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Einleitung des Herausgebers.

Das erste zu Ende geführte Erzeugnis Tiecks, das er selbst als Novelle bezeichnete und das von Urteilsfähigen sofort als ein glänzendes Muster dieser Dichtungsart erkannt wurde, »Die Gemälde«, ist 1821 geschrieben und bereits im Oktober desselben Jahres in Amadeus Wendts (früher Beckers) »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen auf das Jahr 1822« Leipzig, bei Gleditsch. veröffentlicht worden. Der erste Einzeldruck erschien 1823. Auch unter dem Titel: »Novellen von Ludwig Tieck«, 1. Bd., Dresden, Arnoldische Buchhandlung. Neudrucke, vom Verfasser selbst besorgt, findet man im 17. Bande der »Schriften« (1844) und im ersten der »Gesammelten Novellen« (1852). Eine Übersetzung ins Englische erschien (mit der »Verlobung«) London 1825.

Nicht ohne Grund wiesen die Vertreter der neuen Kunstrichtung, die Goethe so schweren Verdruß bereitete, die sogenannten Altdeutschen und Nazarener   1817 war in Goethes »Kunst und Altertum« das berühmte Pamphlet gegen die neudeutsche religiös-patriotische Kunst erschienen A. a. O., 1. Bd. 2. Heft. Der Aufsatz »Neu-deutsche religiös-patriotische Kunst« ist allerdings nicht von Goethe selbst, sondern von seinem Freunde Johann Heinrich Meyer verfaßt, erschien aber unter Goethes Ägide und gibt dessen damalige Stimmung wieder.   auf die Verherrlichung der religiösen Kunst und den poetischen Kunstenthusiasmus in Wackenroders »Klosterbruder«, in Tiecks und Wackenroders »Phantasien«, in Tiecks »Sternbald« und in A. W. Schlegels Gespräch »Die Gemälde« hin. Freilich hatte diese Verherrlichung und Begeisterung zu ihrer Zeit ihre volle Berechtigung gehabt und war auch noch nicht in den Dienst der kirchlichen Reaktion, des religiösen Ultramontanismus, der Frömmelei getreten. Aber jene Maler ebenso wie jüngere Dichter benutzten sie dazu, alle weltliche, sinnliche Schönheit zu verpönen, und die Widersacher der Romantik schoben auf diese die ganze Schuld an dem Übel. Erstere schadeten mithin durch Übertreibung einer an sich guten Sache, indem sie dieselbe in eine verkehrte umwandelten. Rechts und links sah Tieck mit seinem unbefangenen Blick das Unrecht wie das Recht der feindselig aufeinander stoßenden Strömungen, und er beschloß, im Rahmen einer heitern, humorvollen Erzählung ein Bild des damaligen Kunstlebens in Deutschland zu entwerfen, in welchem alle die Ausschreitungen und Thorheiten, an denen dasselbe krankte, mit überlegener Ironie in ihrer Lächerlichkeit vorgeführt werden sollten. So entstanden die »Gemälde«, Beachtenswert ist, wie vorurteilsfrei und objektiv der Dichter jeder wirklich künstlerischen Richtung ihr Recht läßt. Freilich wird die von sinnlicher Schönheit strotzende, fröhliche Kunst eines Giulio Romano mit beredten Worten gepriesen, aber auch der religiösen Malerei wird nicht unbarmherzig die Thür gewiesen. Nicht ein scharfer Angriff (wie gewöhnlich behauptet wird) gegen diese ist unsre Novelle, nur die lächerliche »Deutschtümelei«, die sich äußerlich durch altdeutsche Röcke, breite Kragen und wallende Haare bekundete, jene unschuldige Thorheit, die in der Person des jungen Malers Dietrich verkörpert ist, wird in ziemlich gutmütiger Weise verlacht; die ganze Schärfe der Satire ergießt sich vielmehr über die hochmütige, eingebildete Kunst kennerschaft; der anmaßende prinzliche »Kenner« ist es, der sich, als dem treuherzigen Kunst enthusiasten bereits die Augen aufgegangen sind, schließlich am plumpsten täuschen läßt und in dieser Täuschung beharrt.   Das scheinbar alltägliche und doch wunderbare Ereignis, das nach Tiecks Theorie in jeder Novelle den Umschlag der Handlung herbeiführen soll, ist   rein äußerlich genommen   in den »Gemälden« die unvermutete, aber heiter vorbereitete Entdeckung der verschwundenen Gemälde, nach denen dann auch mit Recht die Erzählung ihren Namen führt. Der eigentliche Witz aber, die Überraschung, die Spitze, in der die ganze Erfindung gipfelt, beruht in der bittern Ironie, mit welcher der »Kenner« abgeführt wird, und um diese Spitze zu erreichen, hat der Dichter den schlauen Kunst fälscher, den alten Maler Eulenböck, eingefühlt, eine der genialsten Figuren, die unsre Novellenlitteratur aufzuweisen hat. Wie Tieck es überhaupt liebte, eigne Erfahrungen und Bekanntschaften in seinen Dichtungen künstlerisch zu verwerten, so hat er auch diese originelle Gestalt der Wirklichkeit nachgezeichnet: der humoristisch-geniale Architekt Hans Genelli 1763 1823; vgl. über ihn Varnhagen, »Galerie von Bildnissen aus Rahels Umgang«, Bd. I, S. 187 ff. aus Berlin, viele Jahre hindurch ein ausgezeichnetes Mitglied des hochgebildeten Gräflich-Finkensteinschen Familienkreises in Madlitz, dem Tieck bekanntlich so lange angehörte, hat dem Dichter viele Züge zu seinem Eulenböck liefern müssen. Mit Recht bewundert schon ein Rezensent der Jenaer »Allgemeinen Litteraturzeitung« 1824, Ergänzungsblatt 132. »die Gewandtheit, mit welcher der Dichter über das Ganze den Zauber des Lebens verbreitet, indem er nicht aus der Eigentümlichkeit der handelnden Personen und den Schranken der Geschichtserzählung heraustritt«. In der lebensvollen Charakteristik scheint auch uns der Hauptreiz der Novelle weit mehr zu liegen als in der bis zum Überdruß oft gerühmten, wenn auch gewiß unleugbaren »Reinheit der Sprache, Fülle der Ideen, Vollendung der Form und Lebendigkeit der Darstellung«. »Tiecks Novellen«, schreibt Hebbel an einen Freund, »sind eigentlich durchaus didaktischer Natur, aber es ist bewundernswürdig, wie sehr bei ihm alles, was andern unter der Hand zu frostigem Räsonnement gefriert, in den farbigsten Lebenskristallen aufschießt. Auch das ist ihm eigentümlich, daß er nichts zusammenbringt, was nicht unbedingt zusammen gehört, was nicht zusammen kommen müßte, wenn es sich in seiner echten Wesenheit, in seiner Bedeutung für die Menschenwelt entwickeln soll. Und diese Prädestination, wie ich's nennen möchte, die man bei so äußerst wenigen findet, ... ist nur bei einer grenzenlos freien Übersicht, bei dem reinsten und ruhigsten Walten möglich.« Ein Lob aus Dichtermunde, das vielleicht keiner Tieckschen Novelle in höherm Grade und so ohne alle Einschränkung gilt als den »Gemälden«! Daß übrigens der Dichter, der es liebt, sich selbst in seinen Erfindungen zu ironisieren, der Hauptperson der Novelle auch einiges von seinem eignen Wesen verliehen hat, wird man erkennen, wenn man die hoch ergötzlichen Tischreden Eulenböcks neben folgende Notiz in Karl Försters »Tagebuch« 1. Januar 1822, S. 247. hält. »Tieck«, heißt es daselbst, »war unendlich guter Laune, sein ganzes dramatisch-mimisch-geselliges Talent ist in Bewegung ... dann sprach er mit bewunderungswürdiger Kenntnis über die verschiedensten Weine, hielt der Leberwurst, wie sie in Berlin bereitet werde, eine Lobrede, und indem er eine Auster auf das anmutigste schlürfte, stellte er die Behauptung fest, daß das vielgenannte Linsengericht des Esau gewiß eine Schüssel mit Austern gewesen sei, etc.«

