Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
(Ein öffentlicher Gerichtssaal; im Hintergrunde, etwas mehr erhoben, der Sitz der Richter, von Schranken eingeschlossen.)
Geyer. v. Krähfeld. Rabe. Fliege mit verbundnem Kopfe. Alle gehn auf und ab.
Geyer. Ein jeder weiß doch nun seine Rolle? Nur Festigkeit und Muth bei der Aussage: weiter braucht's nichts! das übrige will ich schon auf mich nehmen.
Fliege. Ist alles hinlänglich abgeredet? – Weiß ein jeder, was er zu sagen hat?
Rabe. O ja.
Fliege. Nun so kann ja das Lustspiel seinen Anfang nehmen.
Rabe zieht Fliege bei Seite. Weiß aber der Advokat um den wahren Zusammenhang der Sache?
Fliege. Ei bewahre! ich habe einen ganzen Roman erfunden, um Ihre Ehre zu retten. Fürchten Sie nichts.
Rabe. Am meisten fürcht' ich, daß, wenn der Prozeß gut abläuft, er auch einen Theil der Erbschaft prätendiren wird.
Fliege. Er wäre nicht der erste Prätendent, den man mit seinen Prätensionen hätte laufen lassen. Wir brauchen ihn, als unsern Soldaten, unsre Sache auszufechten; sobald Friede ist, wird er abgedankt.
Rabe. Was will er auch machen?
Fliege. Man muß ihm nur jetzt noch nichts von diesen Gedanken merken lassen; sonst könnte er uns einen Streich spielen.
Rabe. Freilich.
Fliege, indem er zu Geyer geht. Steht der alte Krähfeld nicht völlig da, wie ein armer Sünder? – Nehmen Sie sich beim Gericht nur in Acht, daß Sie nicht über ihn lachen.
Geyer. Hat nichts zu sagen; an so etwas ist unser eins gewöhnt.
Fliege. Ich muß nur wieder ein paar Worte mit ihm sprechen; sonst glaubt er am Ende, wir alle sind nur hier, ihn zu hintergehn; wie es denn auch im Grunde –
Geyer. Sprich mit ihm.
Fliege, zu v. Krähfeld. Stehn Sie doch nicht so in Gedanken; noch heut muß sich alles zu Ihrem Vortheil entscheiden.
v. Krähfeld. Da hast Du Recht.
Fliege. Ich sehe schon in Herrn Geyers Gesicht die Wetterwolken, die bald über unsre Feinde losbrechen werden. – Leiser zu Geyer. Im Grunde nur Ihre Feinde.
Vorige. Vier Richter. Karl v. Krähfeld. Louise. Ein Notar. Gerichtsdiener.
Fliege, Geyer, und Rabe sprechen abwechselnd mit einander; – die Richter gehn auf der andern Seite des Theaters sprechend auf und ab.
1. Richter. Ein solcher Vorfall ist mir in meiner Praxis noch nicht vorgekommen.
2. Richter. Er ist einzig in seiner Art.
4. Richter. Das Mädchen hat bis jetzt immer einen unbescholtnen Ruf gehabt.
3. Richter. Eben so auch der junge Mann.
4. Richter. Desto unbegreiflicher ist der Vater.
2. Richter. Der Vormund noch mehr.
1. Richter. Beide sind in dieser Begebenheit merkwürdig.
4. Richter. Die Schändlichkeit des alten Betrügers geht über alle Vorstellung.
1. Richter. Er ist ein wahrer Phönix.
2. Richter. Und dabei ein so schändlicher Wollüstling.
Die Richter nehmen jetzt ihre Sitze ein; Karl von Krähfeld und Louise stellen sich an die rechte Seite des Gericht; die Angeklagten auf die linke. Nach und nach versammeln sich mehrere Zuschauer zu beiden Seiten des Theaters, aber in einiger Entfernung von den Hauptpersonen. Unter diese treten, fast gegen das Ende der Scene, Murner und Birnam ein.
3. Richter. Sind alle Leute erschienen, die man citirt hat?
Notar. Alle, außer der Herr von Fuchs.
1. Richter. Warum ist er nicht gekommen?
Fliege. Mit Ihrer Erlaubniß, ehrwürdige Väter, hier ist sein Advokat; – er selbst ist so schwach, so entkräftet –
4. Richter. Wer seid Ihr?
Karl. Sein Schurke. Ich bin die Richter, daß man seinen Herrn zu erscheinen zwinge, damit Sie sich selbst von seiner Verstellung überzeugen können.
Geyer. Auf meine Ehre, er kann die Luft nicht vertragen.
2. Richter. Man führe ihn demohnerachtet her.
3. Richterr. Wir wollen ihn sehn.
4. Richter. Man hole ihn!
Gerichtsdiener ab.
Geyer. Ihr Wille, ehrwürdige Väter, wird in Erfüllung gehn; der Anblick aber wird Ihr Mitleid, und nicht Ihren Unwillen erregen. Wenn es dem Gericht gefällig wäre, so wollte ich zu gleicher Zeit bitten, mich anzuhören. Vorurtheil, weiß ich, muß an diesem Platz nicht herrschen; und deshalb bitt' ich um die Erlaubniß, sprechen zu dürfen, da Wahrheit unsrer gerechten Sache nicht schaden wird.
3. Richter. Sprechen Sie. –
Geyer, im oratorischen Pathos. Ich bin also nun wirklich gezwungen, einen Betrug aufzudecken, der in dieser Stadt vielleicht unerhört ist. – Hier steht ein Mädchen, ehrwürdige Väter, die, ohnerachtet ihrer künstlichen Bescheidenheit, Trotz ihrer erzwungenen Thränen, schon lange mit diesem jungen Manne einen verdächtigen Umgang gehabt hat. – Doch, was sag' ich, verdächtig? – Ausgemacht schändlich! – Der nachsichtsvolle Vormund hat ihr dies Vergehn verziehn; doch, niedrigdenkende Seelen haben kein Gefühl für Dankbarkeit, denn seine Güte ward so weit gemißbraucht, daß er sich nun selbst als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen genöthigt sieht. – Hemmen Sie Ihr Erstaunen, ehrwürdige Väter, und sparen Sie es für eine noch größere Ausartung der Menschheit. – Hier sehn Sie einen alten Edelmann aus einem der besten Geschlechter vor sich; das Alter hat ihn gebeugt und zu Boden gedrückt; aber, mehr als die Jahre, der unaufhörliche Gram um jenen entarteten Sohn, der ihm jenes Mädchens wegen, und noch auf tausend andre Arten, täglich neuen Kummer machte, so sehr, daß er endlich mit bangem Herzen und mit weinendem Auge, da er keine Möglichkeit der Besserung sahe, den Entschluß faßte, diesen unnatürlichen Sohn zu enterben.
1. Richter. Die Sache will eine andre Wendung nehmen.
2. Richter. Der junge Mann stand doch aber immer in einem so guten Rufe.
Geyer. Hat dem Laster wohl je eine Schminke gefehlt? – der alte Vater bestimmte also den heutigen Tag zur Ausführung seines Entschlusses, als dieser Vatermörder seinen Vorsatz, ich weiß nicht, auf welche Art, erfuhr.– Vatermörder nenn' ich ihn, ehrwürdige Väter; denn in der unmenschlichsten Wuth bricht er in das Haus des Herrn von Fuchs, (so heißt der Mann, gestrenge Herren, der statt seiner zum Erben eingesetzt werden sollte,) – er bricht in das Haus, – o soll ich mich nicht scheuen, die Ursach dieses Einbruchs auszusprechen? – denn, mit einem Wort, er dringt hinein, um den Vater auf irgend eine Weise aus der Welt zu schaffen. – Nach einem abgeredeten Plane aber muß sich schon vor ihm dieses Mädchen in das Haus begeben. – Er findet glücklicherweise den Vater nicht. – Wird er denn nun wenigstens nicht in sich gehn, und umkehren, und sich bessern? – Weit gefehlt, ehrwürdige Väter! – Er reißt den alten Herrn von Fuchs von seinem Lager, das ihn schon seit drei Jahren eine Krankheit zu hüten zwingt, schleppt ihn im Zimmer herum, und läßt ihn ohne Hülfe liegen; seinen Diener, der auf das Geschrei herbeieilt, verwundet er am Kopf; aber noch nicht genug, der arme, alte, kranke Herr von Fuchs wird von ihm, und von diesem Mädchen, der schändlichsten Gewaltthätigkeit angeklagt. So wollen sie die rechtmäßige Enterbung des Vaters hintertreiben, das Vermögen dem Herrn von Fuchs entreißen, und sich verschaffen, und dem großmüthigen, gütigen Herrn Rabe, dem nachsichtsvollen Vormund des Mädchens, eine Niederträchtigkeit aufbürden. – Dies war's, was ich Ihnen zu sagen hatte; jetzt urtheilen Sie.
