie wieder packte und weitertrug. Ich befahl ihm wieder, sie liegen zu lassen, aber Milton hörte nicht auf mich. Nun nahm ich ihm die Schildkröte weg und warf sie fort. Aber er ließ sie nicht in Ruhe. Er fing an, neben ihr ein Loch zu graben; als das Loch fertig war, warf er die Schildkröte mit den Pfoten hinein und scharrte sie zu.
Die Schildkröten leben wie auf der Erde so auch im Wasser, ganz wie die Ringelnattern und die Frösche. Sie legen ihre Eier auf die Erde, brüten sie aber nicht aus; die Eier platzen von selbst wie die Fischeier, und aus ihnen schlüpfen kleine Schildkröten heraus. Es gibt Schildkröten, nicht größer als eine Untertasse, und auch große, drei Ellen lang und zwanzig Zentner schwer. Die großen Schildkröten leben in den Meeren.
Jede Schildkröte legt im Frühjahr Hunderte von Eiern. Die Schale ist nichts anderes als ihre Rippen. Bei den Menschen und anderen Tieren sind aber die Rippen gesondert, und bei der Schildkröte sind sie zu einer Schale zusammengewachsen. Vor allen Dingen haben alle Tiere ihre Rippen innen, unter dem Fleische, die Schildkröte hat aber ihre Rippen oben, und das Fleisch ist unter ihnen.
Als ich vom Kaukasus fortzog, gab es dort noch Krieg, und es war gefährlich, nachts ohne Begleitsoldaten zu reisen.
Ich wollte möglichst früh am Morgen aufbrechen und legte mich darum gar nicht schlafen.
Mein Freund kam, um mich zu begleiten, und wir saßen den ganzen Abend und die ganze Nacht auf der Dorfstraße vor meinem Häuschen.
Es war eine neblige Mondnacht, und es war so hell, daß man lesen konnte, obwohl der Mond unsichtbar blieb.
Plötzlich hörten wir mitten in der Nacht in einem Hofe gegenüber ein Ferkel kreischen.
Einer von uns rief: »Ein Wolf hat das Ferkel überfallen!«
Ich lief ins Haus, ergriff das geladene Gewehr und stürzte auf die Straße. Alle standen vor dem Tore des Hofes, in dem das Ferkel kreischte, und riefen mir zu: »Hierher!« Milton stürzte mir nach: er glaubte wohl, daß die Jagd gehe; Buljka spitzte aber seine kurzen Ohren und rannte hin und her, als wollte er mich fragen, in wen er sich festbeißen sollte . . . Als ich mich dem geflochtenen Zaun näherte, sah ich, daß von der anderen Seite des Hofes ein Tier auf mich zulief. Es war ein Wolf. Er lief an den Zaun heran und sprang hinauf. Ich rückte etwas weg und hielt das Gewehr schußbereit. Sobald der Wolf vom Zaune zu mir herübergesprungen war, legte ich an und drückte ab; das Gewehr versagte aber. Der Wolf blieb nicht stehen und rannte über die Straße. Milton und Buljka stürzten ihm nach. Milton war schon ganz nahe, hatte aber offenbar Angst, den Wolf anzugreifen, und Buljka konnte ihn nicht einholen, so schnell er auch auf seinen kurzen Beinen rannte. Wir stürzten dem Wolfe nach, aber der Wolf und die Hunde verschwanden uns aus den Augen. Erst am Graben an der Ecke des Dorfes hörten wir abgerissenes Gebell und Gewinsel und sahen durch den Mondnebel hindurch, wie sich an dieser Stelle Staub erhob und wie die Hunde mit dem Wolfe herumbalgten. Als wir den Graben erreichten, war der Wolf nicht mehr da, und beide Hunde kehrten mit erhobenen Schwänzen und bösen Gesichtern zu uns zurück. Buljka knurrte und stieß mich mit dem Kopf: offenbar wollte er mir etwas erzählen, konnte es aber nicht.
Wir untersuchten die Hunde und fanden bei Buljka eine kleine Wunde auf dem Kopfe. Er hatte wohl den Wolf vor dem Graben eingeholt, ihn aber nicht zu ergreifen vermocht; der Wolf hatte ihn gebissen und war weggelaufen. Die Wunde war nicht groß, und die Sache schien nicht gefährlich.
Wir kehrten zum Hause zurück, setzten uns und sprachen über das Vorgefallene. Ich ärgerte mich, daß das Gewehr nicht losgegangen war, und dachte immer daran, daß der Wolf wohl auf der Stelle geblieben wäre, wenn das Gewehr nicht versagt hätte. Mein Freund wunderte sich darüber, daß der Wolf in den Hof geraten war. Ein alter Kosak meinte, es sei gar nichts Wunderliches dabei: es sei überhaupt kein Wolf gewesen, sondern eine Hexe, und diese habe mein Gewehr behext. So saßen wir und sprachen. Plötzlich stürzten die Hunde vor, und wir erblickten mitten auf der Straße den gleichen Wolf; diesmal lief er aber vor unserm Geschrei so schnell davon, daß die Hunde ihn nicht einholen konnten.