Eine durch ihre Form wie durch die Person des Verfassers merkwürdige Beurteilung der Novelle möge noch angeführt werden. Sie rührt von Theodor Hell, dem in unsrer allgemeinen Einleitung erwähnten Hofrat Winkler in Dresden, her, der sich in der »Abendzeitung« vom 24. Oktober 1821, in einer poetischen Revue über die Taschenbücher für 1822, folgendermaßen vernehmen ließ.

»Welchen Reichtum tiefverständigen, sinnigen Forschens
Über die bildende Kunst, wie sie erschafft und kopiert,
Eng verbunden mit hochaufsprudelndem Sterneschen Humor,
Bietet uns Ludwig Tieck, wenn die Gemälde wir schaun,
Die zur Novelle gereift er hier gar künstlich geordnet,
Daß zur Galerie wurde die lehrende Schrift,
Eduards frisches Gemüt, die zartere Neigung Sophiens,
Walthers Liebe zur Kunst, Erichs geordneter Sinn,
Überschätzend sich selbst der Blick des Prinzen, vor allen
Aber du heitre Gestalt, die du mit köstlichem Witz
Würzest das Ganze, du Schelm mit toll austobender Laune,
Eulenböck! ihr erfreut alle, indem ihr belehrt.
Und so treten die Nebenpersonen ins rechte Verhältnis,
Daß für jeden der Raum genüge, entwickelnd sich selbst.«


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