1. Richter. Was sind für Beweise?
Karl. Ich bitte demüthigst, hochgeehrte Väter, diesem besoldeten Manne nicht zu glauben.
2. Richter. Still!
Karl. Der kein Gewissen hat.
3. Richter. Ruhig.
Karl. Wenn man ihm zwei Thaler mehr bietet, so führt er den Prozeß gegen seinen eignen Vater.
1. Richter. Sie vergessen sich.
Geyer. Lassen Sie ihn nur schimpfen, ehrwürdige Väter; soll man erwarten, daß – der Mann seinen Ankläger verschone, der nicht einmal seines Vaters schonen wollte? –
Birnam tritt mit Murner herein. Sehn Sie! – Ist das nicht mein Mädchen?
Murner. Stille! Lassen Sie uns beobachten.
1. Richter. Gut, die Beweise.
Louise. O könnte ich vergessen, daß ich lebe!
Geyer. Hier steht Herr von Krähfeld.
4. Richter. Wer ist das?
Geyer. Der Vater des Verbrechers.
2. Richter. Hat er geschworen, die Wahrheit auszusagen?
Notar. Ja.
v. Krähfeld. Was muß ich denn nun thun?
Geyer. Meine Aussage bekräftigen.
v. Krähfeld. Kurz und gut also, ich sage mich von ihm los; er ist mein Sohn nicht; ich bin nicht sein Vater; und damit Punktum.
1. Richter. Welche Ursachen haben Sie?
v. Krähfeld. Die besten Ursachen von der Welt; – er ist kein Mensch, viel weniger mein Sohn; und damit ist es aus.
Karl. So weit hat man Sie also gebracht?
v. Krähfeld. Ich will nichts von Dir wissen, – Du Vatermörder! sprich kein Wort weiter.
Karl. Ich habe schon gesagt, was ich zu sagen hatte; will man mir nicht glauben; so weiß ich kein ander Mittel.
Geyer. Hier steht Herr Rabe.
2. Richter. Sonderbar!
1. Richter. Wer ist das?
Geyer. Der Vormund des Mädchens.
4. Richter. Hat er geschworen?
Notar. Ja.
3. Richter. So sprechen Sie.
Rabe. Dies Mädchen, mit der Erlaubniß der ehrwürdigen Väter, ist so unverschämt, so frech, so ausschweifend, daß –
1. Richter. Genug.
Rabe. Ich will Ihnen doch etwas deutlicher beschreiben.
Notar. Respekt vor's Gericht!
Rabe. Ja, ja, und ich will auch nichts ungeziemendes sagen. Aber ich kann beschwören, daß sie so gut wie seine Frau ist.
Fliege, leise. Bravo!
Rabe. Ist denn das was Unschickliches? sage doch, Fliege.
Fliege. Bewahre!
Rabe. Oder wenn ich sagte, er wäre ihr eigentlicher Ehemann, nur ohne priesterliche Einsegnung? Ist denn darin etwas Unschickliches?
3. Richter. Der Kummer hat ihn ganz verrückt gemacht.
Louise fällt in Ohnmacht; Karl ist mit ihr beschäftigt, und bringt sie nach und nach wieder zu sich.
Rabe. Charmant! sehr gut gemacht!
3. Richter, zu Fliege. Was habt Ihr zu sagen?
Fliege. Meine Wunde mag für sich sprechen. Ich empfing sie, als ich meinem guten Herrn beistehn wollte; als dieses Mädchen nach ihrer Abrede mit einemmale laut anfing: Gewalt! zu rufen.
Karl. Ueber diese Unverschämtheit, – ehrwürdige Herren –
3. Richter. Still!
2. Richter. Ich zweifle, daß das Erdichtung sei.
4. Richter. Das Mädchen ist mir wirklich verdächtig.
Geyer. Ehrwürdige Väter, sie ist in der ganzen Stadt berüchtigt.
Rabe. Und dabei eine Komödiantin, wie Sie selbst gesehn haben, – und ausschweifend; – nicht allein diesen jungen Menschen hat sie verführt, sondern auch einen fremden Mann, einen Engländer, ich glaube, er heißt Birnam.
Birnam. Was Teufel!
Murner, leise. Still! – Um Gotteswillen still!
1. Richter. Birnam?
Fliege. Außerdem hat sie auch noch einen unerlaubten Umgang mit einem gewissen deutschen Gelehrten, Murner; die Frau dieses Mannes hat sie heut selbst mit ihm gehn sehn.
Murner, leise. Kommen Sie, wir wollen uns wegschleichen.
Birnam. Also haben Sie doch kein gut Gewissen? – sagt' ich's nicht, daß Sie ein Tuckmäuser wären?
2. Richter. Weiß man die Wohnung dieser beiden Leute?
Birnam, indem er hervortritt, und Murner halb mit Gewalt hervorzieht. Das ist denn doch wahrhaftig zu arg! – Wir sind hier, und ich schwöre –
1. Richter. Wie heißen Sie?
Birnam. Birnam.
Rabe. Das ist eben der Engländer, von dem ich Ihnen sagte.
Birnam. Ich kann Ihnen versichern, daß ich dies Mädchen nie anders, als in einer Entfernung von zwölf Schritt gesehen habe; eben jener alte verdammte Vormund war mir ja immer im Wege, denn sonst würd' ich freilich versucht haben, – und nun kömmt er selbst und behauptet, ich hätte sein Mädchen verführt.
Murner. Sie vergessen sich; Sie werden uns ins Unglück stürzen.
2. Richter. Das wird immer verdächtiger, und besonders Sie Zu Murner. scheinen in einer gewissen Verlegenheit –
Murner. Ich hätte manches einzuwenden, gestrenge Herren,– zwar hat mir jener Herr Birnam selbst eingestanden, daß er in jenes Mädchen verliebt sei – aber was mich anbetrifft, so bitte ich zu bemerken, daß, wenn es eine ausgemachte Wahrheit ist –
3. Richter. Sie werden weitläuftig.
Birnam. Ein kleiner Schriftstellerfehler. Er ist mein guter Freund; aber ich muß gestehn, daß er mir selbst ein wenig verdächtig ist; denn heut kam seine Frau auf öffentlicher Straße zu ihm, um ihm wegen einer gewissen Galanterie eine derbe Predigt zu halten. –
1. Richter. Immer mehr verdächtig! – Sie werden sich beide gefallen lassen, einige Zeit in einer gewissen Verwahrung –
Murner. Ich protestire höflichst dagegen, denn ich bin so sehr mit der Ausarbeitung einer Reisebeschreibung beschäftigt, –
Birnam. Arretirt? um nichts und wieder nichts? – Weil ich verliebt gewesen bin? und noch dazu auf eine so unschuldige Art? – Warum, zum Teufel, hat es mir denn nicht die Schildwache am Thor gleich verboten, so hätt' ich mich danach richten können!
1. Richter. Sie vergessen den Respekt, und stören zugleich das Gericht. – Man führe sie ab. – Sein Sie versichert, daß Ihr Antheil an dieser Sache sehr schnell untersucht werden soll.
Murner und Birnam werden abgeführt.
Fliege. Die Frau des Gelehrten ist selbst draußen. Sie ist ihrem Manne nachgegangen, bloß um seine Ehre zu retten.
1. Richter. Bringt die Frau herein.
2. Richter. Laßt sie kommen! Fliege ab.
4. Richter. Alles stimmt wunderbar überein.
2. Richter. Ich weiß nicht was ich sagen soll.
Vorige. Madam Murner von Fliege hereingeführt.
M. Murner, leise. Ist sie denn das?
Fliege. Freilich; – nur dreist, Madam.
M. Murner. Ja, das ist sie. – Kannst Du auch weinen, Kind? – Wie verwegen sie mich ansieht. – Ich bitte gehorsamst um Verzeihung; es kann sein, daß ich die Achtung vergessen habe, die man dem Gericht schuldig ist.