Der alte Kosak war nun fest davon überzeugt, daß es kein Wolf, sondern eine Hexe gewesen sei; ich aber fragte mich, ob der Wolf nicht toll gewesen sei: ich hatte noch nie gesehen oder gehört, daß ein Wolf, den man einmal davongejagt, zu den Menschen wieder zurückgekehrt wäre.
Für jeden Fall streute ich auf Buljkas Wunde etwas Schießpulver und zündete es an. Das Schießpulver flammte auf und brannte die Wunde aus.
Ich brannte die Wunde mit Schießpulver aus, um den giftigen Speichel, wenn er noch nicht ins Blut gedrungen wäre, auszubrennen. Wenn der Speichel aber schon ins Blut geraten wäre, so würde sich das Gift, wie ich wußte, mit dem Blute im ganzen Körper ausbreiten, und dann könnte man den Hund nicht mehr heilen.
Aus dem Dorfe fuhr ich nicht direkt nach Rußland, sondern erst nach Pjatigorsk, wo ich zwei Monate blieb. Milton schenkte ich dem alten Kosaken, der auch Jäger war, Buljka nahm ich aber nach Pjatigorsk mit.
Pjatigorsk (deutsch: Fünfberg) heißt so, weil es auf dem Berge Besch-Tau steht. Besch heißt auf deutsch: fünf, und Tau: Berg. Aus diesem Berge fließt heißes Schwefelwasser. Dieses Wasser ist kochend heiß, und über der Stelle, wo es aus dem Felsen kommt, steht immer eine Dampfwolke wie über einem Teekessel. Die ganze Gegend, in der diese Stadt liegt, ist sehr heiter. Aus den Bergen laufen heiße Quellen, unterhalb des Berges fließt der Bach Podkumok. Auf dem Berge sind Wälder, ringsherum liegen Felder, und in der Ferne sind immer die hohen kaukasischen Berge sichtbar. Der Schnee auf diesen Bergen schmilzt niemals, und sie sind immer so weiß wie Zucker. Ein hoher Berg, Elbrus, der an einen weißen Zuckerhut erinnert, ist bei heiterem Wetter von überall her zu sehen. Zu den heißen Quellen kommen Menschen gefahren, um sich zu kurieren; über den Quellen sind Lauben und Schutzdächer angebracht und ringsherum Gärten und Wege angelegt. Des Morgens spielt Musik, und die Leute trinken Wasser oder baden darin und gehen spazieren.
Die Stadt selbst steht auf dem Berge, und unterhalb des Berges liegt die Vorstadt. Ich wohnte in der Vorstadt, in einem kleinen Häuschen. Das Häuschen lag im Hofe, vor den Fenstern war ein Gärtchen, und im Gärtchen standen die dem Hausherrn gehörenden Bienen, nicht in Holzstöcken, wie man sie in Rußland hat, sondern in runden Körben. Die Bienen sind dort so friedlich, daß ich jeden Morgen mit Buljka zwischen den Bienenstöcken zu sitzen pflegte.
Buljka ging zwischen den Stöcken auf und ab, staunte die Bienen an, schnupperte, hörte ihrem Summen zu, bewegte sich aber so vorsichtig zwischen ihnen, daß er die Bienen nicht störte und sie ihm nichts taten.
Eines Morgens kehrte ich von der Heilquelle nach Hause zurück und setzte mich ins Gärtchen, um meinen Kaffee zu trinken. Buljka fing an, sich hinter den Ohren zu kratzen, und sein Halsband rasselte. Der Lärm beunruhigte die Bienen, und ich nahm Buljka das Halsband ab. Etwas später hörte ich einen furchtbaren Lärm. Die Hunde bellten, heulten und winselten, die Menschen schrien, und dieser Lärm kam aus der Stadt, vom Berge her und näherte sich immer mehr unserer Vorstadt. Buljka hörte auf sich zu kratzen, legte seinen breiten Kopf mit den weißen Zähnen zwischen die weißen Vorderpfoten, legte auch seine Zunge zurecht und lag ruhig neben mir. Als er den Lärm hörte, begriff er anscheinend, was los war; er spitzte die Ohren, fletschte die Zähne, sprang auf und knurrte. Der Lärm kam immer näher. Es war, als heulten, bellten und winselten die Hunde von der ganzen Stadt. Ich trat ans Tor, um zu sehen; auch meine Hausfrau kam heraus. Ich fragte sie: »Was ist das?« Sie antwortete: »Es sind die Sträflinge aus dem Zuchthause; sie ziehen herum und schlagen die Hunde tot. Die Hunde haben sich furchtbar vermehrt, und die Stadtverwaltung hat befohlen, die Hunde in der ganzen Stadt totzuschlagen.«
»Wie? Werden sie auch Buljka totschlagen, wenn er ihnen in den Weg kommt?«
»Nein, solche, die Halsbänder haben, dürfen sie nicht totschlagen.«
Während ich mit der Frau sprach, näherten sich die Sträflinge unserem Hofe.