2. Richter. Nein, Madam.
M. Murner. Ich bin vielleicht zu weit gegangen –
2. Richter. Nicht im mindesten.
4. Richter. Die Beweise sind überführend.
M. Murner. Es war wirklich nicht mein Wille, mich gegen das Gericht, oder gegen die Weiblichkeit zu vergehn.
3. Richter. Wir glauben es.
M. Murner. Wahrlich, Sie können es auch glauben.
2. Richter. Wir thun es, Madam.
1. Richter. Und was für Zeugnisse können Sie aufstellen?
Karl. Unser Gewissen.
Louise. Den Himmel, der die Unschuld nie verläßt.
4. Richter. Das sind keine Zeugen.
Karl. Nicht vor Gericht, wo die Menge und der Schreier siegt.
1. Richter. Nicht anzüglich.
Vorige. v. Fuchs, in einer Sänfte herbeigebracht; er ist in seiner Hauskleidung, und wird sogleich in einen Stuhl gesetzt.
Geyer. Hier kömmt er. Jetzt kömmt ein Beweis, der alle überführen, und ihre frechen Zungen zum Schweigen bringen muß. – Sehn Sie hier, ehrwürdige Väter, dies ist der Mann, der der Unschuld Schlingen legt; dies ist der feine Betrüger, der große Wollüstling! – Er verstellt sich aber vielleicht nur.
Karl. So ist es.
Geyer. So sollte man ihn vielleicht gar noch auf die Folter bringen, um recht unerhört grausam gegen ihn zu sein; da ihm in seiner Krankheit der Chagrin und die Luft den Tod vielleicht so schon zuziehn. Sehn Sie, wie der arme Mann schon ganz wie eine Leiche aussieht! Wenn Sie ihren schändlichen Verläumdungen nur den mindesten Glauben beimessen, – wer in der Stadt, selbst wer von Ihnen, ehrwürdige Väter, ist dann vor dem Gift der Lästerung gesichert? – Kehren Sie sich nicht an ihre Beharrlichkeit; – dem Laster steht fast immer eine Art von Standhaftigkeit zu Gebot; – die schändlichsten Plane werden immer mit der größten Hartnäckigkeit ausgeführt.
1. Richter. Führt sie fort, und bewacht sie genau.
Karl v. Krähfeld und Louise werden abgeführt.
2. Richter. Ist es nicht zu bedauern, daß solche Geschöpfe zum menschlichen Geschlecht gerechnet werden?
1. Richter. Bringt mit aller möglichen Sorgfalt den alten Mann wieder nach Hause. Unsre Leichtgläubigkeit, fürcht' ich, ist für ihn Grausamkeit gewesen.
v. Fuchs wird wieder in die Sänfte gethan und fortgetragen.
3. Richter. Ich habe ein ordentliches Erdbeben im Leibe.
2. Richter. Diese beiden Wesen haben das Rothwerden verlernt.
4. Richter. Mit dieser Entdeckung haben Sie der ganzen Stadt einen Dienst gethan.
1. Richter. Noch heut vor Abend wird sich das Gericht von neuem versammeln.
Geyer. Wir danken Ihnen, ehrwürdige Herren. – Die Richter gehen ab; die Zuschauer zerstreuen sich. – Nun?
Fliege. Unvergleichlich! O ich möchte Ihre Zunge in Gold einfassen. Man sollte Ihnen auf dem Markte eine Statue errichten.
Rabe, leise zu Fliege. Fliege, ich traue diesem Advokaten immer noch nicht.
Fliege. Unnöthige Sorge.
Rabe. Ich kann mich auf Dich verlassen, Fliege?
Fliege. Wie auf sich selbst. Rabe geht ab.
v. Krähfeld. Fliege!
Fliege. Jetzt an Ihre Geschäfte, gnädiger Herr.
v. Krähfeld. Wie? Du hast Geschäfte?
Fliege. Ja, die Ihrigen.
v. Krähfeld. So? Keine andre?
Fliege. Keine andre.
v. Krähfeld. Nun, so trage Sorge.
Fliege. Sie können ganz ruhig sein.
v. Krähfeld. Und geschwinde.
Fliege. Sogleich.
v. Krähfeld. Und sieh gut nach allem, was an Juwelen, Uhren, Geldern, Kleidern, Betten und Vorhängen da ist.
Fliege. Selbst nach den Ringen der Vorhänge. – Nur muß der Advokat doch etwas bekommen.
v. Krähfeld. Ich will ihn jetzt bezahlen; Du giebst sonst zu viel.
Fliege. Ich muß das besorgen, gnädiger Herr.
v. Krähfeld. Zwei Dukaten sind hinlänglich.
Fliege. Kaum zehn.
v. Krähfeld. Ei, zu viel!
Fliege. Er sprach lange Zeit; man muß doch darauf Rücksicht nehmen.
v. Krähfeld. Gut, da sind drei. –
Fliege. Ich will sie ihm geben.
v. Krähfeld. Thu' es; und hier ist etwas für Dich. Er geht ab.
Fliege steckt beides ein. O über die Freigebigkeit! – Vergessen Sie nicht, wie viel ich zu Ihrem Besten thue.
Geyer. Nein, – aber ich muß jetzt gehn. Er geht.
Fliege. Jetzt will ich Sie nach Hause führen, Madam.
M. Murner. Nein, ich will Deinen Herrn besuchen.
Fliege. Thun Sie es nicht; ich will Ihnen sagen, warum. Mein Vorsatz ist, meinen Herrn dahin zu bringen, daß er sein Testament ändert; Sie haben bis jetzt unter den Erben im dritten oder vierten Range gestanden; aber wegen des Eifers, den Sie heut für uns bewiesen haben, sollen Sie nun oben angesetzt werden. Wenn Sie aber zugegen wären, so würde es wie eine Bettelei aussehn; darum –
M. Murner. Du hast Recht. –
Beide geben ab.
(Zimmer des Herrn von Fuchs.)
v. Fuchs. Das war also nun glücklich überstanden! Mir war doch nicht so ganz wohl zu Muthe; aber jetzt ist mir so leicht, als wenn ich von den Todten erwacht wäre.– Er nimmt eine Flasche Wein, gießt sich ein, und trinkt. Ich muß mich wieder stärken; ich bin noch ganz matt. – Er trinkt. So, so, mir wird besser. – O ich bin in einer Laune, daß ich gleich noch einen Prozeß anfangen möchte. – Er trinkt nochmals. Nichts leichter, als einen Prozeß zu gewinnen, wenn man Geyer auf seiner Seite hat. – Ei, so will ich nun auch der ganzen Geschichte ein Ende machen; ich will einmal mein Vermögen in Ruhe verzehren, und doch noch dabei einen Spaß haben. Ich bin endlich der vielen Unruhen und Mühseligkeiten überdrüßig.
v. Fuchs. Fliege.
Fliege. Nun, gnädiger Herr? Haben wir wieder geraden Weg vor uns.
v. Fuchs. Vortrefflicher Fliege!
Fliege. Ward es nicht gut durchgeführt?
v. Fuchs. Der Verstand zeigt sich im Unglück am schärfsten.
Fliege. Also hat es Ihnen Vergnügen gemacht?
v. Fuchs. Unbeschreiblich.
Fliege. Dies ist unser Meisterstück, die letzte Gränze unsers Witzes.
v. Fuchs. Ja, Fliege. Du hast Dir heut die Krone aufgesetzt.
Fliege. So das ganze Gericht zu hintergehn –
v. Fuchs. Und den Strom auf den Unschuldigen zu lenken.
Fliege. Und aus vielen Dissonanzen ein so herrliches Konzert zusammen zu bringen.
v. Fuchs. Recht! Das ist eben der größte Spaß dabei. Wir hintergingen sie, und sie hintergingen die Richter. Keiner traute dem andern; und alle arbeiteten zu einem Zweck.
Fliege. War Ihr Advokat nicht unvergleichlich?
v. Fuchs. O! – »Meine ehrwürdigen Väter, – dem Laster steht immer eine Art von Standhaftigkeit zu Gebot, – die schändlichsten Plane,« – ich konnte mich kaum des Lachens enthalten.
Fliege. Waren Sie nicht aber auch ein wenig furchtsam?
v. Fuchs. Etwas wirklich; aber darum doch nicht ängstlich.