Vorne gingen Soldaten und hinten vier Sträflinge in Ketten. Zwei der Sträflinge hatten lange Eisenhaken in den Händen und die anderen zwei Knüppel. Vor unserem Hofe fing einer der Sträflinge mit seinem Haken einen kleinen Hofhund und zog ihn in die Mitte der Straße, und der andere schlug mit seinem Knüppel auf das Tier ein. Der Hund winselte entsetzlich, und die Sträflinge riefen etwas und lachten. Der Sträfling mit dem Haken drehte den Hund um; als er merkte, daß er schon tot war, zog er den Haken heraus und sah sich um, ob nicht ein anderer Hund in der Nähe wäre.
In diesem Augenblick stürzte Buljka, Hals über Kopf, wie er sich auf einen Bären zu stürzen pflegte, auf diesen Sträfling. Mir fiel ein, daß er ohne Halsband war, und ich schrie: »Buljka, zurück!« Ich rief auch den Sträflingen zu, daß sie meinen Buljka nicht schlagen sollten. Als aber der Sträfling Buljka erblickte, lachte er auf, holte geschickt mit dem Haken aus und fing Buljka am Schenkel. Buljka wollte zurück, aber der Sträfling zog ihn zu sich heran und sagte zum anderen: »Hau' zu!« Der andere erhob schon den Knüppel, und Buljka wäre sicher erschlagen worden; aber er nahm seine ganze Kraft zusammen, die Haut am Schenkel riß, und der Hund stürzte mit eingezogenem Schwanz, mit einer roten Wunde am Beine durch die Gartenpforte ins Haus und verkroch sich unter mein Bett.
Er war gerettet, weil die Haut an der Stelle, wo der Haken saß, gerissen war.
Buljka und Milton erlebten ihr Ende um die gleiche Zeit. Der alte Kosak verstand nicht mit Milton umzugehen. Statt ihn nur auf die Federwildjagd mitzunehmen, führte er ihn auch auf die Wildschweinjagd. Im gleichen Herbste schlitzte ihm ein zweijähriger Eber mit seinen Hauern den Leib auf. Niemand verstand die Wunde zu vernähen, und Milton ging ein. Auch Buljka lebte nicht lange nach seiner Rettung vor den Sträflingen. Bald nach diesem Erlebnis verfiel er in eine triste Stimmung und bekam die Angewohnheit, alles zu lecken, auf was er stieß; er leckte mir auch die Hände, aber ganz anders, als er es sonst zu tun pflegte, wenn er mir seine Liebe zeigen wollte. Er leckte lange und drückte dabei fest mit der Zunge; später fing er auch an, mit den Zähnen zu schnappen. Er hatte offenbar das Bedürfnis, meine Hand zu beißen, wollte es aber nicht tun. Ich gab ihm meine Hand nicht mehr. Nun fing er an, meinen Stiefel und das Tischbein zu lecken, später auch zu beißen. Das dauerte zwei Tage, am dritten Tag aber verschwand er, und man sah und hörte von ihm nichts mehr.
Niemand konnte ihn gestohlen haben, er hat auch nicht einfach weglaufen können; dies geschah aber sechs Wochen nach dem Tage, an dem ihn der Wolf gebissen hatte. Der Wolf war also wirklich toll gewesen. Buljka hatte die Tollwut bekommen und war weggelaufen. Er hatte das, was die Jäger »stille Wut« nennen. Man sagt, die Tollwut bestehe darin, daß das kranke Tier Krämpfe in der Kehle bekomme. Die tollen Tiere wollen trinken und können es nicht, weil die Krämpfe beim Trinken noch stärker werden. Vor Schmerz und Durst geraten sie außer sich und beginnen zu beißen. Bei Buljka fingen wohl diese Krämpfe an, als er meine Hand und das Tischbein erst leckte und dann zu beißen begann.
Ich ritt in der ganzen Umgebung herum und fragte alle nach Buljka, konnte aber nicht erfahren, wo er hingeraten und wie er verendet war. Wäre er, wie die anderen tollen Hunde, herumgelaufen und hätte gebissen, so würde ich sicher etwas über ihn gehört haben. Er hatte sich aber wohl irgendwo ins Dickicht verkrochen und war dort verendet. Die Jäger sagen, daß ein kluger Hund, der die stille Wut bekommen hat, in die Felder und Wälder läuft, dort ein bestimmtes Kraut sucht, sich im Morgentau wälzt und sich auf diese Weise kuriert. Buljka gelang es wohl nicht, sich zu kurieren. Er war verschwunden und kam nie wieder. Wir waren auf einer Bärenjagd. Mein Freund schoß auf den Bären, traf ihn aber in eine weiche Stelle. Der Bär ließ etwas Blut im Schnee zurück und entkam.