Fliege. Ihr Advokat, gnädiger Herr, hat sich aber wahrhaftig viele Mühe gegeben; und nach meinem Urtheil wenigstens hat er ein ziemliches Geschenk verdient.
v. Fuchs. Ich glaub' es auch; denn er nahm sich vortrefflich.
Fliege. O Sie hätten ihn anfangs hören sollen, wie er alles anwandte, um die Bosheit der Gegenparthei recht anschaulich zu machen, wie er Figuren häufte –
v. Fuchs. Ich will schon für ihn sorgen. Aber jetzt will ich mir einen Spaß machen, der alle vorige übertreffen soll; ich will sie alle zusammen hintergehn; und zwar jetzt gleich.
Fliege. Gut, gnädiger Herr.
v. Fuchs. Rufe doch meine Bedienten. Fliege geht ab.
von Fuchs. Fliege. Friedrich. Peter.
Fliege. Was ist Ihnen nun gefällig?
v. Fuchs. Geht Ihr beide sogleich durch die Stadt, und sprengt aus, daß ich gestorben sei; sagt nur, der letzte Aerger wäre Schuld. Aber auch so, daß man Euch glaubt; – ganz ernsthaft, und etwas traurig.
Friedrich. Man kann ja weinen, gnädiger Herr.
Peter. Nein, weinen kann ich nicht; aber wenn ich Ihnen mit Fluchen und Schwören dienen kann –
v. Fuchs. Schon gut, geht nur. Die Bedienten gehn ab.
Fliege. Was ist Ihr Plan?
v. Fuchs. Alle Raubvögel werden nun sogleich herbeigeflogen kommen, voller Erwartung –
Fliege. Und sich dann betrügen –
v. Fuchs. Richtig; denn Du sollst dich sogleich für meinen Erben ausgeben. Nimm doch das Testament aus dem Schrank, ich will Deinen Namen hineinschreiben.
Fliege. Das wird unvergleichlich sein.
v. Fuchs. Und foppe sie nur tüchtig. Setze Dich da in den Stuhl.
Fliege. Wenn sie nun aber den Leichnam sehn wollen?
v. Fuchs. Die erste beste Entschuldigung. – Hier ist das Testament. Nimm das große Buch, und Feder und Tinte; thu, als wenn Du von den Meublen ein Inventarium aufnähmst! ich will mich hinter den Schirm stellen, und zuhören. Gieb nur Acht, was sie für Gesichter schneiden werden. O es wird ein wahres Fest sein!
Fliege. Ihr Advokat wird rasen.
v. Fuchs. Die rhetorischen Floskeln werden ihm im Halse stecken bleiben.
Fliege. Und der alte Edelmann –
v. Fuchs. Und Rabe –
Fliege. Der läuft morgen gewiß verrückt durch die ganze Stadt. Und Madam Murner, die vors Gericht ging, um zu ihrem Besten ein falsches Zeugniß abzulegen –
v. Fuchs. Ja wohl. – Ich glaube, daß sie etwas Neigung für mich hat.
Fliege. Madam Murner? – Ich zweifle.
v. Fuchs. Meinst du?
Fliege. Still! da ist schon jemand.
v. Fuchs. Sieh nach.
Fliege. Geyer. Er hat die feinste Nase.
v. Fuchs. Ich geh auf meinen Posten. Setz Dich.
Fliege. Ich sitze schon.
v. Fuchs. Nun Fliege, quäle sie auf eine recht ausgesuchte Art.
Er verbirgt sich hinter den Schirm.
Vorige. Geyer. von Krähfeld. Rabe. Madam Murner, die nach und nach hereinkommen.
Geyer, der schnell hereintritt. Nun, lieber Fliege?
Fliege. Neun türkische Teppiche –
Geyer. Er nimmt das Inventarium auf. Gut.
Fliege. Acht Betten mit ihren Ueberzügen. –
Geyer. Wo ist denn das Testament? Laß mich das unterdessen lesen.
v. Krähfeld, der hereinkömmt. Schön, Fliege! – Schick doch den Advokaten fort.
Geyer. Warum kömmt uns denn der in die Queere?
Fliege. Zwei Kleider mit Gold besetzt –
v. Krähfeld. Nun ist es also richtig, Fliege?
Fliege. Acht andre Kleider –
Geyer. Ich lobe seine Sorgfalt.
v. Krähfeld. Hörst Du denn nicht?
Rabe kömmt herein. So ist nun endlich die Stunde gekommen, Fliege?
v. Fuchs sieht hinter dem Schirm hervor.
Rabe. Was macht denn der Advokat hier? Oder Krähfeld?
v. Krähfeld. Was wollen denn die Leute?
M. Murner kömmt. Nun, Fliege, ist es aus mit ihm?
Fliege. Acht Vorhänge von Battist.
v. Fuchs betrachtet sie unbemerkt.
Rabe. Gieb mir das Testament, Fliege; ich will es ihnen zeigen, damit sie sich packen.
Fliege. Sechs Vorhänge von Atlas, – vier von Damast, – Hier. Er reicht das Testament hin.
v. Krähfeld. Ist das das Testament?
Fliege. An Sesseln und Stühlen –
Geyer nimmt das Testament; die übrigen drängen sich hinzu; v. Krähfeld giebt sich vergebliche Mühe, es aus der Ferne zu lesen; v. Fuchs betrachtet sie aufmerksam.
Fliege. Zehn Spiegel –
Geyer. Fliege Erbe! – Er läßt erschrocken das Testament fallen; Rabe stampft mit den Füßen; Madam Murner steht in tiefen Gedanken.
v. Krähfeld. Ich sehe, alle haben nichts zu hoffen. Ich bin der Mann. Er nimmt das Testament und studiert es durch die Lorgnette.
Rabe. Aber Fliege –
Fliege. Zwei schöne Schränke –
Rabe. Ist das Ernst?
Fliege. Der eine von Mahagony –
Rabe. Oder Spaß?
Fliege. Der andre von Ebenholz. – Ich habe viel Geschäfte dabei! es ist denn aber doch wahrhaftig ein sehr unverhofftes Glück, – eine Büchse von Achat, – und so ganz ohne es zu suchen. –
M. Murner. Hörst Du nicht?
Fliege. Ein Riechfläschchen, – ich bitte, – Sie sehn, – Geschäfte, – aus einem einzigen Onyx –
M. Murner. Wie?
Fliege. Morgen oder übermorgen werde ich das Vergnügen haben, mich mit Ihnen allen zu unterhalten.
Rabe. Sind das meine großen Hoffnungen?
M. Murner. Ich muß eine Antwort haben.
Fliege. Sogleich, Madam. Ich bitte ergebenst, im Augenblick mein Haus zu verlassen. Sehn Sie mich nicht so zornig an; erinnern Sie sich, was Sie so oft von der Herrschaft der Vernunft über die Leidenschaften gesagt haben. Genug. Gehn Sie nach Hause, und lassen Sie von Herrn Murner den Vorfall in seine Reisebeschreibung setzen. Leise. Sie haben heute ein falsch Zeugniß abgelegt; ich danke Ihnen dafür; – gehn Sie still fort, und grämen Sie sich, oder ich spreche lauter.
Madam Murner geht ab.
Rabe. Fliege, nur ein Wort.
Fliege. Wollen Sie nicht auch nach Hause gehn? Worauf warten Sie denn? – Ich glaube, diese Perl gehörte Ihnen? Ja, ja. Und dieser Diamant auch! Richtig; – und ich danke Ihnen ergebenst. – Leiser. Sein Sie nur ruhig; ich will Sie nicht verrathen. – Fort, grämen Sie sich, oder werden Sie toll! wie es Ihnen gefällt.
Rabe geht ab.
Geyer. Er betrügt sie gewiß alle zu meinem Besten.
v. Krähfeld hat indeß im Testament gelesen. Fliege der Erbe! – Ich bin verrathen! durch einen Schurken betrogen! Wie Kerl? So hast Du mich hintergangen?
Fliege. Ja, gnädiger Herr; aber geben Sie sich nur zufrieden. Sie haben nun hier lange genug mit dem Krückstock und der rothen Habichtsnase herumgespürt. Etwas leiser. Wollten Sie's nicht, daß ich meinen Herrn vergiften sollte? – Gehn Sie nach Hause und hängen Sie sich auf. Fort, fort; – und wie gesagt, aufgehängt! –
v. Krähfeld geht ab.
Geyer. Nun Du getreuer Fliege, jetzt erkenn' ich Deine Redlichkeit.
Fliege. Wie?
Geyer. Du bist ein wackrer Mann.
Fliege. Ein Tisch von Porphyr. – Ich habe doch viel Mühe dabei.
Geyer. O laß das jetzt; sie sind schon fort.
Fliege. Wie? Wer sind Sie? Was? Hat man nach Ihnen geschickt? Ihr Diener, mein gelehrter Herr! Wahrhaftig, es thut mir sehr leid, daß alle Ihre Bemühungen unnütz gewesen sind. Aber, ich versichre Sie, es ward mir aufgedrungen; ich wünschte, es wäre nicht geschehn; aber – man muß den Befehl eines Sterbenden respektiren. Mein Trost ist nur, daß Sie es nicht so nöthig brauchen; denn Sie besitzen ein Talent, (und dafür müssen Sie Gott danken,) das Sie nie wird Mangel leiden lassen, so lange noch Menschen leben, die närrisch genug sind, Prozesse zu führen. – Wenn ich nur halb so viel Verstand hätte, so wollte ich schon davon wie vom größten Kapitale leben. – Sie kennen die Gesetze; und ich traue Ihnen auch so viel Gewissen zu, daß Sie mir mein Glück nicht beneiden werden; es wird mir auf die Beine helfen. – Gehen Sie nach Hause, und sein Sie ruhig.
Geyer. So stehn also die Sachen? Er geht in Gedanken ab. v. Fuchs kömmt zurück.
v. Fuchs. Fliege.
v. Fuchs. O Fliege, ich muß Dich an mein Herz drücken. Du glaubst nicht, wie gut Dir diese Niederträchtigkeit stand.– Geh, zieh Dir sogleich mein prächtigstes Kleid an, nimm den Degen mit Brillanten besetzt, und so geh durch die Straßen, um sie noch mehr zu quälen. Wir müssen den Spaß so weit treiben, als es nur möglich ist.
Fliege. Schön!
v. Fuchs. Könnt' ich doch irgend eine Verkleidung erdenken, um sie darin zu sprechen. Wie wollt' ich sie dann auf alle mögliche Art foltern!
Fliege. Ich kann Ihnen eine verschaffen.
v. Fuchs. Kannst Du?
Fliege. Ich kenne einen von den Gerichtsdienern, der ohngefähr Ihre Größe hat: Zu diesem will ich gehn, und Ihnen seine Kleider bringen.
v. Fuchs. Vortrefflich!
Fliege. Dann müssen Sie ihnen recht die Daumschrauben ansetzen.
v. Fuchs. O sie sollen vor Aerger ersticken. Beide gehn ab.
(Straße vor dem Hause des Herrn von Fuchs.)
Murner. Birnam, von verschiedenen Seiten.
Birnam. Nun, da sind Sie ja auch wieder.
Murner. Ja, ich bin, wie auch natürlich war, losgesprochen. Ein verdammter Vorfall!
Birnam. Ich bin auch froh, daß ich wieder aus dem Loche in die freie Luft gekommen bin.
Murner. Sie sehn verdrüßlich aus.
Birnam. Natürlich; – ich werde auch bald abreisen.
Murner. Abreisen? Warum?
Birnam. Mir ist eine Stadt verhaßt, wo man sich nicht einmal verlieben kann, ohne daß es von allen Kanzeln abgelesen wird. – Wie befinden Sie sich?
Murner. Ach, auch gar nicht wohl.
Birnam. Wie so?
Murner. Mir ist indeß gar mancherlei Unglück zugestoßen.
Birnam. Ich bin begierig –
Murner. Ach lieber Freund, ich muß diese Stadt verlassen; und was mich dabei am meisten dauert, ohne sie recht genutzt zu haben.
Birnam. Warum wollen Sie aber schon abreisen?
Murner. Da wird nach meinem Willen nicht gefragt; denn, wenn es auf mich ankäme, so würde ich noch sehr lange hier bleiben.
Birnam. Sie sind gezwungen?
Murner. Leider!
Birnam. Hat etwa die Regierung etwas von Ihren kühnen Projekten erfahren?
Murner. Nichts weniger, – und wenn auch; sie weiß zu gut, wie unschädlich die Projekte der Gelehrten sind.
Birnam. Fürchtet man etwa, Sie wollten aus dem Staat eine Republik bilden?
Murner. Dazu bin ich der Mann nicht.
Birnam. Es ist aber möglich, daß die hiesigen Dichter ein Komplott gegen Sie gemacht haben –
Murner. Nein, nein.
Birnam. Oder die Philosophen?
Murner. Ei bewahre!
Birnam. Oder Sie haben gar in der Hitze jemand ermordet?
Murner. Das ist gar nicht meine Gewohnheit.
Birnam. Nun so weiß ich keinen andern Grund.
Murner Sie sind viel zu fern: er liegt mir unendlich näher.
Birnam. Nun?
Murner. Sie wissen, ich habe eine Frau; Sie haben sie ja heut gesehn.
Birnam. Und gehört.
Murner. Nun, diese meine Frau will durchaus nicht länger hier bleiben.
Birnam. Und warum nicht?
Murner. Weiß der Himmel, was ihr so plötzlich eingefallen ist. Kurz, sie will durchaus fort.
Birnam. Aber aus welchem Grunde?
Murner. Sie scheint gar keinen zu haben, sondern es kommt mir mehr wie eine natürliche Aversion vor. Es ist aber immer eine merkwürdige Erscheinung in der menschlichen Seele, da ihr vorher diese Stadt so außerordentlich gefiel. – Wenn es irgend möglich ist, so werde ich etwas darüber schreiben, um mich für meinen Verlust doch einigermaßen zu entschädigen.
Birnam. Aber müssen Sie denn so durchaus gehorchen? Haben Sie denn gar keine Stimme?
Murner. O ja; aber Sie haben heut ja wohl gehört, daß die ihrige einen ungleich bessern Klang hat. Im Anfang war es mein freier Wille zu gehorchen; und nun ist ihr das Befehlen so zur Natur geworden, daß sie gar nicht anders leben kann.
Birnam. Haben Sie denn aber gar keine Versuche gemacht –
Murner. Mehrmals; sie liefen aber immer so unglücklich ab, daß ich endlich schwur, ich wollte es gehn lassen, wie es das Schicksal für gut fände. Auf diese Art ist ihre unumschränkte Monarchie nun so in den Gang gekommen, daß keine Hoffnung zu einer großen Revolution übrig bleibt, als mit ihrem Tode.
Birnam. Das ist freilich sehr schlimm.
Murner. Das ist aber noch nicht das einzige Unglück.
Birnam. Noch mehr?
Murner. Hier in der Stadt ist ein gewisser Herr von Fuchs gestorben, auf den sie, ich weiß nicht warum, einen tödtlichen Haß geworfen hat. Auf diesen soll ich armer Mann ein beißendes Spottgedicht verfertigen, und sowohl einzeln als auch in meiner Reisebeschreibung abdrucken lassen. Ich, der ich nie eine Feder ansetzte, um einen Vers zu machen; – ich, der ich von je, laut und öffentlich alle Poeten in der Welt verachtet habe; – mich bringt man dahin, selber Verse zu machen.
Birnam. Eine Strafe für Ihre Sünden gegen die Musen.
Murner. Wenn ich nun einst meine Projekte bekannter machte, oder gar in einen Wirkungskreis käme, sie auszuführen; was wollt' ich dann dem Dichter antworten, der mir meine eignen Verse zeigte, und mich selbst einen Dichter nennte? – Ich müßte mit Schaam verstummen. – Ich nehme also jetzt Abschied, und bin Ihnen für die mannichfaltigen Nachrichten verbunden, die ich von Ihnen erhalten habe. In meiner Reisebeschreibung werde ich mit Dankbarkeit Ihres Namens erwähnen.
Birnam. Reisen Sie glücklich. – Und wenn Sie einst Einfluß auf irgend einen Staat haben sollten, so lassen Sie sich ja von Ihrer Frau scheiden; oder ist sie gestorben, so verheirathen Sie sich nicht zum zweitenmale: es möchte sonst um die Regierung ihres Landes übel aussehn. Er geht ab.
Murner. War das nicht Spott? – Gut, das soll mir der Mann theuer bezahlen; meine Reisebeschreibung soll mich rächen. O die guten Leute wissen nicht, was das zu bedeuten hat, wenn man einen Schriftsteller beleidigt; aber dieser soll es erfahren. – Ich müßte sehr arm an beißender Laune geworden sein, wenn er sich nicht ärgerte, wenn mein Buch herausgekommen sein wird. – Jetzt will ich die Stadt noch einmal schnell durchlaufen, und zuletzt noch so viel Bemerkungen einsammeln, als nur irgend möglich ist; der Himmel gebe nur, daß mir noch manches Merkwürdige aufstößt. Er geht ab.
v. Fuchs als Gerichtsdiener. Fliege in prächtigen Kleidern. Beide kommen aus dem Hause des Herrn v. Fuchs.
v. Fuchs. Bin ich ihm wohl ähnlich?
Fliege. Sie sind er selbst; man würde sie nicht unterscheiden können.
v. Fuchs. Schön.
Fliege. Wie nehm' ich mich denn aber aus?
v. Fuchs. So gut, als wenn Du nie andre Kleider getragen hättest. – Jetzt will ich auf einen Augenblick hinsehn, wie es beim Gerichte steht.
Fliege. Gut. – v. Fuchs geht ab. und ich will ihm indeß noch einen neuen Spaß machen – Friedrich! Peter! –
Fliege. Friedrich. Peter.
Peter. Was ist?
Fliege. Ihr könnt heut ausgehn, und Euch ein kleines Vergnügen machen. – Aber gebt mir die Schlüssel. Die Bedienten geben ihm die Schlüssel und gehn ab. So, nun hab' ich die Schlüssel. Weil er durchaus vor der Zeit sterben will, so will ich ihn begraben. Er hat mich zu seinem Erben gemacht, und ich will es auch bleiben. Ihn so in die Falle zu locken, ist im Grunde ein wahres Verdienst; kein Mensch wird es mir zur Sünde anrechnen; jeder wird über diesen geprellten Fuchs lachen. – Er geht ins Haus.
Rabe und v. Krähfeld von der einen, v. Fuchs von der andern Seite.
v. Fuchs. Es ist noch niemand dort. – Ah, da kommen ja meine beiden guten Freunde.
v. Krähfeld. Das Gericht soll schon beisammen sein.
Rabe. Wir müssen nur bei unsern vorigen Märchen bleiben, unsrer Ehre wegen.
v. Krähfeld. Zum Henker! meins ist kein Märchen. Mein Sohn hat mich umbringen wollen.
Rabe. Es ist auch wahr; ich hatte es ganz vergessen. – Und das meinige ist auch Wahrheit. – Aber in Ansehung Ihres Testaments –
v. Krähfeld. Deswegen will ich ihn jetzt belangen, da sein Herr todt ist. –
v. Fuchs. Herr Rabe, – Herr von Krähfeld, – ich gratulire Ihnen.
Rabe. Wozu?
v. Fuchs. Zu den Glücksgütern, die Sie so plötzlich –
v. Krähfeld. Wie so?
v. Fuchs. Ohne zu wissen, wie, – ich meine, von dem alten Herrn von Fuchs.
v. Krähfeld. Fort, Kerl!
v. Fuchs. O, Sie müssen nicht gleich so stolz thun –
v. Krähfeld. Hinweg, Schurke!
v. Fuchs. Wie meinen Sie?
v. Krähfeld. Hast Du mich zum Besten?
v. Fuchs. Sie haben ja die ganze Welt zum Besten. – Sie tauschten ja Testamente miteinander aus.
v. Krähfeld. Geh, Schlingel!
v. Fuchs. Oder sind Sie vielleicht der Mann, Herr Rabe? – Sie nehmen sich gut, Sie werden nicht aufgeblasen; das muß man loben. – Vermachte er Ihnen aber alles?
Rabe. Geh, Du Esel!
v. Fuchs. Herr von Krähfeld hat doch wahrscheinlich auch etwas geerbt?
v. Krähfeld. Ich sage Dir, geh!
v. Fuchs. Sie wollen es nicht bekannt werden lassen; das ist vernünftig. Kein Spieler sieht es gern, wenn man weiß, daß er gewonnen hat. Hier kömmt ja mein Geyer, der mit dem Schnabel in der Luft umherspürt. –
v. Krähfeld und Rabe sprechen am Ende der Bühne heimlich mit einander.
Vorige. Geyer.
Geyer, für sich. Sich so von einem Schmarotzer, von einem Lumpenhunde betrügen zu lassen! – Aber wart nur –
v. Fuchs. Das Gericht wartet schon auf den wohlwürdigen Herrn. Ich freue mich über Ihr Wohlwürden Glück, und daß es gerade einem so geschickten Manne zugefallen ist, der sein Handwerk versteht, und außerdem –
Geyer. Was meinst Du?
v. Fuchs. Daß Ihres Glückes jetzt kein Ende ist.
Geyer. Schurke! spottest Du noch über mein Unglück?
v. Fuchs. Ich gönne Ihnen alles Gute, mein Herr, und wünschte nur, es wäre noch mehr. – Für sich. Jetzt wieder zu den andern.
Geyer geht in Gedanken auf und ab; – Fliege sieht sehr stolz aus dem Fenster des Hauses.
v. Krähfeld. Sehn Sie! der unverschämte Schurke in den Kleidern, die uns gehören. –
Rabe. Könnt' ich ihn doch mit den Augen todtschießen!
v. Fuchs. Ist es aber wahr, mein Herr, was man von dem Bedienten, dem Schmarotzer erzählt?
v. Krähfeld. Kömmst Du schon wieder, uns zu quälen?
v. Fuchs. Es thut mir wahrlich sehr leid, daß man einen so klugen, braven Mann so schändlich hintergangen hat. – Aber ich versteh mich etwas auf die Physiognomie; ich habe aus der Nase des Kerls von je an prophezeiet, daß er entweder am Galgen sterben, oder ein vornehmer Mann werden müßte; und Sie sehn, es ist eingetroffen.
v. Krähfeld. Schurke –
v. Fuchs. Aber ein Kaufmann, der so viel in der Welt erfahren hat, muß sich wirklich schämen –
Rabe. Du denkst, ich werde mich auch vielleicht schämen, Dich hier auf öffentlicher Straße auszuprügeln? Aber wart! Er geht auf ihn zu.
v. Fuchs. Stille, lieber Herr. –
Rabe. Wart, ich will Dich lehren –
v. Fuchs, immer zurückweichend. Ein andermal, wenn ich bitten darf.
Rabe. Nein, letzt gleich.
Fliege kömmt aus dem Hause und geht vorbei.
v. Fuchs. Hilf mir, Fliege.
v. Krähfeld. Die Luft ist vergiftet, wo der Kerl athmet.
Rabe. Ja, wir wollen gehn. –
v. Krähfeld und Rabe gehen ab.
v. Fuchs. O vortrefflicher Basilisk! Jetzt schieß auf den Geyer los!
Geyer. Fliege. v. Fuchs.
Geyer. Ja, Fliege, jetzt ist Dein Sommer; aber still, der Winter wird früh genug kommen.
Fliege. Lieber Herr, so sehr haben Sie sich können hintergehn lassen? Ei, wo haben Sie denn Ihren verschlagenen Kopf gelassen?
Geyer. Schon gut, Freund.
v. Fuchs. Wollen Sie nicht den Schurken ausprügeln, der sich untersteht so prächtige Kleider zu tragen?
Geyer. Wahrscheinlich ein guter Freund.
v. Fuchs. Die Richter warten auf Sie, mein Herr. – Es ist aber merkwürdig, wie Sie sich haben können von einem Kerl so betrügen lassen, der nicht einen Paragraphen im Corpus Juris gelesen hat. – Von einem solchen Kerl! – Ich hoffe immer noch, es ist nur Ihr Spaß, und es ist an der ganzen Sache nichts. Sie sind beide einverstanden, um den andern einen blauen Dunst vorzumachen. – Nicht wahr, Sie sind der eigentliche wahre Erbe?
Geyer. Eine Bestie von Kerl! Geh, sag' ich, Du bist mir zur Last!
v. Fuchs. Ich weiß es wohl, – daß es nicht möglich ist, daß Sie könnten betrogen werden. Der Mensch soll noch geboren werden, der dazu kapabel wäre: Sie sind viel zu klug und vorsichtig. –
Geyer geht ab; sie folgen ihm.
(Der Gerichtssaal.)
Die vier Richter auf ihren Sitzen. Ein Notar. Gerichtsdiener. Karl v. Krähfeld. Louise. v. Krähfeld. Rabe. Zuschauer. Bald darauf Geyer. v. Fuchs. Später treten ein Peter und Friedrich.
1. Richter. Sind alle Parteien zugegen?
Notar. Alle, außer der Advokat.
2. Richter. So eben kömmt er. –
Geyer und v. Fuchs treten herein. Dieser mischt sich unter die Zuschauer. Geyer kniet sogleich nieder.
Geyer. Ehrwürdige Väter, ich flehe Ihr Mitleid an, mir zu verzeihen; – ich bin so verwirrt –
v. Fuchs, für sich. Was hat er vor?
Geyer. Ich weiß nicht, an wen ich mich zuerst wenden soll, ob an Sie, ehrwürdige Väter, oder an diese Unschuldigen, –
Rabe. Will er sich denn selbst verrathen?
Geyer. Beide habe ich durch meine falsche Anklage gleich stark beleidigt. Da aber jetzt mein Gewissen erwacht ist, so werf' ich mich zu Ihren Füßen nieder, und bitte um Vergebung.
1. Richter. Stehn Sie auf.
Geyer steht auf.
Louise. Der Himmel ist gerecht!
v. Fuchs. Ich bin in meiner eignen Schlinge gefangen. –
Rabe, zu v. Krähfeld. Nur standhaft, gnädiger Herr; bloße Dreistigkeit kann uns jetzt retten.
1. Richter. Sprechen Sie weiter.
Gerichtsdiener. Stille!
Geyer. Bloß mein zartes Gewissen ist es, das mich jetzt zum Geständniß der Wahrheit zwingt. Fliege, der Schurke, – der Schmarotzer, – er ist die Quelle alles Unheils.
1. Richter. Wer ist das? – Man hole ihn.
v. Fuchs. Ich gehe schon. Er geht ab.
Rabe. Ehrwürdige Väter, dieser Mann ist offenbar verrückt. Er hoffte auf das Vermögen des alten Herrn von Fuchs; da der nun todt ist –
3. Richter. Wie?
2. Richter. Ist Herr von Fuchs gestorben?
Rabe. Seitdem gestorben, ehrwürdige Väter.
1. Richter. So war er ja also kein Betrüger.
Geyer. Nein, nein, aber sein Schmarotzer, ehrwürdige Väter –
Rabe. Der bloße Neid spricht aus ihm, weil dieser Diener die Erbschaft erhielt, nach der er schmachtete. Dies ist, mit Ihrer gütigen Erlaubniß, die Wahrheit; ob ich gleich diesen Diener auch nicht rechtfertigen will; – er mag wohl manches begangen haben –
Geyer. Ja, um mich und Sie zu ruiniren. Doch, ich will mich nicht vergessen. Gefällt es Ihnen, gestrenge Herren, diese Papiere zu durchzusehn? Ich schmeichle mir, daß sie Wahrheit enthalten.
Rabe. Er ist ganz vom Teufel besessen!
4. Richter. Wir haben aber nicht gut gethan, daß wir durch einen Gerichtsdiener nach ihm geschickt haben, da er der Erbe ist.
2. Richter. Nach wem?
4. Richter. Nach dem, den sie den Schmarotzer nennen.
3. Richter. Freilich, er ist jetzt ein Mann von Ansehn.
4. Richter, zum Notar. Erkundigen Sie sich doch nach seinem Namen, und sagen Sie ihm dann, das Gericht wünschte seine Gegenwart, bloß zur Aufklärung einiger Zweifel.
Der Notar geht ab. Friedrich und Peter treten herein, und stellen sich unter die Zuschauer.
2. Richter. Der ganze Handel ist ein wahres Labirinth.
1. Richter, zu Rabe. Bleiben Sie bei Ihrer ersten Aussage?
Rabe. Meine Ehre steht dafür zum Pfande.
1. Richter, zu v. Krähfeld. Und Sie?
v. Krähfeld. Der Advokat ist ein Schurke, und seine vermaledeite Zunge –
2. Richter. Das gehört nicht zur Sache.
v. Krähfeld. Der Schmarotzer ist aber um nichts weniger ein Schurke.
1. Richter. Das ist eben die Verwirrung.
Geyer. Ich bitte, ehrwürdige Väter, diese Papiere anzusehn.
Rabe. Und keine Sylbe von allen den Lügen zu glauben! – Er ist offenbar besessen, ehrwürdige Väter! –
Die Richter nehmen die Papiere und lesen sie.
Vorige. v. Fuchs.
v. Fuchs geht in einiger Entfernung von den Zuschauern auf und ab. Eine Schlinge für meinen Hals! Und selbst mit solcher Freude hineinzulaufen! mit wahrer Freude! – Ich war ja eben erst so glücklich durchgewischt; aber ja, ich muß es durchaus weiter treiben! O der Teufel verblendete mich, als mir dieser Spaß in den Kopf kam, und Fliege war auch besessen. Er muß mir letzt die Ader verbinden, oder wir bluten uns beide zu Tode. Er sieht die Bedienten. Wo lauft Ihr denn herum? Was sucht Ihr hier?
Friedrich. Fliege sagte uns, wir könnten ausgehn, und uns die Zeit vertreiben.
Peter. Ja, und da wir nichts anzufangen wußten, gingen wir aus Langeweile hier herein.
Friedrich. Fliege nahm die Schlüssel.
v. Fuchs. Und Fliege nahm die Schlüssel! – Wieder für sich. Hm hm! ich bin noch tiefer in der Falle. – Da haben wir nun meine vortrefflichen Anschläge! – Ja freilich muß ich lachen, und sollt' ich auch dabei ersticken! – Was für ein Esel war ich doch, daß ich nun nicht ruhig und glücklich fortleben konnte. – Zu den Bedienten. Geht, und sucht ihn. – Vielleicht ist aber auch seine Absicht besser als ich fürchte. Sagt ihm, er solle sogleich hieher zu mir kommen. Die Bedienten gehn ab. – Ich will jetzt versuchen, den Advokaten wieder auf meine Seite zu bringen.
1. Richter. Man kann diese Dinge gar nicht vereinigen. Er gesteht hier, daß man den Angeklagten Unrecht gethan habe; und daß die Angeklagte vom Vormund selbst in das Haus des Herrn von Fuchs geführt sei.
Geyer. Richtig.
1. Richter. Daß aber Herr von Fuchs gewaltthätig gegen sie verfahren, nennt er Unwahrheit, da er schwach und krank gewesen.
Rabe. Der Advokat ist besessen, ehrwürdige Väter, total besessen!
1. Richter. Da ist ja unser Gerichtsdiener.
v. Fuchs. Der Schmarotzer wird sogleich hier sein, ehrwürdige Väter.
4. Richter. Du weißt wohl keinen andern Namen für ihn, Du Schurke?
3. Richter. Hat ihn der Notar nicht gefunden?
v. Fuchs. Ich weiß nicht.
4. Richter. Er wird alles aufhellen.
2. Richter. Es ist sehr verworren.
Geyer. Mit Ihrer Erlaubniß, ehrwürdige Väter –
v. Fuchs, zu ihm leise. Fliege hat mir so eben gesagt, daß sein Herr noch lebt, daß es in Ansehung Ihrer immer noch wie sonst steht, alles war nur ein Spaß –
Geyer. Wie?
v. Fuchs. Die Aufrichtigkeit Ihrer Gesinnungen zu erproben.
Geyer. Weißt Du gewiß, daß er lebt?
v. Fuchs. So gewiß ich selbst lebe.
Geyer. O weh! da bin ich zu voreilig gewesen.
v. Fuchs. Sie können es noch wieder gut machen. Man spricht von Ihnen als besessen; werfen Sie sich nieder, als wenn Sie Krämpfe bekämen; ich will das meinige thun, alles wieder ins Geleise zu bringen –
Geyer. Ei! ei! wie konnt' ich auch so unbesonnen seyn! – Du hast Recht; das ist das beste Mittel. – Er sieht einigemal wild umher, und fängt dann pathetisch an: O du ganzes Heer des Himmels! – O Erde! – und was noch mehr? soll ich auch die Hölle aufrufen?
v. Fuchs. Gott steh uns bei! –
Geyer, in höchster Wuth. Wie lange schwingt die rasende Megäre die Fackel noch? –
v. Fuchs. Sieh! sieh! um Gotteswillen, sehn Sie! – Wie er um sich schlägt! Er knirscht ordentlich mit den Zähnen. – Sehn Sie doch die Wuth –
Rabe. Sagt' ich's doch, der Teufel –
v. Fuchs. Wie schwer er athmet! –
Rabe. Hab' ich's doch gleich gesagt.
v. Fuchs. Sehn Sie, wie ihm die Brust fliegt! – Sehn Sie's wohl, gnädiger Herr?
v. Krähfeld. Ja, freilich, freilich.
Rabe. Es ist auch so ziemlich sichtbar.
v. Fuchs. Sieh, – nun kömmt er zu sich selbst.
Geyer, indem er verworren um sich blickt. Wo bin ich?
v. Fuchs. Nur munter; das Schlimmste ist vorüber. Sie waren stark besessen.
1. Richter. Was ist das für ein Zufall?
2. Richter. Wunderbar! und so plötzlich!
3. Richter. Wenn er besessen wäre, wie der Anschein ist, so wäre alles ungültig.
Rabe. Er hat oft solche Zufälle.
Geyer richtet sich durch Hülfe langsam und matt auf.
1. Richter. Wir wollen ihm die Papiere zeigen. – Kennen Sie dies hier, mein Herr?
v. Fuchs. Verläugnen Sie's; verschwören Sie's; können Sie's nicht.
Geyer. Ich kenn' es recht gut; es ist meine Hand, aber alles ist falsch.
Karl. O der Schändliche!
3. Richter. Sonderbar!
1. Richter. Ist der also kein Verbrecher, den Sie immer den Schmarotzer nennen?
Geyer. Eben so wenig, ehrwürdige Väter, als sein guter Herr, der Herr von Fuchs.
4. Richter. Der ist ja todt.
Geyer. O nein, ehrwürdige Väter, er lebt. –
1. Richter. Wie? lebt?
Geyer. Ja, er lebt.
2. Richter. Noch sonderbarer!
3. Richter. Man sagte ja, er sei gestorben.
Geyer. Ich nie.
3. Richter, zu Rabe. Sie sagten es.
Rabe. Ich hatt' es nur gehört.
Vorige. Der Notar. Fliege.
4. Richter. Hier kömmt der Mann! macht ihm Platz! – Für sich. Ein hübscher Mann; und wäre der Herr von Fuchs todt, eine gute Partie für meine Tochter.
3. Richter. Macht ihm Platz.
v. Fuchs, leise zu ihm. Fliege, fast war es aus mit mir; der Advokat hatte schon alles verrathen; er ist aber schon wieder gut gemacht. Alles ist wieder in Ordnung; sage nur, daß ich lebe.
Fliege. Was ist denn das für ein Kerl? – Ehrwürdige Väter, ich hätte mir schon früher die Ehre gegeben, Sie zu sehn, wenn die Besorgung für das Leichenbegängniß meines theuren Herrn –
v. Fuchs, leise zu ihm. Fliege!
Fliege. Den ich doch auf eine ehrenvolle Art beerdigen will –
v. Fuchs, für sich. Allenthalben betrogen!
Fliege. Mich nicht abgehalten hätte.
2. Richter. Immer sonderbarer! immer verwickelter!
1. Richter. Und kömmt wieder auf die erste Behauptung zurück.
4. Richter, für sich. Meine Tochter ist versorgt.
Fliege, leise zu v. Fuchs. Wollen Sie mir die Hälfte geben?
v. Fuchs. Lieber gehängt werden!
Fliege. Nun, Sie brauchen nicht so zu schreien; ich weiß, daß Sie eine gute Stimme haben.
1. Richter. Man frage doch den Advokaten: – sagten Sie nicht, der Herr von Fuchs lebe noch?
v. Fuchs. Ja und er lebt auch noch; dieser Herr hier hat es mir selbst gesagt. – leise. Du sollst die Hälfte haben.
Fliege. Was ist denn das für ein besoffener Kerl hier? Wer kennt ihn denn? Ich habe ihn nie gesehn. leise. Jetzt lasse ich Sie nicht so wohlfeilen Kaufes los.
v. Fuchs. Nicht?
1. Richter. Nun?
Geyer. Der Gerichtsdiener sagte es mir.
v. Fuchs. Ja, ehrwürdige Väter, und ich will mein eigen Leben zum Pfande setzen, daß er noch lebt; und eben dieser Herr hat es mir gesagt.
Fliege. Ehrwürdige Väter, wenn man diesem unverschämten Kerl mehr glaubt, als mir, so muß ich freilich schweigen. Ich glaube aber nicht, daß Sie mich deswegen rufen ließen.
2. Richter. Führt ihn hinweg.
v. Fuchs, leise. Fliege!
3. Richter. Laßt ihn auspeitschen.
v. Fuchs, leise. Willst Du mich denn ganz zu Grunde richten?
3. Richter. Lehrt ihn, wie er sich gegen honette Leute zu betragen habe.
4. Richter. Hinweg mit ihm!
Fliege. Ich danke Ihnen ergebenst, ehrwürdige Väter.
v. Fuchs, für sich. Stille! Ausgepeitscht, und mein ganzes Vermögen verlieren? Mehr kann mir auch nicht geschehn, wenn ich alles bekenne.
4. Richter. Sind Sie schon vermählt mein Herr?
v. Fuchs, für sich. Aha! Ich muß ihm sehr schnell einen Strich durch die Rechnung machen – zu Fliege. der Fuchs soll Dich doch überlisten.
Fliege, bittend leise. Gnädiger Herr!
v. Fuchs. Nein, ich will nicht allein unglücklich werden.
Fliege, leise. Gnädiger Herr!
v. Fuchs, indem er die Verkleidung abwirft. Ich heiße Fuchs, und dies ist hier mein schurkischer Diener; der Advokat, ein Betrüger: wir alle sind schuldig und straffällig; sprechen Sie uns also sogleich unser Urtheil.
Rabe. Mit der Erlaubniß der ehrwürdigen Väter –
Gerichtsdiener. Still!
1. Richter. Der Knoten ist durch ein Wunderwerk zerhauen.
2. Richter. Alles ist jetzt deutlich.
3. Richter. Die Unschuld der Angeklagten völlig ausgemacht.
1. Richter. Sie sind frei.
Karl. Lange können solche Niederträchtigkeiten nicht verborgen bleiben.
Rabe und Fliege. Ehrwürdige Väter –
1. Richter. Hat einer etwas zu seiner Rechtfertigung zu sagen?– Alle schweigen. – Es bedarf hier keiner langen Berathschlagung, da alle selbst ihr Vergehn bekennen. Die Richter unterreden sich leise.
Rabe und Geyer. Wir bitten um Gnade.
Louise. Verzeihen Sie ihnen.
1. Richter. Ihre Bitte ist edel; aber die Gewährung wäre von unsrer Seite Schwachheit. – zu Fliege. Du bist der Anführer des Komplotts: Du kömmst auf einen Monat ins Zuchthaus, und wirst dann aus der Stadt verwiesen.
Geyer. Ich danke Ihnen seinetwegen.
Fliege. Vergessen Sie sich selbst nur nicht!
1. Richter. Herr von Fuchs, Ihr Betragen ist in jeder Rücksicht niedrig. – Sie werden jährlich eine Summe von tausend Thalern in den Armen- und Krankenhäusern austheilen lassen, da Sie selber unter dem Schein verschiedener Krankheiten einen Theil Ihres Vermögens erworben haben.
v. Fuchs verbeugt sich.
1. Richter, zu Geyer. Sie entehren Ihren Stand: bei Gefängnißstrafe wird Ihnen untersagt, je wieder einen Prozeß zu führen. – Herr von Krähfeld, Sie haben sich als ein Mann gezeigt, der weder sein Vermögen zu verwalten, noch seinen Sohn zu schätzen weiß: Sie werden künftig unter der Vormundschaft Ihres Sohns stehn.
v. Krähfeld. Wie? Was sagte er?
Gerichtsdiener. Sie werden es hernach erfahren.
1. Richter, zu Rabe. Sie werden eine Geldbuße von tausend Thalern erlegen. Ihr guter Name hat sehr gelitten; man wird Ihnen also hoffentlich keine Vormundschaft mehr anvertrauen –
Rabe. Gut.
1. Richter. Louise, die in einigen Monaten mündig ist, ist frei; Sie geben ihr sogleich ihr Vermögen heraus.
Rabe. Gut. –
Karl. Und Louise –
Louise. Ist die Ihrige. –
Der Vorhang fällt.